Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages wird zu dem Einzelplan 26 selbst keine Anträge stellen. Aber wir glauben, daß es in diesem Zusammenhang notwendig ist, einige allgemeine grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Es könnte auch nützlich sein, den Aufgabenkreis des Hauses und seine innere Organisation zu besprechen.
Das Problem der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten ist nämlich immer noch sehr ernst.
Es ist sozial und wirtschaftlich sehr schwierig; es ist auch politisch heikel und psychologisch diffizil. Die Sorgen sind etwas geringer geworden, aber noch lange nicht ausgeräumt. Langsam ist das deutsche Schiff ja voll. Man braucht nur daran zu denken, daß wir täglich den Zustrom neuer Flüchtlinge haben. Die Spannungen werden damit nicht geringer. Ohne daß wir es wollen, entsteht eine Kluft oder ein Wettbewerb zwischen sogenannten Altvertriebenen und neuen Flüchtlingen.
Eben weil das Problem noch sehr schwierig ist und meine Freunde ernstlich bereit sind, für eine Linderung -Lind Milderung einzutreten, soweit wir es können, meinen wir, daß man alle zusätzlichen Schwierigkeiten, die entstehen oder gemacht wer-
den, beseitigen sollte. Ja, man sollte sie gar nicht aufkommen lassen.
In diesem Hause und in den Kreisen der Vertriebenen ist in den letzten Tagen Unruhe entstanden — und soweit ich unterrichtet bin, ist auch in den Reihen der Koalitionsparteien das Unbehagen nicht gering — über einige Erscheinungen. Diese sollten heute klargestellt werden. Ich kann es so sagen: Da ist ein Stein ins Wasser geplumst und schlägt Wellen. Ich bin weit davon entfernt, beispielsweise dem Herrn Sefton Delmer zu folgen, dessen Selbstgerechtigkeit, nicht wahr, schon während des Krieges unerträglich war.
Ich will mich hier auch nicht auf eine unnütze Skalpjägerei begeben. Ich glaube aber, daß, was so hinter den Kulissen gesprochen wurde, wegen der Bedeutung des ganzen Problems auch einmal in aller Offenheit vor dem Hohen Hause geklärt werden müßte.
Aus diesem einzigen Grunde, aus dieser Sorge, daß wir uns auf diesem Sektor nicht zusätzliche Schwierigkeiten bereiten, sondern sie rechtzeitig bereinigen, möchte ich einiges sagen. Es liegt mir fern, den Herrn Bundesvertriebenenminister unter die Lupe der Seelenforschung zu nehmen. Wenn jetzt in den Reihen der CDU/CSU einige Kollegen darüber erstaunt sind, daß der Platz des Bundesvertriebenenministers von einem Angehörigen des BHE eingenommen wird, so möchte ich dazu erklären: für uns waren weder der BHE noch der Herr Minister Oberländer ein ganz unbeschriebenes Blatt. Warum wundert man sich heute? Ich weiß, daß heute viele nicht glücklich sind, ja, nicht einmal die Kollegen, die noch vor Jahr und Tag jeden Sonntag auf Kundgebungen nicht laut genug die Abberufung seines Vorgängers Dr. Lukaschek forderten. Auch sie sind heute nicht glücklich. Der starke Mann ist da, nach dem man gerufen hat. Jetzt entsteht ein Unbehagen. Warum denn? Wissen wir denn nicht alle, warum der BHE, warum die Herren Minister Oberländer und Kraft in die Regierung berufen wurden? Der Herr Professor Oberländer ist doch nicht allein aus dem Wunsch oder der Sorge berufen worden, den „milden Bettelmann" Dr. Lukaschek durch einen starken Vertreter der Interessen der Vertriebenen zu ersetzen, sondern da haben, wie wir, glaube ich, alle wissen, andere Maßstäbe eine Rolle gespielt.
Der Herr Professor Oberländer ist berufen worden, weil der Herr Bundeskanzler den BHE für seine außenpolitische Konzeption gebraucht hatte.
Das war die einfache Erklärung. Diese Berufung
der beiden Minister aus den Reihen des BHE hat
gar nichts mit den Sorgen der Vertriebenen zu tun.
Jetzt tut man, als wäre es eine große Überraschung, daß die Herren da sind. Nein, für mich ist das keine Überraschung.
— Es ist nun einmal so, daß man auch von dieser Sache sprechen muß. Daß der Herr Minister Oberländer eine gute Presse hat, daß seine Publizität wächst und daß seine rhetorische Leistung sehr
bedeutend ist, bezweifle ich nicht. Nun, das liegt im Zuge der Zeit. Jeder macht sich bemerkbar, wie er kann. Warum denn nicht?
Aber das wäre nicht das Schlimmste. Er spricht selbst sehr viel, und dem, was ich gelesen habe und was mir vorgelegt wurde, würde ich in der Sache sogar zustimmen.
— Ich komme schon noch auf die Lücke. Mit Programmen und theoretischen Anerkennungen sind wir ja sowieso in den letzten Jahren versorgt gewesen. Ich möchte das Gebiet, das mich sehr interessiert, heute mit Rücksicht auf die Zeitnot, in der wir stehen, nicht ausweiten. Aber, Herr Minister Oberländer, wir wollen uns über die sachlichen Nöte der Vertriebenen, der Sowjetzonenflüchtlinge und der Kriegsgeschädigten, über das Thema der Eingliederung und alle die Sorgen, die sich heute noch darum auftürmen, doch nach Ostern einmal klar hier aussprechen. Meine Freunde und ich sind dann auch neugierig, inwieweit sich das Vier-Punkte-Programm des Herrn Ministers vom Oktober vorigen Jahres — dieses Vier-PunkteProgramm unterschreibe ich vom ersten bis zum letzten Punkt —
im Zuge der Realisierung befindet. Das heißt kurz und gut, Herr Minister, ich möchte auch hier einmal gerne die Duplizität der Seelen aufdecken und sehen, wieweit der BHE-Vorsitzende von Bayern mit dem Bundesvertriebenenminister identisch ist. Darüber müssen wir also in aller Offenheit nach Ostern reden, weil wir jetzt in dieser Sache gedrängt werden: schnell, schnell! hurry up! Wir wissen ja, wenn man von Vertriebenen spricht, dann geht es oft im Lande so wie mit der „Stimme Amerikas", dann wird abgeschaltet. Das möchte ich nicht.
— Es ist aber vielfach so. Ich kann das auch verstehen. Es liegt an einer gewissen optischen Erscheinung. Weil die Vertriebenen oft fordern, oft demonstrieren und oft reden, werden sie als die ewig Unzufriedenen hingestellt.
Nun zu dieser besonders heiklen Sache. Ich glaube, der Herr Minister wird mir sogar dankbar dafür sein, daß ich das aus den Kulissengesprächen der Koalitionsparteien herausnehme und es auf den Tisch des Hauses lege, damit er Gelegenheit hat, sich dazu zu äußern.
Ich möchte nicht alle Zeitungen, die ich in den letzten Tagen gelesen habe, alle Zuschriften, die mir zugeschickt worden sind, und alle Zettelchen, die man mir in die Tasche gesteckt hat, zitieren. Kurz und gut, es läuft auf das hinaus, was im „Münchner Merkur" vom 2. April unter der Überschrift „Unbehagen über Personalpolitik Oberländers" steht. Sie gestatten, Herr Präsident, daß ich einige Zeilen lese:
In Bonner politischen Kreisen macht sich ein immer stärkeres Unbehagen gegenüber der Personalpolitik des Bundesvertriebenenministers bemerkbar. Oberländer wird vorgeworfen, er stelle systematisch eine Reihe von bewährten Beamten seines Ministeriums durch Beurlaubungen kalt, um an ihre Stelle bzw. auf neuen von ihm geforderten Planstellen
Leute mit eindeutig nationalsozialistischer Vergangenheit unterzubringen.
Weiter wird behauptet, Oberländer betreibe die Verbeamtung einiger Persönlichkeiten, die erst vor kurzem eingebürgert werden konnten, nachdem früheren Einbürgerungsanträgen wegen der zwielichtigen Vergangenheit der Antragsteller nicht stattgegeben wurde. Die Erbitterung über die Personalpolitik Oberländers soll dem Vernehmen nach in seinem Ministerium durch Zirkularschreiben und anonyme Briefe zum Ausdruck kommen. Die CDU/CSU-Fraktion befaßte sich vor kurzem ebenfalls mit diesen Vorgängen.
— Das ist richtig, nicht wahr?
In einer außerordentlich erregten Sitzung
— wieweit die Erregung Wellen schlug, weiß ich nicht; aber das ist auch eine Sache des Gefühls, ob man das so oder so beurteilt —
wurde der Beschluß gefaßt, den Kanzler um Abhilfe zu bitten.
Nun, meine Damen und Herren, wie dem auch sei, wenn es richtig ist, — —
— Bitte, der Herr Minister hat die Möglichkeit, darauf zu antworten. Warum nicht?
Ich frage in aller Offenheit, und ich sage noch mehr: Wenn es richtig ist, daß der Herr Bundesvertriebenenminister ehemaligen führenden Nationalsozialisten, wie ich also höre, ein einflußreiches Tätigkeitsgebiet zuweist, dann glauben ich und meine Freunde, daß der Herr Bundeskanzler und Außenminister mit Rücksicht auf die Wirkungen im Ausland einmal nach dem Rechten schauen sollte. Das ist unsere ernste Auffassung, wenn dem so ist.
Es tut mir leid, daß der Herr Außenminister nicht hier ist. Aber ich würde ihm das sagen, und er wird es ja wahrscheinlich auch lesen.
Nun, treiben wir jetzt keine weitere Seelenforschung! Sprechen wir zur Sache selber, wie es die Absicht meiner Freunde ist! Ich meine die Sache der Vertriebenen, wirtschaftlich, sozial, politisch und auch kulturell gesehen, soweit man davon reden kann. Herr Minister Oberländer, im Oktober des Jahres 1953 hat „Welt" einen Artikel über Ihr Vierpunkteprogramm, das in zwei Jahren verwirklicht werden soll, veröffentlicht. Das ist über alle Wellen des Äthers gegangen. Ich habe dann der „Welt" einen Brief geschrieben — der nur teilweise veröffentlicht wurde — und darin meine Zweifel ausgedrückt, daß es möglich sei, dieses Vierpunkteprogramm allein schon mit Rücksicht auf die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister ausgehende verstärkte Tendenz einer Liberalisierung der Wirtschaft zu verwirklichen. Natürlich, Herr Minister Oberländer: Lagerauflösung! Ja, aber was heißt denn das? Lagerauflösung heißt Neubau von Wohnungen und Schaffung von Arbeitsplätzen.
— Ich bezweifle das gar nicht, ich habe mir sehr genau angehört, was die Vorredner und was Herr Minister Preusker gesagt haben: es wurde gebaut
und es wird gebaut. Aber ich kenne auch den Mietzins der Wohnungen, und ich kenne die Einkommensverhältnisse der einkommenschwachen Vertriebenen, die, zumindest in den meisten Fällen, gar nicht in der Lage sind, sich eine so schöne Wohnung zu erstellen. Ich will damit nur sagen: das ist es, worüber wir uns mit dem Herrn Minister und mit der Regierung unterhalten wollen und werden. Wie groß ist die Kluft zwischen diesem Vierpunkteprogramm und seiner Verwirklichung in zwei Jahren?! Ich möchte gern 40 000 Bauern in zwei Jahren angesiedelt sehen, aber ich halte das für unmöglich. Nicht einmal der liebe Herrgott würde das können, wenn er zu uns herunterkäme.
Das ist einfach nicht möglich! Aber bitte, man soll es vorwärtstreiben. Aus diesem Grunde habe ich gestern auch dem Antrag des Kollegen Seiboth zugestimmt und heute dafür gestimmt, daß man sich einmal überlegt, ob es nicht zweckmäßig ist, 100 Millionen DM in vier Jahren für die Ansiedlung von 3000 Bauernfamilien zu verwenden. Mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit möchte ich dieses sehr wichtige Thema jetzt aber nicht vertiefen.
Natürlich, die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten, die Eingliederung ohne Aufschub und alle Maßnahmen, die hier angedeutet wurden, sind unerhört wichtig und notwendig. Aber im Zusammenhang mit dem Einzelplan 26 möchte ich in diesem Hause ausnahmsweise nicht das übliche Vertriebenenproblem diskutieren, wie es meist im Blickfeld der Deutschen liegt. Das Vertriebenenproblem wird etwas vereinfacht, man sieht nur das Organisatorische. Ohne Zweifel gehört die Eingliederung, die wirtschaftliche Befriedigung, die Frage der Arbeitsstätten und der Wohnungen usw. zum Problem Nummer eins. Aber man sollte auch der kulturellen Frage Beachtung schenken. Daher begrüße ich es, daß der Einzelplan 26 in zwei Titeln die Förderung der kulturellen Bedürfnisse der Vertriebenen mit einer Summe von 750 000 DM vorsieht. Diese Summe erscheint sehr groß, ist aber, gemessen an der großen Aufgabe, gering. Wir sollten uns auch einmal ein bißchen mit der Frage beschäftigen, ob es nicht möglich ist, die schwachen Kulturfundamente der Vertriebenen zu stärken. Man wird mir sagen: Es gibt keine ostdeutsche Kulturbewegung, keine ostdeutschen Kulturwerte; wir sehen es im ganzen deutschen oder abendländischen Rahmen, — alles richtig! Ich weiß auch, über das Wort Kultur werden wir uns heute gar nicht unterhalten, weil wir uns darüber gar nicht einigen könnten; es ist ein schillerndes Wort und führt zu immer neuen Mißverständnissen.
Aber gerade zu den Heimatvertriebenen und auch zur Kenntnis unserer übrigen Landsleute möchte ich sagen: Kultur ist eben nicht allein eine Sammlung von, was weiß ich, künstlerischen Werken oder sachlichen Stoffen; meiner Auffassung nach und gerade auch von den Vertriebenen sollte Kultur aufgefaßt werden als geistige und schöpferische Kraft, und Kulturbestrebungen der Vertriebenen sollten mit den großen anerkannten moralischen, sittlichen und ethischen Werten in Einklang stehen.
Unlängst hat in Aachen eine Kopernikus-Feier stattgefunden. Sie war sehr interessant und, ich glaube, auch sehr würdevoll. Auf dieser Koper-
nikus-Feier hat ein Mitglied der Regierung, der Herr Staatssekretär Thedieck, gesprochen. Er hat dort einen Gedanken entwickelt, den man zum Allgemeingut aller Vertriebenen machen sollte. Der Herr Staatssekretär hat nämlich die Warnung vor der Möglichkeit der Selbstüberschätzung ausgesprochen — wörtlich hat er gesagt: „vor der Mentalität der kulturellen Überlegenheit den slawischen Völkern gegenüber" —, weil das wieder als ein neuer geistiger und dann natürlich auch sachlicher Imperialismus aufgefaßt werden könnte. Das, was der Herr Staatssekretär dort gesagt hat, ist vollkommen richtig. Seine Rede sollte man jedem Vertriebenen zu lesen geben. Denn gerade für uns Vertriebene aus dem Osten bedeutet Nachbarschaft zu den slawischen Völkern eine Verpflichtung. Diese Verpflichtung, Rache und Vergeltung abzuschwören und zu einer positiven Einstellung zu kommen, ist schon 1950 in Cannstatt in der Charta der Vertriebenen ausgesprochen worden.
Ich glaube daher, man kann aus dem Schicksal und aus der Zertrümmerung und Zerstörung doch positive Werte herausschälen. Ich möchte nur zwei Beispiele nennen, die zeigen sollen, wie Heimattreue und Heimatbewußtsein mit der Arbeitskollegialität und, sagen wir, mit dem schöpferischen Willen, Kulturwerte zu schaffen, in einer einheitlichen Synthese zusammenfällt. Ich meine die Bamberger Symphoniker.
Die Bamberger Symphoniker sind vertriebene Deutsche aus dem Sudetenland und bildeten früher das Prager Symphonie-Orchester. Sie haben unter den erbärmlichsten Lebensbedingungen angefangen, diesen wundervollen Klangkörper wiederaufzubauen.
Sie arbeiten heute noch unter schwierigeren Verhältnissen als ein normaler Klangkörper in Deutschland. Ich kenne genau die Einkommensstufen des Oboisten in Bamberg und des in München. Aber sie sind beisammengeblieben.
Ich will damit sagen: manchmal macht man sich über die Heimatpflege und über das Heimatbewußtsein lustig, und wenn man Trachten aus dem Osten sieht, dann lächelt man. Das sind keine Faschingsscherze von uns. Wir sind der Überzeugung, daß aus der Tiefe der Heimat echte Kräfte, wenn Sie so wollen, abendländische Kräfte gewachsen sind. Die geistigen Quellen der Heimatvertriebenen sind nicht allein aus dem Ökonomischen abzuleiten, sondern aus der Erlebnisgemeinschaft und aus der Tatsache der Vertreibung und des Verlustes der Heimat.
Es kommt darauf an, daß wir diese Kräfte in positive Kanäle leiten. Wenn ich meinen Landsmann Josef Mühlberger nehme und seinen „Galgen im Weinberg" lese, dann sehe ich, daß trotz dieser furchtbaren Geschehnisse ein Geist der Toleranz und der wahren Humanität erwächst. Ich glaube, das ist förderungswürdig. Daher sind die 750 000 DM berechtigt.
Gleichzeitig möchte ich sagen: Die Vertriebenen dürfen nicht nur fordern, noch eine Million mehr und noch eine Million mehr. Die Vertriebenenverbände selber und insbesondere die Landsmannschaften, denen eine große Aufgabe zufällt, müssen selber fördern, nicht nur fordern.
Das ist eine Aufgabe, die auch im Zusammenhang mit der Heimat zu sehen ist. Für mich liegt die Heimat nicht nur zurück, für mich liegt die Heimat mehr in der Zukunft. Daher begrüße ich es, daß man den seelischen, psychologischen, kulturellen Problemen Aufmerksamkeit zuwendet.
Die Kulturarbeit sollte erstens Lehre und Forschung, zweitens Kunst und drittens Heimat- und Volkstumspflege umfassen. Wir sollten bei den Dingen, die aus dem gleichen Raum, aus dem gleichen Boden und aus dem gleichen früheren Klima kommen, ordnen und werten. Wir sollten auch, Herr Minister, die Arbeit der vielen Verbände ordnen und werten, nicht nach Zahl und Geschäftigkeit usw., sondern nach den Aufgaben und dem sachlichen Inhalt. Daher wundere ich mich manchmal — ich kenne mich da vielleicht nicht genau aus —, daß es einen Ostdeutschen Kulturrat und ein Kulturwerk vertriebener Deutscher gibt. Warum kann man das nicht koordinieren, warum kann man das nicht vereinfachen? Ich bin gegen jede Regelung und Reglementierung. Kultur kann man nicht anordnen. Ich wäre sehr dagegen, wenn der Herr Minister oder das Ministerium sich jetzt unterfangen wollten, Kultur anzuordnen. Das wäre natürlich Wahnsinn. Aber man kann schon ein bißchen mit ordnender Hand seine Meinung sagen. Ich glaube, auf diesem Gebiet ist manches zu machen. Es gibt manchmal, verehrte Kollegen aus dem Kreis der Heimatvertriebenen, eine Geschäftigkeit unter uns, die gar nicht gut tut. Eine Musikkapelle, die vor Heimatvertriebenen vorbeimarschiert, muß noch keine kulturelle Arbeit leisten. Das muß man doch auch sehen. Aber alles in allem glaube ich, daß man diese Dinge weiter fördern muß.
Der Unterstützung der Verbände stehen meine Freunde positiv gegenüber, soweit die Verbände eine überparteiliche Haltung einnehmen, sich ihren echten Aufgaben zuwenden und sich nicht Aufgaben zulegen, die ihnen gar nicht zustehen.
Ich möchte schließen. Ich weiß, mancher ist schon ungeduldig, und andere wollen auch noch reden. Mein lieber Freund Bucerius, ich habe noch ein paar Seiten. Seien Sie froh, daß die Zeit so weit fortgeschritten ist. Man soll hier den Menschen sehen, auch den vertriebenen Menschen als Menschen und nicht als Ostdeutschen, Sudetenländer oder Batschka-Deutschen, als Menschen, der das Maß der Dinge ist. Wir sollten diesen Menschen beistehen, wo immer wir können, auch in den Bereichen der Kulturpflege und der Anteilnahme an den Kulturwerken. Denn wenn wir diesen Menschen kulturell so beistehen, wie wir es uns vorstellen, dann machen wir ihn lebenstüchtiger, und wenn er lebenstüchtiger wird, dann kann er seine Aufgabe erfüllen, der ganzen deutschen und abendländischen Gemeinschaft und auch seiner sozialen Gemeinschaft zu dienen. Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die wert ist, daß man sie anpackt.