Rede von
Dr.
Ludwig
Preller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige der Äußerungen, die im Anschluß an unsere Darlegungen erfolgt sind, bedürfen doch einer gewissen Erwiderung. Zunächst einmal darf ich Herrn Bundesfinanzminister Schaffer darauf aufmerksam machen, daß in dem Rundschreiben seines Ministeriums vom 5. März ausdrücklich gesagt worden ist:
Vorläufig wird in der Weise verfahren, daß wir die Zuweisung an die Bundesanstalt mit einem Zwölftel, d. h. monatlich 21 Millionen DM kürzen und bei den Betriebsmittelzuweisungen an die Rentenversicherungsträger ebenfalls 22 Millionen DM monatlich in Abzug bringen.
Das war die Absicht am 5. März 1954, und das ist dann offensichtlich nicht geschehen, weil auch der Bundesarbeitsminister — wie er sagte — eine gesetzliche Grundlage für dieses Vorhaben des Finanzministers nicht zu sehen vermochte. Ich glaube also, daß unsere Darstellung durchaus richtig war.
Zweitens zu Herrn Atzenroth. Wenn Herr Atzenroth davon spricht, daß die Beitragssenkung für eine Rentenerhöhung verwendet werden sollte, so darf ich doch wohl darauf hinweisen, daß die Mittel der Bundesanstalt, wenn sie schon anderweit verwendet werden sollen, jedenfalls für Dinge verwendet werden müssen, die den Arbeitslosen zugute kommen, d. h. für die Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen. Das scheint uns durchaus im Vordergrund zu stehen.
Nun zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister S t o r c h gesagt hat. Mir scheint, er ist einer Verwechslung unterlegen. Er sprach davon, daß er sich vor etwa fünf Jahren, am Anfang seiner Tätigkeit,
dahingehend geäußert habe, daß es notwendig sein würde, für die später altwerdenden Menschen anderthalb Milliarden jährlich zurückzulegen, um die Mittel, die durch die beiden Kriege und Inflationen verlorengegangen sind, wieder d. h. im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens aufzustocken. Jetzt sagen Sie, Herr Minister, 1,9 Milliarden DM würden ja gegeben. Das sind aber keine Kapitaldeckungsmittel, Herr Minister, sondern Zuschüsse; diese Mittel sind erforderlich, wie schon in der Weimarer Zeit, als die Zuschüsse, die damals in Betracht kamen, zum Teil prozentual noch höher waren. Infolgedessen können Sie die 1,9 Milliarden DM, von denen Sie sprachen, nicht zur Kapitaldeckung rechnen, und deshalb können diese Mittel jetzt auch nicht für die alten Leute zur Verfügung stehen. Wir wehren uns gerade dagegen, daß die wenigen Betriebsmittel — etwa reichlich 1 Milliarde DM —, die überhaupt in der Rentenversicherung vorhanden sind und lediglich für zwei Monate ausreichen, angetastet werden. Wir möchten sagen: Hände weg von dieser Milliarde der Rentenversicherung, weil sie gebraucht wird!
Wir sind uns darüber einig, daß wir jetzt nicht über die Frage der Sozialreform sprechen können, aber wenn Sie wiederum Beveridge zitiert haben wie schon einige Male zuvor, hier oder an anderer Stelle, dann darf ich Sie auf folgendes aufmerksam machen: daß dieser Bericht den Namen Beveridges trägt, entspricht einer Übung des englischen Parlaments. Zweifellos hat der Beveridge-Ausschuß zwei Jahre gearbeitet, und dann hat Beveridge noch ein weiteres Jahr darauf verwendet. Aber, Herr Minister, vor zwei Jahren hat Ihre Koalition unseren Antrag, einen solchen Ausschuß einzusetzen, zerschlagen.
Sie hätten jetzt schon nach zwei Jahren das hinstellen können, was Beveridge mit seinem Ausschuß nach zwei Jahren hingestellt hat. Aber das haben Sie versäumt.
Und genau so wie Sie damals, ein Jahr nach jenem Beschluß, den Herrn Horn angeführt hat — zufällig kurz bevor wir unsere SPD-Tagung in Hannover hatten —, den Ausschuß überhaupt erst einberufen haben, genau so haben Sie jetzt das halbe Jahr, das Sie seit der Ankündigung von Herrn Dr. Adenauer hatten, nicht benutzt. Gerade heute morgen schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung davon, daß man nun langsam wenigstens Ansätze zu einer Änderung des Systems sehen möchte. Sie werden ja nicht behaupten, daß das ein sozialdemokratisches Blatt ist. Aber auch der „Arbeitgeber" — und Sie werden nicht sagen, daß die Zeitschrift der Arbeitgeberverbände ein sozialdemokratisches Blatt ist — schreibt, daß das zuständige Bundesressort nicht ausreichend zu erkennen gebe, daß es mit den Vorbereitungen für eine solche Reform nachdrücklich beschäftigt sei. Nur das möchte ich heute zu diesen Dingen sagen, damit wir nicht schon bei der Etatberatung ein falsches Bild bekommen.
Herr Horn, Sie haben angeführt, man dürfe nicht nur Kritik üben, sondern müsse auch Leistungen vollbringen.
— Anerkennen? Gern! Soweit etwas geschehen ist! Beim Versorgungsgesetz und ähnlichem gern!
— Sicher, noch einiges mehr. Aber, darf ich Ihnen sagen, daß das, was im 1. Bundestag für die Rentner geleistet worden ist, überhaupt erst mit den Anträgen der Sozialdemokratie herausgelockt werden mußte.
Das gilt für die Rentenzulagen, das gilt für die Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung,
das gilt für die Erhöhung des Grundbetrags.
— Sie haben dann natürlich mitgemacht.
— Ach Gott, so liegen doch nun einmal die Dinge. Sehen Sie sich doch den Gang der Sache an! Es gilt für die Höherversicherung in der Sozialversicherung, für die Änderung der Ruhensvorschriften, und wir könnten diese Liste noch und noch verlängern.
Sie haben gesagt, Herr Horn, die Sozialdemokratie übe nur Kritik, sie befinde sich nicht im Recht, wenn sie den Vorwurf der Konzeptionslosigkeit erhebe. Nun, Herr Horn, Sie haben auf den Beschluß der Bundestagsmehrheit vom Februar vor zwei Jahren hingewiesen. Sie halten es also für eine Konzeption, wenn damals scharfe Trennung von Versicherung, Versorgung und Fürsorge verlangt worden ist?
Ich darf Ihnen sagen, Herr Horn, daß die sozialpolitische Wissenschaft unterdessen längst erkannt hat, daß das ein falscher Weg ist. Wir werden Ihnen das noch beweisen bei der Behandlung unserer Großen Anfrage.
Schließlich ist davon gesprochen worden, daß das Bundesfinanzministerium mitreden müsse. Selbstverständlich hat der, der das Geld gibt, auch immer etwas mitzureden. Darüber habe ich nichts gesagt, sondern ich habe erklärt, daß, über die Hergabe der Geldmittel von seiten des Bundesfinanzministeriums hinaus, dieses Ministerium eigene sozialpolitische Vorstellungen entwickelt. Und da bin ich mit Ihnen der Auffassung: Das geht nicht an.
Es ist auch nicht, wie sie sagen, Herr Horn, eine komische Sache, daß sich, wenn auch die Selbstverwaltungskörperschaften hinsichtlich der 262 Millionen DM einen Beschluß gefaßt haben, der DGB trotzdem erlaubt, eine eigene Meinung zu haben.
Einer so großen Organisation, wie sie der Deutsche Gewerkschaftsbund ist, müssen Sie immerhin zubilligen, daß er auch eine eigene Meinung hat.
Selbst wenn er überstimmt worden ist, kann er hinterher wohl auch noch seine Meinung äußern. Das Recht dazu hat der Kollege Horn dem DGB bestritten. Das wiederum bestreite nun allerdings ich dem Kollegen Horn gegenüber.
Nun haben Sie noch gesagt, daß der Bundesfinanzminister bei den Rentenversicherungsträgern den Zugriff auf die 250 Millionen DM im ordentlichen Haushalt gestrichen, aber dafür im außerordentlichen Haushalt 250 Millionen DM Schuldbuchverschreibungen vorgesehen habe. Herr Horn,
glauben Sie wirklich, daß das eine Vermögensanlage der Rentenversicherungsträger ist?
— Formal ja! In der Sache handelt es sich aber nicht um Vermögen, das der Bundesfinanzminister mit Beschlag legt, sondern es handelt sich, wie auch der Bundesarbeitsminister ganz richtig gesagt hat, um laufende Betriebsmittel, und die darf man nicht in Vermögenswerten anlegen. Das sollten Sie doch eigentlich wissen.
Ich darf mit dem Hinweis schließen, daß die Opposition zwar kritisiert hat, aber, Herr Horn, nur aus der Sorge heraus, daß bessere Leistungen notwendig sind.
Vizepräsident Dr. Schneider Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesarbeitsminister Storch.