Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn meine Fraktion sich auf die Stellungnahme zu einzelnen Kapiteln des Etats des Bundesministeriums des Innern — Einzelplan 06 — beschränkt, dann soll das nicht besagen, daß wir zu anderen Kapiteln nichts zu sagen hätten. Wir sind aber der Meinung, daß beispielsweise die Frage des THW, die noch im Stadium der Verhandlungen zwischen dem Bundesinnenministerium und den Gewerkschaften steht, durch Ausführungen hier nicht gestört werden sollte und daß die Probleme der Organisierung des Grenzschutzes noch diskutiert werden, so daß wir durch die Einbeziehung dieser Frage in die heutige Debatte nur störend in den Gang der Dinge eingreifen würden. Wir werden bei der Beratung des Nachtragshaushalts noch Gelegenheit haben, unsere Meinung zu den offenen Fragen zum Ausdruck zu bringen.
Ich möchte zunächst zum Antrag auf Umdruck 48 *) sprechen, einem Antrag, der in einer anderen Form gestern schon einmal bei dem Geheimfonds des Bundeskanzlers gestellt und der vom Hause abgelehnt worden ist. Bei dem Ersuchen meiner Fraktion zu Kap. 0609 Tit. 300 handelt es sich aber um einen Antrag, der sich von dem bei Einzelplan 04 gestellten insofern unterscheidet, als dieser Tit. 300 zweierlei Beträge beinhaltet: einmal die Ausgaben für den Nachrichtendienst durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, zum anderen einen Teil, der im Bundesinnenministerium verwaltet wird und dem sogenannten konstruktiven Verfassungsschutz dient. Diese Zweiteilung des Titels gibt uns Veranlassung, hier wie bei den Geheimfonds überhaupt zu beantragen, ein Dreimännerkollegium zu schaffen, das diesen Titel, soweit er vom Innenministerium selbst beansprucht wird, kontrolliert. Ich glaube, es läge auch im Interesse des Herrn Ministers selber, daß keinerlei Zweifel etwa über mißbräuchliche Ausgaben aus diesem Titel bestehen. Für die Kontrolle der Ausgaben, die der Nachrichtenapparat des Bundesverfassungsschutzamtes erfordert, genügt uns die alleinige Kontrolle durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Ich möchte das Hohe Haus bitten, unserem Antrag auf Schaffung einer solchen Kontrollinstanz, wie sie in dem Ihnen in Umdruck 48 vorliegenden Antrag vorgesehen ist, zuzustimmen.
Von wesentlicher Bedeutung ist uns das Kapitel 0618 — Bundesanstalt für zivilen Luftschutz —. Zu diesem Kapitel haben wir den Ihnen vorliegenden Ergänzungsantrag — Umdruck 37 **) — gestellt, wonach in diesem Kapitel nach Tit. 302 ein neuer Titel 302 a eingefügt werden soll, in dem Bauten und Einrichtungen für den Luftschutz der zivilen Bevölkerung mit einem — zunächst — Gesamtkostenaufwand von 1 Milliarde DM gefordert
*) Siehe Anlage 20 Seite 943 A. **) Siehe Anlage 17 Seite 941 B.
werden. Ziffer 2 des Antrags enthält die Deckungsvorlage: In Einzelplan 35 Kap. 3501 Tit. 300 ist der Beitrag der Bundesrepublik an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft — zum Teil Stationierungsbeitrag — um diese Milliarde zu kürzen.
Seit vielen Monaten füllt die Diskussion über die Wirkungen der verschiedenen neuen AtomMassenvernichtungswaffen die Spalten -der Zeitungen der ganzen Welt, und in jüngster Zeit angestellte Versuche mit der Wasserstoffbombe haben offenbar werden lassen, was der Menschheit wartet, wenn aus dem kalten ein heißer Krieg entstehen sollte.
Während ein Teil der Wissenschaft alle Kräfte darauf verwendet, mit immer neuen Atomwaffen einen Wirkungsgrad höchster Vernichtung zu erzeugen, ist ein anderer dabei, in den Laboratorien und Forschungsinstituten nach Schutz- und Gegenmitteln zu suchen, die die Wirkung dieser Vernichtungswaffen abschwächen und damit einen Teil der Todgeweihten retten könnten. Freilich stehen diesem Teil der im Dienst der Menschlichkeit tätigen Forscher nicht die gleichen ungezählten Gelder zur Verfügung wie der die Atomwaffen entwikkelnden Waffenindustrie. Die Ergebnisse bei der Forschung nach Gegen- und Schutzmitteln werden also immer länger auf sich warten lassen und deshalb der Entwicklung der Zerstörungsmittel nachhinken. Eines ist deshalb gewiß: wenn es zu einem dritten Weltkrieg kommen sollte, dann dürften die Gefahren für die am Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung ungeahnte Ausmaße erreichen. Gegenüber dem ersten Weltkrieg, der etwa 800 Bombentote forderte, und dem zweiten Weltkrieg, bei dem wir im Reichsgebiet rund eine halbe Million Menschen aus Kreisen der Zivilbevölkerung als Todesopfer zu beklagen hatten, würde ein Vielfaches an Menschenverlusten entstehen, wenn diese Atomwaffen zum Einsatz kämen und wenn nicht von Bundes wegen Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung getroffen würden.
Wenn wir über die Grenze unseres Landes hinausschauen, um festzustellen, was andere Nationen auf dem Gebiet des Luftschutzes seit langem geleistet haben und noch fortgesetzt leisten, dann wird uns die eigene fast als trostlos zu bezeichnende Situation erst klar, und wir könnten in Resignation verfallen, wenn wir allein an den uns erwachsenden Nachholbedarf auf dem Gebiete des Luftschutzes und des Katastrophenschutzes denken. Der Gedanke, daß der zivile Schutz der Bevölkerung eines Landes eine reine Defensivmaßnahme ist, die mit der möglichen militärischen Beteiligung an einem Kriege in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht, hat gerade die Länder, die an den beiden Weltkriegen unbeteiligt gewesen sind, die Schweiz und Schweden, schon sehr früh auf den Plan gerufen. Beide Länder wenden alljährlich große Haushaltssummen auf, um entsprechende Einrichtungen zum Schutze ihrer Zivilbevölkerung zu schaffen. Zahlen verdeutlichen diese Anstrengungen am besten. Während die Vereinigten Staaten zur Zeit jährlich pro Kopf der Bevölkerung etwa 2,30 DM, England 4,10 DM und Schweden 8 DM ausgeben, weist der Haushalt, der Ihnen vorliegt, auf dem Gebiet des Luftschutzes, auf unsere Bevölkerungszahl umgerechnet, je Kopf ganze 20 Pfennig aus.'
Ziehen wir einen Vergleich zwischen dem im gleichen Haushalt vorgesehenen Wehrbeitrag von rund 9 Milliarden und den in verschiedenen Titeln ausgebrachten Beträgen für Zwecke des Luftschutzes von insgesamt 12 Millionen, dann muß uns die jüngst beschlossene Verfassungsergänzung, die die zivile Verteidigung in den Aufgaben- und Kompetenzbereich des Bundes einbezieht, als eine reine Deklamation erscheinen. Der EVG-Vertrag weist die zivile Verteidigung den Nationen als Aufgabe zu, und deshalb haben die Alliierten wohl auch stillschweigend geduldet, daß sich die Bundesregierung auf dem Gebiete des Luftschutzes insofern bereits betätigt hat, als sie in die letzten Haushalte immer wieder Beträge für Luftschutzzwecke eingesetzt hat.
Wiederholt hat der Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr im Bundestag und in den Ausschüssen die Vorlage des Entwurfs eines Luftschutzgesetzes in Aussicht gestellt, und noch im Dezember des vergangenen Jahres hat das amtliche Bulletin der Bundesregierung den Entwurf für das 1. Quartal dieses Jahres angekündigt. Es wurde in dieser Verlautbarung allerdings der Zusatz gemacht, daß die Kostenfrage noch nicht endgültig geklärt sei. Als Hinweis für die Realisierung eines solchen Entwurfs eines Luftschutzgesetzes war in der Bulletin-Verlautbarung angegeben, daß man auf der Grundlage der Etattitel im schwedischen Haushalt rund 350 Millionen DM für die deutschen Zwecke errechnet habe. Wenn wir aber in Betracht ziehen, daß Schweden uns schon um viele Jahre voraus ist und daß dieses Land keine Kriegszerstörungen erfahren hat, muß uns Angst werden um den Nachholbedarf. Die im Bulletin erwähnten Mittel dürften also nicht ausreichen, den Forderungen des Tages gerecht zu werden. Angesichts des Dilemmas, in das die Bundesregierung durch die Verfassungsergänzung gekommen ist, aus der seither dilatorischen Behandlung des Luftschutzproblems zu einem wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung zu kommen, vermeidet man in Regierungskreisen begreiflicherweise, Schätzungen der wahrscheinlichen Kasten für einen einigermaßen sinnvollen passiven Luftschutz bekanntzugeben.
Was bisher auf dem Gebiet des Luftschutzes geschehen ist, beschränkt sich auf informatorische, organisatorische und wissenschaftliche Forschungsmaßnahmen. Keine Mark stand und steht für echte Luftschutzeinrichtungen zur Verfügung. Nun läuft demnächst das neue Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung an, und es ist höchste Zeit, sich darüber schlüssig zu werden, wie die erforderlichen Luftschutzräume in die Neubauten eingebaut werden können. Wie man hört, soll das Wohnungsbauministerium wertvolle Vorarbeiten geleistet und Pläne verfügbar haben, deren Vorschläge auf den Erfahrungen im Ausland beruhen. Es wäre nur zu wünschen, daß sich die Bundesregierung dieser Vorarbeiten bedient und sie möglichst bald im Interesse unserer Zivilbevölkerung nutzbar macht. Eine Initiative wäre auch deshalb wichtig, weil die Städteneuplanung der 82 Städte mit über 100 000 Einwohnern, die als besonders luftgefährdet angesehen werden, erfordert, daß der Planer bei seiner Aufgabe die luftempfindlichen Gebiete besonders berücksichtigen kann.
Nun taucht die Frage auf: Wer soll die Kosten solcher Schutzeinrichtungen übernehmen? Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Zivilverteidigung eine Aufgabe des Bundes ist und deshalb auch die Kosten für den Luftschutz vom Bund zu tragen sind. Weder die Länder noch die jetzt schon unter dem Druck immer neuer Lasten seufzenden Gemeinden werden in der Lage sein, anteilige Kosten zu übernehmen. Desgleichen scheint uns auch inopportun, Mittel dadurch zu gewinnen, daß man das neue Wohnungsbauprogramm um etwa 7 bis 8 % der vorgesehenen Wohnungen kürzte. Wir glauben, daß der Herr Bundesfinanzminister den Schlüssel zur Lösung des Problems in der Hand hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich zwar heute schon bei der Beratung eines anderen Etattitels über unseren Antrag, in dem wir eine Milliarde für Luftschutzeinrichtungen fordern, und über den Deckungsvorschlag, diese Milliarde dem EVG-Beitrag zu entnehmen, dahin ausgelassen, eine solche Maßnahme hätte zur Folge, daß wir bei den Alliierten wegen Vertragsuntreue in Mißkredit kämen und die Gefahr für das deutsche Volk noch steigen würde, weil dann die Verteidigung unseres Gebietes nicht mehr gewährleistet sei. Wir sind anderer Auffassung, Herr Bundesfinanzminister. Wir sind nämlich der Meinung, daß nach der Entwicklung, soweit sie überhaupt bezüglich des Zustandekommens oder des Nichtzustandekommens des EVG-Vertrages mindestens zu überschauen ist, ein Zustandekommen vor Herbst nicht erwartet werden kann. Daher bleibt Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, für die ersten sechs Monate dieses Haushaltsjahres immerhin die Differenz zwischen den reinen Besatzungskosten und den für die EVG vorgesehenen Beträgen, also rund 150 Millionen DM je Monat, übrig. Zur Erfüllung des Luftschutzprogramms stünden also 6 mal 150 Millionen DM zur Verfügung, und damit käme man nahe an die von uns geforderte Einsparung in Höhe von einer Milliarde DM heran. Wenn deshalb der Herr Bundesfinanzminister, anstatt das Wehrbeitragskonto anschwellen zu lassen, diese sechs Monatsbeträge dem Herrn Bundesinnenminister zur Verfügung stellte, würde der Herr Bundesinnenminister, wie wir meinen, angesichts der Vorbereitungsarbeiten, die in seinem Ministerium geleistet worden sind, in der Lage sein, die Luftschutzmaßnahmen so in Angriff zu nehmen, daß das Volk das Gefühl haben kann, in der Stunde der Gefahr den höchstmöglichen Schutz zu genießen. Es obläge dann dem Bundeskabinett, schnellstens die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen.
Wie bekannt, läuft im Frühsommer dieses Jahres die Frist für den ersten festgesetzten Wehrbeitrag ab. Es wird also vermutlich schon in den nächsten Wochen oder spätestens im Monat Mai zu weiteren Verhandlungen kommen, die der Herr Bundesfinanzminister mit den Partnern des Vertrags zu führen hat. Der Herr Minister hat also Gelegenheit, bei diesen Verhandlungen seinen Verhandlungspartnern erneut die besondere Notlage Deutschlands auf dem Gebiet des Luft- und Katastrophenschutzes, die überall in der Welt anerkannt wird, vor Augen zu führen. Es genügt dabei die Feststellung, was es heißt, im Zeitalter der Atombombe unmittelbar am Eisernen Vorhang in so dicht besiedeltem Gebiet zu leben, wie es bei uns der Fall ist. Es wäre unverantwortlich, einseitig die militärische Aufrüstung zu betreiben und die Zivilbevölkerung praktisch ihrem Schicksal zu überlassen. Wir treiben ja beinahe auf den grotesken Zustand hin, daß man sagt: Der Staat hat kein Geld, also muß das Volk im Kriegsfall sterben.
Wenn auch mit noch so großem Aufwand an Mitteln ein totaler Schutz unmöglich ist, so stimmen
doch die Erfahrungen der Sachverständigen darin überein, daß das Ausmaß der Vernichtung im Katastrophenfall wirksam begrenzt werden kann. Jeder Mensch, der dabei vor dem Tod geschützt werden kann, ist es wert, daß wir entsprechende Mittel aufwenden.
Glücklicherweise stehen wir keiner unmittelbaren Kriegsgefahr gegenüber, und auf mehrere Jahre verteilt könnte es gelingen, gute, zuverlässige Arbeit zu leisten. Geschieht das nicht, so würde unmittelbar nach dem Ausbruch von Feindseligkeiten, ja, schon vorher, wenn sich ernste politische Spannungen ankündigten, in der Bundesrepublik die Gefahr von Massenpanik bestehen, und weder Polizei noch Militär könnten ihrer Herr werden.
Der zivile Luftschutz ist, wie ich schon einmal betonte, eine reine Defensivmaßnahme, die in keinem Zusammenhang mit der EVG steht, die eigentlich Vorrang vor der Organisierung einer militärischen Verteidigung haben müßte. Meine Fraktion ist sich ihrer Verantwortung der Zivilbevölkerung gegenüber bewußt und erwartet von Ihnen, meine Damen und Herren, daß Sie ihr mit Ihrer Zustimmung zu unserem Antrag auf dem Wege folgen, alles zu tun, was zum Schutz der Zivilbevölkerung möglich ist, was wir auch von der Regierung erwarten dürfen.
Nun lassen Sie mich noch kurz zu einem anderen Kapitel sprechen, nämlich zum Umdruck 39*), wo wir einen Antrag zu Kap. 0635 — Bundeszentrale für Heimatdienst — gestellt haben. Der Herr Präsident hat heute nachmittag im Anschluß an die Diskussion über das Handbuch des Bundestags gesagt: Jedes Mittel, um die Bevölkerung und vor allen Dingen unsere Jugend über die Tätigkeit des Bundestages und der anderen Organe der Bundesrepublik aufzuklären, ist es wert, daß wir die Kosten dafür aufwenden. Diesen Gedanken möchte ich aufgreifen, wenn ich Sie bitte, unserem Antrag auf Erhöhung des Titels für die Bundeszentrale für Heimatdienst von 3 300 000 DM auf 4 500 000 DM zuzustimmen.
Die Bundeszentrale für den Heimatdienst ist eine Einrichtung, die von uns in bezug auf das Aufgabengebiet, das ihr gestellt ist, durchaus bejaht wird. Wir befürworten und unterstützen alle Bestrebungen und Bemühungen der demokratischen Aufklärung, ganz gleichgültig, in welcher Form — ob durch Druckschriften, durch Vorträge, durch Filme, durch Preisausschreiben usw. — der demokratische Gedanke propagiert wird.
Die Bundeszentrale für Heimatdienst unterliegt der Kontrolle eines Kuratoriums, das aus Mitgliedern dieses Hauses gebildet ist und dem Abgeordnete aller Parteien angehören. Dieses Kuratorium gibt uns die Gewähr dafür, daß die Mittel gemäß den gestellten Aufgaben verwendet werden. Meine politischen Freunde arbeiten in diesem Kuratorium positiv mit, auch durch konstruktive Kritik. Um der Bundeszentrale eine Ausweitung ihrer Tätigkeit zu gestatten, möchten wir Sie bitten, unserem Vorschlag auf Erhöhung dieser Mittel zuzustimmen.