Rede von
Wilhelm
Traub
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde in diesem Hohen Hause heute bereits zum Ausdruck gebracht, daß von den im Etat des Bundesarbeitsministeriums enthaltenen Zahlen das Wohl und Wehe großer Volksschichten abhängt. Millionen von Rentnern, von Sozialversicherten, von Kriegsopfern usw. warten seit Monaten und Jahren auf die von der Bundesregierung und die von dem Herrn Bundesarbeitsminister immer wieder angekündigte große Sozialreform. Leider habe ich von den Etatberatungen im Haushaltsausschuß nicht den Eindruck mitgenommen, als ob Sie, Herr Bundesarbeitsminister, oder Ihr Ministerium überhaupt schon klar umrissene Vorstellungen von der Sozialreform hätten. Wäre dies der Fall, so hätten Sie uns sicher, Herr Minister, mit einigen interessanten Zahlen in Ihrem Haushalt überrascht..
Tief bedauerlich ist die Tatsache, daß die Sozialreform in erster Linie von fiskalischen Gesichts-
punkten aus betrachtet wird. Alle Erklärungen der Bundesregierung — man kann das nicht oft genug betonen —, daß sie dem Bundestag Maßnahmen vorschlagen wolle, die zu einer wirtschaftlichen Verbesserung der Lage der Rentner, der Invaliden, der Waisen, der Hinterbliebenen führen würden, sind allmählich so abgedroschen und bald so unglaubwürdig, daß sie draußen in der Öffentlichkeit niemand mehr ernst nimmt.
Wenn es Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, nicht bald gelingt, dieses Problem wirklich einmal zu lösen, und wenn die Bundesregierung nicht endlich einmal statt des Geldes nun auch den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtungen über eine Sozialreform stellt, dann werden Sie erleben, daß Hunderttausende und Millionen von Menschen den Glauben an die Gerechtigkeit und an die gerechte Sache unseres neuen demokratischen Staates verlieren.
— Vor dem 6. September haben Sie sehr viel versprochen, und nach dem 6. September haben Sie bis jetzt noch gar nichts gehalten.
Meine Damen und Herren, ich sage nochmals: Herr Bundesarbeitsminister, wir sind von der Arbeit Ihres Ministeriums bitter enttäuscht, zumal wir bei den Haushaltsberatungen doch feststellen durften, daß der Aufbau Ihres Ministeriums personell und sachlich vollzogen ist, so daß dort eigentlich volle Arbeitsfähigkeit besteht. Der Haushaltsausschuß hat Ihnen die erforderlichen Mehrstellen sowohl in Ihrem Ministerium als auch in den übrigen Behörden und Verwaltungen anstandslos genehmigt. Er hat Ihnen sogar die Stellen für eine neue Abteilung V, d. h. für eine Abteilung „Kriegsopferversorgung", bewilligt. Nun fragen wir uns: Warum, Herr Minister, kommen Sie trotzdem mit Ihrer Sozialgesetzgebung und mit Ihrer Sozialreform zu keinem Ergebnis?
Ich glaube, wir kommen den Gründen dafür vielleicht etwas näher, wenn wir einmal das dem Haushaltsausschuß zur Verfügung gestellte Verzeichnis der Beiräte und Ausschüsse Ihres Ministeriums betrachten. Dort sind 42 Positionen aufgeführt. Leider handelt es sich zum großen Teil nur um die sogenannten Heimarbeiterausschüsse, die wohl auch wichtig sind, aber nicht mit der großen Reform der Sozialversicherung und der Sozialgesetzgebung in Zusammenhang stehen. Als eine der wenigen Positionen dieses Verzeichnisses wäre der im Auftrag des Bundestages gebildete beratende Beirat für die Neuordnung der sozialen Leistungen zu erwähnen. Was haben wir uns von diesem Beirat versprochen? Was haben wir bisher überhaupt von der Arbeit dieses Beirates gehört? Nun, Herr Minister, ich möchte Sie heute fragen: Was hat dieser Beirat bisher getan, um auf diesem Gebiet wirklich einen Schritt vorwärtszukommen?
Es ist außerordentlich bedauerlich, daß das Bundesarbeitsministerium bis heute noch keinen wissenschaftlichen Beirat geschaffen hat, ähnlich wie wir ihn beim Finanz- und Wirtschaftsministerium haben. Dieser Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen, darüber sind wir uns doch im klaren, meine Damen und Herren, kann nur eine Teilaufgabe lösen, d. h. er kann sich wirklich mit der
Reform der Sozialgesetzgebung beschäftigen, während wir aber für die ständigen sozialen Umschichtungen in unserem Volke laufend neue Überlegungen auf dem Gebiet der Sozialversicherung und der Sozialgesetzgebung anstellen müßten.
Vielleicht, Herr Minister, können Sie bei dieser Gelegenheit uns auch einmal sagen, wer die unter den laufenden Nummern 36 bis 40 im Verzeichnis aufgeführten Beiräte und Arbeitsstäbe geschaffen hat, wo die Rechtsgrundlage dafür besteht, wer die Mitglieder berufen hat und nach welchen Gesichtspunkten sie berufen wurden. Bei dieser Liste habe ich festgestellt — Sie haben da beispielsweise einen Arbeitsstab für die Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner, einen Arbeitsstab zur Neuordnung des Kassenarztrechts, des Verbänderechts usw. —, daß in all diesen Beiräten und Arbeitsstäben entweder Sie, Herr Minister, persönlich oder einer Ihrer leitenden Beamten den Vorsitz führen.
Ich glaube, hier haben wir einmal einen Ansatzpunkt dafür, warum heute in Ihrem Ministerium noch nichts Positives an gesetzgeberischer Arbeit herausgekommen ist, nämlich deshalb, weil Sie sich in diesen Dingen zersplittern und sich nicht auf Ihre Hauptaufgabe konzentrieren. Ich darf sagen, daß die Beamten und Angestellten Ihres Ministeriums wohl sehr fleißige Leute sind, aber wir müssen doch feststellen, daß diese Beamten und Angestellten im Kleinkram, in der reinen Verwaltungstätigkeit ersticken.
Nun frage ich Sie, Herr Minister: Warum stoßen Sie nicht endlich einmal einen Teil dieser Kleinarbeit aus Ihrem Ministerium ab? Warum schalten Sie nicht endlich die Selbstverwaltungsorgane und ihre Verbände ein, und warum geben Sie den Selbstverwaltungsorganen und damit ihren Verbänden nicht echte Aufgaben und echte Verantwortung? Ich möchte überhaupt einmal wissen, welche Aufgaben der Herr Bundesarbeitsminister den Spitzenverbänden in der Selbstverwaltung übertragen will. — Herr Kollege Horn, Sie schütteln den Kopf, aber es ist doch tatsächlich so, daß heute noch nicht klar feststeht, welche Aufgaben diese Spitzenverbände überhaupt haben.
Nun, Herr Minister, es hat sehr lange gedauert --
— Ich kenne das Selbstverwaltungsgesetz sehr genau. Ich habe es mindestens so genau studiert, wie Sie es getan haben!
Es hat sehr lange gedauert, Herr Minister, bis in Ihrem Ministerium die Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung geschaffen wurden.
Ich meine, Sie werden wohl nicht bestreiten, daß eine sehr lange Zeit verstrich, bis man endlich im Bundesarbeitsministerium dazu kam, die Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz zu erlassen. Die Selbstverwaltungsgesetze sehen nicht immer so aus, wie wir sie für richtig gehalten hätten.
Die Selbstverwaltungsorgane haben — das dürfen wir heute zunächst einmal feststellen — ihren Aufbau im Jahre 1953 vollzogen, und zwar auf Kreis- und Länderebene. Die Selbstverwaltung ist dort Wirklichkeit geworden. Wenn ich recht informiert bin, gibt es 60 000 ehrenamtliche Mitarbeiter in der Sozialversicherung, die sich Mühe geben, die Selbstverwaltung draußen durchzuführen. Ich glaube, diesen Frauen und Männern gebührt heute von dieser Stelle auch einmal ein Wort des Dankes für ihre Arbeit.
Wir sind vorhin bei der Behandlung der Spitzenverbände stehengeblieben. Ich weiß, daß die Spitzenverbände erst in letzter Zeit von den Selbstverwaltungsorganen übernommen wurden. Sie können deshalb nicht sagen, daß sie auch schon wirklich tätig gewesen wären. Ich bin der Auffassung, daß die Aufgaben der Spitzenverbände noch nicht abschließend geregelt sind. Es wäre wirklich an der Zeit, Herr Minister, daß Sie diese Aufgaben richtig verteilen und dafür sorgen, daß dort wirklich Verantwortung getragen wird.
Ich sagte vorhin schon, daß beim Arbeitsministerium so viel Kleinkram gemacht wird, daß man sich dort mit Aus- und Durchführungsbestimmungen beschäftigt, was man doch zum großen Teil den Selbstverwaltungsorganen übertragen kann, damit das Ministerium entsprechend entlastet wird.
Das Ministerium brütet monate- und jahrelang über den Durch- und Ausführungsbestimmungen zu den Gesetzen und kommt nicht weiter. Die Durchführungsbestimmungen gehen vom Ministerium zum Spitzenverband, von diesem zum Landesverband, von dort zu den Organisationen und auf dem gleichen Wege zurück, dann sind fünf Besprechungen im Arbeitsministerium unter dem Vorsitz des Herrn Ministers oder eines leitenden Beamten. Und was kommt dabei in der Regel heraus? Wenn es zu einer Einigung kommt, ist es nicht eine solche nach sachlichen und fachlichen Gesichtspunkten, sondern eine Einigung auf Grund der Autorität des Ministeriums, wobei dann draußen die Ausführung des Gesetzes immer wieder auf Schwierigkeiten stößt.
— Ich werde Ihnen nachher einige Beispiele dafür sagen, Herr Kollege Horn; dann werden Sie zugeben, daß ich doch nicht ganz Unrecht habe.
Ich meine, die Fragen der Selbstverwaltung und der Übertragung der Aufgaben sind nicht so schwierig, wie man das ansieht. Wir haben heute andere Verhältnisse als vor fünfzig und sechzig Jahren. Im Selbstverwaltungsgesetz ist die Bestimmung verankert, daß in vielen Fällen die Durchführung der Selbstverwaltung bei den Verbänden und Organisationen liegt. Das ist doch etwas Neues. Ich will damit sagen, daß auf Kreis-, Länder- und Bundesebene immer dieselben Organisationen oder Verbände einander gegenüberstehen, nämlich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände.
Bei dieser Gelegenheit, Herr Minister, möchte ich sagen, daß Sie sich auch einmal darüber Gedanken machen sollten, wie man den Dualismus beseitigen könnte, der heute erneut zwischen den Organen und der Verwaltung in den Selbstverwaltungskörpern besteht. In der kommunalen Selbstverwaltung gibt es zahlreiche Fälle, in denen die Geschäftsführer der Körperschaften des öffentlichen Rechts den Vorsitz in den Organen führen. Wenn schon in der Sozialversicherung die Geschäftsführer von den Organen gewählt werden, müßte dafür gesorgt werden, daß sie auch stärker in den Organen der Sozialversicherung verzahnt, daß sie in diesen Organen stärker verankert werden.
— Damit Sie beruhigt sind, will ich Ihnen gleich einige konkrete Beispiele sagen, wo das Bundesarbeitsministerium nicht vorankommt. Ich denke an das Fremdrentengesetz, das rückwirkend mit dem 1. April 1952 in Kraft treten soll. Aber zu diesem wichtigen Gesetz hat das Bundesarbeitsministerium bis heute noch keine Durchführungsverordnung schaffen können.
Ich denke weiter an das Mutterschutzgesetz.
Auch dazu fehlen Verwaltungsvorschriften und Durchführungsbestimmungen. Und der Herr Bundesarbeitsminister enthält den Ortskrankenkassen bis heute noch Millionenbeträge vor. Die Krankenkassen können für die verausgabten Beträge keinen Ersatz bekommen, weil das Ministerium in seiner Arbeit nicht weiter kommt.
Ein ganz trübes Kapitel ist auch die Frage der Rentnerkrankenversicherung. Man hat den Ortskrankenkassen Aufgaben zugewiesen, die sie durchführen müssen. Man sorgt von Ihrer Seite, Herr Bundesarbeitsminister, aber nicht dafür, daß die Kosten, die dadurch entstehen, den Kassen wieder ersetzt werden. Das hat dazu geführt, daß die Ortskrankenkassen im letzten Halbjahr zum großen Teil ihre Beiträge erhöhen mußten, weil der Herr Bundesarbeitsminister entweder nicht den Mut gehabt oder nicht das Verantwortungsgefühl besessen hat, hier einmal zu fragen: Wer ersetzt den Ortskrankenkassen ihre Ausgaben?
Der Herr Bundesfinanzminister sitzt eben hier vorne. Ich muß sagen, es ist eine bedauerliche Tatsache, daß der Herr Bundesarbeitsminister es nicht fertiggebracht hat, dem Herrn Bundesfinanzminister zu sagen: Statt daß Sie nun im Wege der Anleihe den Rentenversicherungsträgern 250 Millionen wegnehmen, geben Sie mal erst den Ortskrankenkassen das, was die Rentenversicherungsträger den Ortskrankenkassen schuldig sind.
Ich will auf die Vertröstung der Rentner im Zuge der großen Sozialreform heute gar nicht besonders zu sprechen kommen. Das werden wir bei unserer Großen Anfrage nach Ostern tun. Was hier mit diesen armen und kleinen Leuten seit Monaten und Jahren geschieht, daß sie vertröstet werden, ist einfach nicht mehr zu verantworten.
Herr Bundesarbeitsminister, wir werden Ihnen in den nächsten Tagen auch noch Material vorlegen, aus dem hervorgeht, daß in der Arbeitslosenversicherung und in der Arbeitslosenfürsorge heute noch zum Teil Sätze bezahlt werden, die wesentlich unter den Fürsorgerichtsätzen liegen. Auch das ist keine Art. Auch hier hätte das Bundesarbeitsministerium längst dafür sorgen können, daß diese Dinge geändert werden.
Dann noch ein kritisches Wort, Herr Bundesarbeitsminister. Sie haben der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten Jahren eine Reihe
von Auftragsangelegenheiten übertragen. Diese Auftragsangelegenheiten — das darf man wohl sagen — machen heute vielleicht 40 % der Gesamtaufgaben der Versicherungsträger aus. Diese Entwicklung ist nicht ungefährlich. Aber es ist tief bedauerlich, daß Sie, Herr Minister, bisher immer versucht haben, die Durchführung der Auftragsangelegenheiten den Sozialversicherungsträgern dadurch zu erschweren, daß Sie, statt das Pauschalierungssystem einzuführen, in steigendem Maße zu Einzelabrechnungen übergehen und Einzelverbuchungen von den Versicherungsträgern verlangen. Das gibt eine derartige Verwaltungsarbeit, daß langsam überhaupt kein Mensch mehr diese ganzen Dinge überblickt. Ich erinnere Sie nur daran, was Sie bei der Durchführung der Krankenversicherung der Arbeitslosen jetzt gemacht haben. Da verlangen Sie die Einzelabrechnungen und die Einzelbuchungen, ein Zustand, der unerträglich ist. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man dazu kommt, ein solches Gesetz vorzulegen und so etwas von den Sozialversicherungsträgern zu verlangen. Hier möchte ich Ihnen, Herr Minister, empfehlen, einmal den Entwurf des Finanzanpassungsgesetzes zu studieren, den uns der Herr Bundesfinanzminister vorgelegt hat. Dort wird z. B. in der Frage der Kriegsfolgelasten ein Loblied auf das Pauschalierungsverfahren gesungen, dort wird den Selbstverwaltungskörperschaften der Kommunen eine Anerkennung ausgesprochen, und dort sagt man, das Einzelabrechnungsverfahren sei viel zu kostspielig und viel zu umständlich. Aber Sie, Herr Minister, gehen gerade den entgegengesetzten Weg. Dort heißt es, daß man die Pauschalierungsbeträge im Vertrauen auf die Selbstverwaltungskörperschaften sogar noch höher angesetzt hat, als der tatsächliche Aufwand im letzten Jahr war. Wenn Sie, Herr Minister, den Selbstverwaltungsorganen in der Sozialversicherung nicht mindestens so viel Vertrauen entgegenbringen, wie es der Herr Bundesfinanzminister den Selbstverwaltungsorganen der Kommunen entgegenbringt, dann ist das ein außerordentlich bedauerlicher Zustand.
Ich möchte auch noch ein Wort zu der Abteilung V sagen, die Sie in Ihrem Ministerium geschaffen haben. Ich habe bei der Etatberatung zum Ausdruck gebracht, wir begrüßten es, daß endlich einmal auch der Bedeutung der Kriegsopferversorgung in Ihrem Ministerium stärker Rechnung getragen werde. Wir haben den Wunsch und die Hoffnung, daß diese Abteilung auch wirklich zu einer Beschleunigung der Durchführung der Gesetze, Ausführungsbestimmungen usw. beiträgt. Wir haben aber auch gewisse Besorgnisse und Bedenken. Denn nachdem wir jetzt im Haushaltsausschuß erlebt haben, daß der Herr Bundesfinanzminister 255 Millionen von der Kriegsopferversorgung gestrichen hat
und dazu übergegangen ist, bei der Kriegsopferversorgung Personal einzusparen, muß ich schon sagen, Herr Minister, sind wir auch — —
— Wir werden nachher darauf zurückkommen. Das
stimmt schon, Sie werden noch überzeugt werden!
— Es stimmt, Herr Minister! Wir werden nachher noch dazu Stellung nehmen.
Ich wollte damit sagen: nachdem der Herr Minister hier Gelder abgezogen hat, haben wir eben die Befürchtung, daß, wenn eine stärkere organisatorische Zusammenfassung kommt, auch hier gewisse fiskalische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Das möchten wir natürlich bei der Kriegsopferversorgung vermieden haben.
Ich darf noch eines zum Bundesinstitut für Arbeitsschutz in Soest sagen. Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt alle Maßnahmen, die einer praktischen Unfallverhütung dienen.
— Nein, das tun wir nicht, wir lehnen diesen Etat nicht ab.
Ich wollte Ihnen dazu nur folgendes sagen. Wenn Sie schon einmal etwas mit dem Gewerbeaufsichtsamt zu tun hatten, werden Sie mir recht geben, wenn ich sage, daß man mit den in diesem Institut beschäftigten 5 Beamten, ich glaube, 18 Angestellten und 3 Arbeitern, also 26 Menschen, ein ordentliches Gewerbeaufsichtsamt in einem Land aufbauen kann, das wirklich einen praktischen Zweck hat. Wir haben gewisse Bedenken, ob das Institut in Soest noch wirklichkeitsnah ist, ob die Zeitung, die es beispielsweise herausgibt, noch betriebsnah ist. Wir werden jedenfalls diese Dinge mit Aufmerksamkeit verfolgen und darauf achten, daß sich hier kein Wasserkopf bildet und daß kein Nebeneinander entsteht, sondern daß hier wirklich positive Arbeit geleistet wird.
Nun noch ein Wort zum Bundesversicherungsamt. Der Haushaltsausschuß hat 75 % der angeforderten personellen und sächlichen Kosten genehmigt, obwohl das Gesetz zur Schaffung des Bundesversicherungsamtes bis heute noch nicht erlassen ist. Sie wissen, daß uns ein Gesetzentwurf vorliegt und daß sich erst noch die Ausschüsse mit ihm beschäftigen müssen.
Meine Damen und Herren, wir haben bei den Sozialversicherungsträgern die Selbstverwaltung durchgeführt, wir haben in den letzten Monaten die Sozialgerichtsbarkeit in den Ländern durchgeführt, und wir haben vorhin gehört, daß nun auch das Bundessozialgericht seine Tätigkeit aufgenommen habe. Ich bin allerdings noch nicht davon überzeugt, denn ich habe heute gerade in der Presse gelesen, daß der Präsident seine Arbeit erst Ende dieses oder Anfang nächsten Monats aufnehmen wird. Wir wünschen jedenfalls nicht, daß man dieser Selbstverwaltung am Ende, an der obersten Spitze, eine Zwangsjacke anlegt.
Sie wissen, daß das Bundesversicherungsamt nicht mehr all die Aufgaben hat, die das frühere Reichsversicherungsamt gehabt hat. Das frühere Reichsversicherungsamt hatte bekanntlich die Rechtsprechung, die nun auf das Bundessozialgericht übergegangen ist. Die Verwaltungsaufgaben sind zum großen Teil auf die Länder übergegangen. Dem Bundesversicherungsamt wird in erster Linie nur noch die Aufsicht über die bundesunmittelbaren Versicherungsträger, also über die Berufsgenossenschaften übertragen. Auch hier haben wir — ich muß wieder auf die fiskalischen Gesichtspunkte zurückkommen — das Bedenken, Herr Bundesfinanzminister, ob man nachher nicht versuchen wird, nicht nur bei der Bundesanstalt und
bei den Rentenversicherungsträgern, sondern auch bei den Berufsgenossenschaften die Zusammenfassung dazu zu benutzen, sich in die finanziellen Dinge, d. h. in die Rücklagen dieser Versicherungsträger, einzumischen.
— Herr Bundesfinanzminister, ich darf Ihnen folgendes sagen. Es gibt wohl in jedem Ministerium schwarze Stellen. Aber ich glaube, wenn man später einmal diese schwarzen Stellen nachsieht, wird man erkennen, daß eine der schwärzesten Stellen bei Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, beim Bundesarbeitsminister und beim Herrn Bundeskanzler der Tag war, an dem Sie die Gelder, die Rücklagen der Sozialversicherungsträger, dazu verwandt haben, Ihren Haushalt auszugleichen.
Das Bundesarbeitsministerium ist das Ministerium, mit dessen Etat das Schicksal Millionen Berufstätiger, Rentner, Körperbeschädigter und Hinterbliebener aufs engste verbunden ist. Seien Sie, Herr Bundesarbeitsminister, sich immer bewußt, daß auch das Schicksal unseres demokratischen Staates zu einem großen Teil von der politischen Haltung und Einstellung dieses Personenkreises abhängig sein wird.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist ) der Auffassung, daß Sie, Herr Bundesarbeitsminister, die Ihnen zukommenden großen Aufgaben auf dem Gebiet der Sozialpolitik und der Sozialgesetzgebung in den letzten Jahren nicht erfüllt und nicht mit Ihrer ganzen Persönlichkeit gefördert haben. Sie haben Ihr Ministerium nach unserer Auffassung zum Anhängsel des Bundesfinanzministeriums gemacht
und nicht zu einem Rufer für die sozial Schwachen,
von denen der Herr Bundeskanzler auch in seiner Regierungserklärung gesagt hat, sie hätten an den Segnungen der sozialen Marktwirtschaft nicht teilgenommen. Die einzige Hoffnung dieser Menschen Ist nach einem arbeitsreichen Leben, bei Unfall, bei Arbeitslosigkeit und in der Not eine soziale Sicherheit, für die Sie, Herr Bundesarbeitsminister, als der zuständige Minister in erster Linie die Verantwortung zu tragen haben.
Wir haben bei der Etatberatung unsererseits dazu beigetragen, daß Ihr Ministerium arbeitsfähig wird. Wir haben Ihnen das Personal dazu genehmigt. Das ist unser positiver Beitrag zu Ihrem Ministerium. Sorgen nun Sie dafür, daß mit diesem Apparat eine positive und vorbildliche Sozialgesetzgebung geschaffen wird, damit wir bei der Etatberatung im kommenden Jahr eine positivere Haltung zu Ihrem Ministerium einnehmen können.