Rede von
Matthias
Hoogen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das darf ich der Beurteilung des Herrn Kollegen Dr. Menzel selbst überlassen. Ich darf dazu sagen: wenn die Vertraulichkeit beschlossen ist, Herr Kollege Menzel, dann müssen wir uns darüber unterhalten, ob sie dem Parlament — ich meine jetzt dem Plenum — gegenüber zu halten ist.
— Meines Erachtens, Herr Kollege Menzel, kann das nur in einer nichtöffentlichen Sitzung dieses Hohen Hauses mitgeteilt werden, die nach dem Grundgesetz möglich ist, die wir bisher Gott sei Dank noch nicht hatten.
— Ich weiß es nicht, ich habe Ihre Ausführungen insoweit nicht gehört.
Offenbar hat der Herr Bundesinnenminister — und darin kann ich ihm nicht ganz unrecht geben — überhaupt die Tatsache, daß aus dieser Sitzung, die in ihrem vollen Umfang für vertraulich erklärt war, was ich nicht für besonders glücklich halte — —
— Herr Kollege Meitmann, Sie glauben jetzt, ich hätte selbst etwas aus der Sitzung gesagt, weil ich gesagt habe, daß sie vertraulich gewesen ist!
Ich glaube, so weit sollte der Formalismus nicht gehen.
— Herr Kollege Greve, ich glaube, wir sind gemeinsam der Meinung, daß man mit den Beschlüssen, Sitzungen eines Ausschusses oder Teile von Sitzungen eines Ausschusses für vertraulich zu erklären, sehr sparsam umgehen sollte,
well die Vertraulichkeit ohnehin nicht zu garantieren ist, da wir auf die Teilnahme an diesen Sitzungen unserer Bundestagsausschüsse auf Grund der Bestimmungen unseres Grundgesetzes keinen Einfluß nehmen können.
Herr Kollege Menzel, das hat weiterhin zur Folge, daß dann der Bundesinnenminister im Interesse der Sicherheit unseres Staates doch mit seinen Äußerungen zurückhaltend sein müßte. Das bedauere ich ebenso.
— Sehr richtig, Herr Kollege Greve, ich bin durchaus Ihrer Meinung. Da müssen wir eben einen Weg suchen, der es dem Minister ermöglicht, seine Aufgabe zu erfüllen; und die ist, die Sicherheit unseres Staates zu garantieren.
— Aber gestatten Sie mir, Herr Kollege Menzel, nachdem ich jetzt reichlich auf Ihre Fragen eingegangen bin und da nicht lange reden wollte, zu dem zu kommen, was ich mir vorgenommen hatte, und in kurzen Zügen zu sagen:
Ich habe schon erklärt, daß ich nicht die Absicht habe, zu der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion weiter Stellung zu nehmen. Das ist, wie ich glaube, hinreichend, meines Erachtens sogar etwas überreichlich geschehen.
Ich möchte auf den Fall John zurückkommen. Die sozialdemokratische Fraktion hat die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt. Von allen Seiten dieses Hauses ist die Einsetzung eines solchen begrüßt worden. Abgesehen davon kommt es nicht darauf an, ob wir das begrüßen. Ein Viertel der Mitglieder dieses Hauses hat die Möglichkeit, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen. Der Bundestag muß diesem Ersuchen entsprechen. Ich will nicht darauf verzichten, zu sagen, daß ich auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen in Untersuchungsausschüssen nicht sehr glücklich darüber bin, daß diese Fragen und möglicherweise weiter auftretende Fragen in dem Untersuchungsausschuß zur Sprache gebracht werden. Die dadurch möglicherweise eintretende Beunruhigung — wir haben doch allmählich wieder eine Beruhigung zu verzeichnen — könnte Wochen, vielleicht Monate hindurch anhalten, und der da-
durch entstehende Schaden stünde in keinem Verhältnis zu dem Gewinn, der eventuell erzielt wird.
Ich habe mir in Besprechungen Mühe gegeben, eine andere Lösung zu suchen, habe aber leider keinen Erfolg gehabt.
Wenn nun dieser Untersuchungsausschuß eingesetzt werden muß, möchte ich folgender Meinung Ausdruck geben. Ich stütze mich da auf eine Bemerkung von Herrn Bundesminister Kaiser, der mit Recht den Ausdruck gebraucht hat, die Affäre John sei „eine düstere" gewesen. Sie ist es in der Tat bis auf den heutigen Tag. Ich bin aber der Ansicht, daß dann diese „düstere Affäre" John — um mit den Worten des Herrn Bundesministers Kaiser zu sprechen — nicht erst von dem Tage seiner Tätigkeit als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sondern auch in die Vergangenheit zurück aufgeklärt werden muß.
Jetzt beginnt eine geschäftsordnungsmäßige Debatte. Ich darf gleich folgendes anfügen, weil ich mir vorstellen kann, daß wie mir ebenso den anderen Mitgliedern des Hohen Hauses das Gutachten des Herrn Professor Dr. Laforet bekannt ist. Es dreht sich um die Frage, ob die Mehrheit dieses Hauses berechtigt ist, zu dem Beweisthema des Untersuchungsausschusses, das zu bestimmen die Minderheit das Recht hat, einen Ergänzungs- oder Zusatzantrag zu stellen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, und wir haben damals an der Erstattung dieses Gutachtens im 1. Deutschen Bundestag mitgewirkt, als der erste Untersuchungsausschuß eingesetzt wurde. Seinerzeit hat Herr Professor Dr. Laforet einen Standpunkt vertreten, den ich zum allergrößten Teil billige, aber in einem hier interessierenden Punkte nicht ohne Einschränkung gutheißen kann, und zwar aus Rechtsgründen. Die Frage ist: Kann das Recht der Minderheit, das Recht eines Viertels der Mitglieder des Bundestages, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen und sein Beweisthema zu bestimmen, dadurch verkürzt werden, daß die Mehrheit oder ein anderes Viertel dieses Hauses einen Ergänzungsantrag stellt? Meine Damen und Herren, wenn dadurch das Recht der Minderheit verkürzt und eingeschränkt würde, könnte es selbstverständlich nicht geschehen. Wenn aber durch einen Ergänzungsantrag das Begehren der Minderheit vermehrt und dadurch verbessert wird, wenn nämlich die Untersuchung in einem weitergehenden Umfang durchgeführt werden soll, dann kann es meines Erachtens geschehen.
— Ja, Herr Kollege Greve, ich weiß! Deswegen habe ich schon selbst die gegenteilige Meinung vorgetragen. Ich bitte das als Akt der Freundlichkeit anzusehen.
Es kommt eine weitere Überlegung hinzu. Sie werden sicherlich einer anderen Minderheit dieses Hauses — und ein Ganzes hat bekanntlich vier Viertel, also sind noch drei weitere Viertel vorhanden — nicht das Recht verwehren, ihrerseits zu diesem Thema noch einen Untersuchungsausschuß zu beantragen. Dann hätten wir vier Untersuchungsausschüsse von den vier einzelnen Vierteln dieses Hohen Hauses.
— Ich weiß, es können noch mehr werden, Herr Mellies. Dann hätten wir sogar ein Ganzes, das aus mehr als vier Vierteln besteht. Ich glaube, wir sollten ein solches Schauspiel aus diesem Anlaß vor der deutschen Öffentlichkeit nicht aufführen.
Denn ich könnte mir denken, daß dieses Viertel mit unserem Begehren beantragen würde, hierfür einen Untersuchungsausschuß einzusetzen; und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, könnten das dann auch nicht verhindern. Dann würden die beiden Untersuchungsausschüsse vielleicht im gleichen Sitzungszimmer nebeneinander tagen.
— Wenn sie klug wären, würden sie sogar gemeinsam tagen, Herr Kollege Mellies. Deswegen sollten wir auch hier die Klugheit vor den Formalismus setzen und die These unseres früheren sehr verehrten Herrn Kollegen Professor Dr. Laforet, daß ein Beweisthema der Minderheit nicht vermehrt werden kann, dahin einschränken, daß es doch um ein weiteres Beweisthema vermehrt werden kann, wenn diese Vermehrung eine Verbesserung darstellt; und diese kann Ihnen, meine Damen und Herren, als den Antragstellern doch nur recht sein. Ich nehme doch an, Herr Kollege Greve, daß Ihnen —nicht nur Ihnen persönlich, sondern Ihnen und Ihren Freunden — daran liegt, die volle Wahrheit zu erforschen. Das habe ich doch heute aus allen Reden hier von diesem Platze aus gehört.
— Das ist genau das, was ich meine, Herr Kollege Dr. Greve. Ich bedaure sehr, ich bitte Sie uni Entschuldigung, daß ich mich so unklar ausgedrückt habe, daß Sie es offenbar aus meinen Worten nicht so entnommen haben.
Ich glaube, wir kommen der Sache näher, wenn ich einmal sage, wie nun dieser Ergänzungsantrag lauten soll. Ich muß zum Verständnis die anderen Punkte anführen, weil er ein sechster Punkt ist. Der erste Punkt befaßt sich mit der Dienstaufsichtspflicht der Bundesregierung, der zweite mit den Nachrichten über demokratische Politiker, der dritte enthält die Frage, ob das Bundesamt für Verf assungsschutz den Dienstweg über den Bundesminister des Innern eingehalten hat, der vierte betrifft die Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz Aufträge erhalten und entgegengenommen hat, die ihm nicht durch den Bundesminister des Innern zugekommen sind, und der fünfte enthält die Frage, unter welchen Umständen sich der Übertritt Johns — der Übertritt, nicht der Übergang Johns — in die sowjetisch besetzte Zone vollzogen hat. Der sechste Punkt soll nunmehr die Frage enthalten, ob zu irgendwelcher Zeit von seiten der politischen Parteien Bedenken gegen die Einstellung oder die Amtsführung Johns erhoben worden sind, insbesondere ob die Tätigkeit Dr. Johns und seine Zusammenarbeit mit anderen während des Krieges in der Emigration weilenden Deutschen zum Gegenstand von Bedenken gemacht worden sind oder ge-
macht werden können. Das halten wir — und ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten überreichen — für erforderlich, um uns ein abgerundetes Bild machen zu können. Ich darf hinzufügen, daß ich diesen Antrag nicht nur namens meiner eigenen Fraktion, der CDU/CSU, sondern auch namens der übrigen der Koalition angehörenden Fraktionen stelle.
Ich sagte Ihnen die Gründe, aus denen wir diesen Antrag für erforderlich halten. Ich bitte Sie, diesem Antrage bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zuzustimmen. Ich will mich im Augenblick nicht weiter darüber verbreiten. Denn ich möchte fast annehmen, daß die Geschäftsordnungsdebatte, die sich daraus entwickeln könnte, noch bei der einen oder anderen Gelegenheit zu vertiefen sein wird.
Lassen Sie mich noch einige wenige Ausführungen zu dem Mißbilligungsantrag gegen den Herrn Bundesminister Dr. Schröder machen. Es ist bereits von den Rednern unserer Fraktion gesagt worden, daß wir diesem Antrag nicht zustimmen. Die Redner unserer Fraktion haben auch gesagt, daß wir nicht in jeder Hinsicht die Meinungsäußerungen der Bundesregierung zum Fall John, wie sie insbesondere zu Beginn, am 22. Juli, als der Fall bekanntwurde, abgegeben worden sind, in allen Punkten gutheißen und daß man darüber durchaus geteilter Meinung sein kann. Herr Kollege Bauer, es hätte durchaus nicht der zahlreichen Verlesungen von Zeitungen bedurft, um uns davon zu überzeugen. Denn wenn Sie der Debatte aufmerksam gefolgt wären, hätten Sie das aus dem Mund der Redner meiner eigenen Fraktion bereits gehört.
Die sozialdemokratische Fraktion verlangt, daß der Bundestag das Verhalten des Bundesinnenministers mißbilligt. Ich verstehe unter dem Verhalten nicht so sehr die Äußerungen, sondern ich verstehe unter dem Verhalten die Maßnahmen, die der Herr Bundesminister getroffen oder die er nicht getroffen hat. Über diese Maßnahmen ist nun leider heute hier in der Debatte noch nicht gesprochen worden. Es kommt doch nicht darauf an, was er als These vertreten hat, sondern darauf, was er getan hat und worüber er dann naturgemäß im Interesse der Sicherheit unseres Staates nicht sprechen durfte.
Ich darf mir erlauben, Ihnen diese Maßnahmen ganz kurz einmal aufzuzeigen. Ich zeige sie Ihnen deswegen auf, weil wir der Meinung sind, daß diese Maßnahmen durchaus richtig, zweckmäßig, sachdienlich und auch für die damalige Situation genügend waren. Das ist der eigentliche Grund, weshalb wir dem Mißbilligungsantrag trotz unserer Meinungsverschiedenheit über die Äußerungen des Herrn Ministers nicht zustimmen.
Am 23. Juli — und ich darf Sie daran erinnern, daß am 22. nachmittags gegen 13 Uhr die Meldung des Bundespresseamts bekanntwurde, daß der Übertritt erfolgt sei —, am nächsten Tage also, ging der Auftrag an das Bundeskriminalamt zur Verfolgung der Angelegenheit gemäß § 4 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt — die bekannten schwerwiegenden Gründe —. Am selben Tage erfolgte die Zurückrufung des in Urlaub befindlichen Präsidenten des Bundeskriminalamts und seine Einsetzung in dieses Amt. Am 26. wurde eine