Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick war recht optimistisch. — Doch, Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen sagen: die Botschaft haben wir wohl gehört, aber uns fehlt noch so etwas der Glaube an diese Botschaft. Wir sind auf Grund der Ereignisse in der Vergangenheit etwas skeptisch geworden. Wir haben uns im Bundestag wiederholt über das Remontageproblem unterhalten. Dabei haben wir den Eindruck gewonnen, daß die Remontagekredite zu den Programmpunkten gehören, die der Bundesregierung mit der Zeit etwas lästig geworden sind und an die sie nicht mehr gern erinnert sein möchte.
Die bisherige Haltung der Bundesregierung mußte uns befremden. Es war der einstimmige Wille fast aller Fraktionen des Hohen Hauses, daß auf dem Gebiete der Remontage etwas Besonderes geschieht. Ich möchte Sie daran erinnern — das hat auch Herr Kollege Scheel heute bei der Begründung seiner Anfrage schon getan —, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß im Juli 1952 nahezu einstimmig Empfehlungen ausgearbeitet hat.
Der Ausschuß hat damals empfohlen, daß etwa 218 Millionen DM an Mitteln des Bundes für die Remontagekredite zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Empfehlungen, die damals der Wirtschaftspolitische Ausschuß übereinstimmend ausgearbeitet hat, haben im Bundeskabinett eine sehr geringe Gegenliebe gefunden. Man hat damals den Betrag zunächst halbiert, nach unten abgerundet und in den außerordentlichen Haushalt von 1953 nur noch 100 Millionen DM eingestellt, jene 100 Millionen DM, von denen in der Großen Anfrage der FDP die Rede ist.
Aber auch diese 100 Millionen DM sind praktisch ein Erinnerungsposten geblieben. Im laufenden Haushaltsjahr hat der Herr Bundesfinanzminister daraus die Konsequenz gezogen und die Remontagefinanzierung überhaupt nicht mehr berücksichtigt.
Wir können diese Methode der Erledigung von Empfehlungen, die der Wirtschaftspolitische Ausschuß gegeben hat, nicht gutheißen. Wir können sie besonders deswegen nicht gutheißen, weil es sich bei dem Remontageproblem nicht nur .um ein Problem der Stahlindustrie oder des Landes Nordrhein-Westfalen handelt, sondern weil von der Demontage alle Länder der Bundesrepublik betroffen worden sind und die Demontage sich auf die verschiedensten Gewerbezweige erstreckt hat.
Nach einer Zusammenstellung des Bundeswirtschaftsministeriums entfielen 1952 von den 243 vorliegenden Anträgen nur 32 auf die Eisen- und Stahlerzeugung und nur 53 auf das Land Nordrhein-Westfalen. Der Zahl nach wesentlich stärker beteiligt sind die Zonengrenzländer, Niedersachsen, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein. Der Bund hätte, Herr Staatssekretär, eine gute Chance gehabt, den wirtschaftsschwachen Ländern zu helfen, Ländern, in denen die Betriebe mittlerer Größe vorherrschend sind. Es ist feststehende Meinung, daß man mit dem relativ geringen Aufwand von etwa einem Drittel des üblichen Aufwandes auf dem Wege der Remontage neue Dauerarbeitsplätze hätte schaffen können und vor allen Dingen, Herr Staatssekretär, daß man der industriellen Ost-West-Verlagerung hätte entgegenwirken können. Diese Chance ist von der Bundesregierung nicht genutzt worden. Wir haben heute erneut Veranlassung, zu beklagen, daß die gefährliche Tendenz der Abwanderung der Betriebe nach dem Westen entweder von der Bundesregierung überhaupt nicht erkannt oder daß ihr nicht in ausreichendem Maße entgegengewirkt wird.
Nun ein Wort zu der Bundesbürgschaft. Der Herr Finanzminister hat während der Haushaltsdebatte einen Betrag von 200 Millionen DM genannt, die als Bundesbürgschaft zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Bürgschaften sind zweifellos ein Hilfsmittel der Finanzierung, und sie sind für den Bund ein sehr bequemes Finanzinstrument. Bei der augenblicklichen Situation müssen aber für bürgschaftsgesicherte Kredite hohe Zinsen gezahlt werden, Zinssätze, die viele Betriebe nicht aufbringen können. Ein treffendes Beispiel dafür sind die 25 Millionen DM, die von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zur Verfügung gestellt worden sind, aber zu einem Zinssatz, der so hoch ist, daß die notleidenden Betriebe von dem Angebot keinen Gebrauch machen konnten. Wir haben auch wiederholt die Erfahrung gemacht, daß die Ausfallbürgschaft des Bundes von den Kreditbanken nicht immer als ein geeignetes Mittel der bankmäßigen Sicherheit angesehen wird. Deshalb glaube ich, daß Bundesbürgschaften kein echter und kein voller Ersatz für Remontagekredite sind.
Wir Sozialdemokraten können uns aus den von mir dargelegten Gründen mit der Haltung der Bundesregierung in der Remontagefrage nicht einverstanden erklären. Wir können sie nicht billigen. Wir sind auch von den Ausführungen, die der Herr Staatssekretär heute zu diesem Fragenkomplex gemacht hat, nicht voll befriedigt. Denn, Herr Staatssekretär, 1952 ist der echte Remontagekreditbedarf mit 1,2 Milliarden DM ermittelt worden. Sie sprechen heute von einem Gesamtprogramm — aus Bundesmitteln — von zunächst 640 Millionen, davon aber nur 20 %, nämlich insgesamt 128 Millionen DM für die remontagekreditbedürftigen Betriebe. Das sind etwa 10 % des 1952 festgestellten effektiven Bedarfs.
Meine Damen und Herren! Aus diesen Gründen glauben wir, daß sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß — als zuständiger Fachausschuß — nochmals mit der gesamten Materie beschäftigen muß. Wir sollten es daher nicht bei der heutigen Diskussion über die Große Anfrage der FDP bewenden lassen.
Es ist zweifellos möglich, daß ein erheblicher Teil des damaligen Remontagebedarfs inzwischen von der Wirtschaft selbst getragen wurde. Aber darüber dürfen wir nicht die Betriebe vergessen und vernachlässigen, die einen Wiederaufbau aus eigener Kraft noch nicht haben finanzieren können und die — bisher jedenfalls — vergeblich auf die Hilfe des Bundes gewartet haben.
Bei einer erneuten Überprüfung im Wirtschaftsausschuß werden wir auch dafür zu sorgen haben, daß insbesondere die mittleren Betriebe bevorzugt und die Kredite langfristig und zinsverbilligt gegeben werden.
Das, meine Damen und Herren, sind kurz zusammengefaßt die Argumente, die wir heute zur Remontage vorzutragen haben. Wir haben, um eine nochmalige Behandlung im Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu ermöglichen, einen Antrag in Umdruck 124*) vorgelegt. Wir bitten darin, daß dem Bundestag baldmöglichst ein Plan zur Deckung des noch vorhandenen echten Remontage-Kreditbedarfs vorgelegt wird.
Ich bitte Sie darum, unserem Antrag zuzustimmen und den Antrag dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.