Meine Damen und Herren! Damit auf keiner Seite des Hauses — auch nicht auf der augenblicklich schwach besetzten — irgendwelche Meinungsverschiedenheiten entstehen: es spricht der Abgeordnete Dr. Ehlers,
allerdings in der Verpflichtung seines Amtes, das er hier hat, mindestens einige Korrekturen an gewissen Irrtümern anzubringen, die dem Herrn Abgeordneten Professor Dr. Gülich, den ich meiner besonderen Hochachtung nicht zu versichern brauche
— das weiß er —, unterlaufen sind.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß man hier im Augenblick eine Debatte führen sollte
— ich möchte sie jedenfalls nicht führen — über das Verhältnis von Bundeskanzler, autoritärem Bundeskanzler und Parlament. Wahrscheinlich wird zu anderer Gelegenheit und auch an anderer Stelle über dieses Thema einiges zu sagen sein. Ich würde vorschlagen, diese Debatte nun heute nicht zu führen; sonst würde man dazu ja auch noch einiges zu sagen haben.
Ich habe doch den Eindruck, daß sich nach diesen viereinhalb Jahren das Parlament in allen seinen Teilen nicht gar so gering einzuschätzen braucht, wie Herr Professor Gülich fürchtet, es tun zu müssen.
Zunächst muß ich etwas sagen, um eine Instanz in Schutz zu nehmen, die es nicht mehr gibt, nämlich den 1. Deutschen Bundestag. Herr Professor Gülich hat moniert, daß der Haushalt des Bundestags so spät eingegangen ist, und Sie sehen das ja auch in der Bemerkung am Schluß der Ihnen vorliegenden Drucksache, der Vorlage des Bundesfinanzministers zum Haushalt des Deutschen Bundestages. Das ist auf das, glaube ich, sehr berechtigte Anliegen des 1. Deutschen Bundestags zurückzuführen, daß er dem 2. Deutschen Bundestag seinen Haushalt nicht präjudizieren wollte.
— Der 2. ist am 6. Oktober zusammengetreten. Sie wissen, Herr Professor Gülich, wie ich, daß es einiger Zeit bedurft hat, bis die Ausschüsse gebildet waren, bis man sich über die Zusammensetzung und die Aufteilung des Vorsitzes der verschiedenen Ausschüsse im Bilde war. Dann ist es so gelaufen, daß der Vorstand des 2. Deutschen
Bundestags die Aufgabe, den Haushalt des Bundestages aufzustellen, sofort aufgegriffen hat. Es ist eine Vorlage gemacht worden. Die Fraktionen haben, wie es notwendig ist, Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen. Dann ist darüber beraten worden. Herr Vizepräsident Dr. Jaeger hat sich mit einer Etatskommission des Vorstandes dieser Aufgabe hingebungsvoll angenommen. Dann gab es — und das soll ja nicht nur in diesem Falle vorkommen — Meinungsverschiedenheiten mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen. Man hat sich, wie ich glaube, im Interesse des Deutschen Bundestags bemüht, sie auszuräumen, hat das geschafft und dann eine gemeinsame Vorlage an den Haushaltsausschuß gemacht. Es ist selbstverständlich, daß der 2. Deutsche Bundestag für den nächsten Haushalt wie jedes andere Ministerium oder jeder andere Einzelplan die notwendigen Termine einhält, um rechtzeitig die Vorlagen zu machen. In diesem Jahr lag eben infolge der Neuwahl eine besondere Situation vor. Das muß in Betracht gezogen werden.
Herr Professor Gülich hat über den Gesetzgebungshilfsdienst gesprochen. Es ist damals die Auffassung, wie ich glaube, aller Parteien gewesen, daß dieser Gesetzgebungshilfsdienst nicht als eine Sonderorganisation, sondern in einem vernünftigen und, wie Herr Professor Gülich es auch dargestellt hat, den Anforderungen und Möglichkeiten entsprechenden Ausbau der Abteilung III, der Wissenschaftlichen Abteilung des Bundestags, erfolgen sollte. Der Haushaltsausschuß hat auf Antrag — zum großen Teil des Herrn Professor Gülich — einige von uns dafür gewünschte Stellen gestrichen. Ich bedauere diese Entscheidung, glaube aber nicht, daß sie eine gefährliche Bedeutung hat, und habe darum im Augenblick keine Einwendungen zu erheben. Ich möchte aber doch folgendes sagen. Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn Sie alle den Versuch machen würden, den, wie mir gerade auch aus den Kreisen der Opposition bestätigt worden ist, viele Abgeordnete gemacht haben, sich des Funktionierens dieser Wissenschaftlichen Abteilung einmal zu vergewissern, indem Sie sie auffordern, für Ihre besonderen Zwecke das im Einzelfall erforderliche Material zusammenzustellen. Abgeordnete, die es getan haben, haben mir bestätigt, daß das in ausgezeichneter Form, und zwar in der für sie notwendigen und brauchbaren, geschehen sei.
— Nun, Herr Professor Gülich, ich wollte das hier nur feststellen, da aus Ihren Worten so etwas mehr Kritik an der Abteilung III erkannt werden konnte, als es vielleicht um der Arbeit der dort beschäftigten Beamten und Angestellten willen nötig wäre.
— Ich stelle also fest, daß wir auch in dieser Frage einig sind. Aber es ist ein gutes Recht des Präsidenten dieses Hauses, für die Arbeitsleistung der ihm unterstellten Arbeiter, Angestellten und Beamten einzutreten, besonders wenn sie gelegentlich etwas summarisch mit dem Wort „Bürokratie" abgefertigt werden.
Ich möchte auch feststellen, daß diese Beamten, Angestellten und Arbeiter — soweit es mich angeht — weder durch Zufall noch durch Protektion in dieses Haus hineingekommen sind; wenngleich
ich nicht leugnen kann, daß der Wunsch, manche Leute durch Protektion vorwärtszubringen, ziemlich weit verbreitet ist.
Es ist notwendig, sich manchmal dagegen zu wehren. Aber das wird wahrscheinlich nicht nur im Bundestag, sondern in jeder Stelle so sein, die irgendwelche Ämter zu vergeben, Beamte zu berufen oder etwas Ähnliches zu tun hat. Besonders peinlich ist es natürlich, wenn Wünsche für die Besetzung irgendwelcher Posten ausgesprochen werden, die gerade am Tage vorher im Haushaltsausschuß gestrichen worden sind.
Dann kann man natürlich in gar keiner Weise etwas tun.
Da Sie nun — nicht ich, sondern Sie, Herr Professor Gülich — das Wort „konfessionelle Gründe" ausgesprochen haben — Sie wissen ja, daß Sie in dieser Frage bei mir so etwas wie einen gewissen neuralgischen Punkt treffen —
— aber nehmen Sie mich einmal als Beispiel, Herr Kollege Schoettle! —,
möchte ich hier einmal aussprechen, daß niemals in diesem Hause eine Stelle unter irgendwelchen konfessionellen Vorzeichen besetzt worden ist.
Ich habe allerdings einmal — ich möchte diesen Beispielfall anführen — abgelehnt, einen Oberinspektor einzustellen, der mir dringend empfohlen worden war. Dieser war aus der Kirche ausgetreten; aber ich habe ihn nicht deswegen nicht eingestellt, weil er aus der Kirche ausgetreten war, sondern weil er in seinem Lebenslauf — wohl mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ihm nicht verborgen geblieben war, daß ich evangelischer Oberkirchenrat bin — geschrieben hatte: „evangelisch getauft". Dann habe ich ihn gefragt: „Und was ist nun?" Da hat er gesagt: „Ich bin im Dritten Reich aus der Kirche ausgetreten und habe den Weg zurück nicht gefunden". Daraufhin habe ich ihm gesagt: „Wenn Sie mir geschrieben hätten: Ich bin aus der Kirche ausgetreten, dann hätte ich Sie auf Grund Ihrer Qualitäten eingestellt. Da Sie aber den Mut nicht gehabt haben und gemeint haben, Sie müßten gerade bei mir den Eindruck erwecken, Sie seien evangelisch, glaube ich, daß bei Ihnen die Dinge charakterlich nicht in Ordnung sind; und darum stelle ich Sie nicht ein."
Sodann sagten Sie, Herr Kollege Gülich, daß ich in diesem Hause nur „bequeme Untergebene" haben möchte.
— Aber Herr Kollege Gülich, Sie haben gesagt, es seien nur Eignung und Charakter entscheidend
— da stimme ich völlig mit Ihnen überein —, und .Sie haben hinzugefügt: nicht konfessionelle Gründe oder der Wunsch, bequeme Untergebene zu haben.
Da ich doch nun annehmen muß, daß Sie solche
Ausführungen nicht als theoretische Ausführungen
für das Archiv für Politik und Geschichte, sondern zum Haushalt des Deutschen Bundestags gemacht haben,
möchte ich vor diesem Hause — ich will nicht sagen: vor der Geschichte; so anspruchsvoll bin ich gar nicht — feststellen, was ich zu diesem Thema meine.
— Herr Schoettle, ich würde sogar dieses Gespräch sehr gern mit Ihnen führen, hätte dann aber den Wunsch, es auszudehnen auf die Zeit des Frankfurter Wirtschaftsrats.
Wir sind nämlich von Frankfurt her unter ganz bestimmten Vorzeichen in personeller Beziehung in mancher Hinsicht so vorbelastet gewesen, daß wir uns Mühe haben geben müssen, zu einem ausgeglichen funktionierenden Apparat im Bundestag zu kommen.
— Herr Kollege Schoettle, ich gehörte weder dem Wirtschaftsrat noch dem Personalamt in Frankfurt an. Ich möchte nur ausdrücklich sagen: was ich hier ausgesprochen habe, bedeutet ja nun nicht eine summarische Aburteilung der Beamten und Angestellten, die von Frankfurt gekommen sind, sondern wir müßten uns dann über das Gesamtbild unterhalten. Ich stehe Ihnen jeden Tag zur Verfügung, Herr Kollege Schoettle.
Zwei Dinge muß ich noch ansprechen. Herr Kollege Gülich hat den Wunsch ausgesprochen — der sich völlig mit meinen Wünschen und unser aller Wünschen deckt —, daß die Sitzungsprotokolle schneller erscheinen. Ich halte es für eine ausgezeichnete Sache des englischen Parlamentarismus, daß man in ganz England morgens um 8 Uhr den Hansard mit dem Bericht der Sitzung des Tages vorher, die abends um 11 Uhr zu Ende gegangen ist, im Hause haben kann.
— Das hat zwei Voraussetzungen, einmal vielleicht bestimmte drucktechnische. Es liegt hier nicht am Stenographischen Dienst, daß es länger dauert. Es schließt die Notwendigkeit ein, über die wir uns einigen müßten, daß man bereit ist, eine vorläufige Ausgabe dieser Berichte zu machen und die endgültige Ausgabe 8 Tage später erscheinen zu lassen. Denn es ist nicht möglich, alle Korrekturen wirklich einzufügen. Dann muß man vielmehr das tun, was das englische Unterhaus macht, daß jeder Abgeordnete eine halbe Stunde nach seiner Rede die Möglichkeit hat, Korrekturen anzubringen, sie aber endgültig noch binnen 8 Tagen überprüfen kann. Wenn Sie das wollen
— und ich halte es für richtig —, sollten wir das tun. Wir haben, um etwas abzuhelfen — das wissen die Fraktionen —, erreicht, daß wir Korrekturabzüge des erscheinenden Berichts in einer
Zahl von etwa 30 jeden Morgen hereinbekommen. Sie liegen auch von der gestrigen Sitzung trotz ihres Umfangs bereits vor, so daß die Fraktionen und die unmittelbar interessierten Abgeordneten davon Gebrauch machen können. Das ist immerhin schon ein Vorzug.
Dann ein letztes zum Handbuch. Ich habe vor mir — ich will Ihnen das nicht vorlesen — den Werdegang des Bundestagshandbuchs, die Aufforderung an die Abgeordneten, für dieses Handbuch Lebensläufe, Paßbilder usw. hereinzugeben. Sie ist am 10. September 1953 ergangen. Wir wußten an diesem Tage noch nicht einmal genau, wer Abgeordneter dieses Bundestages ist. Ich habe das ständig überwacht. Das Buch ist so schnell herausgekommen, wie es überhaupt nur möglich war. Die Herausgabe ist dadurch sehr erschwert worden, daß die eingereichten Lebensläufe zu einem großen Teil mit den Abgeordneten besprochen werden mußten, da sie in der verschiedenartigsten Form und Länge aufgestellt waren und eine gewisse Gleichförmigkeit erwünscht schien. Es ist der Versuch gemacht worden, Bilder zu beschaffen. Auch da haben sehr viele besondere Eigenarten der Abgeordneten mitgespielt. Wir haben aber geglaubt, daß es richtig ist, Bilder in ein Handbuch aufzunehmen, nach denen man die Abgeordneten wenigstens annähernd erkennen könnte,
und daß wir nicht in den Fehler verfallen sollten wie ein wesentlich schneller erschienenes Handbuch, das, ich glaube, einen Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion in der Person seines Vaters
dargestellt hat.
Das spricht zwar für politische Tradition, aber nicht für die Richtigkeit.
Ich habe geglaubt, unabhängig von allen Geschäftsinteressen dafür sorgen zu sollen, daß dieses Handbuch erstens drucktechnisch und bildtechnisch gut und zweitens sachlich richtig ist. Das ist geschehen. Ich glaube, daß damit das getan ist, was nötig ist.
Ein Wort noch zu dem Vorwurf gegen den Direktor des Bundestages, daß er ein eigenes Handbuch herausgegeben hat. Ich habe nicht nur zufällig dieses Handbuch mit einem Vorwort versehen, Herr Kollege Gülich, sondern ich habe das Erscheinen dieses Handbuchs sogar begrüßt. Denn es handelt sich um ein Handbuch, das nicht den Zweck wie das amtliche Handbuch hat, sondern das eine Übersicht über den 2. Deutschen Bundestag und seine Abgeordneten sein soll und der Popularisierung der Arbeit dieses Parlaments im Volke dienen soll, genau wie die kleinen Broschüren über den Deutschen Bundestag, die auch hier herausgegeben worden sind, über deren Erscheinen ich mich auch gefreut habe. Ich stelle ausdrücklich fest, daß der Direktor des Bundestages seine Verantwortung für die Herausgabe des amtlichen Handbuchs unverkürzt wahrgenommen hat und daß das von ihm geschaffene Handbuch nicht mit Unterstützung der Bundeszentrale für Heimatdienst herausgegeben worden ist, sondern daß nach dem Erscheinen die Bundeszentrale für Heimatdienst durch eine Vereinbarung mit dem Verlag Exemplare im Sinne ihrer Aufgabensetzung übernommen hat, wie das auch mit einer großen Zahl von anderen Erscheinungen zum Thema des Parlaments und des öffentlichen Lebens geschieht. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist die Bundeszentrale für Heimatdienst keine Institution einer politischen Richtung, sondern eine von einem Ausschuß aller politischen Richtungen geleitete Institution.
Darum habe ich es begrüßt, daß auf diese Weise auch diese Möglichkeit bestand, das Parlament in der Öffentlichkeit bekanntzumachen, genau so wie ich mich darüber gefreut habe, daß es möglich ist, die Mittel für die Einführung der Jugend in die Arbeit des Parlaments zu erhöhen. Wir können auf diesem Gebiet nicht genug tun.
Ich begrüße den Antrag des Herrn Abgeordneten Gülich in der Zielsetzung. Ob der Weg über den Bundeskanzler und den besprochenen MillionenHaushalt der richtige ist, mag dahingestellt bleiben. Ob es mehr in den Aufgabenbereich der Bundeszentrale für Heimatdienst gehört, mag ebenfalls noch geprüft werden. Je weiter die Kunde über die tatsächliche Arbeit des Parlaments in das Volk kommt, um so lieber ist es uns allen, und wir werden alles dazu tun.
Herr Kollege Gülich, Sie haben den Direktor des Bundestags noch deswegen etwas moniert, weil ich ein Vorwort zu seinem Buch geschrieben habe. Es gibt ja auch einige andere Erscheinungen, z. B. „Einer von 402" und einen Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, zu denen ich auch Vorworte geschrieben habe;
zum ersten übrigens, Herr Kollege Gülich, nicht ohne daß ich von meinen Parteifreunden aus Hessen deswegen politische Prügel bekommen habe, weil sie meinten, ich sei nun dabei, im Wahlkreis Dieburg-Michelstadt die Konkurrenz zu unterstützen.
Ich meine, wir sollten etwas großzügiger sein und unabhängig davon, ob der Abgeordnete so oder so heißt, den Versuch, das Volk und die Wähler über die Arbeit des Parlaments und der Abgeordneten zu informieren, unterstützen. Darum habe ich so gehandelt; darum werde ich weiter so handeln, und darum glaube ich, daß wir auf diesem Wege auch im Bundestag weitergehen sollten.