Rede von
Dr.
Joachim
Schöne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister heute nicht anwesend ist,
und ich bedaure außerordentlich, daß Herr Staatssekretär Westrick zu seiner Vertretung nicht den Mut findet
— oder sagen wir, nicht seine Aufgabe darin sieht, einen Entwurf, der von der Bundesregierung eingebracht ist, eine Fassung, die vom Bundeswirtschaftsminister persönlich im Wirtschaftsausschuß bis zum letzten Blutstropfen verfochten worden ist, — —
— Ich lese Ihnen gleich die Protokolle vor; keine Sorge! — Ich wundere mich eigentlich darüber, daß man mit einem Male die ganzen Tatbestände verzerrt,
Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einige kleine Anmerkungen zu dem, was insbesondere Herr Kollege Scheel gesagt hat.
Zunächst freue ich mich darüber, daß ich mit Herrn Kollegen Scheel in einem Punkte voll und ganz übereinstimme, nämlich darin, daß erfreulicherweise der Text der neuen Vorlage erheblich besser ist als der der ersten Vorlagen, die aus dem Bundesjustizministerium herausgekommen sind. Ich freue mich darüber, denn allmählich beginnt auch das Parlament — von seiten der Regierungskoalition — mit der Verwaltung zusammenzuarbeiten. Bloß hätten Sie das nicht hier sagen sollen, sondern Sie hätten es vielleicht in einem Brief an das Bundesjustizministerium oder, wenn Sie mal eine Fraktionssitzung haben, dort zum Ausdruck bringen sollen. Hier ist es sicher nicht am Platz. Aber wir stimmen darin überein.
Ein zweiter Punkt voraus: die Frage des Prozedierens bei den Besatzungsaufträgen. Herr Kollege Scheel, wir werden sicherlich genügend Gelegenheit haben, einmal über das procedere bei Besatzungsaufträgen zu sprechen. Wir müßten dazu den Bundesfinanzminister hier haben, der auch nicht da ist. Er weiß hierüber besser Bescheid als Sie und ich. Zumindest weiß auch der Wirtschaftsminister von Württemberg-Baden mehr darüber als Sie und ich. Wir sollten uns dieses Kapitel einmal gründlich vornehmen und könnten ja dann den Landesminister dazu holen.
Nun aber zu dem, was ich eigentlich sagen wollte. Es wäre besser, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister anwesend wäre. Der Bundesernährungsminister war doch vorhin da, vielleicht ergreift er noch das Wort. Ich sehe ihn im Moment nicht, aber wir können ihn vielleicht holen. Er wird gern zu seinen Aussagen im Ausschuß Stellung nehmen. Es ist bedauerlich, daß die Herren nicht anwesend sind, denn sie wissen ja schließlich besser mit der Konzeption der sogenannten sozialen Marktwirtschaft Bescheid als wir.
Ich möchte an das kleine Kolleg anschließen, das Herr Scheel über die Funktion des Preises geben zu müssen glaubte. Nun, Herr Scheel, ich darf Ihre Erinnerungen auffrischen. Bereits der Kirchenvater Augustinus hat sich um den justum pretium bemüht. Das ist ja gerade die Crux, daß man einen gerechten Preis nicht finden kann, sondern daß der Preis immer nur von demjenigen als gerecht betrachtet wird, der davon den Vorteil hat! Das hat auch — und das darf ich Herrn Hoogen sagen, damals war er allerdings wohl noch beim Zentrum —
die CDU erkannt. Sie hat ja in ihrem Ahlener Programm und in ihren Düsseldorfer Leitsätzen gerade diesen Punkt besonders herausgestrichen. Außerdem fragen Sie doch bitte mal den geistigen Vater der sozialen Marktwirtschaft, Herrn Professor Müller - Armack! Herr Professor Müller-
Armack sieht als eine der wesentlichsten Vorbedingungen für die soziale Marktwirtschaft die Regelung des Wettbewerbs an.
— Aber Herr Scheel! Jetzt kommt erstes Semester!
Der Preis bildet sich doch am Markt. Er ist eine
Markterscheinung, und die Parteien treten am
Markt im Wettbewerb auf, um den justum pretium zu bilden. Dasselbe, was Herr Hoogen vorhin sagte, daß das der gerechte und soziale Preis sei — —
— Schön, machen wir also im Wirtschaftsausschuß ein kleines Kolleg über die Anfangsgründe der Nationalökonomie!
Sogar Müller-Armack sagt in seiner Schrift als Vertreter und als Schöpfer des Begriffs der sozialen Marktwirtschaft, daß dies gerade die Vorbedingung sei. Ich habe mich über diese Auffassung von Professor Müller-Armack außerordentlich gefreut, weil sie noch einmal die Darlegungen der Düsseldorfer Leitsätze und des Ahlener Programms erhärtete.
Nun, und dann habe ich mich weiter gefreut, daß sich sowohl der Herr Bundeswirtschaftsminister wie der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Wirtschaftsausschuß ganz klar zu dieser Vorlage bekannt haben.
— Im Rechtsausschuß ebenfalls! Ich darf Ihnen vielleicht aus dem Protokoll des Rechtsausschusses ein paar Worte des zur Zeit noch abwesenden Herrn Bundesernährungsministers vorlesen. Er hat gesagt: — —
— Aha! Herr Bundesernährungsminister, Protokoll Seite 4:
Wir sind von uns aus naturgemäß an der Aufrechterhaltung der § 2 und 3 außerordentlich interessiert, ... . Daß man aber darüber hinaus gerade bei den Preistreibereiparagraphen auf dem Ernährungssektor von seiten der Verbraucher besonders empfindlich ist, werden Sie einsehen.
Das sind die Worte vom Herrn Bundesernährungsminister. In der Begründung der Bundesregierung heißt es zum § 3:
Mit Rücksicht auf die Bedenken, die in den letzten Jahren seitens der Wirtschaft gegen die Preistreibereivorschrift erhoben worden sind, hat die Bundesregierung eingehend geprüft, ob im Bereich der freigegebenen Preise auf einen Strafschutz gegen unangemessene Preisüberhöhungen ganz verzichtet werden kann.
Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, daß das nicht möglich ist. Dann schreibt sie weiter, es sei Tatsache, daß uneinsichtige Elemente auftreten könnten, die volkswirtschaftlich ungerechtfertigte Preise forderten, und:
. . . Ein solches Verhalten widerspricht den Grundsätzen einer freien
— das gilt für Sie, Herr Scheel —
und sozialen Marktwirtschaft
— das gilt für Sie, meine Herren —
und kann nicht geduldet werden.
Wenn wir an der Regierung sind, legen wir einen Gesetzentwurf vor, den wir nachher vertreten, aber keinen Gesetzentwurf, den wir nachher selbst torpedieren.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nur folgendes sagen.
— Hören Sie mal gut zu; ich habe vorhin auch zugehört. – Wir haben im Wirtschaftspolitischen Ausschuß seitens der SPD genau so argumentiert, wie ich es eben getan habe. Wir haben lediglich die Argumente gebracht, mit denen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, normalerweise unter der Überschrift „soziale Marktwirtschaft" hausieren gehen.
Ich habe im Ausschuß — und das werden Sie mir gerne bestätigen — wörtlich dieselben Zitate gebracht, die ich hier gebracht habe. Ich habe Herrn Erhard gefragt, ob er aus seiner Konzeption heraus diesen Paragraphen für richtig hält. Er hat mir gesagt: Ja!, und nun sehen wir, daß Sie Ihr eigenes Produkt nicht liebhaben wollen.
Deswegen haben wir uns erlaubt, diesen selben Paragraphen Ihnen in der gemeinsam im Wirtschaftspolitischen Ausschuß erarbeiteten Fassung vorzulegen. Wenn ich anmerken darf: ich persönlich habe nicht daran geglaubt, daß Sie anderen Sinnes werden würden. Aber es sollte Ihnen doch mal dokumentiert werden, wie ein Entwurf aussieht, wie eine Arbeit im Ausschuß aussieht und wie Sie dann nachher letzten Endes von Ihrer ehrlichen Konzeption, die im Entwurf steht, abrücken.
Und das müssen Sie jetzt durch die Abstimmung beweisen, meine Damen und Herren!