Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kriedemann hat in der Diskussion die beiden Vorlagen nicht sehr schön behandelt. Wesentlich schlechter weggekommen ist allerdings noch unsere Bundesregierung. Als Gegenleistung, möchte ich sagen, ist allerdings die deutsche Landwirtschaft, sind unsere deutschen Bauern gut behandelt worden. Herr Kollege Kriedemann, Sie haben sich bei Ihrer zweiten Behauptung sogar soweit hinreißen lassen, zu sagen, daß man von einem Nichtvorhandensein einer Agrarpolitik sprechen müsse.
Sie haben dann als Gegenstück auf einige Anträge hingewiesen, die Sie nach Verabschiedung der Vorlage im Haushaltsausschuß hier noch als Zusatzanträge für die Landwirtschaft, für die Bauern gestellt haben. Nun, im Rahmen der auf ein paar Milliarden sich belaufenden Beträge war die Landwirtschaft eigentlich noch verhältnismäßig schlecht behandelt, Herr Kriedemann. Aber wir wissen ja alle, was bei abgeschlossener Arbeit in den Ausschüssen derartige Anträge wert sind, und die Herkunft ist deshalb bei der parlamentarischen Behandlung auch sehr einseitig.
Wenn Sie in diesem Hause nun davon sprechen, von einer Agrarpolitik könne nicht die Rede sein, so wäre es sehr gut, wenn Sie noch einmal die alten Protokolle zur Hand nähmen, angefangen beim Wirtschaftsrat und fortfahrend beim ersten Bundestag, und sich dann vor allen Dingen auch einmal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen beschäftigten, die im Außenhandelsausschuß oder die in einer Zolldebatte zu den Fragen der deutschen Landwirtschaft Stellung genommen haben. Ich glaube, dann wird der Unterschied klar zwischen einer Wirtschaftspolitik, so wie sie von der Regierungskoalition begonnen wurde und heute fortgeführt wird, und der Kritik, wie sie von der Opposition, das gebe ich zu, manchmal sehr leicht geübt werden kann.
- Aber, Herr Kollege Kriedemann, vom Frankfurter Wirtschaftsrat her haben Minister der CDU für die Ernährung, für die Agrarpolitik, für die Wirtschaftspolitik und für die Finanzpolitik unserer jungen Bundesrepublik geradegestanden,
und ich muß Ihnen sagen, wenn Sie auch begeistert
feststellen, daß von unserer Seite her heute Mängel
oder Lücken aufgezeigt werden: die CDU/CSU-
Fraktion hindert nichts daran, den 1947/48 für das deutsche Volk beschrittenen Weg mit derselben Konsequenz weiterzugehen, wie wir ihn begonnen haben.
Wenn die deutsche Landwirtschaft in einzelnen Fragen manche Entscheidungen nicht ohne weiteres verstanden hat, hinter die wir als Koalition und insbesondere wir als große Partei geschlossen getreten sind,
dann haben wir Bauern es immer noch wieder verstanden, unseren Leuten über das Bauernschicksal hinaus des Volkes Schicksal aufzuzeigen.
Wie sollten die Arbeitsplätze geschaffen werden, wie sollte das soziale Elend überwunden werden, wenn wir nicht vorweg da eingriffen, wo die größten Chancen gegeben waren, um den Menschen Arbeit zu geben?
Erst in dem Punkte nähern wir uns, wenn Sie die Frage stellen: Wie ist denn heute die Lage, und was ist heute zu machen? Da finden Sie auch den Grund für die beiden Gesetzentwürfe. Im Rahmen der von uns vertretenen — und ich darf hinzufügen: mit Erfolg vertretenen — Wirtschaftspolitik wollen wir jetzt das vom Kanzler und von unserer Regierung Erreichte verstärkt auch unter agrarpolitischen Gesichtspunkten vorantreiben. Aber nichts darf uns in diesem Zusammenhang — das wollen wir nicht den Wählern schlechthin, sondern das wollen wir insbesondere unseren Bauern sagen — aus der Gesamtverantwortung herauslassen; denn wir haben hier nicht nur Stände, nicht nur die Wirtschaft schlechthin, sondern das Schicksal einer jungen Bundesrepublik zu verteidigen, die nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allen Dingen politisch noch dauernd in Bedrängnis steht.
In dem Zusammenhang mögen hier im einzelnen gewisse Differenzen oder Unterschiede in der Diskussion zum Vorschein kammen. Wir — und ich darf hinzufügen: nicht nur die CDU/CSU als solche, sondern auch die in dieser großen Partei verantwortlichen Männer, die von Bauern gewählt und herausgestellt sind — sind uns dessen bewußt, daß mit falschen Propheten heute nichts zu machen ist,
daß es sehr leicht ist, unser Volk oder einen einzelnen Stand in bedrängter Lage, wenn man so will, auf die Barrikaden zu bringen. Solche Überlegungen müssen, wenn im Hintergrund gar parteipolitische oder andere, sehr deutlich erkennbare Interessen eine Rolle spielen, mit aller Energie bekämpft werden, und wenn wir hier unsere Regierung stützen,
wenn wir der Auffassung sind, daß der beschrittene Weg richtig ist, dann meinen wir, daß auf diesem Wege für unser Landvolk ein weiterer Fortschritt und vor allen Dingen auch eine Angleichung gebracht werden kann und soll.
Unsere Minister und nicht zuletzt auch unser Wirtschaftsminister haben in diesem Zusammenhang sehr oft darauf verwiesen, daß Unternehmergeist und Arbeiterfleiß letzten Endes mit die entscheidenden Faktoren waren, die die von uns verteidigte Politik zum Erfolg gebracht haben. Ich glaube, es ist notwendig, daran zu erinnern, daß trotz aller Diskussionen um die Vierzigstundenwoche und die soziale Gesetzgebung schlechthin im Zeichen des gewaltigen Fortschritts, den unsere Wirtschaftspolitik gebracht hat, der deutsche Bauer, die Bauersfrau und alle in der Landwirtschaft Beschäftigten über den Achtstundentag hinaus immer noch zehn und zwölf Stunden am Tage arbeiten.
Es muß daran erinnert werden, daß dieser lange Arbeitstag auch an Schwere nichts vermissen läßt. Es muß gesagt werden, daß zahlreiche Bauernfamilien auf Kosten ihres Lebensstandards versuchen, ihre Landwirtschaft und damit ihre Existenz zu verteidigen. Wir müssen weiter herausstellen, daß auch solche Betriebe, die arrondiert sind und unter glücklichen Verhältnissen arbeiten, trotz aller Mühen von Jahr zu Jahr weiter verschulden. Das sind Tatsachen, an denen weder eine verantwortungsbewußte Agrarpolitik noch eine verantwortungsbewußte Gesamtwirtschaftspolitik vorbeigehen kann.
Wenn hier und da die Dinge kritisch behandelt werden — es ist von den Erörterungen in der Presse die Rede gewesen —, so bedauern wir das nicht. Das ist notwendig. Wir bedauern nur, daß man hier und da versucht, in diese Notizen und Veröffentlichungen die Tendenz hineinzubringen, daß in der deutschen Landwirtschaft Rückständigkeit vorherrsche, um nicht noch andere Worte zu gebrauchen. Hier wie auf anderen Gebieten haben wir es angesichts unserer Leistungen nicht schwer, uns zu verteidigen. Wir dürfen darauf verweisen, daß nach amtlichen, nicht von uns ermittelten Zahlen die Produktionsleistung der deutschen Landwirtschaft um nahezu 20% über der Vorkriegsleistung liegt. Es kann also nicht daran liegen, daß die Landwirtschaft aus sich heraus nicht genug Werte schafft. Der größte Kritiker wird bezeugen: es liegt bestimmt nicht daran, daß die Landwirtschaft nicht denselben Fleiß, dieselben Energien aufbringt, die wir schlechthin Gott sei Dank in allen Ständen und Schichten unseres Volkes zu verzeichnen haben. Aber die zunehmenden Schulden, die für die Landwirtschaft nicht tragbare Zinsbelastung, der in unseren bäuerlichen Betrieben nicht mehr zu vertretende Lebensstandard, das alles sind Tatsachen, und an diesen Tatsachen wollen wir nicht vorbeigehen.
Ist es ein Anliegen der Landwirtschaft schlechthin? Ich meine: nein. Sehen Sie sich im Zuge unseres Wiederaufbaus unsere Dörfer in rein landwirtschaftlichen Gegenden oder, wenn Sie so wollen, in Agrarländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern an. Sie wachsen nicht. Man sieht hier zu wenig von Neubauten. Wohl sind die ersten Fortschritte im Landarbeiterwohnungsbau zu verzeichnen, aber darüber hinaus ist unser ländliches Handwerk in der ganz großen Gefahr, in der Heimat, in seinem Dorf nichts zu tun zu haben. Der Sog des Industriegebietes geht auch in diesen Berufen bis in unsere engere Heimat hinein. Wir meinen, daß hier der Landwirtschaft das nötige Geld gegeben werden muß, um nicht nur schlechthin zu investieren, sondern um Gebäude, Maschinenparks und alle diese Dinge so in
Ordnung zu bringen, wie das unter den nicht nur in Deutschland, sondern auch im übrigen westeuropäischen Raum gegebenen Möglichkeiten nun einmal als zweckmäßig und allgemein richtig anerkannt ist. Die Meinung der Landwirtschaft — darüber möchte ich keinen Zweifel lassen — ist, daß das von unserem Bundesminister Lübke vertretene Programm für alle jene Betriebe, die nicht in der glücklichen Lage sind, aus einem geschlossenen Gelände heraus mit den dazu passenden Gebäuden ihren Betrieb voranzubringen, eine gewaltige Hilfe bringen wird.
Herr Kollege Kriedemann, wenn in diesem Jahr 50 Millionen DM für Flurbereinigung im Bundeshaushalt sind und im vergangenen Jahr es nur 1 Million DM war, dann ist das doch ein Fortschritt! Wenn in diesem Jahr 16 Millionen DM als erster Anfang für die Zinsverbilligung für notwendige Kredite eingesetzt sind und dadurch die Zinsen für manche Gebiete auf 4% oder 5% heruntergeschleust werden, dann ist das konstruktive Agrarpolitik!
Wenn bei den wasserwirtschaftlichen Aufgaben ein erster Anfang mit 15 Millionen DM gemacht wird, dann sind das neue konstruktive Wege!
— Wären wir Ihren Parolen vor fünf Jahren gefolgt, dann wäre auch dieses Tröpflein auf die heißen Steine nicht gefallen, sondern dann wäre die deutsche Wirtschaft, dann wäre das deutsche Volk mit all Ihren Plänen, die Sie uns in Frankfurt und während der ersten Legislaturperiode hier serviert haben, einen ganz anderen, aber leider schlechteren Weg gegangen!
— Dadurch, daß Sie lauter schreien, nimmt die Beweiskraft nicht zu!
Wir lassen uns in diesen Dingen aber auch nicht etwa auf einen Weg abdrängen, der es dann ermöglicht, es so darzustellen, als sei auf einmal die SPD die Partei, die unserer Landwirtschaft helfen könnte. Die kann es ebensowenig
wie die von Ihnen vorhin zitierten Propheten, die hier etwas zusagen und in Aussicht stellen, was nie in Erfüllung gehen kann.
— Na ja, an Intelligenz fehlt es bei Ihnen bestimmt nicht. Aber der deutsche Wähler hat nun mal entschieden, daß wir bestimmen, was zu machen ist, und Sie können dabei mitarbeiten.
Die Regierungskoalition und die, die hinter diesen beiden Gesetzentwürfen stehen, werden gern die Verantwortung nicht nur für das übernehmen, was in diesen Gesetzen, sondern auch für das, was
hinterher zugunsten der deutschen Landwirtschaft niedergelegt wird.
Ich bin der Meinung, daß, wenn hier von Unkostensenkung und Preisen, von diesen beiden Polen die Rede war, dieses Gesetz auf dem Unkostensektor beispielsweise auf dem Gebiet der Investition völlig neue Wege aufzeigen kann. Wir haben ein Investitionsgesetz geschaffen, wir haben ein Ausfuhrförderungsgesetz gemacht, — warum sollen wir nicht auch einmal ein Gesetz machen, um der Landwirtschaft, um den Frauen in der Hauswirtschaft die Geräte zu Bedingungen und zu Preisen zu liefern, die den landwirtschaftlichen Rentabilitätsverhältnissen und den landwirtschaftlichen Liquiditätsverhältnissen angepaßt sind? Das ist konstruktive Politik, und mit diesen Vorschlägen werden wir kommen. Und Sie werden sich, der Meinung bin ich, freuen, wenn Sie daran wieder mitarbeiten können.
— Ja, die „grünen Männer"; ich weiß, daß Sie es sehr schwer haben, gegen diese „grünen Männer" anzukommen. Aber diese grünen Männer gehen ihren Weg, und die deutsche Landwirtschaft, Herr Kriedemann, — —
— Ja, sie muß es bezahlen, aber sie geht nicht auf die vagen Versprechungen ein, die Sie ins Land streuen. Die deutsche Landwirtschaft weiß, daß es keine Patentlösung, daß es kein einfaches Rezept gibt, um diese Dinge zu beseitigen.
Aber eines steht fest. Unsere CDU/CSU-Fraktion hat sich in ihren langen Beratungen geschlossen hinter den von dem Kollegen Lücker vertretenen Gesetzentwurf gestellt. Die CDU/CSU weiß, daß es nicht mit der bloßen Verabschiedung eines Gesetzes getan ist, sondern daß sie der deutschen Landwirtschaft in dieser Frage stets zur Seite stehen muß. Sie kennt ihre Pflichten gegenüber bäuerlichem Fleiß, gegenüber unseren bäuerlichen Familien, und das soll uns genug Anregung geben, auch dieses Gesetz mit Erfolg über die parlamentarische Bühne zu bringen.