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ID0202101100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 21. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1954 715 21. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. April 1954. Geschäftliche Mitteilungen 716 B Eintritt des Abg. Stümer in den Bundestag 716 C Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Pferdmenges, Dr. Pünder, Starch und. Dr. Czermak 716 C Mitteilung über interfraktionelle Vereinbarung betr. Verzicht auf erneute erste Beratung von Vorlagen, deren erster Durchgang im Bundesrat während der 1. Wahlperiode des Bundestags erfolgte (Druck- sachen 158, zu 158 und 391) 716 D Nächste Fragestunde 716 D Mitteilung über Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags und zur Wahl des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts 716 D, 717 A Mitteilung betr. Zurückziehung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes der Freien Hansestadt Bremen über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater (Drucksache 84) 717 A Mitteilung betr. Ersuchen des Stellvertreters des Bundeskanzlers auf Aussetzung der Beratung des Gesetzentwurfs über Erfindungen von Arbeitnehmern und Beamten (Drucksache 187) 717 A Vorlage des Berichts dos Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betr. Bundestagsbeschluß zum Getreidepreisgesetz 1954/55 (Drucksache 387) . . . 717 B Vorlage der Übersichten über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 1. und 2. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 (Drucksachen 385 und 386) . . 717 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 34 betr. Einbeziehung des Kreises Alsfeld (Hessen) in die Förderungsmaßnahmen für Zonengrenz-Notstandsgebiete (Drucksachen 300, 401) und 35 betr. Rhein-Seitenkanal (Drucksachen 306, 402) . . . . 717 B Absetzung der Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (Drucksache 405) 716 D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kinderbeihilfen (Kinderbeihilfegesetz) (Drucksache 318) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Drucksache 319) 717 B Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller 717 C, 739 D Winkelheide (CDU/CSU), Antragsteller 719 D, 733 A Horn (CDU/CSU) 721 C, 741 A, B Tenhagen (SPD) 741 B Frau Döhring (SPD) 723 B, '736 D Dr. Hammer (FDP) 726 A, 739 C Frau Finselberger (GB/ BHE) 729 C Storch, Bundesminister für Arbeit . 731 A Becker (Hamburg) (DP) 732 A Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . . . 734 A Frau Pitz (CDU/CSU) 736 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 737 D Gräfin Finckenstein (GB/ BHE) . . . 739 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 740 D Überweisung der beiden Gesetzentwürfe an den Ausschuß für Sozialpolitik . . . 741 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Konvention vom 5. April 1946 der Internationalen Überfischungskonferenz (Drucksache 114); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 305) 742 A Struve (CDU/CSU), Berichterstatter 742 B Beschlußfassung 742 B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 295); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 395) 742 D Sabaß (CDU/CSU), Berichterstatter . 742 D Beschlußfassung 743 B Beratung des Antrags der Abg. Dr. Dr. h. c Müller (Bonn), Dr. Horlacher, Bauknecht u. Gen. betr. Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (Drucksache 311) 743 C Dr. Horlacher (CDU/CSU) 743 D Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 743 D Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung von zwei Grundstücken in Berlin-Charlottenburg (Drucksache 322) 743 D Überweisung an den Haushaltsausschuß . 743 D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Antrag der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Schutz industrieller Geheimnisse (Drucksache 303, 99) 743 D Dr. Furler (CDU/CSU), Berichterstatter 744 A Beschlußfassung 745 A Beratung des interfraktionellen Antrags betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 17 [neu]) 745 C Beschlußfassung '745 C Nächste Sitzung 745 C Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 17 [neu]) 746 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    s) Siehe Anlage Seite 746 Anlage zum Stenographischen Bericht der 21. Sitzung Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 17 [neu]) Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen: 1. Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betreffend Genehmigung zum Führen von Sondersignalen und Kennscheinwerfern durch Krankentransportfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes (Drucksache 309) 2. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Förderung der Magermilchverwertung (Drucksache 325) 3. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Bekämpfung der Rindertuberkulose (Drucksache 326) 4. Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Gleissner (München), Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn), Bauknecht und Genossen betreffend Verbilligung von Dieselkraftstoff (Drucksache 327) 5. Antrag der Abgeordneten Dr. Gleissner (München), Lücker (München) und Genossen betreffend Abgeltungsbetrag an das Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut in München (Drucksache 328) 6. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Förderung der Landtechnik (Drucksache 329) 7. Antrag der Abgeordneten Leukert, Dr. Götz, Kuntscher und Genossen betreffend Förderung der ländlichen Siedlung (Drucksache 330) 8. Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Landarbeiterwohnungsbau (Drucksache 331) 9. Antrag der Abgeordneten Etzenbach, Lücke und Genossen betreffend Ersatzstraße für die Bundesstraße 56 Bonn/ Beuel — Siegburg (Drucksache 336) Bonn, den 30. März 1954 an den Ausschuß für Verkehrswesen; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß; an den Haushaltsausschuß. Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    Rede von Clara Döhring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach eingehendem Studium des Gesetzentwurfs der CDU über die Gewährung von Kindergeld bzw. die Errichtung von Familienausgleichskassen muß meine Fraktion mit großem Bedauern feststellen, daß die CDU für die Organisation wiederum die Konzeption wie bei ihrem Gesetzentwurf in der ersten Legislaturperiode gewählt hat. Obwohl man doch seinerzeit in dem Unterausschuß für Kinderbeihilfen sehr eingehende Überlegungen darüber angestellt hatte, wie die Schwierigkeiten vermieden werden können, die ein System mit so vielen Ausgleichskassen — es sind ja 55 an der Zahl — infolge der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Berufsgruppen mit sich bringt, sieht der CDU-Entwurf für die Durchführung des Gesetzes über die Kinderbeihilfen wiederum die Berufsgenossenschaften vor. Ich möchte daran erinnern, daß es die Vertreter von Berufsgenossenschaften selbst waren, die ihre Bedenken dagegen sehr deutlich ausgesprochen haben.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Sehr richtig!)

    Der Grundfehler im CDU-Entwurf scheint mir zu sein, daß nicht vom Kinde und von der Familie ausgegangen wird, sondern daß nach einem unfallversicherungs-technischen System verfahren werden soll.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die sozialpolitischen Notwendigkeiten sind gegenüber der Verwaltungstechnik völlig in den Hintergrund gedrängt.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Nach dem Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion soll außer den Familienausgleichskassen bei den Berufsgenossenschaften noch ein Gesamtverband aller Familienausgleichskassen insbesondere auch wohl für die Selbständigen geschaffen werden. Warum nun, möchte ich fragen, meine Herren und Damen, wiederum einen Unterschied machen zwischen den Arbeitnehmern und den Selbständigen?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es handelt sich doch hierbei um die Betreuung der Kinder aller kinderreichen Familien!

    (Abg. Winkelheide: Es ist ja gar kein Unterschied da!)

    — Schön! Wenn Sie das jetzt behaupten, müssen wir es in den Ausschußberatungen an Hand Ihres Entwurfs einmal nachprüfen.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Sie müssen ihn richtig lesen!)

    Aus Erklärungen der Vertreter des Handwerks, des Handels und der Landwirtschaft ist doch auch Ihnen, genau wie uns, sehr wohl bekannt, daß diese Gruppen nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft die erforderlichen Mittel aufzubringen. Vielmehr wurde dort immer sehr klar die Auffassung vertreten, daß die öffentliche Hand dazu herangezogen werden soll.

    (Abg. Richter: Sehr gut!)

    Nun haben Sie, Herr Kollege Winkelheide, und auch Sie, Herr Kollege Horn, hier behauptet, für die Errichtung der Familienausgleichskassen durch die Berufsgenossenschaften sei kein besonderer Verwaltungsapparat erforderlich. Meine Herren und Damen, das entspricht doch wirklich nicht den Tatsachen.

    (Abg. Richter: Sehr richtig!)

    Vielmehr müssen die Berufsgenossenschaften ihren Verwaltungsapparat für die Durchführung dieser Aufgaben sehr wesentlich vergrößern.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das wurde doch schon vor Jahren offenbar, als —
    entschuldigen Sie, meine Herren und Damen von


    (Frau Döhring)

    der CDU, wenn ich das hier einmal offen ausspreche — erstmals diese komische Idee der Übertragung an die Berufsgenossenschaften bei Ihnen auftauchte. Es ist kein Geheimnis geblieben, daß man schon damals einigen Berufsgenossenschaften empfohlen hatte, bei Errichtung von neuen Verwaltungsgebäuden einige weitere Stockwerke für die Durchführung dieser Aufgaben zu reservieren.

    (Hört! Hört! und Heiterkeit bei der SPD.)

    Das kann ja auch gar nicht anders sein; denn irgendwo und irgendwie müssen die Unterlagen für die Kinderbeihilfen doch geführt werden.

    (Abg. Winkelheide: Hoffentlich bauen die Finanzämter keine Stockwerke!)

    — Nachdem Sie, Herr Kollege Winkelheide, nach Ihrem CDU-Entwurf sich nicht der Finanzämter, bei denen die notwendigen Unterlagen schon an Hand der Steuerkarten gegeben sind, bedienen wollen, müssen wir zu der von mir eben dargelegten Auffassung kommen.
    Der verwaltungstechnische Apparat nach dem CDU-Gesetzentwurf wird aber außerdem noch dadurch beträchtlich vergrößert, daß bei einem Arbeitsplatzwechsel nicht nur die An- und Abmeldungen erforderlich sind, sondern darüber hinaus auch eine andere als die bisherige Berufsgenossenschaft in Frage kommen kann. Die Karteien sind dann also laufend zu ergänzen. Dabei werden sicherlich Überschneidungen gar nicht zu vermeiden sein, ganz abgesehen von dem umständlichen Verfahren.
    Zweifellos erfordert also das System der Kassen für Familienausgleich über die Berufsgenossenschaften größere Verwaltungskosten. Dafür jedoch hat, des dürfen Sie sicher sein — wenigstens ich bin es —, die breite Öffentlichkeit kein Verständnis, zumal wenn sie weiß, daß es einen kostensparenden Weg gibt, nämlich ähnlich wie bei den Rentenzahlungen, so wie es im SPD-Gesetzentwurf vorgesehen ist, das heißt, die Anmeldung über die Gemeindebehörden und der Beitragseinzug sowie die Leistungsregelung über die Finanzämter.
    Warum wollen Sie denn diesen klaren und kostensparenden Weg nicht mit uns gehen, der doch von weiten Kreisen in der Öffentlichkeit sowohl als auch in den früheren Ausschußberatungen des ersten Bundestages als der gegebene und einfache Weg anerkannt worden ist? Mir scheint, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, bei Ihrem Gesetzentwurf hat immer wieder einmal der eine Gedanke Pate gestanden: Warum es denn einfach machen, wenn's auch kompliziert geht?

    (Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Lücke: Einfacher kann man es doch nicht machen!)

    Gestatten Sie mir noch ein Wort vorweg zur Frage der Gewährung von Kinderbeihilfen an die Landwirtschaft. Was die Einbeziehung dieser Kinder in dieses Gesetzeswerk betrifft, so gehen wir mit Ihnen voll und ganz einig. Wir sind auch damit einverstanden, daß nur ein Teil der erforderlichen Beträge für die Kinder in der Landwirtschaft von dieser selbst aufzubringen ist. Die SPD-Fraktion hat jedoch ernste Bedenken gegen die in § 9 Ihres Gesetzentwurfs vorgesehene Regelung, wonach die Aufbringung der restlichen Mittel auf andere Betriebe einschließlich der Kleinhandwerker und Kleinhandelsbetriebe abgewälzt werden soll. Wir erkennen gleich Ihnen die Tatsache an, daß bei der Landwirtschaft, wie bereits dargelegt, schwierigere
    Verhältnisse vorhanden sind. Wir Sozialdemokraten sind aber der Auffassung, daß die dort fehlenden Mittel durch den Bund aufgebracht werden müssen, so wie es im SPD-Gesetzentwurf für die Landwirtschaft und alle anderen Gewerbetreibenden, für die Handwerker und die freien Berufe ohne Zweifel richtiger und günstiger geregelt ist; mein Kollege Schellenberg hat das bereits ausführlich vorgetragen.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal daran erinnern, daß der Herr Bundeskanzler selbst es war, der in seiner Regierungserklärung nach dem 6. September vorigen Jahres unter anderem sagte, daß er die Kaufkraft der unteren Einkommensschichten erhöhen wolle. Nun, es gibt sehr wesentliche Gruppen in unserer Bevölkerung, deren Kaufkraft dringend einer Erhöhung bedarf. Es handelt sich vor allen Dingen um jene Familien, deren Einkommen eben nicht für vier Köpfe ausreicht, auch wenn der Herr Abgeordnete Horn erklärt hat, daß die Tarifverträge auf diese Kopfzahl einer Familie abgestellt seien.

    (Abg. Richter: Hört! Hört!)

    Sie wissen sehr wohl, meine Herren und Damen, daß in vielen Familien das Einkommen einfach nicht für vier Köpfe reicht, und gerade für diese Familien muß doch die Kaufkraft erhöht werden. Wenn Sie also hier immer wieder betonen, daß Sie familienfreundliche Politik machen wollen, dann sollten Sie dies gerade jenen Familien gegenüber durch die Tat beweisen, deren Einkommen bei einem nur allzu bescheidenen Durchschnitt liegt und bei denen, zumal wenn die Mutter nicht mitverdienen kann, die Not am größten ist. Ganz natürlicherweise ist auch hier der Bedarf am größten, und diese finanzpolitische Seite sollten wir bei diesem Gesetzeswerk mit bedenken; denn die diesen Familien gewährten Kinderbeihilfen fließen restlos in den Konsum zurück, wodurch wiederum das Steueraufkommen erhöht wird.
    Meine Herren und Damen, Sie sollten sich aber bei diesem Gesetz noch eine andere sehr wichtige Frage überlegen: Lohnt es sich überhaupt, ein Gesetz, das in den Ausschüssen sicherlich wieder monatelang beraten werden muß, nur für rund 14 % aller Kinder zu machen?

    (Abg. Winkelheide: O ja! — Abg. Richter: Hört! Hört!)

    So wenige kommen bei der Gesamtzahl der Kinder in unserer Bundesrepublik in Frage; denn wenn wir, wie es Ihr Gesetzentwurf vorsieht, vom dritten Kind ausgehen,

    (Abg. Lücke: Um die geht's!)

    so würden von insgesamt 12 1/2 Millionen Kindern nur 1,9 Millionen berücksichtigt werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn Sie, Herr Kollege Lücke, sagen: „Um diese Kinder geht es",

    (Abg. Lücke: Im besonderen!)

    dann möchte ich noch einmal an das erinnern, was
    der Herr Bundeskanzler gesagt hat: daß er für
    bestimmte Schichten die Kaufkraft erhöhen wolle,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist doch kein Widerspruch!)

    und wenn Sie dabei berücksichtigen, daß wir Hunderttausende von Familien haben, die nur ein
    bescheidenes Durchschnittseinkommen haben, dann


    (Frau Döhring)

    werden Sie doch wohl nicht sagen wollen, Herr Abgeordneter Lücke, daß es nur um 1,9 Millionen Kinder geht.

    (Abg. Lücke: Es geht in erster Linie um die kinderreiche Familie!)

    — Gewiß, auch uns geht es um die kinderreiche Familie!

    (Abg. Lücke: „In erster Linie" habe ich gesagt!)

    - Auch uns geht es um die kinderreiche Familie,
    aber es geht uns ebenso darum, daß auch jene Familien, die vielleicht nur zwei Kinder haben, in den Genuß von Kinderbeihilfen kommen, weil bei ihnen das bescheidene Einkommen von rund 260 DM einfach nicht für vier Köpfe ausreicht. Oder wollen Sie mir das vielleicht anders vorrechnen?

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Schütz: Fangen wir doch einmal mit dreien an! — Gegenruf von der SPD: Sie können mit zweien anfangen!)

    Ich meine immer, wenn man schon ein solches großes sozialpolitisches Gesetzeswerk schafft, soll man nicht ein derartiges Flickwerk machen, wie es Ihr Gesetzentwurf darstellt.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf rechts: Das ist kein Flickwerk! — Abg. Schütz: Wenn wir Ihnen gefolgt wären, hätten wir überhaupt noch keins, weil nach Ihrer Ansicht alles Flickwerk war! — Gegenruf von der SPD: Ach, Herr Schütz, Sie haben es gerade nötig!)

    - Dazu muß ich ihnen etwas vorhalten, Herr Ab-
    geordneter Schütz; es gilt gleichzeitig auch für die Ausführungen der Herren Abgeordneten Horn und I Winkelheide, die auf der gleichen Linie lagen, indem sie sagten: „Wer schnell gibt, gibt doppelt". Dreieinhalb Jahre hatte der 1. Bundestag die Gesetzesvorlagen in seinen Ausschüssen sehr eingehend beraten. Da war es doch der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, der im Namen der Regierungsparteien am Schlusse der Beratungen erklärte, daß sie nicht bereit seien, auf der Grundlage des inzwischen im Ausschuß gemeinsam erarbeiteten Kompromisses über die Kinderbeihilfen noch zu einem Abschluß zu kommen.

    (Beifall und Zurufe von der .SPD: Brief des Arbeitgeberverbands! — "Wer schnell gibt, gibt doppelt"!)

    Wie schon von meinem Kollegen Schellenberg ,ausgeführt wurde, halten wir es aus den vielen Gründen, die ich nicht noch einmal wiederholen möchte, für notwendig, daß Kinderbeihilfen mindestens vom zweiten Kinde an gewährt werden. Gerade ihn Hinblick auf die Familien mit den bescheidenen Familieneinkommen ist es doch das mindeste, ein Gesetz für Kinderbeihilfen auf der Grundlage, wie es der SPD-Entwurf vorsieht, zu machen. Nachdem die Sprecherinnen der FDP-Fraktion und der GB/ BHE- Fraktion kürzlich bei der Beratung der steuerlichen Behandlung von Leistungen im Rahmen des Familienausgleichs erfreulicherweise in Übereinstimmung mit uns -nicht zuletzt auch um des unehelichen Kindes willen — für die Gleichheit vom ersten Kinde an eingetreten sind, darf ich doch wohl berechtigterweise die Hoffnung aussprechen, daß wir bei diesem großen sozialpolitischen Gesetzeswerk, das wir gemeinsam hoffentlich sehr rasch schaffen wollen, mindestens vom zweiten Kind ausgehen.
    Ich muß aber noch einige andere Fragen aufwerfen. Wenn einen Familienernährer das Unglück trifft, längere Zeit krank zu sein, als der Lohn weitergezahlt wird, von wem bekommt er dann die Kinderbeihilfe? Ich hoffe, daß wir darüber bei den Beratungen im Ausschuß Aufklärung bekommen. Und was geschieht mit einem Kleinhandwerker, der von Berufsunfähigkeit oder von Konkurs usw. betroffen wird, von welcher Stelle bekommt er dann die Kinderbeihilfen, auf die seine Familie nun so bitter notwendig 'angewiesen ist?
    Unsere größte Sorge gilt aber den Arbeitslosen, da Ihr Gesetzentwurf, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, nichts darüber enthält, wer im Falle der Arbeitslosigkeit, der Aussperrung oder auch bei einem Streik die Familienbeihilfen für die Kinder bezahlt, nämlich an jene Familienernährer, die .dann zusammen mit ihren Kindern durch einen solchen Schicksalsschlag bei der niedrigen Arbeitslosenunterstützung sowieso am härtesten betroffen sind. Wir werden uns .diese Frage bei den Beratungen im Ausschuß sehr eingehend überlegen müssen, da es wohl niemand in diesem Hohen Hause verantworten kann, daß der Lebensstandard einer solchen Familie gegebenenfalls plötzlich wegen des Fortfallens der bislang gewährten Kinderbeihilfen absinkt.
    Die SPD-Fraktion muß es auch ablehnen, die Auszahlung durch die Arbeitgeber und über die Betriebe vornehmen zu lassen.

    (Abg. Winkelheide: Sind das so böse Leute?)

    — Wir haben hierfür manche triftigen Gründe, Herr Kollege Winkelheide. Einmal sehen wir darin eine gewisse Verknüpfung mit dem Lohn oder dem Gehalt, zum andern können wir aber in Ihrem Gesetzentwurf keine Garantie dagegen erblicken, daß indirekt eine Anrechnung auf das Erwerbseinkommen erfolgt Zudem besteht die große Gefahr — und das vermag niemand mit Sicherheit von der Hand zu weisen —, daß unter Umständen in Krisenzeiten, ob mit oder ohne Absicht, Väter oder auch Mütter kinderreicher Familien zuerst aus den Betrieben ausscheiden müßten bzw. zuletzt eingestellt würden.

    (Abg. Winkelheide: Der Anspruch richtet sich an die FAK, doch nicht an den Betrieb!)

    — Der Anspruch richtet sich wohl an die Familienausgleichskasse. Aber dann brauchten Sie hierfür wieder einen neuen Apparat zur Auszahlung an diese Gruppen.
    Ich habe nicht die geringste Befürchtung, daß, wenn wir uns zu einem Gesetz über allgemeine Kinderbeihilfen zusammenfänden, die über die Finanzämter durch die Post zur Auszahlung kämen, die Empfänger diese Kinderbeihilfen etwa als ein Almosen vom Staat empfinden würden. Vielmehr wird man dann sicherlich draußen die Auffassung der Sozialdemokratischen Partei sehr wohl verstehen und in weiten Kreisen teilen, daß ein finanzieller Ausgleich für die Familien mit Kindern aus guten Gründen der Zweckmäßigkeit, um des einfachen und klaren Systems willen und vor allem zur Kostenersparnis nur über die Volksgesamtheit vorgenommen werden kann und soll:

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Denn damit erfüllt die Allgemeinheit ja nur ihre sittliche Pflicht gegenüber dem Kind und der Familie.

    (Beifall bei der SPD.)




Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Hammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Vorhin wurde hier damit begonnen, eine Meinungsverschiedenheit auszutragen: wer eigentlich den Anspruch auf die Priorität bei diesen Familienlastenausgleichsgesetzen habe. Ich halte das nicht für eine sehr geschickte Art und Weise, sich auseinanderzusetzen. Wenn mein historisches Gedächtnis nicht gar zu gering ist, hat das ein Mann, der im Jahre 1945 verstorben ist, zuerst gemacht. Er hieß Adolf Hitler.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das ist aber ein Witz! — Lachen und weitere Zurufe von der SPD.)

    -- Meine Damen und Herren, wenn Sie mich widerlegen können, dann tun Sie das. Im übrigen veranlaßt diese Feststellung mich selbst ja nicht, von dem Gedanken des Familienlastenausgleichs abzurücken.
    Die Öffentlichkeit beobachtet die Tätigkeit des deutschen Parlaments mit wachen Augen.

    (Zuruf von der SPD: Auch die Vergleiche, die Sie anführen!)

    Das Anliegen, für die Kinder kinderreicher Familien durch die Schaffung von Beihilfen Erziehung und Zukunft zu sichern, ist ein sehr respektables Anliegen. Wir würden doch aber auch hier eine große Unterlassung begehen, wenn wir nicht darauf hinwiesen, daß in Deutschland von vielen Sozialpolitikern und Politikern an die Verwirklichung dieser Gesetze noch andere Hoffnungen und Erwartungen geknüpft werden. Es hat eine Zeit gegeben, in der das Wort Bevölkerungspolitik unverwendbar war, weil es mit den Vorstellungen des Nationalsozialismus assoziiert war. Wir sollten uns langsam daran gewöhnen, diese Zusammenhänge zu lockern. Denn die Fragen müssen beantwortet werden, auch wenn sie nur sehr unbefriedigend beantwortet werden können. Wir glauben, daß die Erwartungen, die an bevölkerungspolitische Folgen einer solchen Gesetzgebung geknüpft werden, sehr enttäuscht werden. Aber immerhin muß man sich genau überlegen, was dabei herauskommt.
    Die Situation in Deutschland ist, wie die versicherungsmathematische Bilanz unserer Sozialversicherung zeigt, außerordentlich ernst. Bald wird der Zeitpunkt kommen, an dem mehr Alte und Invalide als Arbeitsfähige, die Beiträge leisten, vorhanden sind. Es wird die große Frage sein, ob unser Kapitaldeckungssystem überhaupt so funktionieren kann, daß es zur Anschaffung von Fonds dienen kann, die später einmal in den Konsum hinübergeleitet werden können. Ob das überhaupt geht, ist eine, Frage.
    Wenn es ginge, bliebe immer noch die andere Frage zu beantworten: Genügt denn zu einer Rentenzahlung eine bereitgestellte Geldsumme,

    (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg)

    um damit Alte und Invalide zu ernähren, wenn die Hände nicht da sind, die das Getreide säen und das Brot backen? Ganz zu schweigen davon, daß zu den Aufgaben einer Gesellschaft ja auch ihre Verteidigung gegen Angreifer, die ihren Frieden stören, gehört. Alle diese Argumente sind also sehr ernsthafte Argumente. Man sollte ihnen nicht aus dem Wege gehen, weil man sonst mit Recht des Leichtsinns beschuldigt wird.
    Wir werden nun an Hand der beiden Vorlagen 318 und 319 zu prüfen haben, ob die Vorschläge glücklich sind oder nicht.
    Im letzten halben Jahrhundert haben wir die Entwicklung zu den Soziallöhnen hin erlebt, die mit Zustimmung beider Tarifpartner unter anderem auch deshalb abgebrochen wurde, weil der Soziallohn ja dauernd den Anspruch des Arbeitnehmers auf Sicherung seines Arbeitsplatzes bedroht hat.
    Diese Periode der Sozialpolitik in der westlichen Welt ist durch die, wie man wohl sagen kann, Bewegung zu den Familienausgleichskassen hin ab- gelöst worden. Vorhin ist völlig mit Recht festgestellt worden, daß praktisch außer Deutschland kaum ein Staat der westlichen Welt ohne eine derartige Institution existiere. Dabei haben sich zwei Typen herausgebildet, einmal der Typ der mehr staatssozialistischen, den Gedanken der allgemeinen Volksfürsorge fördernden Einrichtung, und dann der Typ der Familienausgleichskasse, die als Selbstverwaltungskörperschaft etwa nach Art der deutschen Sozialversicherung aufgebaut ist. Zum Typ 1 rechnet zweifellos die Konzeption der Sozialdemokratischen Partei. Als Ersatz für eine eigene Behörde wird das Finanzamt als Einzugs- und Auszahlungsstelle benutzt. Es ist eine interessante Neuerung, ein Novum, daß bei Leistungsstreit nun nicht die Finanzgerichtsbarkeit entscheidet, sondern die Sozialgerichtsbarkeit eingeschaltet wird. Ich weiß nicht genau, warum dieses hermaphroditische Gebilde geschaffen worden ist. Es ist etwas uns Fremdes, und vielleicht wird der Herr Arbeitsminister — der das Haus verlassen hat -- dazu nachher noch einiges zu sagen haben.
    Der Entwurf der CDU geht nun von einer völlig anderen Konzeption aus. Er nimmt die vorhandenen Berufsgenossenschaften und benutzt sie als Anstalten. Wir haben aus diesen Berufsgenossenschaften in den letzten Jahren ja etwas Neues gemacht. Sie sind ursprünglich nichts anderes gewesen als Versicherungsanstalten, als Zwangsversicherungsanstalten, in denen der Unternehmer sich gegen die Folgen der gesetzlichen Haftpflicht, die er auf Grund seines Arbeitgeberverhältnisses im Falle eines Unfalls in seinem Betrieb zu erfüllen gehabt hätte, versichert hat. Wir haben daraus nun eine echte Selbstverwaltungsanstalt gemacht, bei der die Arbeitnehmerschaft in Parität mit der Arbeitgeberschaft diese sehr wichtigen Fragen ihrer Existenz mitbehandelt. Herr Kollege Winkelheide, ich habe so den Verdacht, Sie haben in den Berufsgenossenschaften so etwas Ähnliches wie den Abriß eines Ständestaates gesehen. Da möchte ich nicht mit Ihnen einiggehen. Diese Qualität haben die Berufsgenossenschaften bis jetzt sicher nicht gehabt, sie sind recht seelenlose Gebilde gewesen. Ihr Angriff auf den Staat, dem Sie eine so schlechte Zensur erteilt haben, Herr Kollege Winkelheide — —

    (Zuruf des Abg. Winkelheide.)

    — Gut, wenn Sie meiner Ansicht beipflichten. Auch der Staat hat einen Genius, und man soll ihn nicht bei jeder Gelegenheit attackieren. Auch wenn der Genius des deutschen Staates noch in der Hand so etwas wie einen preußischen Adler trägt, hat er — oder gerade deshalb — einen hohen ideellen Wert.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, nur weil wir dieser Auffassung der CDU über den Wert der Selbst-


    (Dr. Hammer)

    verwaltung bei den Berufsgenossenschaften, nicht aber Ihrer Unterbewertung des Staates zustimmen, haben wir uns entschlossen, den Entwurf der CDU vorzuziehen. Wir gedenken aber, bei seiner Beratung und seiner Entwicklung den sehr lebhaften Bedenken, die wir hegen, zum Erfolg verhelfen zu können.
    Nun die Aufbringung der Mittel: Ich darf zunächst auf zwei Zahlen hinweisen. 470 Millionen DM wird der Vorschlag der CDU-Fraktion kosten, 1400 Millionen DM der Vorschlag der SPD. Meine Herren von der SPD! Schon deshalb, weil ein sehr großer Teil dieser 1400 Millionen in Ihrem Vorschlag nicht gedeckt ist, werden wir auf Grund unserer etwas solideren finanzpolitischen Tradition

    (Zuruf von der SPD: Ach nee!)

    nicht in der Lage sein, Ihrem Vorschlag zuzustimmen.
    Die Vorschläge sind in einer Hinsicht doch völlig identisch. Sie bedeuten eine Konsumausweitung, ohne daß eine Ausweitung des Sozialprodukts vorhergegangen ist. Sie nehmen die Mittel in Form einer Lohnsteuer und schütten sie aus. Sie haben nicht mehr den Versuch gemacht, zu überprüfen, ob man denn nicht durch eine Konsumverlagerung ohne die Schaffung zusätzlicher Kaufkraft und die davon zu erwartenden Störungen zum gleichen Ziel kommen kann. Ich glaube, das ist beim augenblicklichen Stand der Beratungen über die Steuerreform nicht mehr möglich. Ich will es aber als ein Faktum festgestellt haben.
    Meine Damen und Herren, man soll doch nicht den Eindruck erwecken, als ob in Deutschland nicht bereits vor der Gründung einer Familienausgleichskasse finanziell sehr wirksame und auf der anderen Seite auch sehr belastende Leistungen zugunsten der kinderreichen Familie und der Kinder überhaupt erfolgt wären. Ich will das Problem des Steuererlasses, der steuerlichen Berücksichtigung bei der Veranlagung nicht vertiefen. Aber ich will Sie doch darauf aufmerksam machen: Schon bei der Schaffung der deutschen Krankenversicherung war eine Familienleistung vorgesehen, mit ihr war schon der Weg zum Familienausgleich beschritten. Aber auf diesem Weg ist man durch Ausweitung der freiwilligen Leistungen so außerordentlich weit gegangen, daß unsere deutschen Krankenversicherungsträger schon jetzt einen unerhörten Beitrag zum Familienlastenausgleich leisten. Bei der Beratung müßte deshalb geprüft werden, ob nicht ein Teil dieser neuen Leistung dazu benutzt werden kann, diese notleidenden Versicherungsträger von dieser Aufgabe zu entlasten.
    Nun zur Verteilung der Mittel. Der § 1 des Gesetzentwurfs der CDU/CSU ist nach den Vorberatungen des vergangenen Jahres doch ein wenig merkwürdig ausgefallen. In ihm ist im Gegensatz zu dem Entwurf der SPD, wonach jeder Staatsbürger anspruchsberechtigt sein soll, eine ganz bestimmte soziologische Gruppe aus der Bevölkerung herausgeschält worden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, allerdings nur insoweit, als sie aus dem Dritten Buch der RVO, Unfallversicherung, herauszuziehen sind. Wer dazu gar keine Beziehungen hat, der hat mit seinen Kindern auch nichts zu bekommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dazu gehören Architekten, Künstler, aber z. B.
    auch die Herren von der Presse, die hier oben auf
    der Tribüne sitzen. Deren Kinder sind offenbar an Qualität den Kindern anderer nicht gleichgestellt, die kriegen eben nichts von dem ganzen Vergnügen.

    (Zuruf von der SPD: Bei dem Entwurf der CDU! -Abg. Winkelheide: Doch! Wieso denn nicht? Auch das steht drin!)

    — Die kriegen es nur dann, mein verehrter Herr Kollege Winkelheide, wenn sie selbst Arbeitnehmer beschäftigen. Wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigen, dann möchte ich wissen, wie sie da hineinkommen sollen.

    (Abg. Winkelheide: § 541 RVO!)

    — In 541 stehen die nicht drin! — Aber selbst wenn sie nun die Ehre hätten, in den Kreis der von der Berufsgenossenschaft Erfaßten hineinzukommen, so würden sie doch, wie wir anderen Selbständigen alle, im Vergleich zu den Arbeitnehmern sehr unterschiedlich behandelt werden. Dabei ist es ziemlich einerlei, wer der Arbeitnehmer ist, ob das ein angelernter, ein ungelernter, ein Spezialarbeiter, ein Betriebsleiter oder ein Generaldirektor ist. Er leistet keinen Pfennig Beitrag. Diesen Beitrag leistet der Unternehmer. Da lohnt es sich aber doch, einmal zu überlegen, wo denn dieser Beitrag eigentlich herkommt.
    Die Summe, die hier verausgabt und an die Familienausgleichskasse abgeführt wird, ist zunächst einmal steuerlich abzugsfähig. Und was wird weiter mit ihr geschehen? Meine Damen und Herren, Sozialbeiträge sind Löhne, das haben wir ja doch eingesehen. Aber Löhne haben nun abgesehen davon, daß sie unter dem Gesichtspunkt des gerechten Preises zu betrachten sind, auch noch die Eigentümlichkeit, Personalunkosten bei der .Produktion zu sein. Sie werden also, wie alle solche Unkosten, selbstverständlich auf die Preise abgewälzt werden. Mit anderen Worten, die Kosten dieser Anstalt, die hier vorgeschlagen ist, werden so aufgebracht, wie Realsteuern, Gewerbesteuern, Lohnsteuern, aufgebracht werden, sie werden also abgewälzt, d. h. andere Leute bezahlen die Bescherung.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese Lohnsteuer, die vom ganzen deutschen Volk gezahlt wird, wird nach Ihrem Vorschlag einzig und allein für eine soziologische Gruppe verwandt, jene Gruppe Arbeitnehmer, so daß man, wenn man die Neigung hätte, etwas spitz zu sein, Herr Winkelheide, sagen könnte: es ist fast ein Klassenkampfgedanke in dem Gesetzentwurf der CDU/CSU enthalten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und das ausgerechnet nach einem Wahlkampf, in dem der Herr Bundeskanzler von Ihnen als der Patron aller selbständigen Mittelständler und freien Leute in Deutschland durch ganz Deutschland herumgereicht worden ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Man hat sich überlegt, wie man das ausgleichen könne. Es werden uns Vorschläge gemacht, die sehr ernsthaft zu diskutieren sind, ob man nicht Teile der Selbständigen - insbesondere aus der Landwirtschaft, aber auch andere — herausnehmen solle. Man überlegt sich, ob man in einer weiteren steuerlichen Berücksichtigung ein Äquivalent finden könne. Das führt zu einer zwiespältigen Behandlung der Zensiten. Die haben Sie in diesem Gesetz doch sowieso schon begonnen.


    (Dr. Hammer)

    k) Ich habe vorhin das Beispiel von jenem Freischaffenden geprägt, der unter gar keinen Umständen in die Berufsgenossenschaft hineinkommt. Der trägt also erstens in Gestalt der Preise, die seine Frau am Freitag oder Samstag zahlt, die Unkosten, zweitens bekommt er nichts aus der Anstalt und drittens darf er keine zusätzlichen 20 DM für das dritte und noch weitere 20 DM für das vierte Kind bei der Einkommensteuerveranlagung absetzen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Dagegen werden in beiden Vorlagen die Kindergelder ohne weiteres steuerfrei gestellt. Meine Damen und Herren, ich rede nicht gegen die Steuerfreiheit der Kindergelder; verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mache nur darauf aufmerksam, wie ungereimt die Dinge werden und welch ungerechten Charakter diese Regelung gegenüber der Behandlung einer anderen Gruppe der Bevölkerung annimmt, der es sozial nicht besser geht und deren Kinder auch nicht schlechter sind.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Wir werden in der Einzelberatung noch eine Reihe anderer Wünsche vortragen und uns dabei so beteiligen, daß aus dem Gesetzentwurf, und zwar wohl aus der Vorlage der CDU, etwas Brauchbares herauskommt.
    Aber man sollte sich über die Wirkung doch keine gar zu großen Vorstellungen machen. 20 DM, das gibt Butter, das gibt Stiefelsohlen oder wenigstens eine bessere Qualität Margarine — ich weiß nicht, ob es für die Butter reicht. Das ist sehr schön. Aber man hat sich doch inzwischen angewöhnt, zwischen sozialer Situation und vitaler Situation zu unterscheiden. Wenn man in Ihrer Familienkonzeption weitergeht, meine Herren von
    der CDU, dann wird man doch einige Feststellungen resignierender Art machen müssen.
    Eines aus sehr vielen Beispielen. Es hat einmal zur Regel gehört — das ist noch nicht gar so lange her, vielleicht 100 Jahre —, daß der größte Teil der Werktätigen Deutschlands in einem Familienbetrieb beschäftigt war. Damals war der Vater den ganzen Tag in enger Berührung mit Frau und mit Kindern, jener Vater, von dem wir wissen, daß es zu seiner Leidenschaft gehört, den lieben Gott nachzuahmen, häufig sehr gütig, aber auch häufig als „mysterium tremendi" zum Schrecken seiner Familie. Aber dieser Vater gehörte zu dem Rahmen, zu dem Erziehungsmilieu, in dem die Kinder damals aufwuchsen. Heute erscheint dieser Mann nur sehr selten und im allgemeinen dann, wenn die Kinder gerade beim Zubettgehen sind, und unsere Mütter schreien doch nach der Anwesenheit des Vaters in der Familie. Sie schreien vielleicht so ähnlich, wie die Andromache gerufen hat: „Wer wird meinen Knaben lehren, Speere werfen und die Götter ehren?" Das sind ja nun in dem Deutschland der Großbetriebe nicht mehr die Väter, sondern das sind unsere Schulmeister und Pfarrer geworden, die das Amt im edlen Wettbewerb miteinander zu übernehmen haben. Eine Beschäftigung mit dem Schicksal der Familie bedeutet nach dem soeben Gesagten, daß wir uns auch mit dem Erziehungsprogramm zu befassen haben, erfordert also viel, viel mehr Interesse für Erziehungsfragen, und zwar über den Rahmen unseres Grundgesetzes, demzufolge wir bei dieser entscheidenden Frage im Deutschen Bundestag fast nichts zu sagen haben, weit hinausgreifend.

    ( bestritten, ist schon immer bestritten worden. Es muß nicht so sein, daß die Textilindustrie ihre Spindeln in einer Art von Kasernement stehen hat. Das ist einmal so aus den Standortbedingungen entstanden, aus der Abhängigkeit von Wasser und vielleicht von Kohle. Seitdem der elektrische Strom auch zu transportieren ist, gibt es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch die Möglichkeit, an den elektrischen Strom vorne die Spindeln dranzuhängen, und zwar bis weit hinein in jedes Alpental und dort wieder in jedes einzelne Haus, damit der Raum, um das Gehäuse für eine echte Familie mit Privateigentum und allem, was dazu gehört, zu schaffen, errichtet werde. In unserer Nachkriegssituation der Katastrophenliquidierung ist das allerdings furchtbar schwer. Aber selbst die Amerikaner haben sich darüber sehr lebhaft Gedanken gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß sie demnächst eigentlich 50 % ihrer Großindustrie auseinanderlegen sollen. Das nur als ein Beispiel dafür, daß zur Lösung des Familienproblems auch andere Dinge gehören als ein Geldschein. Noch ein anderes Beispiel: die Wohnung. Kinderreiche Familien wohnen auf eine eigenartige Weise. Sie wohnen in der Regel so, daß sie einen Wohnraum benutzen, der ihrer soziologischen Schicht absolut nicht entspricht. Sie gehören zu den Verdrängten und Depossedierten. Für die Kinderreichen spielt das Problem „kein Hüsung" eine außerordentlich große Rolle. Ich habe die schönsten Jahre meines Lebens damit zugebracht, wohl täglich in diesen Familien zu verkehren. Ich weiß, wie diese Wohnungen aussehen: zerschlissene Kanapees, in der Tapete die Löcher von den kleinen Kinderfingern, abgerissene Türklinken, Fetzen in den Vorhängen; trotzdem ein zauberhaftes Milieu. Es gibt nichts Schöneres als einen Wurf von Kindern bei Vater und Mutter! Aber, meine Herren, wenn Sie ihnen nicht helfen, wird der Groll gegen jene andere Bevölkerungsschicht, die nicht die Last der Kinder trägt, eben immer und immer stärker werden. Nun komme ich — vielleicht mit einem kleinen Beispiel — noch zu der geistigen Situation der Zeit. Gestern hat mir's einer erzählt: Auf das Wohnungsamt einer süddeutschen Großstadt kommt vor einiger Zeit ein Mann und sagt: „Ich bin verheiratet, wir haben keine Wohnung, wir leben getrennt bei den Eltern. Bitte, gib mir diese Wohnung. Meine Frau wird in einigen Wochen niederkommen." Da sagt der Wohnungsbeamte: „Ja, mein Lieber, wenn ich Ihnen nun die Wohnung gebe, und Ihre Frau abortiert vorher ... ?" Meine Damen und Herren, an diesem Beispiel erkennen Sie die geistige Situation unserer Zeit. Welch eine Betrachtungsweise des Familienlebens! Welch eine Mißachtung all der Dinge, die mit Zeugung, Geburt und Mutter zusammenhängen! Es wird etwa mit dem Jahre 1888 angefangen haben, daß in Deutschland und in Westeuropa zunächst die Reichen keine Kinder mehr bekamen. Das wurde nachher zur Mode. Es gehörte ja zu dem zivilisatorischen Gefälle, nicht nur das Vertiko nachzumachen. Dann hatten auch die Armen keine Kinder mehr bekommen. Dann wurden die kinderreichen Familien erheblich diffamiert; man wurde belächelt, wenn man Kinder hatte, und entspre chend behandelt. Das war die Zeit, in der das Problem des § 218 wieder akut wurde. Eine Groteske: dieselben, die auf der einen Seite die Lockerung des § 218 verlangten, vertraten die Aufhebung der Todesstrafe. Meine Damen und Herren, auf der einen Seite die Aufhebung der Todesstrafe fordern und auf der anderen Seite es für richtig halten, mit einer Kürette ein wehrloses, kleines, ungeborenes Lebewesen langsam zu zerschaben — die Zeit ist wirklich eine Verfallszeit gewesen. Dann kam das Allermerkwürdigste: die Allerärmsten fingen wieder an, Kinder in die Welt zu setzen. Die Allerärmsten waren damals nach 1933 unsere deutschen Juden. Unsere deutschen Juden, die sich bis zu diesem Zeitpunkt sehr wenig dafür interessiert hatten — die jüdische Ehe hatte im Durchschnitt 0,9 Kinder —, begannen unter dem Druck der Auswanderung wieder Kinder zu gebären. Als sie dann ohne Hab und Gut und vertrieben in Palästina ans Land gingen und ihren Staat aufbauten — der sich heute nicht immer ganz vorzüglich benimmt, aber das ist jetzt nicht interessant —, da gebaren sie Kinder. Ihre Mütter zeigten sie voll Stolz. Ich bin einmal überrascht gewesen, als ich den Bericht eines Geistlichen in die Hand bekam, der in diesen Jahren Palästina besucht hatte und die Situation schilderte, in der die armen jüdischen Familien mit ihrem Stolz lebten. Er berichtete, er habe eine Frau mit Zwillingen gesehen, deren Mann dazu erklärt habe: „Die haben wir ohne Zertifikat, ohne Einwanderungserlaubnis in die Welt gesetzt!" Meine Damen und Herren, Sie können nur das eine feststellen: Mit ökonomischen Maßnahmen allein kommen Sie an die Dinge nicht heran oder nur zum Teil, Herr Winkelheide! (Abg. Winkelheide: Das habe ich auch nicht gesagt!)


    (Abg. Lücke: Sehr gut!)


    (Dr. Hammer)

    Mit 20 Mark macht man keine echte Sozialpolitik, keine echte Familienpolitik und weiß Gott keine echte Bevölkerungspolitik! Dazu gehört mehr. Offenbar bekommen nur die Leute Kinder, die eine gewisse Schicksalsfreudigkeit haben. Wenn ich mich hier nicht in der Bürgergemeinde, sondern in der Christengemeinde bewegte, würde ich vielleicht das Gespräch auf das Thema „Frömmigkeit und Geburt" bringen. Aber sicher kommen keine Kinder zur Welt lediglich wegen einer Zuchtprämie!

    (Bewegung in der Mitte.)

    Nun, meine Damen und Herren, die Gesetze der anderen existieren seit einer Reihe von Jahren. Das Gesetz Adolf Hitlers — —

    (Unruhe und Pfui-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Lücke: Das geht zu weit!)

    — Meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch zu Ende reden!

    (Abg. Winkelheide: Das gefällt uns aber nicht! — Zuruf von der Mitte: Das soll man nicht sagen! — Weitere Zurufe und Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Die Gesetze der anderen, die Gesetze, die wir erlebt haben, haben immerhin einen Erfolg gehabt, Herr Winkelheide!

    (Abg. Lücke: Es gibt aber immerhin bessere Formulierungen, Herr Dr. Hammer! Diese verbitten wir uns!)

    Worauf beruht ihr Erfolg? — Sie müssen die Dinge
    schon bis zum letzten durchdenken, auch wenn es
    unbequem ist! — Ich will Ihnen sagen, worauf der Erfolg beruht.

    (Abg. Lücke: Es gibt einen gewissen Geschmack, auch in der Politik! — Abg. Bausch: Es kommt immer heraus, was drin ist. Das ist gut so. Dann weiß man Bescheid!)

    — Wir unterhalten uns gern, Herr Kollege Bausch, das wissen Sie ja! Der Erfolg dieser Gesetze beruhte darauf, daß man mit dieser Anerkennung den Familien wieder bestätigt hat, daß sie einen Anspruch zu erheben haben, daß es ehrenvoll ist, Familie zu sein, und daß es der Beachtung wert ist, Kinder zu haben. Das ist ihr Erfolg gewesen; maßgebend war aber nicht die Kalkulation, daß man mit 20 Mark die Kosten für ein Kind erstatten könne.
    Unsere geheime Hoffnung ist die, daß mit diesem Gesetz ein Anfang gemacht wird, daß mit diesem Gesetz wieder der Respekt vor denjenigen geschaffen wird, die Kinder erzeugen und Kinder haben. Weil wir wünschen, daß in Deutschland allen Kindern und allen Müttern nur Gutes geschieht und daß in Deutschland wieder Kinder geboren werden, werden wir uns bei allen Bedenken die größte Mühe geben, aus dem Gesetzentwurf der CDU ein brauchbares Familienlastenausgleichsgesetz zu machen.

    (Beifall bei der FDP.)