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ID0201600700

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    2. Deutscher Bundestag — 16. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Februar 1954 517 16. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 517 C, 550 D Eintritt des Abg. Putzig in den Bundestag . 517 C Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg Arndgen und Kemper (Trier) 517 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 19, 21, 22, 26, 27, 28, 29, 30 (Drucksachen 172, 265; 175, 264; 191, 273; 229, 277; 230, 276; 231, 281; 232, 274; 233, 268) 517 D Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Ergebnisse der Berliner Außenminister-Konferenz) und Aussprache über die Erklärung 518 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 518 A Ollenhauer (SPD) 522 B Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 528 B Dr. Dehler (FDP) 533 B Haasler (GB/BHE) 538 C Dr. von Merkatz (DP) 539 B Unterbrechung der Sitzung . . . 544 A Wehner (SPD) 544 A Lemmer (CDU/CSU) 546 D Seiboth (GB/BHE) 549 A D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 550 A Präsident D. Dr. Ehlers 550 C Einstimmige Annahme der Entschließung Drucksache 286 550 B Nächste Sitzung 550 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Sitzung vom 10. Dezember 1953 hat der Deutsche Bundestag in einer einstimmig angenommenen Entschließung das Anliegen des deutschen Volkes im Hinblick auf die damals bevorstehende Vier-Mächte-Konferenz zum Ausdruck gebracht. Die Tatsache dieser einmütigen Stellungnahme des Bundestages bietet nach unserer Auffassung eine gute Grundlage für die heutige Debatte über den Verlauf, die Resultate und die Auswirkungen der Berliner Vier-Mächte-Konferenz.
    Die Konferenz ist zu keiner Verständigung über die Wiederherstellung der deutschen Einheit auf der Basis von freien Wahlen gekommen. Dieser Ausgang der Konferenz hat zweifellos die große Mehrheit des deutschen Volkes, vor allem die Deutschen in der Sowjetzone, tief enttäuscht. Diese Empfindungen werden von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im vollen Umfang geteilt.
    Wir sind jedoch der Auffassung, daß die Konferenz nicht nur negativ beurteilt werden kann. Es war die erste Vier-Mächte-Konferenz nach einer Pause von fünf Jahren mit all den Verhärtungen, die die Zuspitzung des kalten Krieges in der Vergangenheit mit sich gebracht hat. Man mußte daher damit rechnen, daß die Verhandlungspartner zunächst ihre Positionen definieren würden. Das ist geschehen und vor allem von der russischen Seite mit einer Deutlichkeit wie nie zuvor. Eine Überbrückung der Gegensätze ist nicht erfolgt; aber die Konferenz ist mit Resultaten und unter Bedingungen abgeschlossen worden, die weitere Verhandlungen und Konferenzen mit dem Ziel einer internationalen Entspannung möglich machen. Die Fortsetzung der Gespräche über eine internationale Atomenergieordnung und die Vereinbarung über eine neue Konferenz zur Besprechung der Koreafrage und des Kriegs in Indochina sowie die Vereinbarung über eine energischere Fortsetzung der Abrüstungsgespräche sind Beweise für diese Annahme.
    Wir Sozialdemokraten halten diesen Ansatz in der Richtung einer weiteren Entspannung für ein Ereignis von grundsätzlicher und weittragender Bedeutung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Hoffnungen aller Menschen richten sich in erster Linie auf die Erhaltung und die Festigung des Friedens in der Welt.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Vor allem das deutsche Volk muß schon den Versuch einer solchen Politik aus tiefstem Herzen begrüßen; denn seine Wiedervereinigung, die Hebung seines Wohlstandes und seine Eingliederung in die Gemeinschaft der Völker hängt davon ab, ob es den entscheidenden Mächten der Welt gelingt, die Periode der Spannungen zu überwinden und den Frieden zu erhalten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sogar die einfache, natürliche Existenz der deutschen Menschen ist von dem Erfolg einer solchen Politik abhängig.
    Wir begrüßen es, daß auch der Herr Bundeskanzler in seiner heutigen Regierungserklärung den Vorrang einer Politik der Entspannung, vor allem auch im Hinblick auf die Lösung der Deutschlandfrage, so positiv unterstrichen hat.

    (Zuruf von der Mitte: Er hat es schon immer getan!)

    Die Berliner Konferenz hat in diesem Zusammenhang auch den Beweis erbracht, daß die Lösung der Deutschlandfrage nur in Verbindung mit den weiteren, fortgesetzten Bemühungen zur Lösung der durch den Krieg aufgeworfenen Probleme auf internationaler Basis gefördert werden kann und daß angesichts der gegebenen Machtverhältnisse in der Welt und der Verflochtenheit der Probleme eine isolierte Lösung des Deutschland-Problems nicht erreicht werden kann.
    Wir glauben, daß man dieser Tatsache ins Auge sehen muß, so schwer es auch für jeden in unserem Volke sein mag, einzusehen, daß das natürliche Recht eines Volkes auf seine staatliche und nationale Einheit und seine Selbstbestimmung an sich nicht den Anspruch auf unmittelbare Erfüllung hat. Das deutsche Volk darf nicht müde werden, diesen Anspruch auf seine natürlichen Rechte bei allen verantwortlichen Mächten mit Nachdruck zur Geltung zu bringen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sicher ist es für uns Deutsche nach alledem, was hinter uns liegt, und angesichts dessen, was uns bedrückt, schwer, eine solche Konferenz wie die Berliner gerecht und kritisch zu würdigen. Die Erfüllung unseres ureigensten Wunsches hängt aber entscheidend davon ab, ob wir uns in die Lage versetzen können, unsere eigenen Forderungen und Anliegen an den durch diese Konferenz eingeleiteten Prozeß internationaler Gespräche und Verhandlungen immer wieder von neuem heranzubringen, damit ihre Lösung gefördert wird.


    (Ollenhauer)

    Auf dieser Konferenz sind nicht nur 23 Tage hindurch Standpunkte gegeneinander gestellt und Auseinandersetzungen über die Gegensätze geführt worden. Einer der Teilnehmer der Konferenz, der amerikanische Außenminister Mr. Dulles, hat sich am letzten Tage zusammenfassend über die Konferenz geäußert. Er hat gesagt:
    Außer dem, was wir hier erreicht haben, haben wir viel gelernt. Das ist ein Ergebnis, das man nicht ignorieren sollte.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Lachen und Unruhe in der Mitte.)

    — Ich zitiere Mr. Dulles. —

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte und rechts.)

    Es macht es weniger wahrscheinlich, daß irgend jemand von uns aus Unachtsamkeit oder Fehlkalkulation etwas unternimmt, was das Risiko eines neuerlichen Krieges heraufbeschwören würde.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich glaube, eine solche Feststellung gibt keinen Anlaß zu Heiterkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Dieses Urteil von Mr. Dulles ist auch ein Beweis dafür, daß die beiderseitigen Standpunkte nur auf dem Wege einer direkten Aussprache im Rahmen einer Vier-Mächte-Konferenz klargestellt werden konnten und daß auch in Zukunft ein Fortschritt nur erreicht werden kann, wenn die Berliner Konferenz als ein Glied in der Kette internationaler Besprechungen, als ein Anfang einer Serie von Konferenzen dieser oder ähnlicher Art betrachtet wird.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das Schlußkommuniqué der vier Außenminister, nicht das Schlußkommuniqué der drei, läßt erkennen, daß jedenfalls in diesem Punkte eine Übereinstimmung bestand.
    In diesem Fall war die Lage der Konferenz dadurch erschwert, daß sie sozusagen selbst die diplomatischen Vorbereitungen ersetzen mußte. Für die Zukunft wird es die Arbeit einer weiteren Konferenz sicher erleichtern, wenn sie durch eine intensive diplomatische Aktivität vorbereitet wird. Wie die Erfahrungen der letzten zwei Jahre zeigen, reicht ein einfacher Notenwechsel dafür nicht aus.
    Was nun die Behandlung der deutschen Frage auf der Berliner Konferenz selbst angeht, so hat sich die Diskussion im wesentlichen um die beiden Hauptprobleme, die Prozedur der Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis von freien Wahlen und den internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands im Zusammenhang mit dem Sicherheitsproblem gedreht. In der Frage der Prozedur des Aufbaus eines wiedervereinigten Deutschlands standen sich der Eden-Plan der Westmächte und die Molotow-Vorschläge für die Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung gegenüber. Der Vorschlag Edens deckt sich in seiner Forderung nach freien Wahlen als erstem Schritt zur Bildung eines gesamtdeutschen Parlaments mit unser aller Auffassung, mit den wiederholten Beschlüssen des Bundestags. Allerdings ist der Teil des Eden-Plans, der sich mit den Kompetenzen des gesamtdeutschen Parlaments und der gesamtdeutschen Regierung oder gesamtdeutschen Behörde beschäftigt, die bis zur Verabschiedung der
    Verfassung bestehen soll, nicht in voller Übereinstimmung mit den vom Bundestag gefaßten Beschlüssen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich möchte das einfach feststellen, damit die Positionen in dieser sehr wesentlichen Frage eindeutig und klar sind. Wir haben im Bundestag die Aufgaben einer gesamtdeutschen Regierung unmittelbar nach dem Zusammentritt des Parlaments in wesentlich weitergehender Weise, nämlich als die Konstituierung einer echten demokratischen gesamtdeutschen Regierung, festgelegt. Dieser Beschluß ist durch den Eden-Plan nicht gedeckt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube — ohne daß ich die Debatte über diese Frage in diesem Augenblick vertiefen möchte —, daß es für die weitere Diskussion über die Gestaltung der Dinge in bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands wichtig ist, diesen wesentlichen materiellen Unterschied hier einfach festzustellen.
    Auf der andern Seite enthalten die Vorschläge Molotows über die Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung und ihre Aufgaben bis zur Wahl des gesamtdeutschen Parlaments gegen-
    über dem Eden-Plan Vorstellungen, die einfach darauf hinauslaufen, schon vor den Wahlen Maßnahmen zu treffen, die in die Richtung eines volksdemokratischen Systems gehen und die deshalb von uns als Anhängern der parlamentarischen Demokratie nicht akzeptiert werden können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Bemerkenswerte auf der Konferenz war aber, daß eine ernsthafte Diskussion über mögliche Berührungspunkte und Kompromißmöglichkeiten — insbesondere auch nachdem, wie der Herr Bundeskanzler mit Recht unterstrichen hat, die Westmächte gewisse Änderungsvorschläge unterbreitet hatten, nachdem sozusagen das Material für eine ernsthafte Diskussion dieser Frage auf der Konferenz vorlag — nicht stattgefunden hat.
    Dieser Umstand der Nichtdiskutierung der Frage des besten Weges, um zu einer Wiedervereinigung Deutschlands zu kommen, erklärt auch die bemerkenswerte Tatsache, daß es auf der Berliner Konferenz auch zu keiner Diskussion über das Ausmaß der Selbstbestimmung des deutschen Volkes nach seiner Wiedervereinigung gekommen ist. Das ist ein sehr wichtiges Problem, auf das ich auch hier nur als einen Beitrag für unsere eigene weitere Diskussion hingewiesen haben möchte; denn auch der Eden-Plan, den wir als eine Unterlage, als eine Basis für eine sachliche Behandlung der Wiedervereinigung in Freiheit durchaus positiv bewerten, beschränkt die Selbstbestimmung einer gesamtdeutschen frei gewählten Regierung in weitgehendem Maße, indem sich auch die drei Westmächte als Besatzungsmächte ausdrücklich ihr Einspruchsrecht gegen Beschlüsse der Nationalversammlung einschließlich der von ihr auszuarbeitenden Verfassung vorbehalten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Schließlich haben sich auch beide Seiten auf ihre Weise das Recht zur Verhängung des Notstands, das in unseren Diskussionen über den Deutschland-Vertrag eine so große Rolle gespielt hat, vorbehalten:

    (erneute Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)



    (Ollenhauer)

    Molotow in seinem Vorschlag vom 10. Februar zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa unter Punkt 2 b und die Westmächte im Art. 5 des Generalvertrags von Bonn. Es ist gut, daß wir uns auch über diese Tatbestände klar sind und daß wir sie im Gedächtnis behalten, da die Diskussion über die Wiedervereinigung und ihre Formen weitergehen wird.
    Folgender anderer Tatbestand ist außerdem sehr wesentlich. Die Berliner Konferenz hat gezeigt, daß man sich über freie Wahlen nicht verständigen konnte ohne die gleichzeitige Behandlung der Frage des Status eines wiedervereinigten Deutschlands in einem europäischen oder internationalen Sicherheitssystem. Ich glaube, auch diese Erkenntnis müssen wir aus der Berliner Konferenz gewinnen. Angesichts der Tatsache, daß die Sowjetunion weiß, daß die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis von freien Wahlen, wie wir sie wollen, das Ende der Pankower SED-Herrschaft, das Ende des kommunistischen Einflusses auch in der Sowjetzone bedeutet,

    (Beifall bei der SPD)

    ist für die Sowjetunion die Zustimmung zu diesem Resultat freier Wahlen automatisch mit der Frage des Status eines so wiedervereinigten freien und demokratischen Deutschlands in einem internationalen Sicherheitssystem verbunden. Das ist völlig abseits von allen Wertungen einfach ein Faktor, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben. Es ist sehr bemerkenswert, daß der britische Außenminister, M r. Eden, noch in der ersten Hälfte der Konferenz auf diesen Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen hat, indem er erklärte:.
    Das Hauptproblem liegt darin, die Freiheit in Deutschland mit der Sicherheit in Europa zu verbinden.

    (Sehr wahr! und Hört! Hört! links.)

    Und Mr. Eden war es, der in diesem Zusammenhang auch den Vorschlag machte, daß Deutschland ein Mitglied der Vereinten Nationen wird, das an die Bestimmungen der Charta gebunden ist. Nun, ohne auf diese Vorschläge Mr. Edens einzugehen, entwickelte Herr Molotow seine umfangreichen Vorschläge, die ein europäisches Sicherheitssystem unter Einschluß beider Teile Deutschlands und unter Beteiligung der Sowjetunion, aber unter Ausschluß Großbritanniens und der Vereinigten Staaten vorsahen. Meine Damen und Herren, eine solche Konzeption ist für das deutsche Volk unannehmbar.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Ich möchte mich mit dieser Bemerkung und Feststellung begnügen.
    Aber, meine Damen und Herren, wesentlich ist auch hier, daß es über die Frage einer europäischen Sicherheitsorganisation auf dieser Konferenz zu einer echten Debatte gekommen ist, in deren Verlauf z. B. der französische Außenminister, M. Bidault, eine Reihe von außerordentlich bemerkenswerten Vorschlägen gemacht hat. Ich darf etwas aus seiner Rede zitieren. M. Bidault sagte:
    Was Deutschland angeht, so muß die Sicherheit seiner Nachbarn unter allen Umständen gewährleistet sein. Diese Sicherheit kann vor dem Friedensvertrag nicht bedroht werden auf Grund der Anwesenheit der Truppen der vier Mächte, die dort stationiert sind, um die Sicherheit zu garantieren. Nach dem Vertrag wird
    Deutschland, und zwar das Deutschland in einer definitiven Verbindung, nicht über militärische Streitkräfte verfügen, die seinen eigenen Entschlüssen unterstehen. Die Sicherheit in bezug auf Deutschland wäre in folgender Weise garantiert:
    a) Die Hilfsabkommen, die während des Krieges abgeschlossen worden sind, treten im Falle der Aggression in Funktion.
    b) Deutschland kann auf militärischem Gebiet nicht aus eigenem Ermessen handeln. Das schließt jede Möglichkeit einer Aggression aus.
    c) Deutschland, das die Verpflichtungen der Charta der Vereinten Nationen übernimmt, ist ohne Einschränkungen Partner am Weltsystem der Sicherheit.
    d) Die Regierung des vereinigten Deutschlands müßte sich verpflichten, daß sie nicht die Bestimmungen zu modifizieren versucht, die seine Aktionsfreiheit auf militärischem Gebiet begrenzen.
    Und M. Bidault fügte hinzu:
    Alle diese Bestimmungen verfolgen das Ziel, Deutschland den Platz wiederzugeben, der ihm in der Gemeinschaft der friedliebenden Staaten zukommt, und gleichzeitig jegliche Bedrohung für die Sicherheit der europäischen Völker von dieser Stelle auszuschalten. Endlich ist es notwendig, unsere Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen weiterzuverfolgen, die darauf abzielen, allmählich zu jener voll und ganz zufriedenstellenden Form der kollektiven Sicherheit zu gelangen, die die allgemeine, gleichzeitige und kontrollierte Abrüstung darstellen wird.
    Meine Damen und Herren! Obwohl diese Diskussion zu unserem Bedauern schon nicht mehr unter der Annahme geführt wurde, daß es auf dieser Berliner Konferenz zur Wiedervereinigung Deutschlands kommen werde, haben vor allem die Bidaultschen Vorschläge das Problem der europäischen und der internationalen Sicherheit in ihrer vollen Perspektive zur Diskussion gestellt, so daß hier die Möglichkeit zu weiteren fruchtbaren Gesprächen gegeben ist.
    Und es gibt ein anderes wesentliches Merkmal in dieser Debatte über die Sicherheit, nämlich die Tatsache, daß sowohl die Molotowschen Vorschläge, die ich vorhin abgelehnt habe, als auch die Bidaultschen und andere westliche Vorschläge die Frage einer europäischen Sicherheitsorganisation bewußt und positiv in die Tätigkeit und die Verpflichtungen der Vereinten Nationen hineinbauen. Wenn es überhaupt zu einer Lösung dieses für den Frieden in Europa und in der Welt entscheidenden Problems kommen soll, ist sie nur denkbar im Rahmen einer umfassenden internationalen Organisation, wie die Vereinten Nationen sie darstellen. Damit scheint auf dieser Konferenz der Beweis erbracht zu sein, daß ein Durchdenken des Sicherheitsproblems auch in deutscher Sicht unabweisbar in den Rahmen und die Arbeitsordnung der Vereinten Nationen hineinführt und damit die Vorstellung von der Möglichkeit begrenzter Lösungen erledigt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat bereits früher den Vorschlag für die Aufnahme


    (Ollenhauer)

    eines wiedervereinigten Deutschlands in die Vereinten Nationen gemacht. Dieser Vorschlag hat gerade durch den Verlauf der Berliner Konferenz offensichtlich ein neues Gewicht bekommen.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    Wir halten diesen Weg auch noch heute für den einzig gangbaren und effektiven. Denn eine Verständigung über den internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands ist nur zu erreichen, wenn dieses wiedervereinigte Deutschland in ein Sicherheitssystem eingeordnet wird, das von keiner der interessierten Mächte als eine gegen sie gerichtete Bedrohung empfunden werden kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal ausdrücklich die Stellung der Sozialdemokratischen Partei hinsichtlich eines deutschen Beitrages in einem solchen internationalen Sicherheitssystem unterstreichen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist bereit, für die Erfüllung aller Verpflichtungen einzutreten, die sich aus der Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschlands in einem solchen internationalen Sicherheitssystem ergeben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich eine zusätzliche Bemerkung zu diesem Fragenkomplex machen. Wie immer man die Entwicklungschancen dieser Politik und dieser Möglichkeiten beurteilen möge, in jedem Fall sollte die deutsche Politik schon jetzt mindestens den Schluß aus dieser Diskussion ziehen, daß es nicht im Interesse des deutschen Volkes liegt, wenn im Zusammenhang mit dem Sicherheitsproblem von deutscher Seite die Vereinten Nationen in so herabsetzender Weise behandelt werden, wie es noch bei der Debatte über die Regierungserklärung im vorigen Jahre in diesem Hause geschehen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Kunze [Bethel]: Na, na!)

    Meine Damen und Herren, für die deutsche Politik ergibt sich nach unserer Auffassung aus dieser Lage die Konsequenz, daß für die Bundesrepublik auch weiterhin die Politik der Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen ihr vordringlichstes Ziel bleiben muß.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Na also!)

    Gerade die Atmosphäre und die Resultate der Konferenz bestätigen die Ansätze einer Politik der Entspannung zwischen den Großmächten, und sie verpflichten die deutsche Politik nach unserer Auffassung in noch höherem Maße als bisher, in der Bundesrepublik alles zu unterlassen, was durch deutsche Handlungen eine Verschärfung der Gegensätze oder eine Vertiefung der Spaltung Deutschlands zur Folge haben könnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Berliner Konferenz hat uns zweifellos noch einmal mit bedrückender Deutlichkeit vor Augen geführt, daß wir allein nicht in der Lage sind, das Unglück der staatlichen Spaltung unseres Volkes zu überwinden. Aber unser ständiger Beitrag in der Richtung einer Verstärkung der Befriedungstendenzen in der Welt sollte sein, uns so zu verhalten, daß wir diese Entwicklung positiv fördern und nicht hemmen.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Wer will das denn?)

    Meine Damen und Herren, gerade unter diesem Gesichtspunkt bedauern wir es, daß der erste gesetzgeberische Akt des Parlaments nach der Berliner Konferenz in der Behandlung der Anträge zur Änderung des Grundgesetzes besteht, die morgen verabschiedet werden sollen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Diese Änderung wird, wenn sich eine Mehrheit für diese Anträge in diesem Hause findet,

    (Zurufe von der Mitte: Die findet sich!)

    ohne praktische Bedeutung für die Realisierung des EVG-Abkommens sein. Aber in ihrem rein demonstrativen Charakter erblicken wir ihre Bedenklichkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Kunze [Bethel]: Sie wollen uns nicht verstehen, Herr Ollenhauer!)

    Ich sage das nicht, weil wir der Auffassung sind, daß wir unsere Politik unter dem Gesichtspunkt der möglichen Reaktion auf der Seite der Sowjetunion abstimmen sollen; aber es ist ja keineswegs sicher, meine Damen und Herren, daß ein solcher Schritt nicht auch zu einer ernsten Beunruhigung in der westlichen Welt führen wird.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, ich gönne Ihnen Ihre Heiterkeit! Wenn Sie morgen diesen Beschluß fassen, können wir uns vielleicht in der nächsten Woche über die Reaktion in Frankreich auf Ihren Beschluß unterhalten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte. — Glocke des Präsidenten.)

    Ich glaube auch, daß dieser Akt dem Interesse unseres eigenen Volkes widerspricht.
    Zu diesem Zeitpunkt, in dem die Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands nicht möglich erscheint, muß es eine unserer Hauptaufgaben in der Bundesrepublik sein, alle Bestrebungen und Möglichkeiten zu fördern, um die Lage der 18 Millionen Menschen in der Sowjetzone zu erleichtern, indem wir die Beziehungen zwischen ihr und der Bundesrepublik so weit als möglich normalisieren. In diesem Punkte sind wir einig mit der Erklärung, die der Herr Bundeskanzler heute morgen hier abgegeben hat. Aber eine forcierte Integrationspolitik als unmittelbare Reaktion auf den Ausgang der Berliner Konferenz kann die Aussichten für die Menschen ,der Sowjetzone erheblich beeinträchtigen und verschlechtern.

    (Abg. Euler: Sie wollen weiterhin nichts tun!)

    Wir begrüßen es, daß die drei westlichen Hohen Kommissare ein erstes Programm für eine solche Normalisierung der Beziehungen dem sowjetischen Hohen Kommissar unterbreitet haben. Es sind Forderungen, die wir hier im Bundestag bereits früher eingehend besprochen haben und die dazu helfen können, eine wesentliche Erleichterung der Lage der Bevölkerung in der Sowjetzone herbeizuführen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung, wie sie heute hier erklärt hat, diese Versuche durch eine eigene Initiative aktiv unterstützt. Wir behalten uns vor, dem Parlament von uns aus weitere konkrete Vorschläge in dieser Richtung zu unterbreiten. Die Tatsache, daß gestern die Grotewohl-Regierung die Vorschläge der drei westlichen Hohen Kommissare mit der Behauptung zu-


    (Ollenhauer)

    rückgewiesen hat, es handle sich hier um eine Angelegenheit, die zwischen den Deutschen zu regeln sei, sollte weder die Hohen Kommissare noch die Bundesregierung veranlassen, ihre Bemühungen einzustellen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    In ähnlicher Weise hat dieselbe Sowjetzonenregierung bereits früher den Versuch gemacht, die Aufhebung der Interzonenpässe zu hintertreiben. Die Beharrlichkeit der Hohen Kommissare des Westens hat aber schließlich doch eine teilweise befriedigende Lösung dieses Problems erzielt.
    Über die Vorschläge hinaus, die die Hohen Kommissare unterbreitet haben, gibt es noch eine Reihe von anderen Fragen, die das Leben von Millionen Menschen in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone auf das tiefste berühren. So wäre z. B. eine dringende und menschliche Aufgabe, Vereinbarungen dahingehend herbeizuführen, daß die Unterlagen über vermißte Kriegsgefangene und verschollene Zivilpersonen, die jetzt in beiden Teilen Deutschlands getrennt verwaltet werden, verglichen und in eine gemeinsame geordnete Verwaltung gebracht werden. Ebenso sollten Schritte überlegt werden, um zu erreichen, daß in der Sowjetzone auch Menschen in Freiheit gesetzt werden, die durch die sowjetzonalen Behörden gefangengehalten oder verurteilt sind, nachdem eine große Zahl der durch russische Militärtribunale Verurteilten in Freiheit gesetzt wurden.

    (Beifall bei der SPD.)

    An dem Verhalten der andern Seite gerade gegenüber diesen menschlichen Problemen wird sich erweisen, wieweit hier der ernste Wille zu einer menschlicheren Haltung gegeben ist.

    (Zuruf rechts: Letzteres ist schon abgelehnt!)

    Zweifellos wären die Aussichten für eine befriedigende Regelung dieser Fragen größer, wenn sich die Außenminister auf der Berliner Konferenz hätten entschließen können, durch einen gemeinsamen Beschluß ihren Organen in Deutschland eine entsprechende Anweisung in der Richtung einer solchen Aktivität zu geben. Wir sind der Meinung, daß selbstverständlich alle die auf diesem Wege erreichbaren Erleichterungen der Lage der Bevölkerung in der Sowjetzone in keiner Weise einen Ersatz für ihre Grundforderung nach freien Wahlen und für die Erfüllung ihres natürlichen Rechts, wieder in einem gemeinsamen Staat vereinigt zu sein, bringen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber die politische Wirkung dieser Maßnahmen, vor allem auch im Bewußtsein der Menschen in der Sowjetzone, wird von so großer Bedeutung in der Richtung der Sicherung des Gemeinschaftsgefühls aller Teile des deutschen Volkes sein, daß die Bundesregierung hier eine unablässig drängende und aktive Politik treiben sollte. Unter diesem Gesichtspunkt erledigt sich auch das törichte Gerede von der sogenannten kleinen Lösung.
    Wir können, meine Damen und Herren, bei der Behandlung der Frage unseres Verhältnisses zu der Bevölkerung in der Sowjetzone selbstverständlich nicht an den besonderen Problemen vorbeigehen, vor die die Stadt Berlin gestellt ist. Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt es, daß der Herr Bundeskanzler in Berlin ein erweitertes Hilfsprogramm für Berlin in Aussicht gestellt hat.
    Wir hätten es allerdings für wertvoll gehalten,
    wenn der Herr Bundeskanzler bereits in seiner
    Berliner Rede konkretere Vorschläge an die Stelle
    allgemein gehaltener Ankündigungen gesetzt hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion hat im ersten Bundestag an der Erarbeitung von Stützungsmaßnahmen für Berlin maßgeblichen Anteil gehabt. Sie wird in dieser Richtung weiter mitarbeiten, und die Mehrheit dieses Hauses darf damit rechnen, daß die weitestgehenden, aus ihren Reihen kommenden Vorschläge zugunsten Berlins grundsätzlich die Unterstützung der Opposition finden werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im einzelnen scheint es uns gegenwärtig auf folgende Punkte anzukommen.
    1. Der im Vorschlag zum Bundeshaushalt vorgesehene Zuschuß zur Deckung des Fehlbedarfs des Berliner Landeshaushalts reicht aus Gründen, die nicht den Berlinern zur Last gelegt werden können, bei weitem nicht aus. Bei aller Anerkennung des Drängens auf eine sparsame Verwaltung des Landes Berlin muß daran erinnert werden, daß der Bund sich auch durch das Dritte Überleitungsgesetz verpflichtet hat, den Fehlbedarf des Berliner Haushalts zu decken. Bei einer Prüfung dieses Fehlbedarfs dürfen die Besonderheiten der Berliner Lage nicht unberücksichtigt bleiben. Wir halten es in diesem Zusammenhang für überaus bedenklich, wenn ausgerechnet in der gegenwärtigen Lage in Berlin eine 30%ige Erhöhung des Brotpreises in Aussicht steht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    2. Das Aufkommen aus der Abgabe „Notopfer Berlin" sollte dem Lande Berlin unverkürzt zugute kommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD und einigen Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Der Betrag, um den das Aufkommen aus dem Berliner Notopfer den Zuschuß zum Berliner Haushalt überschreitet, sollte der isolierten Hauptstadt in ihrer unverschuldeten Notlage als zusätzliche Wirtschaftshilfe zufließen. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit an das Wort des Herrn Bundesfinanzministers, jede in Berlin angelegte Mark diene der Sicherung der freien Welt.
    3. Es muß sichergestellt werden, daß diejenigen deutschen Mittel aufgebracht werden, die erforderlich sind, damit das Berliner Notstandsprogramm auf der Basis von gut 20 000 Beschäftigten fortgeführt und womöglich noch erweitert werden kann.
    In dem Zusammenhang verweisen wir darauf, daß der von Herrn Reuter geführte Senat von Berlin eine Erweiterung des Notstandsprogramms auf 35 000 Mann geplant hat.
    4. Bei der Verstärkung von Steuererleichterungen für die Berliner Wirtschaft sollte es sich nicht um private Subventionen handeln, sondern um neue Möglichkeiten zur Intensivierung des Berliner Aufbaus.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Bei dem unter dem Bundesdurchschnitt liegenden Lohnniveau in Berlin müssen etwaige Steuersenkungen auch den Arbeitnehmern zugute kommen.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Ollenhauer)

    5. Für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, den Kernpunkt jeder Berlinhilfe, sollten insbesondere auch Mittel aus den ERP-Rückflüssen bereitgestellt werden.
    6. Über die bloße Ankündigung einer verstärkten Auftragslenkung nach Berlin hinaus sollten die positiven Ansätze, die wir in der Arbeit des Berlin-Bevollmächtigten beim Bundeswirtschaftsminister erblicken, energisch weiterentwickelt werden. Insbesondere kommt es darauf an, daß die Auftragserteilung der öffentlichen Hand verstärkt und daß der Berliner Wirtschaft bei der Auftragsfinanzierung noch wirksamer als bisher geholfen wird.
    Meine Damen und Herren, ich komme zu einigen abschließenden Bemerkungen.
    Es ist nicht unsere Absicht, im Zusammenhang mit dieser außenpolitischen Debatte eine neue Diskussion über die europäische Verteidigung herbeizuführen. Die Entwicklung der internationalen Sicherheitsdiskussion auf der Berliner Konferenz hat deutlich gemacht, daß auf dem Wege einer regional so beschränkten Verteidigungsorganisation, wie die EVG sie darstellt, eine effektive Sicherheit für ein einzelnes Volk oder für eine Gruppe von Völkern unter den heute gegebenen Bedingungen nicht erreichbar ist.
    Die Sozialdemokratie ist außerdem durch den Verlauf der Debatte auf der Berliner Konferenz noch mehr in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft be-. stärkt worden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Die Art und Weise, wie von den westlichen Außenministern der EVG-Vertrag als ein Sicherheitsinstrument zur Kontrolle über Deutschland den Sowjets präsentiert wurde, hat in drastischer Weise unsere Argumentation bekräftigt, daß es sich bei diesem Vertrag nicht um einen Vertrag auf der Ebene der Partnerschaft und der Gleichberechtigung handelt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich will in diesem Zusammenhang nicht über die Frage streiten, inwieweit die Vorbereitung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Sowjetrußland gehindert hat, freien Wahlen zuzustimmen.

    (Lachen, Zurufe und Unruhe in der Mitte und rechts.)

    Aber in Berlin ist für uns ein anderes wichtiges Problem aufgetaucht, nämlich, ob die von den westlichen Außenministern vorgeschlagene Interpretation, daß eine gesamtdeutsche Regierung frei sei, internationale Verträge wie den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft anzunehmen oder abzulehnen, tatsächlich mit den Bestimmungen des Vertrages, der ja von der Bundesregierung unterzeichnet worden ist, zu vereinbaren ist, jedenfalls im Verhältnis gegenüber den Vertragspartnern, die nicht auch gleichzeitig Vertragspartner des Generalvertrages sind. Der frühere französische Außenminister M. Robert Schuman hat die Berliner Zusage als unvereinbar mit dem Vertrag angegriffen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auf jeden Fall stellt sich doch für uns die Frage,
    welche der beiden Auffassungen richtig ist. Bindet
    der Vertrag tatsächlich auch eine zukünftige gesamtdeutsche Regierung, wie M. Schuman behauptet, so
    kann doch nicht bestritten werden, daß er die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit erschwert.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn so die Sozialdemokratische Partei ihren ablehnenden Standpunkt gegenüber der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in vollem Umfange aufrechterhalten muß, so möchte ich noch einmal und, wie ich hoffe, damit zur endgültigen Ausmerzung des Unfugs des Geredes über die angebliche Ohne-mich-Politik oder Neutralisationspolitik der Sozialdemokratie feststellen, daß die Ablehnung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht die Ablehnung einer Politik der militärischen Sicherheit für unser Volk bedeutet.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Sozialdemokratische Partei hat sich auf ihrem Dortmunder Parteitag im Jahre 1952 in ihrem Aktionsprogramm ausdrücklich zu einem System der kollektiven Sicherheit mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten bekannt.

    (Zuruf von der Mitte: Aber wie!)

    Wir haben diesen in unserem Aktionsprogramm aufgestellten Grundsatz vor vielen Monaten in unserem Handbuch sozialdemokratischer Politik im einzelnen dargestellt, und wir haben darüber hinaus für die Zeit der Existenz der Bundesrepublik Deutschland folgendes über unseren Standpunkt in der Frage der Sicherheit der Bundesrepublik ausgeführt. Da heißt es:
    Solange die staatliche Einheit Deutschlands nicht wiederhergestellt ist, kann die Bundesrepublik an gemeinsamen Anstrengungen der freien Welt zur Sicherung des Friedens nur teilnehmen, sofern gewährleistet sind
    a) die Gleichberechtigung der Bundesrepublik gegenüber allen anderen Teilnehmerstaaten;
    b) die Gleichwertigkeit der Bedingungen für die Sicherheit und die Lebensinteressen jedes Teilnehmerstaates;
    c) die ausdrückliche Übereinstimmung aller Teilnehmerstaaten, Deutschlands Anspruch auf Wiederherstellung einer staatlichen Einheit anzuerkennen und die Bundesrepublik in ihrem Streben nach friedlicher Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zu unterstützen;
    d) keine Bindung der frei . gewählten gesamtdeutschen Regierung durch vertragliche Verpflichtungen, die die Bundesrepublik eingeht, sondern Kündbarkeitsklausel für den Fall der Wiedervereinigung Deutschlands in jedem Vertrag. Die Bundesrepublik muß angesichts der durch die Spaltung Deutschlands geschaffenen besonderen Lage darauf bestehen, die Kräfte der USA und Großbritanniens durch festes Engagement mit den eigenen militärischen Anstrengungen der Bundesrepublik zu verbinden.
    Damit die Bundesrepublik den ihr zukommenden Anteil an solchen gemeinsamen Anstrengungen zur Sicherung des Friedens übernehmen und erfüllen kann, ist nach der Aufhebung des Besatzungsstatuts ihr rechtlicher Status so zu bestimmen, daß sie — ungeachtet


    (Ollenhauer)

    des Art. 107 der Satzungen der UN — die vom Statut der UN für die Mitgliedschaft geforderten Voraussetzungen erfüllt.
    Meine Damen und Herren, ich möchte diese sehr klaren und präzisen Feststellungen hier noch einmal herausgestellt haben und gerade jetzt mit allem Nachdruck noch einmal auf die Voraussetzungen verweisen, in denen davon gesprochen wird, daß jede deutsche Sicherheitsverpflichtung, die die Bundesrepublik eingeht, nicht im Gegensatz zu unserer Politik der Wiedervereinigung stehen darf und daß Verträge dieser Art mit einer ausdrücklichen Kündigungsklausel für den Fall der Wiedervereinigung verbunden sein müssen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Die deutsche Politik steht nach dem Ausgang dieser ersten Berliner Vier-Mächte-Konferenz vor zwei entscheidenden Aufgaben, die zueinander gehören: Erstens muß sie alles tun, was in den Kräften der Bundesrepublik steht, die Frage der deutschen Wiedervereinigung in Freiheit in alle Fühlungnahmen und Gespräche mit den Regierungen der Besatzungsmächte hineinzubringen. Sie muß zu ihrem Teil dazu beitragen, daß die Verhandlungssituation, die sich in Berlin gezeigt hat, offenbleibt und immer wieder ausgenutzt wird. Für die deutsche Politik darf die Berliner Konferenz weder ein Zwischenspiel noch ein Abschluß sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zweitens muß die Bundesregierung versuchen, durch ständige intensive Bemühungen das Leben der Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone erträglicher zu machen und die Beziehungen zwischen den Deutschen aller Zonen und Berlins soweit wie möglich zu normalisieren. Auf diese Weise sollte angestrebt werden, daß der allgemeine Zug zu einer Entspannung seinen Niederschlag auch in den innerdeutschen Verhältnissen findet. Beide großen Aufgaben gehören zusammen und stehen unter der zentralen Forderung, das Klima für erneute und erfolgreichere Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit günstiger zu gestalten.

    (Lebhafter, langanhaltender Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl der Herr Bundeskanzler wie auch mein Vorredner, Herr Kollege Ollenhauer, haben ihre Analyse der Berliner Konferenz damit begonnen, daß sie zum Ausdruck brachten, die Berliner Konferenz habe zwar keinen Erfolg gezeitigt, sei aber auch nicht gescheitert; aus diesem Verlauf der Konferenz könnten wir die Hoffnung mitnehmen, daß die Gespräche über die Frage der deutschen Wiedervereinigung nicht abreißen werden. Ich glaube, daß man das nachdrücklich unterstreichen soll. Aber auch wenn wir diese Hoffnung behalten und wenn wir wissen, daß der Verlauf der Berliner Konferenz uns die Sicherheit gibt, daß die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands nicht mehr von der Tagesordnung internationaler Konferenzen verschwindet, müssen wir uns doch über die tiefe Enttäuschung Rechenschaft geben, die jeden Menschen in Deutschland, gleichgültig, ob er im Gebiet der Bundesrepublik oder in der sowjetisch besetzten Zone lebt, erfüllt hat, als er von dem Ausgang dieser Konferenz erfuhr.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen es aussprechen, gerade hier, weil drüben 18 Millionen Menschen leben, die das nicht einmal aussprechen dürfen.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

    Wir müssen es auch aussprechen, weil man manchmal doch den Eindruck haben könnte, daß nicht alle Menschen sich des Wertes der Freiheit, die sie hier genießen, so bewußt sind, um das nötige Verständnis für die ungeheure Not dieser 18 Millionen drüben aufzubringen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir können hier über die Enttäuschung sprechen. Aber wir wissen, daß, auch wenn die deutsche Frage offenbleibt, doch wohl unser Leben, unsere politische, unsere materielle Existenz nicht in Unruhe geraten. Die Menschen drüben in der sowjetisch besetzten Zone haben sicherlich das Ende der Konferenz noch ganz anders empfunden und miterlebt. Es geht nicht darum, daß wir etwa ihre wirtschaftliche Notlage beklagen — ich glaube, daß das die wenigsten drüben hören wollen —, sondern es geht darum, daß wir uns darüber klarwerden, was es bedeutet, nunmehr seit neun Jahren unter diesem unerträglichen geistigen und seelischen Druck zu leben, in dieser Unfreiheit, die den Menschen daran hindert zu denken, weil ihm das Differenzierungsvermögen fehlt, zu diskutieren, weil ihm der Partner fehlt, und zu kritisieren, weil ihm der Mut dazu genommen wird. Diese Menschen haben jetzt erleben müssen, daß am vergangenen Donnerstag die Berliner Konferenz mit einem Kommuniqué zu Ende ging, das auf ihre Frage keine Antwort gab.
    Sowohl der Herr Bundeskanzler wie auch der Herr Kollege Ollenhauer als Sprecher der Sozialdemokratischen Partei haben das Ergebnis dieser Konferenz analysiert, die genau vor einem Monat, am 25. Januar, in Berlin zusammengetreten ist. Ich glaubte zu Eingang der Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer, daß zumindest in der Analyse doch eine weitgehende Übereinstimmung festzustellen sei. Aber ich habe mich dann — ich darf sagen: leider — davon überzeugen müssen, daß schon in der Ausgangsstellung eine sehr wesentliche Meinungsverschiedenheit besteht, die ich hier offen ansprechen möchte.
    Der Herr Kollege Ollenhauer hat davon gesprochen, daß man in Berlin gleichmäßig die Frage der freien Wahlen und der Sicherheit behandelt habe. Er sprach dann davon, daß die Prozedur der freien Wahlen und der völkerrechtliche Status eines wiedervereinigten Deutschlands behandelt worden seien. Hier scheint mir allerdings ein entscheidender Gegensatz zwischen meiner Auffassung und der des Kollegen Ollenhauer zu bestehen. Aber hier scheint mir auch Herr Kollege Ollenhauer die Entwicklung falsch zu deuten. Denn auf der Berliner Konferenz hat man sich ja eben nicht über die Prozedur der Wiedervereinigung unterhalten können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Diskussion über die freien Wahlen ist gar nicht in Gang gekommen.

    (Erneute Zustimmung in der Mitte.)



    (Dr. von Brentano)

    Die Frage der freien Wahlen, die wir bewußt auch in allen Entschließungen des Bundestages an die Spitze gestellt haben — nicht nur ihrer politischen Bedeutung wegen haben wir ihr die Priorität eingeräumt, sondern wir sind auch davon ausgegangen, daß der Prozeß der Wiedervereinigung schlechthin nur mit freien Wahlen beginnen kann—, ist in Berlin nicht diskutiert worden. Herr Molotow als Sprecher der sowjetischen Regierung hat vom ersten bis zum letzten Tag keinen Zweifel daran gelassen, daß er freie Wahlen zumindest zur Zeit noch nicht zu akzeptieren bereit ist, gleichgültig, welchen Preis man zu zahlen gewillt wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daraus scheint sich dann auch die Verschiedenheit der Auffassungen zu erklären, nicht nur in bezug auf das Resultat der Berliner Konferenz, sondern auch bei einem Gespräch darüber, welche Folgen für uns daraus entstehen und welche Folgerungen wir zu ziehen haben.
    Ich glaube, man sollte auch hier noch einmal an folgendes erinnern. Ich tue es, wenn ich auch annehme, daß ich Widerspruch hören werde. Diese Berliner Konferenz, diese erste Begegnung der vier Siegermächte, die die Potsdamer Beschlüsse gefaßt haben und die — das wissen wir alle — allein in der Lage sind, die unselige Teilung unseres Vaterlandes wiederaufzuheben, ist zustande gekommen, nicht weil der Westen und nicht weil wir abwarteten, nicht weil wir unentschlossen waren und zögerten; sie ist einzig und allein nur deswegen zustande gekommen, weil der Osten, weil Sowjetrußland erkannte, daß die Bundesrepublik zusammen mit der freien Welt eine Politik der gegenseitigen Befriedung, der gegenseitigen Freundschaft und des Vertrauens, aber gleichzeitig eine Politik der Entschlossenheit, den Frieden zu erhalten und zu verteidigen, eingeleitet hat.

    (Beifall in der Mitte.)

    Niemals wäre diese Konferenz zustande gekommen — ich glaube, das sagen zu können —, wenn wir das getan hätten, was wir in den letzten Jahren manchmal als Ratschlag hören mußten: wenn wir nämlich gar nichts getan hätten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Darum möchte ich auch jetzt sagen: Wir werden diesen Ratschlag auch für die Zukunft nicht annehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bin nicht der Meinung, daß auch nur der geringste Anlaß dazu besteht, dieses politische Junktim herzustellen, das heute wieder von der Opposition, wenn auch etwas zurückhaltender, vertreten worden ist. Es wird nämlich behauptet, daß die Politik der Bundesregierung, die Politik der europäischen Verständigung und Einigung, geeignet sei, die Wiedervereinigung Deutschlands zu erschweren oder gar zu verhindern. Ich darf vielleicht daran erinnern, was in diesem Haus am 27. September 1951 ausgesprochen worden ist:
    Und so wäre mit der Wiedervereinigung Deutschlands ein entscheidender Schritt getan, um die heute so komplizierten Fragen der Zusammenarbeit der Völker, der Zusammenarbeit Europas, einfacher lösen zu können, als es heute möglich erscheint. Es ist ja nicht so, wie es neuerdings nicht nur in einem SED-offiziösen Artikel, sondern mitunter auch hier im sogenannten Westen dargestellt wird: entweder deutsche Einigung oder europäische Zusammenarbeit, sondern es ist doch so: europäische Zusammenarbeit in der Erkenntnis der Notwendigkeit und mit dem Ziel der deutschen Einigung. Und es ist auch so: deutsche Einigung mit dem Ziel der europäischen Zusammenarbeit.
    Der Redner zitierte dann als „verheißungsvolles Anzeichen" eine Entschließung der Europäischen Konferenz in Hamburg, in der es hieß:
    Die Einfügung eines freien Deutschland in ein freies Europa kann die Einheit Deutschlands weder in Frage stellen noch verhindern. Sie erscheint vielmehr als der angemessenste Weg zu ihr.
    Meine Damen und Herren, ich darf vielleicht fragen, ob diese sehr grundsätzliche Erklärung, die am 27. September 1951 vom Herrn Kollegen Wehner abgegeben worden ist,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    auch heute noch von der Sozialdemokratie als richtig anerkannt wird.

    (Rufe von der SPD: Ja! — Sicher!)

    — Wenn das so ist, dann ist, glaube ich, die Argumentation nicht mehr ganz überzeugend und glaubwürdig, daß diese Politik der europäischen Verständigung, diese Politik der europäischen Einigung die Wiedervereinigung zu hindern oder auch nur zu erschweren vermöge.

    (Sehr gut! rechts.)

    Der Herr Kollege Ollenhauer — ich möchte darauf noch eingehen — hat sich, als er sich gegen die Fortführung einer solchen Politik gewandt und zum Ausdruck gebracht hat, daß seiner Überzeugung nach die Gespräche zwischen den vier Mächten durch die Fortsetzung dieser Politik gefährdet werden könnte, sehr leidenschaftlich gegen den Vorwurf gewehrt, daß seine Partei oder seine Fraktion etwa mit dem Gedanken einer Neutralisierung liebäugle.
    Der Herr Kollege Ollenhauer hat uns dann einiges aus einem Handbuch vorgelesen. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zu sagen: Es wäre ganz gut, wenn wir nicht nur auf die Benutzung sozialistischer Handbücher verwiesen würden, sondern wenn man diese Erklärungen auch in der Vergangenheit mit der wünschenswerten Offenheit vor dem deutschen Volk abgegeben hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Mellies: Sie scheinen sich wenig darum gekümmert zu haben! Das hätten Sie auch früher zur Kenntnis nehmen können!)

    — Herr Kollege, ich glaube, wir sind hier, um zu diskutieren. Sonst könnten wir uns ja darauf beschränken, Herr Kollege Mellies, hier heraufzugehen und zu sagen: Lesen Sie bitte das Buch . . . Seite soundsoviel!

    (Heiterkeit und Zustimmung in der Mitte.)

    Wenn Sie das wünschen, kann ich Ihnen eine ganze Menge ausgezeichneter Lektüre empfehlen. Beispielsweise würde ich empfehlen, aus der letzten Zeit die „Neue Zürcher Zeitung", die „Basler Nachrichten", die „Basler National-Zeitung", das „Journal de Genève" und den „Economist" nachzulesen, um dort einmal festzustellen, daß Ihnen für Ihre Partei eines gelungen ist, was wir für Deutsch-


    (Dr. von Brentano)

    land verhindern wollen, — daß es Ihnen gelungen ist, sich hoffnungslos zu isolieren.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Ich stelle noch einmal fest, daß Herr Kollege Ollenhauer sich sehr leidenschaftlich und ernst gegen eine Politik der Neutralisierung ausgesprochen hat, und ich begrüße es, daß das heute wieder mit dieser Klarheit gesagt worden ist. Ich begrüße es, daß wieder gesagt worden ist, daß selbstverständlich auch die Sozialdemokratie nicht die Notwendigkeit einer Einbettung Deutschlands in ein System der Sicherheit und seiner Teilnahme an einem solchen System bestreite.
    Eines ist mir dabei nicht ganz klargeworden, und diese Frage bitte ich stellen zu dürfen: Wann soll eigentlich dieser Moment eintreten? Ich fürchte, wenn wir Ihren Weg gehen, Herr Kollege Ollenhauer, dann wird diese Sicherheit überhaupt erst dann wirksam, wenn wir sie nicht mehr brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Das war doch ein Kurzschluß!)

    — Nein,

    (Abg. Arndgen: Der hat gezündet!)

    das war kein Kurzschluß. Aber vielleicht war es zu rasch, um verstanden zu werden!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich auf diese Frage noch einmal eingehen. Zu welchen Konsequenzen würde — und ich sage das nun wirklich ohne jede Polemik, ich möchte, daß wir darüber reden — die Politik führen, die uns hier von der Opposition empfohlen wird? Wie früher bleibt sie uns doch die Erklärung darüber schuldig, was denn unter einem solchen System der kollektiven Sicherheit verstanden werden soll, wie es entstehen und wie es wirksam werden soll. Wir haben heute auch die Anspielung gehört: Deutschland in die Vereinten Nationen einbauen. Meine Damen und Herren, darüber gibt es wahrscheinlich keine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns, daß wir sehr glücklich wären, wenn wir schon den Vereinten Nationen angehörten.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Es ist ja nicht unsere Schuld, wenn das bisher nicht geschehen ist. Wenn wir uns auch der problematischen Möglichkeiten, die die Vereinten Nationen besitzen, durchaus bewußt sind, so, glaube ich, gehört Deutschland auf jeden Fall in den Kreis der Vereinten Nationen, um an ihren Bestrebungen und immerhin auch an den Garantien teilnehmen zu können, die eine solche Mitgliedschaft mit sich bringt. Aber Sie werden mir, glaube ich, doch alle darin zustimmen müssen: Weder die Frage der deutschen Wiedervereinigung noch die Frage der deutschen Sicherheit ist gelöst, wenn wir die schriftliche Mitteilung des Generalsekretärs der UNO bekommen, daß wir als Mitglied aufgenommen sind.
    Ein Verzicht auf die Integrationspolitik, wie er von uns gefordert wird, würde uns — ich wiederhole es — nach den Erfahrungen der Berliner Konferenz der Wiedervereinigung nicht näherbringen; denn bis zur Stunde ist die Wiedervereinigung nicht an dem starren Festhalten der westlichen Welt oder gar Deutschlands an einer schädlichen Politik gescheitert, sondern an dem Nein auf die Forderung nach freien Wahlen.
    Ein Deutschland aber, das die Integrationspolitik ablehnen würde, würde sich doch — und darüber müssen wir uns klar sein — bewußt und eindeutig in die Isolierung begeben. Die vielleicht entscheidende Voraussetzung für das neugeschaffene Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis mit der freien Welt ist doch das Bekenntnis, daß Deutschland zur freien Welt gehört und als integraler Bestandteil dieser freien Welt angehören und mit ihr zusammenarbeiten will.
    Die Frucht dieser Politik hat sich, wie ich glaube auch hier sagen zu können, in Berlin gezeigt. Man kann doch — und ich unterstreiche, was der Herr Bundeskanzler in bezug darauf gesagt hat — die Tatsache nicht hoch genug werten, daß zwar auf der Berliner Konferenz kein Stuhl für einen deutschen Vertreter frei war, weil Deutschland ja noch keinen Sprecher hat, der dieses gemeinsame deutsche Anliegen dort hätte vertreten können, daß aber die drei westlichen Außenminister dieses so bedeutungsvolle deutsche Anliegen auf der Konferenz in einer Weise vertreten haben, von der ich nur sagen kann: Wir haben Grund, den Dank, den auch der Herr Bundeskanzler hier ausgesprochen hat, aus innerer Überzeugung und aus aufrichtiger Gesinnung zu wiederholen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ein Deutschland aber, das sich in die frei gewählte Isolierung begeben und damit ausdrücken würde, daß es unabhängig — ein gefährliches Wort! — und ohne enge Bindung zwischen dem Osten und dem Westen bestehen wolle, würde wohl — darüber müssen wir uns klar sein — auf einer kommenden Konferenz eine andere Lage vorfinden.

    (Richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Haltung Sowjetrußlands würde sich ändern, und zwar zum Nachteil Deutschlands; denn die Unentschlossenheit, die Unsicherheit und die Unklarheit werden Rußland logischerweise erst recht bestimmen, seine Ansprüche zu erhöhen. Und der Westen? Die freie Welt würde zwangsläufig ebenfalls — und sei es auch nur aus einem berechtigten Selbsterhaltungstrieb — die Konsequenzen ziehen. Wir selbst würden, wie ich fürchte, das Potsdamer Abkommen durch eine solche Politik in seinem ganzen Umfang wieder in Kraft setzen und isoliert als besiegtes und unfreies Volk ein Objekt der Verhandlungen der vier Sieger werden, deren Interessen sich dann auf Kosten Deutschlands wahrscheinlich leichter zusammenführen ließen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Es scheint mir aber auch ein recht müßiges und manchmal sogar gefährliches Wortspiel zu sein, sich gegen die Neutralisierung Deutschlands zu wehren, wenn man sie in der praktischen Konsequenz doch fordert.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf rechts: Ausgezeichnet!)

    Wie soll ein Sicherheitssystem beschaffen sein, das Deutschland, dem gesamten deutschen Volk, die Freiheit garantieren würde, ohne daß Deutschland selbst an der Erhaltung der Freiheit und ihrer Sicherung beteiligt wird?

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Was soll ein Hinweis auf die Vereinten Nationen, wenn wir doch alle wissen, wie sich diese mit so viel ehrlichem Willen und so viel guter Zukunftshoffnung geschaffene Institution entwickelt hat?


    (Dr. von Brentano)

    Wir wissen, zumindest auch jetzt seit .der Berliner Konferenz, wie sich Sowjetrußland ein solches Sicherheitssystem vorstellt. Mit dankenswerter Offenheit hat es ja der russische Außenminister zu erkennen gegeben, warum er Deutschland von der freien Welt trennen möchte. Um es nämlich unerbittlich und konsequent in den Machtbereich des bolschewistischen Herrschaftssystems und seiner Satellitenstaaten einzubeziehen. Wer den Entwurf des Friedensvertrages gelesen hat — der Herr Bundeskanzler hat ihn erwähnt und hat auch die Tatsache erwähnt, daß dieser Friedensvertrag, der bereits der Note vom 10. März 1952 beilag, in recht entscheidenden Punkten zum Nachteil Deutschlands abgeändert war, als er in Berlin wieder auf den Tisch der Konferenz gelegt wurde —, konnte feststellen, wie dieses Deutschland beschaffen sein soll. Eine gesamtdeutsche Regierung soll gebildet werden, in der die Vertreter Pankows neben den Vertretern der Bundesrepublik sitzen. Auf den Inhalt des Friedensvertrages soll ein freies Deutschland keinen Einfluß haben, und freie Wahlen sollen vorbereitet werden, um die Demokratie so zu verwirklichen, wie Sowjetrußland sich eine demokratische Ordnung vorstellt. Von dem Recht, auch nur eine echte Neutralität zu sichern, hat Herr Molotow weder in seinem Fünf-Punkte-Programm noch in seinem Friedensvertragsentwurf noch in seinem Sicherheitspaktvorschlag auch nur ein Wort erwähnt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dieses Deutschland wäre nicht nur isoliert, also von seinen Freunden getrennt, es wäre nicht nur neutralisiert und vollkommen wehrlos, ein Objekt des politischen Geschehens zwischen den großen Mächtegruppen, deren Interesse an Deutschland dann ein anderes wäre als heute, es wäre auch — darüber müssen wir uns ebenfalls klar sein — auf die Dauer kontrolliert. Die Kontrolle würde sich auf die Einhaltung der Neutralitätsvorschrift, der Waffenlosigkeit, auf die Durchführung des Friedensvertrages erstrecken und vielleicht auch darauf, daß Deutschland, wie man in Berlin zu sagen beliebte, von „friedliebenden und demokratischen Kräften" regiert würde. Ich habe die Sorge, wenn diese Kontrolle wirksam würde, hätte keiner von uns in diesem Hohen Hause mehr das Recht, einem deutschen Parlament anzugehören.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Herr Molotow hat es übrigens ausgesprochen, daß seine Vorstellungen von denen der anderen abweichen, als er sagte:
    Wir verschließen nicht die Augen davor, daß in dem, was unter freien Wahlen in Deutschland zu verstehen ist, der Standpunkt der Sowjetunion in mancher Hinsicht mit dem der drei westlichen Staaten nicht zusammenfällt.
    Es ist mir wirklich schwer verständlich, daß sich irgend jemand über die Konsequenzen nicht klar sein sollte, die zwangsläufig ausgelöst würden, wenn die Bundesrepublik Deutschland nun die Richtlinien ihrer Politik ändern und die Politik aufgeben wollte, die uns bis hierher geführt hat.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Weiß Gott!)

    Weiß denn derjenige, der diese Politik kritisiert, nicht, welche Auswirkungen es haben müßte, sowohl auf das politische freundschaftliche Verhältnis zu der freien Welt wie auch auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung unserer Bundesrepublik, wenn wir heute von uns aus diese Freundschaf t, die zu erringen so viel Mühe und so viel Verständnis auf der anderen Seite gekostet hat, aufkündigten?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Hier möchte ich den Economist zitieren, den der Kollege Brandt vor einem Jahr einmal zitiert hat, als er den Bundeskanzler kritisierte. Deswegen wird es mir vielleicht erlaubt sein, ihn auch hier zu zitieren, wenn er ausnahmsweise uns einmal recht gibt.

    (Zuruf von der SPD: Ausnahmsweise!)

    — Ja, ja, ausnahmsweise, weil der Economist durchaus nicht meiner Partei angehört, wenn Sie das nicht wissen sollten.

    (Heiterkeit. — Erneute Zurufe von der SPD.)

    Der Economist schreibt unter der Überschrift „Erfolg eines Mißerfolgs":
    Die Russen machen niemals den Fehler, den Preis zu nennen, den sie zu zahlen bereit sind, bevor der Handel beginnt. Sie werden auch von den westlichen Staaten gar keine Garantien ihrer Sicherheit verlangen oder annehmen, solange amerikanische Streitkräfte und Stützpunkte auf dem Kontinent vorhanden sind. Sie lehnen es ab, ihre vorgeschobenen Stellungen in Ostdeutschland und Österreich aufzugeben. Sie bestehen auf einer Art der Einigung Deutschlands, die auf der Ausschreibung von Wahlen durch eine provisorische Regierung beruhen würde, nachdem ein Friedensvertrag auferlegt wäre und nachdem Wahlen durchgeführt wären zugunsten des Kommunismus in Deutschland.
    Und dann fährt der „Economist" fort — die Nummer ist vorgestern, glaube ich, erschienen —:
    Auf jeden Deutschen, der bisher die Bundespolitik des Kanzlers vertreten hat, die darin bestand, die Integration der westlichen Welt voranzutreiben, gab es einen anderen Deutschen, der der Meinung war, daß man eine andere Reihenfolge wählen, nämlich die Wiedervereinigung vorwegnehmen müsse. Herr Molotow hat den wertvollen Dienst geleistet, daß er nun das Argument der Sozialdemokraten entkräftet hat, daß Dr. Adenauers Bekenntnis zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft das entscheidende Hindernis einer deutschen Wiedervereinigung sei.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Denn die Russen haben nicht etwa die Verteidigungsgemeinschaft abgelehnt, sie haben freie Wahlen abgelehnt.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Wenn Sie, meine Damen und Herren, heute morgen die ersten Berichte von der Unterhausdebatte in London verfolgen, werden Sie auch darin feststellen, daß diese Interpretation mit der Auslegung, die Herr Eden dem Unterhaus vorgetragen und Herr Morrison als Sprecher der Opposition bekräftigt hat, voll und ganz übereinstimmt,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    ebenso auch mit der Darstellung, die der französische Außenminister, Herr Bidault, gestern vor


    (Dr. von Brentano)

    dem Außenpolitischen Ausschuß seiner Kammer gegeben hat.

    (Erneute Zustimmung in der Mitte.)

    Ich habe nicht die Absicht, noch auf das Letzte zu antworten, was Herr Kollege Ollenhauer ausgeführt hat. Ich beabsichtige nicht, nun noch einmal über den Verteidigungsvertrag zu sprechen, der ja von diesem Hohen Hause bereits ratifiziert ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich habe auch nicht die Absicht, die einzelnen Argumente zu widerlegen, wobei ich Herrn Kollegen Ollenhauer allerdings sagen darf: vielleicht sollte er doch ein wenig Verständnis dafür haben, daß es klug von den westlichen Außenministern war — und ich glaube, Sie haben das ja selbst begrüßt —, in einer vernünftigen und geschmeidigen Form in Berlin zu verhandeln und den Sowjetrussen ihre angebliche Furcht vor diesem Vertrag zu nehmen.
    Ich sehe auch gar keinen Widerspruch, Herr Kollege Ollenhauer, in dem, was Herr Bidault in Berlin über den Wert und die Auslegung des Art. 7 Abs. 3 des Deutschland-Vertrages gesagt hat, und schließe mich vollkommen dem an, was der Herr Bundeskanzler dazu ausgeführt hat. Ich glaube, Herr Bidault hat es gestern — ich fand es gerade in der Zeitung — noch einmal sehr richtig erläutert. Damit dürfte vielleicht ein sehr wesentliches Bedenken Ihrer Seite gegen diesen Vertrag wegfallen.

    (Abg. Kunze [Bethel] : Er darf nicht!)

    Auf die Frage eines Ausschußmitgliedes, ob ein wiedervereinigtes Deutschland die Möglichkeit haben werde, aus der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft auszuscheiden, erwiderte der Minister:
    Juristisch ist das sehr wohl möglich. Es besteht aber kein Zweifel daran, daß politisch einem wiedervereinigten Deutschland sehr wichtige Bindungen auferlegt wären.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Darlegung ist vollkommen richtig. Wir können — und das bringt Art. 7 Abs. 3 zum Ausdruck — zunächst nur die Bundesrepublik binden. Aber wir werden ja den politischen Willen dieser Bundesrepublik in ein wiedervereinigtes Deutschland einbringen,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und ich bin vermessen genug, zu glauben, Herr Kollege Ollenhauer, daß an dem Tag, an dem wir dann die gesamtdeutschen Wahlen durchführen würden, die Mehrheit in diesem Hause noch viel weiter hinüberginge.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. – Zurufe von der SPD.)

    Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Auch ich
    bitte die Bundesregierung — ohne daß ich es als
    Aufgabe dieser Diskussion ansehe, Einzelheiten
    auszuführen —, alles zu tun, was in ihrer Macht
    steht, um mitzuhelfen, daß diese tiefe Enttäuschung drüben in der sowjetisch besetzten Zone
    Deutschlands und in der Stadt Berlin doch einen
    Ausgleich findet in der nicht nur mit Worten betonten, sondern mit Taten bewiesenen Hilfsbereitschaft des ganzen deutschen Volkes. Wir werden
    uns anstrengen müssen, auch das Unmögliche
    möglich zu machen, um den Menschen drüben nicht
    nur ein Lippenbekenntnis der inneren Verbundenheit und Treue abzugeben, sondern ihnen auch zu
    zeigen, daß das Volk in der Bundesrepublik, wenn nötig, selbst bereit ist, schwere Opfer zu bringen, um den Menschen drüben ihr Leben auch nur um ein Weniges zu erleichtern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesregierung wird uns immer bereit finden, ihr auf diesem Wege zu folgen, und die Bundesregierung wird sicherlich damit einverstanden sein, daß wir, ebenso wie es Herr Kollege Ollenhauer angekündigt hat, unsere eigenen Vorschläge und Pläne zur Diskussion stellen.
    Abgesehen von dem, was wir zu tun haben, um diese Enttäuschung aus der Welt zu schaffen, und abgesehen von dem, was wir zu tun haben, um — darin stimme ich mit Herrn Kollegen Ollenhauer vollkommen überein — die Welt und insbesondere die drei westlichen Alliierten, die sich in Berlin zum Sprecher des deutschen Anliegens gemacht haben, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die deutsche Frage von der Tagesordnung nicht verschwinden darf, weil Deutschland und Europa nicht in Frieden leben, solange diese Trennung durch Deutschland geht, bin ich der Überzeugung, daß wir keine andere Aufgabe haben, als konsequent und unbeirrt die Politik fortzusetzen, die uns bis hierhin gebracht und die dazu geführt hat, daß unser Anliegen nach Jahren erstmals wieder überhaupt im internationalen Gespräch erschien.
    Ich glaube, auch die Opposition sollte nicht überrascht sein, wenn wir diese Konsequenz ziehen. Ich halte es nicht für gut, wenn uns der Vorwurf gemacht wird, die Behandlung der Verfassungsergänzung, die für morgen angesetzt ist, könne doch irgendwie provozieren. Ich glaube, daß diese Kritik der Opposition nicht zusteht. Man sollte doch zum mindesten die Kritik einmal aussetzen, bis andere, die mehr Recht haben, sich provoziert fühlen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es ist auch nicht nötig, uns heute schon vorzuhalten: „Wartet nur ab, was Frankreich übermorgen sagen wird!"

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren (zur SPD), Sie haben viel Verständnis für die Verständnisbereitschaft Molotows während der Berliner Konferenz bewiesen. Ich bin überrascht, daß Sie Ihr Verständnis nun offenbar auch auf die europafeindlichen Tendenzen in Frankreich ausdehnen wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Selbstverständlich weiß ich, daß wir mit einer Kritik dort drüben zu rechnen haben, denn auch in Frankreich gibt es solche, die noch nichts hinzugelernt haben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber diese Kritik fürchte ich nicht, weil ich der Überzeugung bin, daß auch in Frankreich die Mehrheit des Parlaments und des Volkes diesen Weg versteht und für richtig hält und ihn mit uns zu gehen bereit ist.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen glaube ich, wenn es noch einer Rechtfertigung für die Entschlossenheit, diesen Weg weiterzugehen, bedürfte, hätten wir diese Rechtfertigung doch am 6. September vorigen Jahres für uns errungen. Das ist nicht nur eine Rechtferti-


    (Dr. von Brentano)

    gung, diesen Weg weiterzugehen, sondern — wenn
    man die Demokratie so versteht, wie ich sie verstehe — ein echter Auftrag des deutschen Volkes,

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien)

    das zu tun, was damals gebilligt und von uns weiterzuführen verlangt worden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Entwicklung zu einem engen europäischen Zusammenschluß, den wir anstreben, rasch vorangetrieben würde. Denn wenn auf einer Konferenz, auf der das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands erörtert wird, nicht nur die Vereinigten Staaten von Nordamerika, das Vereinigte Königreich und Frankreich vertreten wären, sondern auch ein Sprecher Europas säße. hätten wir eine zusätzliche Unterstützung, die vielleicht nicht nur dazu beitragen könnte, das Gewicht unseres Anliegens zu erhöhen, sondern vielleicht entscheidend dazu beitragen könnte, das angebliche Sicherheitsbedürfnis Rußlands zu befriedigen.
    Deswegen ist es mein Wunsch, daß die Integrationspolitik unbeirrt, konsequent und ohne Zeitverlust durchgeführt wird, im Vertrauen darauf, daß die anderen, die uns dabei zum Teil schon vorangegangen sind, wie Holland und Belgien, mit uns diesen Weg gehen, und in der Hoffnung, daß dann die deutsche Frage nicht nur von den ehemaligen Siegern aufgenommen wird, sondern ein Bestandteil der Aufgaben sein wird, die einem vereinigten Europa gestellt sind, daß wir diese Aufgabe in einem großen Europa gemeinsam lösen, um die sowjetisch besetzte Zone als einen Teil des wiedervereinigten Deutschlands und des wiedervereinigten Europas in Freiheit und Frieden bei uns zu sehen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)