Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ausführliche, gewissenhafte und sachliche Berichterstattung, die uns der Herr Bundesinnenminister heute in seiner ersten Rede gegeben hat, hat uns ausgesprochen befriedigt.
Wir freuen uns, feststellen zu können, daß ein großer Teil der Einwendungen, die zunächst gegen das Verfahren erhoben werden mochten, durch diese Ausführungen als erledigt und ausgeräumt angesehen werden kann. Ich stehe nicht an zu erklären, meine Herren von der Opposition, daß ich selber nicht ohne Bedenken an die Beurteilung des Falles herangegangen bin. Gewiß stimmt ein großer Teil des Hauses mit mir darin überein, daß durch die Beantwortung der Großen Anfrage durch den Herrn Bundesinnenminister diese Bedenken im wesentlichen zerstreut sind. Meine Herren von der Opposition, Sie täten gut daran, nicht durch Dramatisierung von Einzelfragen den Blick vom Ganzen abzulenken.
Sie gestatten deshalb, daß ich noch einmal das Gesamtbild vor Ihnen aufrolle.
Wie unbestreitbar und unbestritten feststeht, hat die „Vulkan"-Aktion einen sehr ernsten Hintergrund gehabt. Es kann nicht bestritten werden, daß auf dem Gebiet der Bundesrepublik eine weit gespannte, systematische und gut durchorganisierte Verbindung bestanden hat mit dem Zweck, hier
Dinge auszuspähen, die im Staatsinteresse als geheim angesehen werden müssen.
Die zuständigen Behörden der Bundesrepublik haben rechtzeitig, noch ehe diese Organisation zur vollen Entfaltung gelangte, von dem Treiben Kenntnis bekommen und haben nunmehr meiner Überzeugung nach durchaus pflichtgemäß und pflichtgetreu eingegriffen. Ich wüßte nicht, wie wir die Gelder verantworten sollten, die wir für diese Institutionen ausgeben, wenn sie gegenüber einem solchen Tatbestand versagten.
Die Öffentlichkeit hatte ein berechtigtes Interesse daran, darüber informiert zu werden, und sie ist informiert worden. Alles, was sich seitdem ereignet hat, kann die berechtigte Grundlage des ganzen Vorgehens nur bestätigen. Der Abgeordnete Greve hat — namentlich in seiner ersten Begründung — die zahlreichen nachträglichen Haftentlassungen als Beweis dafür angeführt, daß die Aktion doch wohl nicht ganz zu rechtfertigen sei. Ich würde das für einen sehr bedenklichen Fehlschluß halten, Herr Kollege Greve, einen Fehlschluß, den wir auch im Interesse der Inhaftierten gar nicht für richtig halten wollen. Es wäre für die Rechtsprechung sehr bedenklich, wenn die Entscheidung eines Richters, der mit der Haftnachprüfung beauftragt ist, etwa nachher immer dahin beurteilt würde, ob sie ein Vorgriff auf die endgültige Urteilsfindung des Gerichtes ist. Im Gegenteil, wir freuen uns, daß sich der Richter im Laufe des Verfahrens für berechtigt angesehen hat, den einen oder anderen der ursprünglich Inhaftierten wieder freizugeben. Das ist durchaus normal und durchaus üblich. Ich wüßte nicht, wie man daraus die Schlußfolgerung ziehen könnte, daß das gesamte Verfahren etwa ungerechtfertigt gewesen sei.
Gestatten Sie mir ein besonderes Wort über dieses sogenannte Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung. Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute habe ich das Bedürfnis, festzustellen, daß es sich um eine ausgesprochene Tarnorganisation handelt, die mit eigentlicher wissenschaftlicher Forschung auch nichts gemein hat. Der Name ist gegeben worden, um die Beteiligten oder die Nichtbeteiligten irrezuführen. Aber selbst im sowjetischen Besatzungsgebiet gibt es Wirtschaftsforschungsinstitute, die, mögen sie auch zum großen Teil der Propaganda ihrer Regierung dienstbar sein, einen gänzlich anderen Charakter haben als dieses sogenannte wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut, dessen Name lediglich ein Deckmantel für eine andersgeartete Tätigkeit war.
Jedenfalls können wir in der bedrängten und bedrohten Lage, in der sich die Bundesrepublik befindet, von unseren Bundesbehörden gar nichts anderes erwarten, als daß sie in solchen Fällen wach und verantwortungsfreudig auf dem Posten sind, um die Gefahren, die sich dort zeigen, auszuräumen.
Es liegt in der Natur der Sache, daß ein solches Durchgreifen zunächst in einer gewissen summarischen Weise erfolgen muß; das läßt sich gar nicht anders machen. Ich kenne das aus meiner eigenen Verwaltungspraxis nur zur Genüge. Ich muß sagen,
Herr Bundesminister des Innern, ich bin eher überrascht, daß die Zahl der Fälle, in denen sich der Verdacht mehr oder weniger bestätigt hat, noch so groß gewesen ist. Das ist beinahe eine Rarität in Polizeiaktionen dieser Art. Man kann im Einzelfall — gestatten Sie, daß ich das als alter Fachmann einmal sage — nicht abwarten, bis der Tatverdacht für jeden der Beteiligten bis ins einzelne nachgewiesen ist. Das ist gar nicht möglich, da sonst die anderen durch die Verhaftung der ersten gewarnt würden. Der Eingriff also kann nur in einem gewissen summarischen Verfahren erfolgen. Der Haftrichter hat doch auch zunächst nur die Haftbefehle erlassen und ihre Zahl dann allmählich wieder verringert.
Man kann auch eine Verpflichtung der Minister der Bundesregierung nicht bestreiten, die Öffentlichkeit über solche Fragen, die sie in hohem Maße angehen, zu unterrichten. Ob bei der ersten Presseverlautbarung der von mir als notwendig oder unvermeidbar angesehene summarische Charakter der Aktion nicht vielleicht etwas zu stark zum Ausdruck gekommen ist, mag dahingestellt bleiben. Wir freuen uns, aus dem Munde des Bundesinnenministers zu hören, daß er bereit ist, sowohl nach der moralischen wie nach der materiellen Seite hin die notwendigen Korrekturen eintreten zu lassen, sobald das Verfahren abgeschlossen ist. Wir alle haben ein Interesse daran, daß das Anliegen, das die sozialdemokratische Fraktion hierbei vertritt, nämlich der Schutz der persönlichen Freiheit, gewahrt wird.
Herr Kollege Greve, Sie haben verschiedentlich den Journalisten Herrn Tüngel zitiert. Gestatten Sie, daß ich aus seinem Artikel ein weiteres Zitat bringe, das Sie vielleicht doch zum Nachdenken veranlassen kann.
— Ich werde nicht unfair.
— Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will, Herr Kollege Greve! In dem von Ihnen mehrfach zitierten Artikel von Herrn Tüngel zum Falle „Vulkan" heißt es wörtlich:
Wir haben schon mehrfach Veranlassung gehabt, davor zu warnen, daß in der Bundesrepublik vor allem auf der Landesebene
mit den Methoden des Polizeistaates regiert wird.
Ich glaube, daß, wenn das Wort „Landesebene" hier fällt, bestimmte Länder gemeint sind, auf die unser Kollege Greve örtlich und politisch stärkeren Einfluß hat, als ihn die Bundesregierung besitzt.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch etwas Grundsätzliches sagen. Es handelt sich bei dem hier erörterten Problem in der Tat um eine besonders schwierige Aufgabe des demokratischen Rechtsstaats. Wir wünschen von unserer Staatsregierung, daß sie wachsam ist und verantwortungsbewußt allen Versuchen, die demokratische Staats-und Rechtsordnung zu untergraben, entgegentritt.
Auf der andern Seite erwarten wir von der Staatsregierung, daß sie die Interessen des einzelnen, seine Ehre und seine materiellen Belange, schützt. Wenn es im Grenzfalle nicht ganz leicht ist, die Interessen des einzelnen mit dem Interesse der Staatssicherheit in Einklang zu bringen, sind wir nach den Erfahrungen aus der Zeit vor 1933 lieber dafür, daß die Staatsregierung kraftvoll und verantwortungsfreudig eingreift, als daß sie aus Angst, irgendwelche Einzelinteressen zu stören, eine notwendige und von uns allen für richtig gehaltene Maßnahme unterläßt.
Gerade in der Weimarer Republik hat es genug Schaden gegeben, weil sich eine Polizeibehörde aus Erwägungen, wie sie hier der Herr Kollege Greve vorgetragen hat, nicht für stark genug gehalten hat und nicht genügend selbstbewußt gewesen ist, einzugreifen. Es ist vielleicht kein Zufall, daß die in erster Linie zuständige Staatsbehörde unter der Leitung eines der Opfer der damaligen Zeit steht, das ganz genau weiß, was in solchen Fällen die Folge ist, wenn die Behörden nicht auf dem Posten sind und nicht ihre Pflicht tun.
Und ein Letztes, meine Damen und Herren! Ich kann es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß wir auch hier wieder ein schmerzliches Beispiel für den Zustand erleben, in dem sich unser armes Vaterland befindet. Was hier als „Staatsgeheimnis" angesehen wird, betrifft großenteils Tatsachen, deren Kenntnis wir uns noch vor wenigen Jahren aus den statistischen Handbüchern oder mit einer einfachen telefonischen Anfrage innerhalb Deutschlands zu beschaffen pflegten.
Es ist außerordentlich bitter, daß sich nun auf deutschem Boden solche Tatbestände ergeben. Ich glaube, wir sollten auch diesen Vorfall zum Anlaß nehmen, alles zu tun, um die Uneinigkeit, die Zerrissenheit, die zu solchen Folgen führen kann, zu beseitigen.