Rede von
Walter
Scheel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Kollegen und ich haben Ihnen einen Antrag vorgelegt, im außerordentlichen Haushalt 100 Millionen DM einzustellen für Darlehen an Werke, die demontagegeschädigt sind. Ich glaube, ich brauche Sie heute mit einer längeren Erläuterung über die sachliche Seite des Antrags nicht zu belasten, weil schon im 1. Bundestag im Wirtschaftsausschuß und auch im Plenum sehr ausführlich über das Problem der Demontageschäden und über die Maßnahmen, die zu treffen sind, gesprochen worden ist. Damals war es die Meinung des Plenums, daß man neben vielen anderen Maßnahmen, auch steuerlichen Maßnahmen, in den Haushalt des Bundes Beträge einstellen möge, die als Kreditmittel dienen sollten. Man hat damals 60 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt des Jahres 1952 hineinnehmen wollen und hat diese Summe im Jahre 1953 sogar auf 100 Millionen DM erhöht.
Meine Damen und Herren, das Überraschende ist, daß beide Male nicht ein einziger Pfennig von diesen Mitteln ausgeschüttet worden ist. Ich will jetzt nicht im einzelnen untersuchen, warum das nicht geschehen ist. Das wird einer Diskussion vorbehalten bleiben, die wir bei der Behandlung der Großen Anfrage der FDP-Fraktion zu diesem Punkte hier durchführen müssen.
Ich möchte nur feststellen, daß die sachliche Notwendigkeit, der betroffenen Industrie auch von seiten des Bundes weiterhin zu helfen, nach wie vor besteht. Die Gesamtschäden beliefen sich, wie Sie wissen, auf weit über 5 Milliarden DM. In Absprachen zwischen dem Wirtschaftsausschuß des Bundestages, den Länderregierungen und den betroffenen Industrien ist ein langfristiger Plan aufgestellt worden, wie man nun mit Unterstützung des Bundes und der Länder einen gewissen Teil wiederaufbauen kann. Damals hat man eine Remontagefinanzierungssumme von praeter propter 1,2 Milliarden DM für richtig befunden, die zu einem gewissen Teil abgedeckt worden ist. Aber es verbleiben heute noch, über den Daumen gepeilt, 600 Millionen DM, die kurzfristig zur Verfügung gestellt werden müßten.
Ich brauche wohl nur kurz zu erwähnen, welche wirtschaftspolitische und sozialpolitische Bedeutung der Wiederaufbau gerade dieser Werke hat. Denn hier handelt es sich darum, echte Dauerarbeitsplätze wiederherzustellen, die die billigsten sind, die wir überhaupt schaffen können. Das Verhältnis ist ungefähr 3000 DM für einen Arbeitsplatz, während es normalerweise 12 000 DM und mehr sind. Es ist also zweifellos eine sehr wichtige sozialpolitische Aufgabe. Außerdem sind wir uns wohl alle in dem Wunsche einig, daß gerade diese Industrien wieder leistungsfähig werden, und zwar nicht nur auf dem Inlandsmarkt, sondern auch im internationalen Wettbewerb. Dies gilt vor allem für unsere demontierten Werke aus dem Bereich der Montan-Industrie, die heute, wie Sie mehrfach gehört haben, unter einem sehr starken Druck im Rahmen der Montan-Union stehen.
*) Siehe Anlage 8 Seite 934 A.
Wir glauben also, daß es richtig sei, auch in diesem Jahre wieder eine Summe von 100 Millionen DM in den Haushaltsplan einzustellen.
Bei der Gelegenheit gestatten Sie mir doch bitte, etwas über die Handhabung des außerordentlichen Haushalts durch den Herrn Finanzminister zu sagen. Es muß doch erstaunlich sein, daß eine so wichtige Aufgabe, deren Bedeutung hier vom Plenum und von den Ausschüssen ganz besonders deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist, zwei Jahre lang vom Bundesfinanzminister einfach nicht beachtet worden ist.
Hier sollte man doch einmal die Handhabung des außerordentlichen Haushalts des Bundes überprüfen. Wir wissen, daß der Herr Bundesfinanzminister in der Auswahl der Möglichkeiten zur Dotierung der Titel im außerordentlichen Haushalt rechtlich so handeln konnte, wie er es getan hat. Ich will gar nicht davon sprechen, daß es vielleicht aus Gründen des Taktes richtig gewesen wäre, sich bei einem so wichtigen Problem noch einmal mit dem Fachausschuß ins Benehmen zu setzen, sondern ich möchte nur andeuten, daß man sich in dieser Situation und nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, immerhin einmal ernstlich mit dem Gedanken beschäftigen muß, die Handhabung des außerordentlichen Haushalts in ihrer Technik, d. h. also die haushaltsrechtlichen Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung, einer Prüfung zu unterziehen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat, glaube ich, schon einmal in einem Zusammenhang hier darauf hingewiesen, daß er sehr wohl von der Notwendigkeit der Hilfe für diese Industrien überzeugt sei und auch etwas tun wolle, nämlich eben Bürgschaften hergeben würde, um diese 100 Millionen DM in diesem Rahmen nun zum Zuge zu bringen. Zunächst einmal warten wir natürlich, Herr Bundesfinanzminister, auf eine entsprechende Vorlage, die bisher ja noch nicht eingegangen ist. Wir würden uns freuen, wenn sie bald käme, wenn wir also die Erhöhung des Bürgschaftsplafonds hier bald sehen würden. Aber darüber hinaus möchte ich doch sagen, daß Bürgschaften sicherlich zu einem großen Teil die Aufgabe übernehmen können, die wir mit der Bereitstellung der 100 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt erfüllen wollten, aber eben nur zu einem Teil, nicht in allen Fällen. Es gibt eine ganze Anzahl von Fällen, wo die betreffenden Werke gar nicht in der Lage sind, an den Kapitalmarkt heranzugehen.
Das wissen auch die Herren des Bundesfinanzministeriums. Gerade für diesen Teil muß man ja irgendwie eine Lösung finden, ganz unabhängig von der Situation, daß die Länder ja doch in der Vergangenheit Erhebliches getan haben und der Bund vielleicht dagegen etwas abfällt. Ich meine, es ist doch eine Aufgabe des Bundes, auf diesem Sektor etwas zu tun. Ich will der Deutlichkeit halber sagen, daß ich mich persönlich und meine Fraktion sich immer sehr darüber gefreut haben, daß die Bundesregierung eine große Zahl von zentral steuerbaren Mitteln aus anderen Quellen für diese Zwecke zur Verfügung gestellt hat. Das muß selbstverständlich erwähnt werden und ist sehr erfreulich gewesen. Aber immerhin glaube ich, daß in diesem Jahre über den außerordentlichen Haushalt wieder etwas getan werden muß, zumal ja
eben die Mittel im letzten Jahre und auch im vorletzten Jahre nicht geflossen sind.
Ich bitte Sie sehr, meine Damen und Herren, dem Antrag, der Ihnen als Umdruck 54 vorliegt, zuzustimmen.