Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Gille eine Antwort schuldig. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er in Verbindung mit den an den Herrn Innenminister gerichteten Fragen auch die Frage aufgeworfen hat, ob es 1950 überhaupt zu einer Berufung Johns zum Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz hätte kommen dürfen. Ich bin ihm dabei für sein Ansprechen Jakob Kaisers um so dankbarer, als mein Name im Zusammenhang mit dem Fall John in der Öffentlichkeit immerhin reichlich strapaziert worden ist und zwar nicht nur offen, sondern insbesondere auch in der Flüsterpropaganda. Ich will dabei nicht die Absichten untersuchen, die hinter den Versuchen stecken, mich möglichst eng mit dem Fall John in Verbindung zu bringen.
Man soll ja in der Politik nicht alle Motive untersuchen wollen. Gewundert hat es mich nur, daß ich nicht auch noch — sowohl in der Öffentlichkeit als auch heute hier — mit dem Fall Schmidt-Wittmack in Verbindung gebracht worden bin.
Nun zur Sache John! Hätte ich John für die Leitung des Amtes für Verfassungsschutz vorgeschlagen, würde ich nicht die geringste Veranlassung haben, daraus ein Hehl zu machen. Ich bin ge-
wohnt, zu den Verantwortungen, zu denen ich zu stehen habe, auch zu stehen.
Tatsache ist nun, daß ich John für dieses Amt nicht vorgeschlagen habe. Wohl aber habe ich mich in selbstverständlicher Solidarität aus der Zeit des Widerstandes her für John anderweitig verwendet. Es geschah das Ende 1949, Anfang 1950 auf sein Ersuchen hin. Ich würde mich vor allen, denen Kameradschaft ein Begriff ist, schämen, wenn ich das heute irgendwie nicht wahrhaben wollte.
Nach meinem besten Erinnern lernte ich John 1942 bei meinem Freund Josef Wirmer in Berlin kennen, der zu den Toten des 20. Juli zählt. In der Widerstandszeit bin ich John zusammen mit Klaus Bonhoeffer und anderen zwar nicht jeden Tag, aber doch des öfteren begegnet. John und Bonhoeffer brachten Wilhelm Leuschner und mich in Verbindung mit Prinz Louis Ferdinand, während ich wiederum John und Bonhoeffer mit Carl Friedrich Goerdeler, mit Generaloberst Beck und Generaloberst von Hammerstein in Verbindung brachte. Auch Botschafter von Hassell und andere Patrioten, ehrenwerteste Männer,
waren bei diesem und jenem Gespräch im Hause Bonhoeffer zugegen, an denen auch John teilnahm. Ich kann nur kurz und präzise sagen, um was es bei diesen und bei vielen anderen Gesprächen jener Zeit ging. Zugrunde lag die Auffassung, daß eine Autorität gefunden werden müsse, die es der
Wehrmacht ermöglichen konnte, mit der Hitlersehen Diktatur zu brechen. Diese Autorität konnte entsprechend den damaligen Notwendigkeiten nur aus einer Tradition kommen, die von der Wehrmacht, von ihren Generalen als legitim gegenüber der Hitlerdiktatur anerkannt werden konnte. Auf jeden Fall ging es dabei um die Frage, wie man zu raschem Handeln gegenüber dem Verhängnis, von dem Reich und Volk bedroht waren, kommen konnte. Für jeden Einsichtigen zeichnete sich damals immer greifbarer, immer stärker die Gefahr für Deutschland ab. Es ging einfach darum, so rasch zu handeln, daß wenigstens der Kommunismus vom deutschen Boden ferngehalten wurde. Ganz abgesehen davon, daß es den Männern des Widerstandes selbstverständlich auch darum ging, den Grausamkeiten des Systems und den sinnlosen Zerstörungen eines schon verlorenen Krieges so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten.
Alles, was meine Freunde, meine Kameraden und ich, Soldaten und Zivilisten, in jenen Jahren von John erfuhren, waren Bemühungen in dieser Richtung. Nach seiner eigenen Haltung und nach dem Kreis von Menschen, in dem wir ihn kennenlernten, in dem wir den Mann sahen und sprachen, erschien er ganz einfach als aktiver, als konservativer Mann. Von irgendwelchen anderen Verbin dungen und Tendenzen Johns ist meinen Freunden und mir nie etwas bekanntgeworden.
Ich weiß — und es flackerte ja vorhin auch wieder auf —, daß heute gelegentlich von Verbindungen mit der sogenannten „Roten Kapelle" gemunkelt und gesprochen wird. Die Diffamierungsmaschine hat ja auch versucht, mich, den Jakob Kaiser, in diese Gegend zu rücken.
Soviel ich weiß, ist dieser Name, dieser Begriff, dieses Rubrum „Rote Kapelle" von der Gestapo geprägt worden. Ich habe die Männer und die Frauen dieses Kreises nicht gekannt. Ich hatte auch nie den geringsten Kontakt mit ihnen. Ich darf überhaupt in diesem Zusammenhang sagen, daß meine Freunde und ich in all den Hitler-Jahren niemals irgendeinen Kontakt mit Kommunisten gehabt haben. Ob John solchen Kontakt hatte, entzieht sich meiner Kenntnis. Sicher ist, daß meine Freunde und ich absolut keinen Anlaß hatten, es anzunehmen.
Nach dem 20. Juli habe ich von John jahrelang nichts gehört. Wer mein eigenes Schicksal kennt, weiß, daß ich kein weiteres Wort dazu zu sagen brauche. Meine eigene Tätigkeit nach 1945 spielte sich bis 1948 in Berlin und in der Sowjetzone ab. Wir standen damals in harter Auseinandersetzung mit dem Kommunismus. Sie wissen alle miteinander, wie abgeschlossen das Leben jenseits der Elbe, Werra, Fulda schon damals war.
Kurz nach meinem Eintritt in die Bundesregierung, Ende 1949, trat John mit mir erstmals wieder in Verbindung. Er schrieb mir aus London und bat mich, ihm behilflich zu sein, nach Möglichkeit eine berufliche Grundlage zu finden, die ihm die Rückkehr nach Deutschland, in die Heimat, woran ihm gelegen sei, ermöglichen könnte. Er interessierte sich dabei für die Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt und für die Ruhrbehörde. Ich habe selbstverständlich seinem Wunsch entsprochen; denn dieser Mann John hatte in meinen Augen bis zum 20. Juli 1944 seinen Mann gestanden. Die Flucht vor dem sicheren Tod war ihm geglückt, wie sie leider — Gott sei es um unseres Volkes willen geklagt — nur allzu wenigen der Männer und Frauen des 20. Juli geglückt war.
Nun schrieb mir John als Rechtsanwalt aus London. Von irgendeiner anderen Tätigkeit war zu mir in der Abgeschlossenheit von Berlin und Mitteldeutschland nichts gedrungen. Und in Bonn hatte mir damals keiner von denen, die heute so viel wissen wollen, auch nur ein Wort von einer andern Betätigung Johns gesagt.
Ich erinnere mich auch nicht, damals in irgendeiner Zeitung darüber etwas gelesen zu haben. So gebot es meine kameradschaftliche Pflicht gegenüber einem Mann des Widerstandes, zu versuchen, ihm nach Möglichkeit behilflich zu sein. Wie sich sein Anliegen hinsichtlich des Außenamtes und der Ruhrbehörde entwickelte, ist mir damals nicht weiter bekanntgeworden.
Nun ging es — das haben wir heute vom Innenminister gehört — im Verlaufe des Jahres 1950 um einen geeigneten Mann für die Leitung des im Aufbau befindlichen Amtes für Verfassungsschutz. Acht Kandidaten — wir hörten es vom Innenminister — hatten schon eine Rolle gespielt. Daß man im Innenministerium schließlich auf den Namen John stieß, der seiner Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung wegen von den Alliierten doch wahrscheinlich akzeptiert werden konnte und der von mir in anderem Zusammenhang genannt wor-
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den war und sich auch noch auf andere Empfehlungen berufen konnte, entsprach einfach der damaligen Situation. Es handelte sich doch schließlich um 1950 und nicht um 1954.
In einer Zeitung ist nun in diesen Tagen noch die erstaunliche Behauptung aufgestellt worden, daß meinerseits mit Otto John eine enge Fühlungnahme von Haus zu Haus bestanden habe. Hier haben wir wieder einmal ein greifbares Beispiel, wie man versucht, mit bewußten Falschmeldungen Zwiespalt zu säen. Ich stelle dazu fest: ich weiß bis zur Stunde noch nicht, wo John in Köln gewohnt hat. Ich habe ihn im Verlauf der vier Jahre weder in seiner Wohnung noch in seinem Amt besucht. Wohl hat mich John im Verlauf dieser vier Jahre ein-, vielleicht sogar zweimal in größerer Gesellschaft besucht. Aber ich kann mich jedenfalls nicht zu jenen zählen, die mit ihm in diesen Jahren freundschaftlichen Verkehr pflegten. Soviel zu meiner angeblichen engeren Fühlungnahme von Haus zu Haus.
Nun auch meinerseits noch eine kurze politische Bemerkung. Ich habe den Eindruck, bestimmte Kreise suchen an Hand des düsteren Falles John zunächst einmal die ganze Widerstandsbewegung, die Männer und Frauen des 20. Juli, zu treffen.
Ich sage dazu: traurig genug, daß die Widerstandsbewegung gerade nach diesem 20. Juli 1954, der ihre Bedeutung für ganz Deutschland wie kaum zuvor sichtbar werden ließ, durch die düstere Affäre John für einen Augenblick in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der verantwortungsbewußte, der freiheitliche Wille des deutschen Widerstandes
B ist gerade in unseren heutigen Tagen innen- und außenpolitisch zu bedeutsam, als daß wir ihn angreifen lassen dürften.
Noch eins, meine Damen und Herren, wenn ich es vielleicht auch nicht mit den glücklichen Worten sagen kann, wie sie heute schon von verschiedenen Sprechern, nicht zuletzt vom Kollegen Kiesinger, zum Ausdruck gebracht wurden: man sollte doch über allem Widerstreit nicht vergessen, wie sehr solche Fälle, mit denen sich der Bundestag heute befassen muß, den ebenso tragischen wie unhaltbaren Zustand unseres Vaterlandes demonstrieren. Solange der Kommunismus auf deutschem Boden steht, solange Deutschland Schauplatz des Kalten Krieges bleibt, solange Deutschland geteilt, gespalten und zerrissen bleibt, wird es Krankheits-
und Krisenerscheinungen geben. Wir können uns letzten Endes gegen menschliche und politische Rückschläge und Erschütterungen dieser Art nur dann wirksam sichern, wenn die Teilung unseres Landes überwunden wird.