Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeswirtschaftsministerium und an seiner Spitze Herr Professor Erhard bedauern ebenso wie das Hohe Haus, daß Herr Professor Erhard außerstande ist, heute bei dieser wichtigen Beratung hier zu sein. Ich glaube aber, die Damen und Herren werden doch darin zustimmen, daß die große Auslandsreise von Herrn Professor Erhard für die gesamten volkswirtschaftlichen Belange von außergewöhnlicher Bedeutung ist. Wenn Herr Abgeordneter Kurlbaum gesagt hat, Herr Professor Erhard hätte seine Reisetermine nach diesen Dispositionen einrichten können, dann darf ich dem vielleicht entgegenhalten, daß die Termine nicht nur von der Entschließung des Herrn Erhard abhingen, sondern auch von den Dispositionen der Regierungen der Staaten, die er besucht, und der Organisationen, die dort zu besuchen sind. Außerdem sind diese Termine seit sehr vielen Monaten festgelegt. Infolgedessen bitte ich ausdrücklich, es nicht als eine Geringschätzung der Bedeutung dieser Diskussion anzusehen, wenn Sie heute mit der Vertretung des Herrn Professor Erhard vorlieb nehmen müssen.
Darf ich zu einigen Einzelbemerkungen kurz eine Stellungnahme umreißen. Herr Abgeordneter Kurlbaum hat sich auf eine Kritik bezogen, die gestern der Herr Abgeordnete Deist bei der Behandlung des Kanzlerhaushalts geübt hat, aber die sich wohl im wesentlichen an die Adresse des Bundeswirtschaftsministers richtete, wenn ich das richtig verstehe. Die Kritik geht im wesentlichen darauf hinaus, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister es unterlassen habe, einen Antrag an die Hohe Behörde zu richten, um Unterstützungen, sogenannte Anpassungsbeihilfen, zugunsten des deutschen Eisenerzbergbaus zu bekommen. Dazu ist manches zu sagen. Aber ich darf die Versicherung vorwegschicken, daß es nicht etwa eine Unterlassung aus Nachlässigkeit, sondern daß es ein nach sehr sorgfältiger Überprüfung — die im übrigen noch nicht abgeschlossen ist — erfolgtes Abstandnehmen von einem solchen Antrag war. Die deutschen Eisenhütten sind bekanntlich die einzigen Abnehmer der deutschen Eisenerzgruben, und die vorübergehend rückläufige Entwicklung der Roheisenerzeugung, insbesondere der Thomas-Roheisenproduktion, um etwa 30 % mußte den Absatz und damit auch die Förderung des Eisenerzbergbaus gewissermaßen in gleichem Umfang beeinträchtigen. Der gleichzeitig einsetzende Preisdruck von der Konkurrenzseite her zwang nun die Eisenhütten dazu, Maßnahmen zur Senkung ihrer Gestehungskosten durchzuführen. Hiervon wurden in erster Linie die Inlandserze betroffen, weil sie gerade wegen ihres niedrigen Eisengehaltes und ihres gleichzeitigen hohen Schlackenballasts einen wesentlich höheren Koksverbrauch bedingen als die hochwertigen Auslandserze. Die Erzeugungskosten für Roheisen aus deutschem Erz liegen im großen Durchschnitt um etwa 50 bis 60 DM über den Kosten für Roheisen aus guten Schwedenerzen. Infolgedessen haben die Ruhrhütten den Bezug von Inlandserzen stark reduziert, und zwar wegen der mit der Verwendung der deutschen Erze verbundenen zusätzlichen Selbstkostenbelastung, die oft über das Maß hinausgeht, das infolge der derzeitigen Produktionskürzung sonst notwendig wäre.
Der Einsatz der deutschen Eisenerze ist also sowohl qualitätsmäßig wie auch preismäßig nur in engen Grenzen möglich. Daher sind es konjunkturelle Gründe und Maßnahmen zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Das ist aber gleichzeitig eines der wichtigsten Motive, warum die Bundesregierung,
die hierüber in laufenden Beratungen mit dem Bergbau, der Eisen- und Stahlindustrie und der Industriegewerkschaft Bergbau ist, sich bisher noch nicht entschließen konnte, mit einem Antrag auf Gewährung von Beihilfen an die Hohe Behörde heranzutreten. Nach dem Wortlaut und dem Sinn des Montanunion-Vertrages namlich könnte ein solcher Antrag nur dann mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden, wenn die Situation, derentwegen eine Beihilfe erbeten wird, eindeutig eine Folge der Errichtung des Gemeinsamen Marktes ist. Das aber nachzuweisen, meine Damen und Herren, wird zumindest nicht leicht sein.
Deshalb haben bei den Beratungen, die das Bundeswirtschaftsministerium mit den Vertretern des Eisenerzbergbaues pflegt, die Bedenken gegen die Inanspruchnahme solcher Beihilfen überwogen. Allerdings sind diese Verhandlungen, wie ich eingangs schon sagte, noch im Gange. Gerade gestern, zu der Zeit, als Herr Abgeordneter Deist Kritik übte, hatten wir im Wirtschaftsministerium eine solche Besprechung über diesen Fragenkomplex mit Vertretern der Wirtschaft. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß, wenn deutscherseits ein solcher Beihilfeantrag gestellt werden würde, diese Tatsache zu beachtlichen Folgeerscheinungen auch in anderen Ländern führen könnte, so daß jedenfalls allergrößte Behutsamkeit bei der Beurteilung dieser Frage am Platze ist.
Bei aller Sorge um den Bestand des deutschen Eisenerzbergbaues muß die Qualität und preismäßige Schwäche dieses Wirtschaftszweiges, die für Absatz und Förderung stets eine erhebliche Beeinträchtigung bedeutete, berücksichtigt werden. Wenn daher auch keine Möglichkeit besteht, die Hütten zur Abnahme einer bestimmten Menge von deutschen Eisenerzen zu zwingen, so muß aber doch anerkannt werden, daß im allgemeinen seitens der Hütten immer das Bestreben deutlich wird, einen Teil ihres Eisenerzbedarfs aus der einheimischen Erzgrundlage zu decken und damit die Eisenerzgruben im Rahmen des Möglichen zu erhalten. Ich gebe allerdings zu, daß dieser Teil in engen Grenzen bleibt, und zwar nicht zuletzt im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit. Die konjunkturelle Entwicklung in der Montanwirtschaft, bei der doch schon einige Anzeichen einer Besserung zu bemerken sind, läßt wohl eine Besserung der Beschäftigungslage im Eisenerzbergbau erhoffen.
Ich darf noch zwei kurze Bemerkungen zu den Ausführungen eines der Herren Vorredner über die Verbrauchersituation machen. Ich glaube, es kann eigentlich keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Wirtschaftspolitik eindeutig zugunsten des Verbrauchers ausgewirkt hat.
Seit zwei Jahren ist eine so deutliche Verbesserung der Situation der Verbraucher zu erkennen, daß daran eigentlich kein Zweifel sein kann. Der Käufermarkt existiert effektiv seit zwei Jahren und macht seine zwingenden Wirkungen deutlich in dem Lebensstandard der Verbraucher bemerkbar.
— Die Absicht besteht allerdings nicht; denn ich glaube, daß sich kaum jemand findet, der sich mit solcher Liebe um die Verbraucher sorgt wie gerade der Leiter der deutschen Wirtschaftspolitik, Professor Erhard!
Seine Haltung in der Kartellfrage ist Ihnen sicher deutlich, meine Damen und Herren, und Sie werden es verstehen, wenn dieses ureigenste Kind von Herrn Professor Erhard nach seiner Rückkehr von ihm vertreten werden soll.
Der „Schnelldienst" des Deutschen Industrieinstituts hat gerade gestern eine Information gegeben, die eine Antwort auf das darstellt, was Herr Kurlbaum uns vorhin vorgetragen hat. Ich darf daraus fünf Zeilen vorlesen:
Nettolöhne und -gehälter, Beamtenpensionen und Sozialeinkommen sind nach Berechnungen der Bank deutscher Länder von 62,02 Milliarden DM im Jahre 1952 auf 68,55 Milliarden DM im Jahre 1953, d. h. um 10,5 % gestiegen, während das Nettosozialprodukt zu Marktpreisen nur um 6 Milliarden oder um 5 %, also prozentual knapp halb so stark angewachsen ist.
Ich glaube, Steuersenkung, Preissenkungen und allgemeine Entwicklungen des Lebensstandards machen es deutlich, daß der Verbraucher jedenfalls den Mittelpunkt der Sorge der Bundeswirtschaftspolitik darstellt.
— Die internationalen Vergleiche, Herr Abgeordneter Kurlbaum, können besten Gewissens angestellt werden. Wir befinden uns, was die allgemeine Preislage hinsichtlich der Lebenshaltungskosten anlangt,
im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern an der untersten Grenze.
— Lohn und Gehalt stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem allgemeinen Preisniveau. Jedenfalls ist der Lebensstandard der größten Zahl aller Verbraucher in Deutschland über dem Lebensstandard vergleichbarer europäischer Länder.