Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts ist federführend dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und mitberatend dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen worden. Beide Ausschüsse sind bei ihren Beratungen zu überwiegend gleichen Ergebnissen gelangt. Nur in einigen Punkten haben sich geringfügige Meinungsverschiedenheiten ergeben, auf die ich im Laufe meiner Berichterstattung bei den entsprechenden Paragraphen hinweisen werde.
Der Rechtsausschuß hat sich in erster Linie mit der Frage befaßt, ob angesichts der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt noch ein Bedürfnis für die Beibehaltung eines selbständigen Wirtschaftsstrafrechts bestehe. Er hat aber die Frage aus folgenden Erwägungen bejaht. Auf zahlreichen Sondergebieten des Wirtschaftsrechts im Bereich der landwirtschaftlichen Marktordnung und der Preisregelung bestehen noch materielle Rechtsvorschriften, die nach dem Willen der gesetzgebenden Körperschaften über den 30. Juni 1954, den Tag des Auslaufens des geltenden Wirtschaftsstrafgesetzes, hinaus fortgelten sollen. Diesen Vorschriften wurde nach bisherigem Recht strafrechtlicher Schutz durch das Wirtschaftsstrafgesetz gewährt. Um zu vermeiden, daß sie mit dem Wegfall des Gesetzes ihre Durchführbarkeit und damit auch ihre Wirksamkeit in der Praxis verlieren würden, erscheint es unerläßlich, einen brauchbaren Ersatz zu schaffen. Insoweit bestand im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht Einmütigkeit.
Von mancher Seite ist nun vorgeschlagen worden, die gebotene strafrechtliche Lösung nicht in der Weise zu suchen, daß ein neues selbständiges Wirtschaftsstrafgesetz erlassen wird, sondern dergestalt, daß man in alle in Betracht kommenden einzelnen Gesetze und Rechtsverordnungen die erforderlichen Straf- und Bußgeldvorschriften als selbständige, von einem Wirtschaftsstrafgesetz unabhängige Rechtsnormen einfügt. Die Vertreter der Bundesregierung haben jedoch gegenüber diesem Vorschlag überzeugend nachgewiesen, daß die damit notwendig werdenden Gesetzesänderungen außerordentlich umfangreich und schwerfällig sein müßten und daß vor allem auch die einheitliche Grundlage für das gesamte Wirtschaftsstrafrecht verlorenginge. Nach der Meinung der überwiegenden Mehrzahl der Mitglieder des Ausschusses war es ein beachtlicher Fortschritt, daß es im alten Wirtschaftsstrafgesetz gelungen war, für alle einschlägigen Zuwiderhandlungen einheitliche materielle Grundsätze und insbesondere ein einheitliches Verfahren zu entwickeln. Daran sollte auch noch so
lange festgehalten werden, als es einen nennenswerten Bestand an Vorschriften gibt, die der freien
wirtschaftlichen Betätigung Schranken auferlegen.
Hinzu kommt ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt. Die Schaffung selbständiger Straf- und Bußgeldvorschriften würde nicht nur eine gesetzestechnische Aufgabe sein, sondern zugleich auch eine sachliche Stellungnahme des Gesetzgebers zur gesamten Materie des geltenden Wirtschaftsrechts erfordern. Denn wenn in allen diesen Gesetzen und Verordnungen die Strafdrohungen geändert und ergänzt werden, so liegt der Gedanke nahe, daß damit zugleich eine Zustimmung zum sachlichen Inhalt der strafrechtlich nunmehr in anderer Weise geschützten Regelungen zum Ausdruck gebracht werde. Eine solche Generalbereinigung des Wirtschaftsrechts aus Anlaß des Auslaufens des Wirtschaftsstrafgesetzes würde jedoch im gegenwärtigen Zeitpunkt Bundestag und Bundesrat überfordern. Wird dagegen die strafrechtliche Regelung entsprechend der bisherigen Übung global in einem besonderen Gesetz getroffen, so besteht kein Anlaß zu der Annahme, der Gesetzgeber habe dadurch sämtliche wirtschaftsrechtlichen Vorschriften, die von dem Strafgesetz erfaßt werden, ausdrücklich bestätigen wollen. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß legte vielmehr Wert auf die ausdrückliche Feststellung, daß dies nicht der Fall sei. Er hat sich die Aufgabe gestellt, die noch in Geltung befindlichen wirtschaftspolitischen Bestimmungen im Laufe der nächsten Monate zu überprüfen und dem Hohen Hause alsdann Vorschläge zum weiteren Abbau der mit der marktwirtschaftlichen Konzeption unvereinbaren und infolge der Entwicklung entbehrlich gewordenen Maßnahmen zur Beschränkung einer freien wirtschaftlichen Betätigung zu unterbreiten.
Dem soeben erörterten strafrechtlichen Schutz von Vorschriften außerhalb des Wirtschaftsstrafgesetzes dienen die §§ 1 und 2 des Entwurfs. Deshalb hat der Ausschuß sie unverändert angenommen.
Der Bundesrat hat empfohlen, an Stelle des § 1 die Regelung des bisherigen Wirtschaftsstrafgesetzes beizubehalten und die Zuwiderhandlungen im Bereich des Wirtschaftsrechts nicht durch genaue Bezeichnung aller in Betracht kommenden Einzelvorschriften zu umschreiben, sondern es mit einer allgemeinen Blankettnorm bewenden zu lassen.
Der Ausschuß hat dem Vorschlag der Bundesregierung den Vorzug gegeben, weil dadurch die Übersichtlichkeit des Wirtschaftsstrafrechts wesentlich gefördert wird. Die Verwaltungsbehörden und Gerichte können aus der Zusammenstellung des § 1 ohne weiteres den Bestand der wirtschaftsrechtlichen Bestimmungen entnehmen, deren Verletzung nach den Regeln des Entwurfs geahndet werden soll. Der Katalog ist für die Sachgebiete der landwirtschaftlichen Marktordnung und der in der gewerblichen Wirtschaft noch bestehenden, aber weitgehend im Abbau begriffenen Lenkungsmaßnahmen erschöpfend. Wenn er in den weiteren gesetzgeberischen Arbeiten stets auf dem laufenden gehalten wird, dürfte die vorgenommene technische Neugestaltung, wie die Bundesregierung in der Begründung zu dem Entwurf mit Recht ausführt, eine fühlbare Erleichterung für die Handhabung des Wirtschaftsstrafrechts in der Praxis mit sich bringen. Gerade das hervorzuheben, war dem Ausschuß ein besonderes Anliegen.
Leider war es nicht möglich, auch im Bereich der Preisregelung, für die § 2 den strafrechtlichen Tatbestand enthält, die Methode der erschöpfenden Aufzählung aller Zuwiderhandlungen durchzuführen. Obwohl der Bestand an preisrechtlichen Vorschriften in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist, sind doch immer noch zahlreiche Gesetze und Rechtsverordnungen ganz verschiedenen Ursprungs in Kraft, die sich einer Zusammenfassung nach einheitlichen Gesichtspunkten weitgehend entziehen. Es bleibt jedoch zu hoffen, daß es im Laufe der weiteren Entwicklung gelingen wird, auch in diesem Bereich zu einem abschließenden Katalog zu kommen und damit den Umfang des gesamten strafrechtlich geschützten Wirtschaftsrechtes zu bezeichnen.
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat vorgeschlagen, in § 2 des Entwurfs nur vorsätzliche Verstöße gegen Vorschriften über die Preisregelung mit Strafe oder Geldbuße zu bedrohen. Gegen die Verwirklichung dieses Vorschlags trägt der Rechtsausschuß vor allem deswegen Bedenken, weil dann die überwiegende Zahl aller Preisvorschriften für die Praxis gegenstandslos würde. Denn es wird nur außerordentlich selten gelingen, einem Preissünder vorsätzliches Verhalten nachzuweisen. Es sei nur daran erinnert, daß der Schutz des Mieters gegen unberechtigte Ausnutzung der Wohnungsnot und der Schutz der öffentlichen Haushalte gegen Überforderung bei Vergebung von Aufträgen eine entscheidende Schwächung erfahren würden, wenn das Hohe Haus dem Vorschlag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses entsprechen sollte.
Über den Rahmen der §§ 1 und 2 hinaus hat der Ausschuß eine Aufrechterhaltung selbständiger Tatbestände des Wirtschaftsstrafrechts nicht für erforderlich gehalten. Das gilt insbesondere von § 3 des Entwurfs. Die Bundesregierung hatte sich bereits in ihrem Entwurf erhebliche Zurückhaltung auferlegt und die Beseitigung zahlreicher mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr vereinbarer Straf- und Bußgeldvorschriften empfohlen. Sie hat lediglich in § 3 des Entwurfs einen Tatbestand der Preisüberhöhung aufrechterhalten, der an die bisherige Vorschrift über Preistreiberei anknüpft, aber schon eine beachtliche Anpassung an die Erfordernisse einer folgerichtigen marktwirtschaftlichen Konzeption enthält. Der Ausschuß war jedoch überwiegend der Meinung, daß auch die Neufassung den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. Es wurde zwar einmütig anerkannt, daß auch in einer sozialen Marktwirtschaft unangemessene Preisüberforderungen vorkommen können, die sowohl vom Standpunkt der Wirtschaftsführung wie auch im Interesse der Betroffenen mißbilligenswert und mit geeigneten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, nicht strafrechtlichen Maßnahmen, zu bekämpfen sind. Ein schwer ab-grenzbarer und deshalb unbestimmter Straftatbestand wurde jedoch nicht als brauchbares Mittel angesehen, um in einer im wesentlichen funktionierenden marktwirtschaftlichen Ordnung d as Preisgefüge zu sichern. Abgesehen davon, daß das Vorhandensein einer solchen Strafandrohung die Bildung eines marktangemessenen Preises bisweilen verhindert, hat die Praxis der Gerichte und Verwaltungsbehörden in den letzten Jahren überzeugend bewiesen, daß eine einigermaßen gleichmäßige und der Wirtschaftslage entsprechende Anwendung der Preistreibereivorschrift nicht erreichbar ist. Es hängt im Einzelfall weitgehend
von den subjektiven Vorstellungen oder sogar von der wirtschaftspolitischen Überzeugung des Verwaltungsbeamten oder Richters ab, ob er einen Preis als angemessen bezeichnet oder nicht. Das ist auf dem Gebiet der Strafjustiz ein unhaltbarer Zustand.
Hinzu kommt. daß die von der Bundesregierung vorgeschlagene Einschränkung der Vorschrift auf Gegenstände und Leistungen, für die ein wirksamer und freier Leistungswettbewerb nicht besteht, diese rechtsstaatlichen Bedenken noch erhöht, anstatt sie zu verringern. Wenn der Einschränkung auch ein sachlich zutreffendes Anliegen zugrunde liegt, muß doch beachtet werden, daß es außerordentlich schwierig ist, das Vorhandensein oder Fehlen eines freien und wirksamen Leistungswettbewerbs in einem gerichtlichen Verfahren festzustellen. Der Bundesrat hat mit Recht darauf hingewiesen, daß dazu eine eingehende Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse in den verschiedenen Berufen und Gewerbezweigen erforderlich wäre. Ich darf hinzufügen, daß diese Kenntnis bei Verwaltungsbehörden und insbesondere Gerichten weitgehend nicht vorhanden ist.
Den Verwaltungsbehörden und Gerichten eine solche Beurteilung zuzumuten, würde in der Regel eine Überforderung bedeuten.
Zu berücksichtigen ist schließlich noch, daß eine so außerordentlich dehnbare und unklare Strafbestimmung die Gefahr ungerechtfertigter oder kleinlicher Beanstandungen heraufbeschwört, die erfahrungsgemäß viel Unruhe in das Wirtschaftsleben hineintragen.
Angesichts dieser schwerwiegenden Bedenken gegen eine allgemeine Preistreibereivorschrift hat sich der Ausschuß entschlossen, ganz auf sie zu verzichten. Er glaubt, dies vor allem deshalb verantworten zu können, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten Jahren so entscheidend gebessert haben, daß das mit der Strafvorschrift angestrebte Ziel im wesentlichen auch durch positive, marktkonforme Maßnahmen erreicht werden kann. Soweit die Vorschrift der Wirtschaftsverwaltung als Mittel zur Bekämpfung wettbewerbsfeindlicher Preisabreden dienen soll, ist das Wirtschaftsstrafgesetz nicht der rechte Ort, um einen solchen dem Kartellrecht angehörenden Sachverhalt zu regeln. Es wird Aufgabe des Bundestags sein, sich im Rahmen eines Kartellgesetzes mit der Frage der richtigen Behandlung von Preisvereinbarungen auseinanderzusetzen.
Schließlich hat der Ausschuß auch berücksichtigt, daß die Möglichkeit, vorübergehend im beschränkten Rahmen feste Preisbindungen einzuführen, einen brauchbaren Ausweg bietet, um unberechtigten Preisüberhöhungen wirksam entgegenzutreten. — So viel zur Frage des Verzichts auf § 3 des Entwurfs, überschrieben „Preisüberhöhung".
Über den von der Bundesregierung vorgesehenen Rahmen hinaus hat der Bundesrat die Beibehaltung weiterer strafrechtlicher Tatbestände des alten Wirtschaftsstrafgesetzes empfohlen. Der Ausschuß hat sich diesen Vorschlägen des Bundesrates nicht anschließen können.
Schließlich hat sich der Ausschuß noch mit der Frage befaßt, ob das neue Wirtschaftsstrafgesetz, das an die Stelle des am 30. Juni 1954 auslaufenden treten soll, befristet oder unbefristet sein soll. Die Vorschrift des § 24 des Entwurfs über das
Inkrafttreten hat der Ausschuß aber in zweifacher Hinsicht geändert. Da es nicht mehr möglich sein wird, die Verkündung des Gesetzes vor Auslaufen des alten Wirtschaftsstrafgesetzes zu erreichen, mußte für das Inkrafttreten der Tag nach der Verkündung vorgeschlagen werden. Die unveränderte Annahme des Regierungsentwurfs würde eine Rückwirkung des Gesetzes vorschreiben, die bei Strafbestimmungen aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig ist.
Außerdem hat der Ausschuß als Termin für das Auslaufen des Gesetzes den 31. Dezember 1955 bestimmt, um rechtzeitig überprüfen zu können, ob für die weitere Beibehaltung eines selbständigen Wirtschaftsstrafgesetzes noch ein Bedürfnis besteht. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat vorgeschlagen, den Termin für das Außerkrafttreten bereits auf den 31. Dezember 1954 festzusetzen, um damit die Überprüfung des gesamten Wirtschaftsrechtes schon in den nächsten Monaten zu veranlassen. Der Rechtsausschuß ist jedoch der Meinung, daß die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften durch eine so kurze Frist vor unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt werden würden, weil es kaum möglich sein dürfte, das weit verzweigte und wenig übersichtliche Rechtsgebiet vollständig durchzuarbeiten und gesetzgeberisch neu zu regeln.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht schlägt Ihnen deshalb vor, dem Entwurf in der aus der Ausschußvorlage ersichtlichen Fassung zuzustimmen.