Rede von
Hans
Hermsdorf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist mit der Tendenz des Ausschußberichtes, noch praktische Erfahrungen zu sammeln und dann noch einmal zur Frage der Entschädigung der Fischer am Großen Knechtsand Stellung zu nehmen, im Prinzip einverstanden. Sie hält jedoch den Zeitraum, der hierfür in der Drucksache angegeben ist, nämlich sechs Monate, für entschieden zu lang. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der dem Ausschußbericht zugrunde liegt, wurde im Dezember 1953 gestellt. Der Ausschuß für Besatzungsfolgen hat sich in zwei Sitzungen im März und im April dieses Jahres mit dem Antrag beschäftigt und kommt nun zu der Schlußfolgerung, nochmals sechs Monate zu warten, um sich dann mit den sich aus der Praxis ergebenden Notwendigkeiten nochmals zu beschäftigen.
Wir halten diesen Zeitraum für entschieden zu lang, weil heute bereits eine Reihe von Erfahrungen vorliegen, über die in dem Ausschuß noch nicht gesprochen worden ist. Gegen das Prinzip, der Entschädigung das Ergebnis der letzten vier Jahre zugrunde zu legen, hatte meine Fraktion zunächst keine Einwendungen, und auch die Fischer waren mit dieser Methode einverstanden. Jetzt muß jedoch eine Lösung gefunden werden, die den Fischern das Fangen in besonders guten Fangzeiten noch rentabel und notwendig erscheinen läßt. Sicher ist einigen Herren in diesem Hohen Hause bekannt, daß die Fangergebnisse z. B. im April und im Mai dieses Jahres so gut gewesen sind, daß kaum Entschädigungen an die Fischer gezahlt wurden. In der Praxis heißt das, daß die besonders tüchtigen und leistungsfähigen Fischer keine Entschädigung erhalten haben. Hierin liegt eine große Benachteiligung; denn ohne die Sperrtage hätten sie, wie die Fangergebnisse an anderen Plätzen der Krabbenfischerei zeigen, höhere Ergebnisse erzielen können. Es müßte also eine Lösung gefunden werden, die folgende Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Schadensregelung für die Fischer soll diesen nicht nur die durchschnittlichen Fangerlöse der Jahre 1950 bis 1953 garantieren, sondern sie sollte auch sicherstellen, daß die von der Bombardierung betroffenen Fischer nicht schlechter gestellt sind als ihre Berufskollegen in den anderen Küstenorten. Wenn die Fangerlöse an den für den Fang freigegebenen Tagen auf die Entschädigungen voll angerechnet werden, wird den Fischern jeder Anreiz genommen, überhaupt noch auszufahren. Es ist eine Tatsache, daß bereits eine spürbare Beunruhigung bei den Dorumer Fischern eingetreten ist, weil nach den jetzt gültigen Richtlinien fleißige und einsatzfreudige Fischer 'bestraft wer den, während
*) Siehe Anlage 5.
andere, die nicht fleißig sind, Vergünstigungen erhalten. Wir halten diese nicht zu bestreitende Tatsache für außerordentlich bedenklich; in der letzten Konsequenz würde das bedeuten, daß die Fischer ihre Fänge •eventuell so einrichten, daß ihnen unter allen Umständen eben noch eine Entschädigung gezahlt werden muß. Die sozialdemokratische Fraktion hält es deshalb für erforderlich, daß der Herr Bundesminister der Finanzen möglichst rasch seine Richtlinien vom 10. März 1954 ergänzt in der Richtung, daß den Fischern ein Jahresausgleich zugesagt wird, der auch die im Jahre 1954 nachgewiesenen, gegenüber den Vergleichsjahren besseren Fangergebnisse berücksichtigt.
Ein Problem, das bei dem jetzigen Entschädigungssystem überhaupt noch nicht angesprochen ist, ist idas der Verarbeitungsbetriebe. Es handelt sich hier nur um drei Betriebe. Aber wir sind der Auffassung, daß diese drei Verarbeitungsbetriebe unbedingt in das Entschädigungssystem einbezogen werden müssen. Denn diese Abnehmer der Fische sind eben durch die erheblichen Unregelmäßigkeiten in den Anlandungen stark benachteiligt. Die sozialdemokratische Fraktion bittet deshalb das Hohe Haus, bei der nächsten Erörterung dieses Komplexes die Frage der Entschädigung der Abnehmerbetriebe unbedingt in dieses System mit einzubeziehen.
— Ist noch nicht geschehen!
— Ist noch nicht geschehen! Das steht nicht drin, sie haben bisher noch keine Entschädigung erhalten.
Gestatten Sie mir nun noch ein Wort an das Auswärtige Amt. Die Bombardierung des Übungsziels Großer Knechtsand wird von der britischen Luftwaffe seit dem Jahre 1953 durchgeführt. Es sind inzwischen zirka 70 Übungen angesetzt gewesen, die allerdings zum Teil wieder abgesetzt worden sind. Bei diesen Übungen hat sich herausgestellt, daß die Nachteile für die Fischer insbesondere in Dorum und auch die Nachteile für die Abnehmer viel größer sind, als das bei den ursprünglichen Vereinbarungen zu übersehen war. In dem Notenwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem britischen Hohen Kommissar ist in Ziffer 5 festgelegt worden, daß Tagesübungen nicht ständig, sondern nur von Zeit zu Zeit stattfinden sollen. Demgegenüber sind Z. B. im Mai 1954 an 14 Tagen Tagesübungen durchgeführt worden. Weiter ist in dem Notenwechsel zugesichert, daß keine Bombenabwürfe je drei Stunden vor und nach Hochwasser erfolgen sollen. Auch diese Bedingung ist von der britischen Luftwaffe in keiner Weise eingehalten worden.
Wir möchten deshalb das Auswärtige Amt bitten, sich unbedingt mit dem britischen Hohen Kommissar in Verbindung zu setzen und zu verlangen, daß die vereinbarten Bedingungen eingehalten werden. Denn, meine Damen und Herren, wir hatten doch, als das Gesetz beschlossen wurde, alle schon Bedenken, daß dieses Gebiet zur Verfügung gestellt werden sollte. Wo sollen wir hinkommen, wenn nicht einmal die vereinbarten Bedingungen eingehalten werden! Das würde natürlich alle Regelungen, die für die Fischer getroffen wurden, . über den Haufen werfen.
Ich möchte zusammenfassen. Die sozialdemokratische Fraktion bittet den Ausschuß für Besatzungsfolgen, folgende vier Punkte — nicht erst in sechs Monaten, sondern möglichst sofort nach den Parlamentsferien — noch einmal in Angriff zu nehmen: erstens die Überprüfung des Systems der Entschädigung an die Fischer unter Berücksichtigung der inzwischen gemachten Erfahrungen; zweitens die Einbeziehung der Verarbeitungsbetriebe in das Entschädigungssystem; drittens die Aufnahme von Besprechungen mit dem Ziel, daß die britische Luftwaffe die Bedingungen absolut einhält. Schließlich kann vielleicht im Rahmen dieser Verhandlungen die Frage der Revision der Vereinbarungen aufgeworfen werden. Wir hoffen, daß man nach diesen Beratungen bald zu einem Ergebnis kommt, das alle Beteiligten zufriedenstellt.