Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen mit steigender Ungeduld den Ablauf der Debatte verfolgen und auf die Uhr schauen, können diesmal eigentlich ganz zufrieden sein. Die Regierungsparteien haben teils keine Anträge gestellt, teils ziehen sie sie zurück; und zu den Anträgen, die die Opposition gestellt hat, wird kurzerhand erklärt, sie würden abgelehnt, teils weil es nicht gehe, teils weil es nicht so schlimm sei. Dieses Schicksal ist nun auch dem dritten Antrag widerfahren.
Lassen Sie Gnade vor Recht ergehen und verstehen Sie, daß ich den Versuch mache, wenigstens bei denen, die sich noch nicht festgelegt haben und die von einer agrarpolitischen Debatte auch einmal etwas haben möchten — wir wissen ja, daß der Kreis derjenigen, die in die Einzelheiten dieser Dinge eingedrungen sind, leider nicht so groß ist, wie diejenigen es wünschen, die speziell auf dem Gebiet zu arbeiten haben —, den Eindruck zu zerstören, wir hätten unsere Anträge — wie Herr Kollege Müller sagte — aus dem Handgelenk gestellt und forderten einfach mal so große Beträge, wodurch der Verdacht entstanden ist, den der Kollege Horlacher schon ausgedrückt hat, das würde nur aus Gemeinheit, aus Bosheit gemacht, um der Landwirtschaft draußen etwas vorzumachen und zu zeigen, wie tüchtig wir sind.
— Von meinem Christentum aus ist die Scheinheiligkeit auch eine Gemeinheit.
Aber ich gebe ohne weiteres zu, daß andere Leute da feinere Unterschiede machen und so etwas nicht gemein finden; ich jedenfalls finde es gemein.
Ich möchte mit Herrn Kollegen Müller nicht um die geistige Vaterschaft — Herr Kollege Frühwald, das zu Ihnen gesagt — streiten. Im Protokoll des Ausschusses können Sie nachlesen, daß beschlossen worden ist, hier zunächst nur die Reihenfolge zu ändern und erst im nächsten Jahr die Sache so zu machen, wie es jetzt passiert ist. Ich habe nur festgestellt — darüber braucht gar kein Streit zu 'sein, es ist nun einmal so —, daß es sehr schön' ist, daß die Mehrheit dem Antrag, den im Haushaltsausschuß, wo die Dinge nun einmal zum Schwur kommen, einer meiner Freunde gestellt hat, zugestimmt hat, so daß dieses Junktim, wie Sie es hier genannt haben, weggefallen ist.
Im übrigen braucht man darüber gar nicht zu streiten. Denn es gehört gar nicht viel Verstand dazu — dieses bißchen Verstand werden wir, Herr Kollege Müller und ich, uns gegenseitig bestimmt nicht streitig machen —, die unerhörte Schädlichkeit, die diskriminierende Wirkung dieses Junktims auf die Landwirtschaft zu erkennen. Ich frage mich nur, was dazu gehört hat, dieses Junktim überhaupt erst einmal in den Haushaltsplan hineinzubringen, den schließlich die Regierung — Ihre Regierung — uns vorgelegt hat. Im Ernährungsausschuß waren wir uns über die Wirkungen, die davon ausgehen müßten, die Wirkungen in einer sehr gefährlichen Richtung, nämlich in Richtung auf die Vertiefung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, auf die Vertiefung eines sehr künstlichen Gegensatzes zwischen Erzeugern und Verbrauchern, durchaus einig. Und Sie werden meine Entrüstung und meine Kritik dieses Junktims durchaus teilen, für das mir leider der parlamentarische Ausdruck nicht gewärtig ist. Ich glaube, daß es dafür überhaupt keinen parlamentarischen Ausdruck gibt. Da sind wir einig wie meistens, Herr Horlacher, wenn wir im Ernährungsausschuß unter uns sind.
Es kommt bei der Haushaltsberatung auf einige andere Dinge an. Gerade weil die Finanzminister nun einmal alle so sind und vielleicht gar nicht anders sein können, haben die anderen, die keine Finanzminister sind, aber auch Verantwortung tragen, nicht nur für die Zahlen, sondern für das eine oder andere Gebiet und für die Menschen, die auf diesem Gebiet ihre wirtschaftliche Existenz finden, die Verpflichtung, gegenüber dem Finanzministergesichtspunkt eben noch ein paar andere Gesichtspunkte durchzusetzen. Davon haben wir uns hier leiten lassen und haben uns zu Dingen geäußert, die für die Landwirtschaft absolut notwendig sind.
Ein Beispiel dafür, was man mit Zahlen so für falsche Eindrücke erwecken kann: Hier ist gesagt worden, wenn diese 40 Millionen DM für die TbcBekämpfung ausgegeben würden, würde u. a. der Landwirtschaft dadurch Schaden zugefügt werden, daß dann die auszumerzenden Tiere auf den Markt kommen und der Preis sinkt. Will einer von Ihnen bestreiten, daß, wenn es hochkommt, mit diesen Mitteln etwa 10 % der üblichen Schlachtungen auf den Markt kommen könnten? Will einer von Ihnen behaupten, daß wir davor Angst haben müßten? Will einer im Ernst behaupten, daß die Gefahr, die mit diesen 40 Millionen DM für die Landwirtschaft heraufbeschworen werden könnte, auch nur andeutungsweise so groß ist wie der Nutzen, der dadurch für die Landwirtschaft entstehen würde? Aber es kommt hier ja offenbar gar nicht auf die Sache selber an, sondern darauf, wie man mit ihr hier fertig wird, wo nun einmal der Rahmen des Haushalts gezogen ist, wo die Hürden gezogen sind, über die Sie aber wegspringen müssen, Herr Kollege Horlacher, wenn Sie einmal weiterkommen wollen mit all dem, was Sie selber immer wieder und mit guten Argumenten fordern.
— Nur im Haushalt können Sie doch die Mittel hinstellen, die Sie brauchen, um diese Aufgaben durchzuführen. Glauben Sie mir doch — das wissen Sie selber, ich brauche Sie gar nicht zu beschwören —, daß die beiden Dinge zusammengehören und daß die ganze Agrarpolitik sozusagen zu einem Gespött gemacht wird, wenn man sie in die beiden Gebiete zerteilt: einmal werden die Forderungen aufgestellt, und beim anderen Mal werden die Mittel dafür nicht bewilligt. Das gehört zusammen, und an Versprechungen ist niemand interessiert, wenn nicht — auch mit der Energie, die Ihnen sonst eigen ist — hier, wo die Entscheidung über die Mittel fällt, um diese Mittel gekämpft wird. Was heißt es schon, Herr Kollege Müller: Wir sind ja auch für die Schulspeisung, wo sie nötig ist, soll sie gemacht werden. Soll denn erst einmal festgestellt werden, wo die Schulspeisung nötig ist, und wollen wir uns erst dann über die Mittel unterhalten? Es dreht sich auch gar nicht — das möchte ich mit aller Energie unterstreichen — um irgendeine Notmaßnahme, und man kann sich davor nicht so leicht aus dem Staube machen, daß man sagt: Gott sei Dank geht es uns heute schon so viel besser, daß die anderen uns nicht mehr irgendwelche Spenden zu geben brauchen, und da brauchen wir die Schulspeisung nicht!
In unserem Antrag ist sehr wohl darauf aufmerksam gemacht worden, daß es sich hier auch noch um etwas anderes handelt, nämlich um einen Beitrag zur Überwindung des außerordentlich gefährlichen Absatzproblems.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort über einen anderen Zusammenhang sagen, der hier beachtet werden soll. Wir haben die Marktordnung und die Marktordnungsgesetze gemeinsam geschaffen. Darüber wird also jetzt nicht diskutiert; sie wird weder angegriffen noch braucht sie hier verteidigt zu werden. Aus dieser Marktordnung ergibt sich seit geraumer Zeit für die Verbraucher eine nicht gerade sehr erfreuliche Konsequenz, nämlich die Abschöpfung der Preisspanne bei den eingeführten Lebensmitteln. Aus den vom Haushaltsausschuß berichtigten Zahlen können Sie sehen, daß das schon ein Betrag von über 200 Millionen DM ist. Wenn wir die Marktordnung aufrechterhalten und für sie Verständnis bei allen denen erwecken wollen, die nun einmal für sie Verständnis haben und sich zu ihr bekennen müssen, dann muß man auch einmal an die andere Seite denken, und dann kann man nicht etwa sagen: „Das laßt nur so! Wenn dermaleinst wieder irgendwo ein neues Korea kommt, dann muß das Geld dafür ja wieder ausgegeben werden!" Wir haben im Interesse der Marktordnung geradezu die Verpflichtung, hier auch einmal nach der Seite der Verbraucher etwas zu tun.
Wie die Stimmung im allgemeinen ist, darüber haben Sie ja in den Zeitungen, die Ihnen näher-
stehen als uns, einiges lesen können, als über das Marktordnungsgesetz für den Gartenbau berichtet wurde. Da noch von Sachlichkeit zu reden, ist doch nur am Rande möglich. Die Debatte war doch diktiert von einer geradezu fanatischen Wut gegen die Marktordnung als Prinzip. Haben wir etwa Veranlassung, diese Stimmung noch dadurch zu steigern, daß wir hier solche Einnahmen hinnehmen, uns aber nicht darum kümmern, wie denn nun den Verbrauchern etwas von dem zurückgegeben werden kann, was ihnen hier beim Brot, beim Zucker usw. mehr abgenommen wird, als im Augenblick eigentlich notwendig wäre? Haben wir nicht geradezu die Verpflichtung, wenn wir die Marktordnung wirklich in unserem Volke verankern und landwirtschaftliche Angelegenheiten so zu einer Angelegenheit des allgemeinen Interesses machen wollen, wie es in den anderen Ländern der Fall ist und bei uns leider nicht, daß wir hier auch einmal etwas tun, noch dazu, wenn wir das auf eine so elegante Weise tun können, daß wir bei der gleichen Gelegenheit nicht nur den Verbrauchern einen sehr wesentlichen Dienst erweisen, sondern auch hier den Kindern auf eine anständige, durchaus vertretbare und notwendige Weise helfen, sondern auch der Landwirtschaft? Denn vor welche Probleme wir angesichts der steigenden Erzeugung und dem längst nicht so weiterentwickelten Verzehr von Frischmilch in der Milchwirtschaft gestellt sind, das wissen Sie auch, und davon brauche ich hier nicht zu reden. Aber es sind eben zwei Dinge, Herr Horlacher: Forderungen aufstellen, Versprechungen machen, Notwendigkeiten erkennen auf der einen Seite; auf der anderen Seite aber alles das nun auch realisieren! Darauf kommt es an, und nur um das dreht es sich hier heute.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Antrag sagen, den eben meine Fraktionskollegin Frau Keilhack hier vertreten hat und zu dem Herr Dr. Vogel einige kritische Bemerkungen gemacht hat. Im Haushaltsausschuß ist, das ist hier schon gesagt worden, auf Grund eines Mißverständnisses ein Teilbetrag gestrichen worden. Dieses Mißverständnis ergab sich ganz einfach aus der, zugegeben, doch wohl außerordentlich unglücklichen Begründung für diesen Posten. Man kann nämlich nicht sagen: Weil jetzt durch die Liberalisierung der Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse beeinträchtigt wird, müssen wir die Verbraucher aufklären, damit sie wissen, wie sie sich richtig ernähren sollen. Diese Sorte von Verbraucheraufklärung ist einfach nicht glaubwürdig, und sie ist ebensowenig überzeugend wie die vielfache Propaganda einzelner Interessentengruppen für das eine oder andere Nahrungsmittel. Was wir, da es sich hier ja auch um ein Ernährungsministerium handelt, den Verbrauchern schuldig sind, ist eine objektive Unterrichtung, frei von irgendwelchen Interessentengesichtspunkten, frei von einer so durchsichtigen Werbung, wie sie nun einmal vorliegt, wenn es heißt: „Eßt mehr Fisch! — Die Fischindustrie" oder „Trinkt mehr Milch! — Die Milcherzeuger". Darauf reagieren die Leute nicht so, wie sie sollen. Wir haben gerade im Interesse einer anständigen, vernünftigen und planmäßigen Produktionspolitik alle Veranlassung, eine wirkliche Verbraucheraufklärung zu unterstützen. In anderen Ländern werden für diese Aufgabe sehr viel höhere Beträge eingesetzt. Wir werden uns also auch daran gewöhnen müssen und möchten hier von uns aus mit 500 000 DM einen ersten Anfang machen.
Wie Sie zu den Anträgen stehen, meine Damen und Herren, müssen Sie mit sich ausmachen. Aber Sie können uns nicht übelnehmen, daß wir hier mit allem, was uns möglich ist, um die Anerkennung unserer Gesichtspunkte kämpfen; und wenn wir etwa jetzt hier — ich fürchte, darauf wird es j a hinauslaufen — wieder einmal erfahren, daß die Anträge abgelehnt werden, weil man sagt: „Es geht jetzt einfach nicht!", dann werden wir Sie daran erinnern, wenn Sie nun Ihrerseits einmal wieder mit irgendwelchen Proklamationen kommen. Es liegt dafür ja schon einiges Material auf dem Tisch; wir werden demnächst hier über Forderungen in Richtung Parität debattieren. Da werden wir Sie wieder fragen, ob Sie wenigstens im nächsten Haushalt die Mittel dafür bewilligen oder ob Sie auch da wieder die Debatte zwischen dem trennen, was mehr ins Gebiet der Propaganda und der Beruhigung gehört, und dem, was in das Gebiet der praktischen Politik gehört, zu der wir uns hier um einen Beitrag bemüht haben.