Rede von
Georg
Kurlbaum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind über die Art und Weise, in der der Herr Bundesfinanzminister eben die Opposition angegriffen hat, erstaunt.
Wir sind ganz besonders darüber erstaunt, daß er es nicht für notwendig gehalten hat, die Zahl von über 2 Milliarden in irgendeiner Form zu spezifizieren. Ich glaube, das wäre das mindeste gewesen, was er der deutschen Öffentlichkeit und der Sachlichkeit der Diskussion hier schuldig gewesen wäre.
Wir wundern uns weiter darüber, daß er dies hier anläßlich des Etats des Bundeswirtschaftsministers vorbringt. Ich glaube, eine sachliche Behandlung hätte es notwendig gemacht, daß man diese Dinge bei den Einzelplänen behandelt, wo sie auch wirklich hingehören. Unsere Sprecher werden das im weiteren Verlauf der Debatte auch tun und damit ihren Beitrag dazu liefern, daß die Dinge in wirklich sachlicher Form diskutiert werden.
Nun, ich bin dem Herrn Dr. Preusker dankbar, daß er es mir abgenommen hat, zu den Ausführungen des Herrn D r. Hellwig bezüglich meiner Ausführungen zur Abwesenheit des Bundeswirtschaftsministers Stellung zu nehmen. Hier lag of f en-bar ein klares Mißverständnis vor. Ich habe das, worauf sich Herr Dr. Hellwig bezogen hat, überhaupt niemals gesagt, wie er selbst an Hand des Protokolls wird feststellen können.
Nun zum Kartellgesetz. Ich bedaure es lebhaft, daß wir im Laufe der Debatte nicht gehört haben, wann denn nun wirklich das Kartellgesetz eingebracht werden wird. Diese klare Frage habe ich ja gestellt und leider keine Antwort darauf bekommen.
Von einzelnen Rednern der Koalition ist im Laufe der Aussprache kritisiert worden, daß wir nicht klar genug zum Ausdruck gebracht hätten, was wir auf dem Gebiet der Wettbewerbsordnung denn wollten. Mich wundert das sehr. Ich möchte aber den Kollegen, die daran Zweifel haben, einmal in einigen Sätzen kurz sagen, was unser Standpunkt ist. Die SPD ist nach wie vor lebhaft an einem Gesetz interessiert, das sowohl die berechtigten Interessen der Hersteller und des Handels auf der einen Seite als auch die der Verbraucher auf der andern Seite in wirtschaftlich und sozial gerechter Weise gegeneinander abgewogen sicherstellt.
— Ich werde das gleich noch konkreter formulieren. Wir stehen weiter auf dem Standpunkt, daß im Rahmen eines solchen Grundsatzes der echte Leistungswettbewerb so viel Spielraum haben muß, als er in der Lage ist, ein solch gesundes Gleichgewicht herzustellen. Wir wissen aber auch, daß der Leistungswettbewerb allein das nicht überall fertigbringt und deshalb in bestimmten Bereichen eine gewisse Ordnung, eben eine Wettbewerbsordnung, notwendig ist.
Damit komme ich allerdings auf einen wesentlichen Unterschied gegenüber den Vorstellungen zu sprechen, wie sie von den Kreisen um Herrn Berg vertreten werden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die praktische Ausgestaltung einer solchen Wettbewerbsordnung nicht nur einen Teil der Interessengruppen, die am Markt beteiligt sind, überlassen werden darf, sondern daß für diese Wettbewerbsordnung sehr konkrete, gesetzliche Bestimmungen und außerdem Instanzen maßgebend sein müssen, die der Allgemeinheit verantwortlich sind. Ich glaube, daß das eine ziemlich klare Definition unseres Standpunktes ist.
Es ist nun gesagt worden, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister j a vielfach selber eine andere Meinung als die Koalitionsparteien vertrete. Uns ist es durchaus bekannt, daß das so ist. Wir sind natürlich nicht in allen Einzelheiten über diese Meinungsverschiedenheiten so unterrichtet wie Sie, meine Herren von der Koalition. Ich möchte aber eines klar zum Ausdruck bringen. Wenn wir die Wirtschaftspolitik kritisieren, kritisieren wir doch nicht nur den Bundeswirtschaftsminister, sondern die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Da können wir uns nicht auf sehr genaue Differenzierungen einlassen, die uns j a auch im einzelnen nicht so bekannt sind.
Herr D r. Preusker hat von den Zonenrandgebieten und einer Belebung der Wirtschaft in diesen gesprochen. Ich hätte es natürlich außerordentlich begrüßt, wenn er sich da etwas konkreter ausgedrückt hätte. Bis zu uns sind Nachrichten über eine wirklich merkliche und befriedigende Belebung noch nicht gedrungen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch unsere große Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen — das wird ja, wie gesagt, noch im einzelnen gelegentlich der Beratung des Finanzplans zur Sprache kommen —, daß der Bundesfinanzminister die 120 Millionen für die Zonenrandgebiete, die wir für dringend notwendig halten, an die Zustimmung der Länder zu einer Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer gekoppelt hat. Das kommt doch praktisch einer Streichung dieses Betrages gleich.
Ich glaube, daß wir da die allergrößten Befürchtungen haben müssen.
Wenn jetzt von einem Ergänzungshaushalt gesprochen wird, so können wir dazu nur sagen: ein solcher Ergänzungshaushalt ist uns noch nicht bekannt, und wir sind sehr begierig, ihn baldmöglichst kennenzulernen; wir würden uns außerordentlich freuen, wenn in diesem Nachtragshaushalt diese 120 Millionen DM für die Zonenrandgebiete enthalten und durch die Vorschläge des Bundesfinanzministers auch sichergestellt wären.
Nun noch ein paar Worte zu dem, was Herr Staatssekretär D r. Westrick über den Anteil der Löhne und Gehälter am Sozialprodukt und den Anteil der Unternehmereinkommen am Sozialprodukt gesagt hat. Dieses Problem hat uns ja schon vor Jahren hier beschäftigt. Ich begrüße es außerordentlich, daß vorhin gesagt worden ist, man solle doch solche statistischen Betrachtungen nicht immer so kurzfristig machen. Wir haben uns — ich glaube, im Jahre 1951 oder 1952 — schon einmal damit befaßt. Ich war damals in der Lage, nachzuweisen, daß seit der Währungsreform bis 1951/52 der Anteil der Löhne und Gehälter am Sozialprodukt nicht im Steigen, sondern im Fallen begriffen war. Mir ist durchaus — auch aus den statistischen Zahlen — bekannt, daß sich die Entwicklung im Jahre 1953 wieder umgekehrt hat. Das begrüße ich, aber ich möchte darauf hinweisen, daß es sich dabei im wesentlichen nur um eine Nachholung gegenüber einer sehr nachteiligen früheren Entwicklung für die Lohn- und Gehaltsempfänger gehandelt hat. Diese Gruppen haben bis heute noch nicht den Anteil am Sozialprodukt erreicht, den sie vor dem Kriege hatten. Ich habe auch die Befürchtung, daß sich die neue Steuerreform, wenn sie in der vom Bundesfinanzminister vorgeschlagenen Form durchgeführt wird, wieder in ungünstiger Weise auf den Anteil der Lohn- und Gehaltsempfänger auswirkt.
In diesem Zusammenhang wird Sie vielleicht interessieren, was der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums im Januar zu diesen Dingen gesagt hat. Er hat — und darauf möchte ich Herrn Dr. Westrick hinweisen, und es steht in klarem Gegensatz zu dem, was er hier vorgetragen hat — dargelegt, die Lebenshaltung der Bevölkerung habe bei uns noch bei weitem nicht das Niveau in vergleichbaren Volkswirtschaften der westlichen Welt erreicht. Der Beirat hat weiter eine Senkung der Einkommensteuersätze gerade in den unteren Einkommensstufen, und damit eine Hebung des Konsums besonders empfohlen.