Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, das Hohe Haus schenkt mir das Vertrauen, daß ich zu den kürzeren und nicht zu den längeren Rednern gehöre. Ich werde mich bemühen, ein solches Vertrauen zu rechtfertigen.
Ich beantworte das, was gestern hier ausgeführt worden ist, in der Reihenfolge, in der es gesagt worden ist. Nur auf das Problem des Luftschutzes, dem ich einige Worte mehr widmen muß, komme ich zum Schluß zu sprechen. Ich darf vorweg sagen, daß ich all den Damen und Herren, die gestern gesprochen haben, für viele wertvolle Anregungen, die sie mir gegeben haben, sehr dankbar bin. Wenn ich nach dem gehen sollte, was hier gesagt worden ist, hätte ich es bis auf einen Punkt ganz leicht. Ich sollte nämlich für die Aufgaben meines Ministeriums sehr viel mehr Geld bekommen, als mir etwa an einer einzigen Stelle gestrichen worden ist. Leider hat unser Haushalt so enge Grenzen, daß sich viele gute Absichten, die wir gemeinsam haben, nicht verwirklichen lassen.
Ich beginne mit der Bemerkung, die Herr Kollege Maier über das Technische Hilfswerk und die Beteiligung der Gewerkschaften am Technischen Hilfswerk gemacht hat. Ich wiederhole hier, daß mir außerordentlich viel daran liegt, die Mitarbeit der Gewerkschaften bzw. des Deutschen Gewerkschaftsbundes an den Aufgaben des Technischen Hilfswerks zu gewinnen. Ich habe vor wenigen Tagen erneut an den Herrn Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes in diesem Sinne geschrieben und hoffe, daß die noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Möglichkeit einer richtigen Abgrenzung des Begriffs „Notversorgung der Bevölkerung" recht bald im, wie ich glaube, gemeinsamen Interesse von uns allen geklärt werden können.
Die Fraktion der SPD hat einen Antrag gestellt, wonach die Mittel, die für den Verfassungsschutz aufgewendet werden sollen, nicht nur durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, sondern durch ein Dreiergremium geprüft werden sollen. Ich bitte diesem Antrag nicht zuzustimmen. Ich glaube, wir können uns darin einig sein, daß die Mittel, die für den Verfassungsschutz ausgegeben werden, nur 'dann richtig verwendet werden können, wenn ein umfassender Geheimnisschutz gewährleistet ist. Ich brauche darüber wohl schon deswegen nicht mehr zu sagen, weil in allen deutschen Ländern, die eine ähnliche Institution haben, dieselbe Regelung besteht, wie sie hier vorgeschlagen und auch gehandhabt worden ist. Die Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz kann nur dann richtig ausgeübt werden, wenn in persönlicher wie sachlicher Hinsicht die Gewähr für größtmöglichen Schutz gegeben ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn das Wissen um Staatsgeheimnisse auf die Personen beschränkt bleibt, die
notwendigerweise dienstlich mit ihnen befaßt sind.
Es ist dann beantragt worden, der Bundeszentrale für Heimatdienst größere Mittel als hier vorgesehen zur Verfügung zu stellen. Ich würde das sehr begrüßen, das brauche ich wohl nicht erst zu sagen. Aber ich fürchte, daß für 1954 keine Möglichkeit besteht, einen geeigneten Vorschlag zur Deckung dieser Mehrforderung zu machen.
Sodann ist von dem Büro für Aufenthaltsgenehmigungen beim Bundesministerium des Innern gesprochen worden. Dabei ist der Antrag gestellt worden, die Mittel auf 40 000 DM herabzusetzen. Voraussetzung für die Durchführung dieses Antrags, der sich in seinem Endziel durchaus mit dem deckt, was der Bundesregierung vorschwebt, wäre, daß die Reisenden-Kartei tatsächlich auf Staatenlose und auf die Angehörigen von Satellitenstaaten beschränkt wird. Zu dieser Maßnahme, die an sich beabsichtigt ist, ist die Zustimmung der Alliierten Hohen Kommission erforderlich, weil diese Zählkartei für ein-, aus- und durchreisende Ausländer und Staatenlose durch eine Vereinbarung mit der Alliierten Hohen Kommission vom 29. August 1952 eingeführt worden ist. Die Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission bezüglich der Einschränkung der Reisendenkartei sind noch nicht abgeschlossen. Deshalb läßt sich zur Zeit auch noch nicht übersehen, ob Ausgaben eingespart werden können. Sobald aber die Zustimmung vorliegt, können die sich dann ergebenden Einsparungsmöglichkeiten voll wahrgenommen werden.
Herr Kollege Ritzel hat besonders auf die Förderung der Ultraschall-Forschung hingewiesen. Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung der Ultraschall-Forschung, insbesondere auch durch ein Votum der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung, bewußt. Ich bin gern bereit, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft anzuregen, daß sie bei der durch sie erfolgenden Vergabung der Schwerpunktmittel ihre Aufmerksamkeit auch auf die Notwendigkeit der Ultraschall-Forschung richtet. Ich bin ferner bereit, zu prüfen, ob im Rahmen der dem Bundesministerium des Innern zur Verfügung stehenden Forschungsmittel etwaige Einzelanträge, die die UltraschallForschung betreffen, unter Beachtung der für die Ausschüttung dieser Mittel geltenden Richtlinien gefördert werden können.
Als weiteres Anliegen ist das des Neubaus der Deutschen Bibliothek in Frankfurt angesprochen worden. Ich möchte vorweg sagen, daß ich diesem Anliegen — wenn ich das als eine persönliche Meinung sagen darf — sehr sympathisch gegenüberstehe. Die Notwendigkeit eines Neubaus in Frankfurt ist nicht zu bestreiten, jedoch ist es hier, wie bei vielen Stellen, fraglich, ob die Kosten vom Bund mitzufinanzieren sind. Außerdem liegen noch keine baulich und finanziell geprüften Unterlagen vor, und eine Deckung der Mehrausgabe ist in diesem Bundeshaushalt 1954 nicht möglich. Die Konferenz der Kultusminister hat sich gerade mit dieser Frage beschäftigt, aber auch kein sonderlich positives Ergebnis dabei erzielt, so daß ich fürchte, wir müssen diesen Antrag zurückstellen und die Möglichkeiten einer teilweisen Finanzierung durch den Bund bei den Haushaltsvorbereitungen für 1955 überprüfen.
Frau Kollegin Hubert hat dann etwas ausführlicher über die Fragen der Gesundheit gesprochen. Die verehrte Frau Kollegin weiß, daß mir
dieses Thema sehr am Herzen liegt. Erst vorgestern ist ja der Bundesausschuß für gesundheitliche Volksbelehrung gebildet worden. Ich glaube, er wird in der Koordinierung aller Bestrebungen auf dem Gebiet der gesundheitlichen Volksbelehrung eine gute Arbeit leisten können. Leider sind die Mittel, die uns für die Aufgaben der Gesundheit zur Verfügung stehen, so begrenzt, daß wir vielen der Anregungen, die die Frau Kollegin gegeben hat, zur Zeit noch nicht folgen können. Ich muß dabei allerdings auch darauf hinweisen, daß die Aufgabenverteilung nach dem Grundgesetz uns nicht selten entgegengehalten wird und daß infolgedessen auch da, wo der Bund, wenn ich so sagen darf, zusätzlich einen besonders guten Willen und eine besondere Förderung für eine bestimmte Aufgabe zeigen möchte, die Möglichkeiten so begrenzt sind, daß wir es nicht ganz leicht haben. Jedenfalls hat es der Herr Bundesfinanzminister — ich sehe den Kollegen Schäffer nicht hier — bei der notwendigen Auseinandersetzung immer sehr, sehr leicht, auf die Grenzen, die durch das Grundgesetz gegeben sind, hinzuweisen und alles von vornherein beseite zu schieben, was — ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken — zu sehr außerhalb dieser Grenzen zu stehen scheint. Ich habe aber die Hoffnung, daß es für dieses außerordentlich wichtige Anliegen der Volksgesundheit doch möglich sein wird, im nächsten Haushalt zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte wegen der Knappheit der Zeit nicht ausführlicher über diese Fragen sprechen. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß der Versehrtensport, der besonders angesprochen worden ist, uns am Herzen liegt und auch tatsächlich gefördert wird, wenn auch zur Zeit leider nur in einer Größenordnung von 35 000 DM. Aber immerhin ist das ja wenigstens schon eine Hilfe, mit der Wesentliches geleistet werden kann.
Herr Kollege Seiboth hat das Auswanderungswesen angesprochen. Der Antrag, den er gestellt hat, geht, wie ich glaube, über das hinaus, was er als Gegenstand dieses Antrags vorgetragen hat. Er hat sich speziell mit dem Siedlungsfall La Serena beschäftigt. Nach den Aufzeichnungen, die ich über diesen Siedlungsfall habe, ist es ganz offenbar, daß dabei Fehler gemacht worden sind, Fehler, aus denen man lernen sollte. Ich darf ihm aber auch sagen, daß alle aufgegebenen Siedlerstellen inzwischen tatsächlich wieder besetzt sind, und zwar sehr stark von Angehörigen benachbarter deutscher oder deutschstämmiger Siedler, die von den Siedlern zu diesem Zweck nachgeholt worden sind. Es scheint also doch mehr so zu sein, Herr Kollege, daß man bei der Auswahl der Siedler vielleicht nicht ganz zweckmäßig verfahren ist. Wollte man die Sperrung, die Sie und Ihre Freunde beantragt haben, vornehmen, würde man, glaube ich, über das von Ihnen angestrebte Ziel hinausschießen. Von diesen 207 000 DM entfallen auf die Gesellschaft, deren Praxis Sie angegriffen haben, rund 60 000 DM. Die Zuschüsse, die die anderen Gesellschaften mit betreffen, werden für den laufenden Betrieb dieser gemeinnützigen Organisationen gebraucht, die jeden Auswanderer beraten, bis zur Ausreise betreuen und unterstützen, und auch für solche Fälle, die tatsächlich in der Durchführung begriffen sind. Ich würde Sie daher doch bitten, Ihre Stellungnahme zu überprüfen, soweit es sich um den Umdruck 61 handelt. Ich bin gern bereit — das ist auch schon vorgesehen —, auf der
Basis einer umfassenden Denkschrift das Thema demnächst hier oder im Ausschuß zu erörtern.
Damit habe ich die Punkte behandelt, die ich nur kurz ansprechen wollte. Erlauben Sie mir nun, einige Worte zu der Frage des Luftschutzes zu sagen. Ich möchte vorweg ein Wort des Dankes an den Herrn Kollegen Maier richten, der sich dieser Frage mit großem Interesse und mit großem Nachdruck angenommen hat. Ich richte dieses Wort des Dankes an ihn um so lieber, als sich hier die für mein Gefühl richtige Behandlung des Themas anzubahnen scheint, nämlich eine Behandlung, die nicht zwischen den Parteien dieses Hauses irgendwie kontrovers ist, sondern eine Behandlung im Sinne der gemeinsamen Verantwortlichkeit ohne Rücksicht auf diese oder jene abweichende politische Meinung.
Sie werden mit mir darin einig sein, daß das Luftschutzproblem wohl das schwierigste und verantwortungsvollste Aufgabengebiet ist, das dem Bundesminister des Innern anvertraut ist. Daß es nicht ganz leicht fällt, in diesen Tagen zum Luftschutzproblem zu sprechen, versteht sich von selbst, jedenfalls für alle diejenigen, die eifrige Leser der Zeitungen und der Weltnachrichten sind. Wir finden dabei Überschriften wie die Frage, ob Luftschutz nicht überhaupt sinnlos, ob Luftschutz nicht überhaupt Luxus ist. Wenn Sie z. B. heute „Die Welt" lesen, die ich gerade vor mir habe, und auf den beiden rechten Spalten die Überschrift finden „Kobaltbombe löscht alles Leben aus — Versuche wegen der damit verbundenen Gefahr nicht möglich", dann zeigt das, daß dieses Thema in der ganzen Welt — denn es sind ja keine deutschen Erörterungen, sondern es sind Berichte, die dort angesprochen werden — derzeit eine besondere Aufmerksamkeit findet. Dabei ergibt sich eine Situation, in der sich die Menschheit, wir mir scheint, nicht sehr oft befunden hat, eine Situation, in der sie wirklich unter dem Eindruck steht, daß es Massenvernichtungsmittel gibt, die überhaupt das Ende allen Lebens bedeuten könnten. Ich habe gerade „Die Welt" zitiert, in der Hans Zehrer heute in der ersten Spalte einen Leitartikel zu dieser Frage geschrieben hat und in dem angeregt wird, daß dieses Thema doch einmal in aller Ausführlichkeit im Bundestag erörtert werden sollte. Diese ausführliche Erörterung werden wir sicherlich in Kürze haben. Ich möchte aber schon jetzt sagen, daß es ganz falsch wäre — und ich sage das in voller Kenntnis aller dieser Meldungen —, wenn sich hier ein unnatürlicher Defaitismus breitmachte. Es ist sicher richtig, daß die Luftangriffsmittel in der letzten Zeit eine wahrhaft beängstigende Entwicklung genommen haben. Das stellt die für die Schaffung einer einigermaßen wirksamen Abwehr verantwortlichen Instanzen vor eine Aufgabe, deren Schwierigkeit kaum noch zu überbieten ist. Diese Feststellung gilt in gleichem Maße für die militärische Luftabwehr und für den zivilen Luftschutz. Vor allem die Entwicklung der Atom- und der Wasserstoffbombe sowie der Kobaltbombe, die ich gerade erwähnt habe, hat auch auf dem Gebiete des zivilen Luftschutzes die ganze Welt in Unruhe gesetzt. So darf ich auf Zeitungsnachrichten hinweisen, wonach der Leiter des New Yorker Luftschutzes vor wenigen Tagen erklärt hat, daß bei einem Wasserstoffbombenangriff New York völlig geräumt werden solle und daß die Luftschutzkeller zwecklos geworden seien.
Nach anderen Pressenachrichten hält Großbritannien es für nötig, seine gesamte zivile Verteidigung und insbesondere auch das Problem des zivilen Luftschutzes zu überprüfen.
Ich darf ferner darauf hinweisen, daß ein Ausschuß der NATO die Bundesrepublik zur Teilnahme an den Beratungen über Luftschutz eingeladen hat.
Dabei handelt es sich um die Vorbereitung gemeinsamer Luftschutzmaßnahmen einschließlich des Luftwarndienstes.
Der Luftwarndienst ist auch für uns eines der vordringlichsten Luftschutzprobleme. Bei den ungemein kurzen Anflugzeiten der modernen Flugzeuge und der Fernraketen kommt alles darauf an, eine enge Verbindung zwischen dem militärischen Fernmeldedienst und dem zivilen Luftwarndienst herzustellen und den letzteren nach modernsten Grundsätzen aufzubauen. Die Einrichtung und die Unterhaltung des örtlichen Alarmdienstes muß wohl den Gemeinden auferlegt werden. Der nach lufttaktischen Gesichtspunkten zu gliedernde überörtliche Luftwarndienst kann nur vom Bunde her entwickelt und in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden. Wir haben die Beträge, die uns bereits in den Haushaltsjahren 1952 und 1953 zur Verfügung standen, dazu benutzt, technische Einrichtungen zu entwickeln, die, soweit sich das bisher überblicken läßt, auch den heute zu stellenden Anforderungen gewachsen sein werden. Die 5 Millionen DM, die im Haushalt 1954 vorgesehen sind, werden wir dazu verwenden, den Aufbau der Luftwarnämter voranzutreiben.