Rede:
ID0204208400

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2042

  • date_rangeDatum: 16. September 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1954 1941 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1941 D Nachruf für den verstorbenen Abg. Ten- hagen 1942 A Anteilnahme des Bundestages am Tode des Staatsoberhauptes der Republik Brasilien Dr. Vargas 1942 B Gedenkworte des Präsidenten für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Algerien . 1942 B Mandatsverzicht des Abg. Dr. Middelhauve 1942 B Eintritt der Abg. Held (Lemgo) und Mißmahl in den Bundestag 1942 B Übertritt des Abg. Meyer-Ronnenberg von der Fraktion des GB/BHE zur Fraktion der CDU/CSU 1942 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Neumayer, Jahn (Frankfurt), Frau Welter (Aachen), Brockmann (Rinkerode), Bock, Dr. Königswarter, Ruhnke, Frau Dr. Steinbiß, Dr. Leverkuehn, Dr. Zimmermann, Reitzner, Platner 1942 C Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1942 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 44, 79, 81, 83, 85, 87, 90, 91, 92, 95, 96, 97, 99 und 103 (Drucksachen 388, 770; 620, 747; 631, 786; 636, 764; 639, 761; 641, 748; 670, 756; 671, 777; 672, 766; 704, 776; 726, 778; 706, 808; 737, 773; 779, 797) 1943 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall John (Drucksache 767) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Falle John (Drucksache 768) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung des Verhaltens des Bundesministers des Innern (Drucksache 769) 1943 C Präsident D. Dr. Ehlers . . 1943 C, 1945 C, 1953 D, 1959 A Mellies (SPD), Anfragender . . . 1943 D, 1944 B, 1945 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1944 B, 1974 A Dr. Menzel (SPD), Anfragender und Antragsteller . . . 1947 C, 1959 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern . . . 1953 B, 1954 A, 1959 A, 1991 A, 1998 D Kiesinger (CDU/CSU) . . 1959 D 1965 C, D, 1988 C, 1989 C, D Schoettle (SPD) 1965 B, D Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) . . . . 1966 A Dr. von Brentano (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1974 B zur Sache 1993 B Unterbrechung der Sitzung . 1974 B Dr. Dehler (FDP) 1974 B Dr. Gille (GB/BHE) . . . 1977 A, 1978 C, 1979 A, 1981 D Erler (SPD) 1978 B, C Dr. Lütkens (SPD) . . . . 1978 D, 1979 A Welke (SPD) 1981 C Dr. von Merkatz (DP) 1982 B Rehs (SPD) 1987 C, 1988 D, 1989 C, D, 1991 B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1991 D Bauer (Würzburg) (SPD) . 1996 A, 1998 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . 2001 C, 2002 B Dr. Arndt (SPD) 2002 A Weiterberatung vertagt 2005 A Nächste Sitzung 2005 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Gille eine Antwort schuldig. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er in Verbindung mit den an den Herrn Innenminister gerichteten Fragen auch die Frage aufgeworfen hat, ob es 1950 überhaupt zu einer Berufung Johns zum Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz hätte kommen dürfen. Ich bin ihm dabei für sein Ansprechen Jakob Kaisers um so dankbarer, als mein Name im Zusammenhang mit dem Fall John in der Öffentlichkeit immerhin reichlich strapaziert worden ist und zwar nicht nur offen, sondern insbesondere auch in der Flüsterpropaganda. Ich will dabei nicht die Absichten untersuchen, die hinter den Versuchen stecken, mich möglichst eng mit dem Fall John in Verbindung zu bringen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man soll ja in der Politik nicht alle Motive untersuchen wollen. Gewundert hat es mich nur, daß ich nicht auch noch — sowohl in der Öffentlichkeit als auch heute hier — mit dem Fall Schmidt-Wittmack in Verbindung gebracht worden bin.

    (Lachen bei der SPD.)

    Nun zur Sache John! Hätte ich John für die Leitung des Amtes für Verfassungsschutz vorgeschlagen, würde ich nicht die geringste Veranlassung haben, daraus ein Hehl zu machen. Ich bin ge-


    (Bundesminister Kaiser)

    wohnt, zu den Verantwortungen, zu denen ich zu stehen habe, auch zu stehen.
    Tatsache ist nun, daß ich John für dieses Amt nicht vorgeschlagen habe. Wohl aber habe ich mich in selbstverständlicher Solidarität aus der Zeit des Widerstandes her für John anderweitig verwendet. Es geschah das Ende 1949, Anfang 1950 auf sein Ersuchen hin. Ich würde mich vor allen, denen Kameradschaft ein Begriff ist, schämen, wenn ich das heute irgendwie nicht wahrhaben wollte.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten in der Mitte.)

    Nach meinem besten Erinnern lernte ich John 1942 bei meinem Freund Josef Wirmer in Berlin kennen, der zu den Toten des 20. Juli zählt. In der Widerstandszeit bin ich John zusammen mit Klaus Bonhoeffer und anderen zwar nicht jeden Tag, aber doch des öfteren begegnet. John und Bonhoeffer brachten Wilhelm Leuschner und mich in Verbindung mit Prinz Louis Ferdinand, während ich wiederum John und Bonhoeffer mit Carl Friedrich Goerdeler, mit Generaloberst Beck und Generaloberst von Hammerstein in Verbindung brachte. Auch Botschafter von Hassell und andere Patrioten, ehrenwerteste Männer,

    (stürmischer Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien)

    waren bei diesem und jenem Gespräch im Hause Bonhoeffer zugegen, an denen auch John teilnahm. Ich kann nur kurz und präzise sagen, um was es bei diesen und bei vielen anderen Gesprächen jener Zeit ging. Zugrunde lag die Auffassung, daß eine Autorität gefunden werden müsse, die es der
    Wehrmacht ermöglichen konnte, mit der Hitlersehen Diktatur zu brechen. Diese Autorität konnte entsprechend den damaligen Notwendigkeiten nur aus einer Tradition kommen, die von der Wehrmacht, von ihren Generalen als legitim gegenüber der Hitlerdiktatur anerkannt werden konnte. Auf jeden Fall ging es dabei um die Frage, wie man zu raschem Handeln gegenüber dem Verhängnis, von dem Reich und Volk bedroht waren, kommen konnte. Für jeden Einsichtigen zeichnete sich damals immer greifbarer, immer stärker die Gefahr für Deutschland ab. Es ging einfach darum, so rasch zu handeln, daß wenigstens der Kommunismus vom deutschen Boden ferngehalten wurde. Ganz abgesehen davon, daß es den Männern des Widerstandes selbstverständlich auch darum ging, den Grausamkeiten des Systems und den sinnlosen Zerstörungen eines schon verlorenen Krieges so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

    Alles, was meine Freunde, meine Kameraden und ich, Soldaten und Zivilisten, in jenen Jahren von John erfuhren, waren Bemühungen in dieser Richtung. Nach seiner eigenen Haltung und nach dem Kreis von Menschen, in dem wir ihn kennenlernten, in dem wir den Mann sahen und sprachen, erschien er ganz einfach als aktiver, als konservativer Mann. Von irgendwelchen anderen Verbin dungen und Tendenzen Johns ist meinen Freunden und mir nie etwas bekanntgeworden.
    Ich weiß — und es flackerte ja vorhin auch wieder auf —, daß heute gelegentlich von Verbindungen mit der sogenannten „Roten Kapelle" gemunkelt und gesprochen wird. Die Diffamierungsmaschine hat ja auch versucht, mich, den Jakob Kaiser, in diese Gegend zu rücken.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Soviel ich weiß, ist dieser Name, dieser Begriff, dieses Rubrum „Rote Kapelle" von der Gestapo geprägt worden. Ich habe die Männer und die Frauen dieses Kreises nicht gekannt. Ich hatte auch nie den geringsten Kontakt mit ihnen. Ich darf überhaupt in diesem Zusammenhang sagen, daß meine Freunde und ich in all den Hitler-Jahren niemals irgendeinen Kontakt mit Kommunisten gehabt haben. Ob John solchen Kontakt hatte, entzieht sich meiner Kenntnis. Sicher ist, daß meine Freunde und ich absolut keinen Anlaß hatten, es anzunehmen.
    Nach dem 20. Juli habe ich von John jahrelang nichts gehört. Wer mein eigenes Schicksal kennt, weiß, daß ich kein weiteres Wort dazu zu sagen brauche. Meine eigene Tätigkeit nach 1945 spielte sich bis 1948 in Berlin und in der Sowjetzone ab. Wir standen damals in harter Auseinandersetzung mit dem Kommunismus. Sie wissen alle miteinander, wie abgeschlossen das Leben jenseits der Elbe, Werra, Fulda schon damals war.
    Kurz nach meinem Eintritt in die Bundesregierung, Ende 1949, trat John mit mir erstmals wieder in Verbindung. Er schrieb mir aus London und bat mich, ihm behilflich zu sein, nach Möglichkeit eine berufliche Grundlage zu finden, die ihm die Rückkehr nach Deutschland, in die Heimat, woran ihm gelegen sei, ermöglichen könnte. Er interessierte sich dabei für die Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt und für die Ruhrbehörde. Ich habe selbstverständlich seinem Wunsch entsprochen; denn dieser Mann John hatte in meinen Augen bis zum 20. Juli 1944 seinen Mann gestanden. Die Flucht vor dem sicheren Tod war ihm geglückt, wie sie leider — Gott sei es um unseres Volkes willen geklagt — nur allzu wenigen der Männer und Frauen des 20. Juli geglückt war.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

    Nun schrieb mir John als Rechtsanwalt aus London. Von irgendeiner anderen Tätigkeit war zu mir in der Abgeschlossenheit von Berlin und Mitteldeutschland nichts gedrungen. Und in Bonn hatte mir damals keiner von denen, die heute so viel wissen wollen, auch nur ein Wort von einer andern Betätigung Johns gesagt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich erinnere mich auch nicht, damals in irgendeiner Zeitung darüber etwas gelesen zu haben. So gebot es meine kameradschaftliche Pflicht gegenüber einem Mann des Widerstandes, zu versuchen, ihm nach Möglichkeit behilflich zu sein. Wie sich sein Anliegen hinsichtlich des Außenamtes und der Ruhrbehörde entwickelte, ist mir damals nicht weiter bekanntgeworden.
    Nun ging es — das haben wir heute vom Innenminister gehört — im Verlaufe des Jahres 1950 um einen geeigneten Mann für die Leitung des im Aufbau befindlichen Amtes für Verfassungsschutz. Acht Kandidaten — wir hörten es vom Innenminister — hatten schon eine Rolle gespielt. Daß man im Innenministerium schließlich auf den Namen John stieß, der seiner Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung wegen von den Alliierten doch wahrscheinlich akzeptiert werden konnte und der von mir in anderem Zusammenhang genannt wor-

    A (Bundesminister Kaiser)

    den war und sich auch noch auf andere Empfehlungen berufen konnte, entsprach einfach der damaligen Situation. Es handelte sich doch schließlich um 1950 und nicht um 1954.
    In einer Zeitung ist nun in diesen Tagen noch die erstaunliche Behauptung aufgestellt worden, daß meinerseits mit Otto John eine enge Fühlungnahme von Haus zu Haus bestanden habe. Hier haben wir wieder einmal ein greifbares Beispiel, wie man versucht, mit bewußten Falschmeldungen Zwiespalt zu säen. Ich stelle dazu fest: ich weiß bis zur Stunde noch nicht, wo John in Köln gewohnt hat. Ich habe ihn im Verlauf der vier Jahre weder in seiner Wohnung noch in seinem Amt besucht. Wohl hat mich John im Verlauf dieser vier Jahre ein-, vielleicht sogar zweimal in größerer Gesellschaft besucht. Aber ich kann mich jedenfalls nicht zu jenen zählen, die mit ihm in diesen Jahren freundschaftlichen Verkehr pflegten. Soviel zu meiner angeblichen engeren Fühlungnahme von Haus zu Haus.
    Nun auch meinerseits noch eine kurze politische Bemerkung. Ich habe den Eindruck, bestimmte Kreise suchen an Hand des düsteren Falles John zunächst einmal die ganze Widerstandsbewegung, die Männer und Frauen des 20. Juli, zu treffen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich sage dazu: traurig genug, daß die Widerstandsbewegung gerade nach diesem 20. Juli 1954, der ihre Bedeutung für ganz Deutschland wie kaum zuvor sichtbar werden ließ, durch die düstere Affäre John für einen Augenblick in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der verantwortungsbewußte, der freiheitliche Wille des deutschen Widerstandes
    B ist gerade in unseren heutigen Tagen innen- und außenpolitisch zu bedeutsam, als daß wir ihn angreifen lassen dürften.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

    Noch eins, meine Damen und Herren, wenn ich es vielleicht auch nicht mit den glücklichen Worten sagen kann, wie sie heute schon von verschiedenen Sprechern, nicht zuletzt vom Kollegen Kiesinger, zum Ausdruck gebracht wurden: man sollte doch über allem Widerstreit nicht vergessen, wie sehr solche Fälle, mit denen sich der Bundestag heute befassen muß, den ebenso tragischen wie unhaltbaren Zustand unseres Vaterlandes demonstrieren. Solange der Kommunismus auf deutschem Boden steht, solange Deutschland Schauplatz des Kalten Krieges bleibt, solange Deutschland geteilt, gespalten und zerrissen bleibt, wird es Krankheits-
    und Krisenerscheinungen geben. Wir können uns letzten Endes gegen menschliche und politische Rückschläge und Erschütterungen dieser Art nur dann wirksam sichern, wenn die Teilung unseres Landes überwunden wird.

    (Lebhafter Beifall im ganzen Hause.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Debatte heute nachmittag konnte man manchmal vergessen, warum wir eigentlich hier zusammengekommen sind. Ich glaube, wir sollten uns doch daran noch einmal erinnern. Ich habe mit großem Interesse und mit großer Aufmerksamkeit die Begründung gehört, die die Kollegen Mellies und Dr. Menzel
    für die Anträge ihrer Fraktion gegeben haben. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden nicht erwarten, daß ich nun sage, ich sei mit allem einverstanden gewesen. Aber ich darf doch sagen, daß die ernste Sorge, die aus Ihren Worten sprach, von mir sehr wohl verstanden wurde. Ich möchte Ihnen sehr eindeutig sagen und versichern, das, was sich ereignet hat, was uns hier zusammengeführt hat, der Fall John und auch der Fall Schmidt-Wittmack, ist wirklich geeignet, uns alle unruhig zu stimmen und uns vor die Frage zu stellen, was wir gemeinsam tun können und was wir gemeinsam tun müssen, um dieses Gefühl der Unsicherheit zu bändigen, das sicherlich im deutschen Volke aufgekommen ist.
    Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang — und es wäre falsch und schlecht, ihn irgendwie zu bagatellisieren —, daß der Leiter eines Amtes für Verfassungsschutz in der Bundesrepublik und daß ein Abgeordneter dieses Hauses den Weg nach dem Osten finden. Die Tatsache, daß Herr Schmidt-Wittmack meiner Fraktion angehört hat, kann mich in keiner Weise veranlassen, dieses ernste Problem etwa zu bagatellisieren oder zu verkleinern. Im Gegenteil, es ist für mich sicherlich noch schwerer als für Sie, darüber zu sprechen.
    Wir haben auch gehört, was an Kritik geäußert wurde über die Reaktion der Bundesregierung und des Bundesinnenministers Dr. Schröder, nachdem die Fälle passiert waren, insbesondere nachdem Herr Dr. John seine Zelte drüben in der sowjetisch besetzten Zone aufgeschlagen hatte. Mein Freund Kiesinger hat es schon ausgesprochen. Ich kann wiederholen, daß auch bei mir und meinen Freunden nicht zu jeder einzelnen Maßnahme und Verlautbarung etwa ungeteilte Zustimmung festzustellen war. Es hätte sicherlich manches — und das kann man und soll man diskutieren — auch anders gemacht werden können. Aber eines sollten wir doch nicht tun: wir sollten doch nun nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das ist der Grund, weswegen wir — das darf ich vorwegnehmen — auch nicht in der Lage sind, etwa Ihrem Mißbilligungsantrag zuzustimmen. Wir halten es nicht für sehr glücklich und vielleicht auch nicht — erlauben Sie mir, das zu sagen — für sehr vernünftig, nun aus dem Fall John einen Fall Schröder zu machen. Ich halte es allerdings für noch unglücklicher und werde darauf zurückkommen, wenn sich ein Mitglied des Hauses die Mühe gibt, aus dem Fall John einen Fall Adenauer zu machen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Vorgänge, die zu der Ernennung des Herrn John geführt haben, hat der Herr Bundesminister des Innern hier sehr klar geschildert. Wir widersprechen der Einsetzung des Ausschusses in keiner Weise. Es wird Sache des Ausschusses sein, auch diese Vorgänge noch zu klären. Aber wir sollten hier uns doch gegenseitig ehrlich zugeben, daß bis zu dem Tage, an dem Herr Dr. John in Berlin über die Grenze ging, auch der Innenminister Schröder von niemand gewarnt wurde, auch nicht von den vielen Illustrierten oder Nichtillustrierten, die nachträglich so vieles Interessante über Herrn Dr. John, sein Vorleben, seine Vergangenheit, seine subversive Tätigkeit, seine Beziehungen, seine Veranlagung und sonstwas zu sagen wußten.

    (Abg. Schoettle: Das gilt für die, die es schon immer gewußt haben, Herr Dr. von Brentano!)


    (Dr. von Brentano)

    — Genau.

    (Abg. Schoettle: Dann sind wir ja einig!)

    — Vollkommen einig! Wobei ich so unbescheiden bin — ich muß es sein, obwohl mich jetzt Herr Schoettle anspricht —, immerhin zu sagen: Wenn ich mich recht erinnere, bin ich der einzige, der Herrn Dr. Lehr einen Brief geschrieben hat, als Herr Dr. John ernannt wurde, der einzige des ganzen Bundestages. Ich glaube, daß zu den Akten des Bundesministeriums auch von all den Journalisten, die nun die Artikel schreiben, keine Warnung erfolgt ist. Meine Warnung erfolgte, um das klarzustellen — denn ich unterstreiche jedes Wort, das mein Freund Kaiser hier gesagt hat —, nicht deswegen, weil ich einem Dr. John mißtraute oder ihn für ungeeignet hielt, weil er zu den Männern des 20. Juli gehörte.
    Meine Damen und Herren, wir sollten uns wirklich hüten — und ich bin meinem Freund Kaiser dankbar, daß er hier einiges dazu gesagt hat —, uns dazu verlocken zu lassen. Ich unterstreiche, was Herr Kollege Dr. Menzel gesagt hat. Gibt es denn nicht uns allen zu denken, daß solche Ratten wie Herr Diels wieder aus den Löchern kommen, daß solche Leute den traurigen Mut haben, anstatt zu schweigen und sich zu schämen, nun Artikel und Bücher zu veröffentlichen und uns die „Segnungen" des „Dritten Reichs" anzupreisen, Leute, die die Gestapo, die die Konzentrationslager aus der Taufe gehoben haben?!

    (Starker Beifall.)

    Ich habe auch hier die Bitte an den Herrn Innenminister, in solchen Fällen doch zu prüfen, ob nicht der Zeitpunkt gekommen ist, wo man von der Sondervorschrift in dem Ausführungsgesetz zu Art. 131 Gebrauch macht.

    (Erneuter lebhafter Beifall.)

    Menschen, die eine solche Tätigkeit ausuben, Menschen, die in einer so hundsgemeinen und subversiven Weise die neue werdende Demokratie angreifen, haben weiß Gott kein Recht, sich auf Rechtsansprüche zu berufen und Pensionen von den Steuerzahlern zu beziehen, die mit ihren Groschen eine Demokratie bauen wollen.

    (Starker anhaltender Beifall.)

    Was vorgegangen ist, muß sicherlich geprüft werden. Es soll auch geprüft werden, ob aus der Tätigkeit des Herrn Dr. John noch irgendein Schaden entstehen konnte oder entstehen kann. Es wird hier vielleicht nötig sein, personelle Entscheidungen in dem Amt oder was sonst nachzuprüfen. Ich möchte den Einzelheiten nicht vorgreifen. Aber es scheint mir doch etwas zu primitiv, wenn sich ein Redner etwa hinstellt und sagt: Eines müssen wir feststellen: hier ist ein unerhörter personeller Mißgriff vorgekommen. Meine Damen und Herren, wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer klüger. Aber der das gesagt hat — es war der Abgeordnete Reinhold Maier, der einen hochinteressanten Beitrag zu dieser Diskussion geleistet hat, was mich veranlaßt, einige Bemerkungen zu machen —, hat damals — er war ja seinerzeit noch im Bundesrat — auch zu diesem „unerhörten personellen Mißgriff" geschwiegen. Es macht keinen sehr überzeugenden Eindruck, wenn er sich nun hierherstellt und den Empörten spielt. Ich habe überhaupt — und ich muß es sagen trotz der beinahe dithyrambischen Anerkennung, die Herr Rehs Herrn Kollegen Reinhold Maier gezollt hat — nicht den Eindruck, daß diese Äußerungen des Abgeordneten Maier sehr glücklich waren. Ich persönlich darf Ihnen sagen, daß ich während dieser Rede ein peinliches Gefühl nicht loswurde.

    (Abg. Neumann: Wollen Sie uns das näher sagen?)

    — Ich darf Ihnen auch sagen, warum. Ich habe den Eindruck, daß uns diese Rede veranlassen sollte, den Herrn amtierenden Präsidenten zu bitten, in Zukunft die Verlesung wohlvorbereiteter Reden zu verhindern; denn wenn er diese Rede nicht wortwörtlich vorgelesen hätte, wäre uns vieles erspart geblieben.

    (Abg. Schoettle: Da käme mancher in diesem Hause in Schwierigkeiten! — Weiterer Zuruf von der SPD: Das muß aber für alle gelten! — Gegenruf des Abg. Neuburger: Sehr richtig!)

    Der Herr Abgeordnete Maier hat an einer Stelle seiner Rede gesagt: Wie kommt eigentlich diese böse CDU/CSU dazu, einen Fraktionsbeschluß zu fassen, in dem sie erklärt, daß der Innenminister Dr. Schröder ihr Vertrauen hat? Das ist eine Ungeheuerlichkeit, eine Sitzung so vorzubereiten; denn man muß doch hier erst in der Sitzung diese Entscheidung treffen. — Aber er kommt mit einem Manuskript von 30, 40 Seiten wohlvorbereitet, er hört nicht, was vorher gesagt wird, er geht nicht darauf ein, sondern er liest treuherzig ab mit all den kleinen Mätzchen und Aperçus.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich hatte manchmal den Eindruck, in einem sehr billigen Kabarett zu sein, und ich frage auch den Herrn Kollegen Maier, ob er diese Dinge für sehr geschmackvoll hält. Er macht beispielsweise diesem Bundestag, er macht dieser Koalition, er macht diesem Kabinett den Vorwurf, die Innenpolitik nach „Methoden der Kindesaussetzung" zu behandeln. Nun, ich habe die Hoffnung, daß vielleicht die vier Minister, die seine Fraktion in dieses Kabinett entsandt hat, sich mit ihm über diese Kindesaussetzung unterhalten werden. Wenn man einer solchen Koalition angehört und hier im Bundestag jede Gelegenheit hat, die vermißte Initiative zu entfalten — ich vermisse sie bisher bei Ihnen, Herr Kollege Maier —, dann kann man sich nicht hier herstellen und sagen: Das, was hier geschehen ist, ist schlecht. Ach, Herr Maier, Sie hatten hier ebensoviel Gelegenheit, eine falsche Initiative zu entfalten, wie in Stuttgart auch!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich muß ein paar weitere Bemerkungen machen. Herr Kollege Maier hat dann sehr ernst und mit einer ungeheuer moralischen Miene gesagt — so ungefähr war es —: Was muß eigentlich in der Bundesrepublik passieren, bis was passiert? Nun, die Fragestellung ist an sich sehr schön, und wenn Herr Innenminister Schröder etwa die Flucht von Herrn John gedeckt hätte, dann müßte allerdings sehr viel geschehen. Wenn er eine Verantwortung hätte, wenn er gegen sein besseres Wissen Herrn John gehalten oder berufen hätte, auch dann müßte sehr viel geschehen. Aber hier ist etwas passiert, was nach meiner Meinung, nach unserer Meinung, die vielleicht von der des Herrn Kollegen Maier ab-


    (Dr. von Brentano)

    weicht, nicht in den Verantwortungsbereich unseres Freundes Schröder hineinfällt.

    (Abg. Dr. Greve: Verantwortungsbereich ja, nur nicht Schuldbereich!)

    — Ich werde gern darauf eingehen, Herr Kollege.
    — Aber ich darf vielleicht eine indiskrete Frage stellen: Was ist denn eigentlich alles in Stuttgart passiert, ohne daß etwas passierte, als Sie Ministerpräsident waren?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Hilbert: Den Bericht des Rechnungshofs vorlesen, Herr Brentano!)

    Meine Damen und Herren, es wäre wirklich verlockend, auf einzelne Dinge einzugehen.

    (Abg. Schoettle: Was ist denn in Stuttgart passiert; Herr Brentano?)

    Meine Damen und Herren, ich werde mich hier nicht auf Einzelheiten einlassen. Ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber zu reden.

    (Abg. Schoettle: Persönlich? Daran bin ich nicht interessiert! Nein, nein, das machen wir dann hier!)

    — Nun, ich darf an den Fall Maier/Meier, an den Fall Bürkle und an ähnliches mehr erinnern, was für Herrn Maier in keiner Weise Veranlassung war, daß mit ihm etwas passierte. Dazu mußten erst die Wähler kommen, daß ihm was passierte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es wäre noch einiges dazu zu sagen, und es wäre auch so einiges zu den mißglückten Aperçus unseres verehrten Kollegen Maier zu sagen,

    (Zuruf von der SPD: Gespräche am Kamin der Koalition!)

    der böse war, weil er in einer Erklärung des Herrn Bundeskanzlers das Wort vom „Übergang" des Herrn John fand. Er glaubte, das sei nicht so ganz richtig. Er zeigte dann, daß er klassisch gebildet sei. Er sprach von „transfuga" und davon, daß das „Überläufer" bedeute. Ja, meine Damen und Herren, wir wollen uns über diese Dinge nicht so intensiv unterhalten. Die SPD spricht in ihrem Antrag vom „Übertritt". Ob das die Übersetzung von „transfuga" ist, weiß ich auch nicht. Herr Maier hat dann selbst in seiner Rede von dem Tag der „Amtsaufgabe" des Herrn John gesprochen. Ist das die neue Übersetzung von „Überläufer"? Also wollen wir uns doch nicht so sehr an die Worte klammern! Lassen Sie mich das noch sagen: Ich hatte wirklich die Hoffnung, die aufrichtige Hoffnung gehabt, daß der gute Appell meines Freundes Kiesinger, den wir alle unterstützt haben, auch so begriffen und verstanden werde. Ich hatte auch den Eindruck, daß er zunächst so verstanden wurde.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir können in diesem Parlament nicht die prästabilierte Harmonie schaffen, daß wir nun in allen Fragen einig sind. Wir haben auch sehr viel Verständnis für die berechtigte Kritik der Opposition an vielen Dingen, und wir haben sehr viel Verständnis für die Notwendigkeit einer solchen Kritik. Alles das soll nicht unterbleiben. Aber hier geht es doch wirklich — und das hat mein Freund Kiesinger ausgesprochen — um die Grundlagen dieses demokratischen Staates, und wir sollten uns gemeinsam bemühen, sie nicht zu erschüttern, sondern sie zu festigen. Wir sollten den Gründen der Vertrauenskrise nachgehen und sollten uns auch darüber, wenn wir verschiedener Meinung sind, offen und ehrlich die Meinung sagen, aber nicht, indem wir, wie es dann in dieser Rede des Herrn Maier geschah, von der ich schon sprach, unterdrückte Ressentiments loslassen, die wirklich mit diesem Fall gar nichts zu tun haben und für die die Öffentlichkeit in dieser Stunde kein Verständnis hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe es auch nicht so scharf beurteilt wie mein verehrter Kollege Rehs, daß Herr Dr. Dehler als Fraktionsvorsitzender dann auf die Tribüne gegangen ist, aber nicht um Nebel abzulassen, sondern um den bedauerlicherweise nicht vollkommen gelungenen Versuch zu unternehmen, eine Atmosphäre zu entgiften, die durch den rhetorischen Beitrag unseres Kollegen Maier wirklich schlecht geworden war.

    (Abg. Dr. Greve: Um „Pater Konrad, peccavi" zu sagen!)

    Aber dazu zu sprechen, ist hier nicht der Platz. Es gibt andere Möglichkeiten.
    Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit besteht, uns in diesen Fragen, die uns doch alle angehen, in der sachlichen Diskussion zu finden, uns gegenseitig anzuhören. Ich versichere Ihnen, meine Fraktion ist dazu bereit, in einer solchen Situation besonders bereit, jedes sachliche, ernste, kritische Wort, das hier gesprochen wird, anzunehmen; denn wir wissen — und davon befreit uns niemand —, daß wir in der Verantwortung stehen, auch wenn Fehler geschehen, und wir müssen diese Verantwortung dann auch tragen. Aber das sollte uns doch dazu bringen, uns zu verständigen. Ich möchte den Appell aufnehmen, den dankenswerterweise Herr Kollege von Merkatz wiederholt hat: Können wir nicht den Versuch unternehmen — bei allem, was uns trennt, und bei aller Schärfe der Kritik —, uns gegenseitig die Möglichkeit zu geben, diese Mißstände gemeinsam zu beseitigen? Meine Damen und Herren, es geht um den Staat, in dem wir alle leben. Dieser Staat ist kein Verein, von dem sich der eine distanzieren kann, und eine Regierung ist auch kein Vereinsvorstand. Es ist mehr, und es geht darum, Vertrauensgrundlagen wiederherzustellen, die — ich betone und wiederhole es und muß es anerkennen — durch die Vorgänge der jüngsten Vergangenheit erschüttert worden sind. Ich glaube, wir dienen diesem Vertrauen draußen nicht, wenn wir uns nun hier zanken, wenn wir uns gegenseitig den guten Willen absprechen, wenn wir das Wort des anderen so auslegen, wie es der Herr Kollege Rehs gegenüber meinem Freund Kiesinger getan hat.
    In der Aufklärung dieses Tatbestandes, in dem Bemühen, die Wiederholung ähnlicher Ereignisse zu verhindern, in dem Bemühen, alles zu tun, um auch die möglichen Auswirkungen zu ergründen, in dem Bemühen, alle Vorgänge zu durchleuchten, um jede schädliche Auswirkung, soweit sie noch vorhanden sein könnte oder sich später zeigen könnte, auszuräumen, in diesem Bemühen werden Sie uns im Ausschuß und außerhalb des Ausschusses, im Untersuchungsausschuß und im Ausschuß für Verfassungsschutz auf Ihrer Seite haben. Sie werden uns auch auf Ihrer Seite haben in dem Bemühen, die Grundlagen der Arbeit der Verfassungsschutzämter — lassen Sie es mich sagen — in Bund und Ländern einer echten und gründlichen Revision zu unterziehen. Denn wir sind der Meinung — und ich unterstreiche, was mein Freund Kiesinger in der


    (Dr. von Brentano)

    Debatte gesagt hat, als hier das ganze Verfassungsschutzwesen seinerzeit einmal zur Diskussion stand —: Hier brauchen wir die rechtsstaatlichen Grundlagen, und wir brauchen die rechtsstaatlichen Garantien auch für den einzelnen. Ich widersetze mich genau wie Sie der Duldung einer Institution, die außerhalb dieser rechtsstaatlichen Ordnung Eingriffsmöglichkeiten besitzt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich widersetze mich der Möglichkeit, als Staatsbürger dieses Landes etwa kontrolliert und beobachtet zu werden, ohne daß man mir die Möglichkeit gibt, gegen Verleumdungen Stellung zu nehmen. Alles das wird zu einer organischen Reform des Verfassungsschutzes gehören. Ich meine, wir sollten gemeinsam daran arbeiten. Die Grundlagen dafür sind in dieser Diskussion zumindest teilweise entstanden, und es ist mein Wunsch, daß sie in der Fortsetzung dieser Diskussion auch noch endgültig gelegt werden.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der DP.)