Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich erst einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Familienministers und des Herrn Justizministers mache. Ich war erstaunt, daß ausgerechnet jemand von der Auffassung des Herrn Familienministers in Sachen der Gleichberechtigung so materialistisch denkt. Wenn er das nicht täte, wie hätte er dann die Möglichkeit gehabt, das, was wir für die echte Rechtsgleichheit zwischen Mann und Frau fordern, so zu beurteilen, als hätte er irgend etwas mit den Vorschriften in der Ostzone, mit Herrn Grotewohl und Genossen zu tun.
Verehrter Herr Minister, es hat damit absolut nichts zu tun, sondern ganz im Gegenteil! Wenn Sie eine Kenntnis von den jahrzehntelangen Eingaben sämtlicher Frauenorganisationen hätten — von denen allerdings heute einige etwas zurückhaltender sein müssen, als sie es früher gewesen sind hätten Sie so etwas niemals behaupten können. Wenn Sie eine Kenntnis davon gehabt hätten, was die „Open-Door"-Bewegung gewesen ist, mit dem scharfen Kampfe der gesamten Frauenbewegung aller Richtungen gegen alle Bestrebungen der die „Open-Door"-Bewegung gewesen ist, mit dem geschilderten befürchteten Weise völlig gleichzusetzen, dann hätten Sie das nicht gesagt. Denn dieser unser Kampf ging und geht heute noch dahin, daß man nicht etwa unter einer solchen formalen Gleichsetzung z. B. den Arbeiterinnen- und Mütterschutz abbaut; sondern ganz im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß man ihn höchstens noch verstärken muß.
Wir haben diese Auffassung von den funktionellen
Unterschieden von Mann und Frau gerade als
Grundlage für unsere Forderungen genommen um
der Frauen und der Familie willen, also gegen die
Gefährdung der Familie. Wenn man uns die sogenannten „Suffragetten" immer als eine Art Megären vorhält, die sie gar nicht waren, dann möchte
ich erwidern: wenn sie nicht existiert hätten, hätten
Sie im Wahlkampf die Unterstützung der Frauen,
durch die Sie mit gewählt wurden, nicht gehabt.
Und was die Suffragetten anbetrifft, so entspricht die Forderung, die sie gestellt haben in bezug auf die Rechtsgleichheit von Mann und Frau im Interesse der Gesamtheit der Familie, der Gesellschaft und des Staates, ganz unserer Auffassung. Sie findet sich wieder in § 1353 Abs. 1 unseres Entwurfs: „Sie schulden einander Treue und Beistand." Ich möchte hier nicht ausführen, weshalb wir Frauen so ganz besonderen Wert auf die „Treue" legen.
— Leider nicht alle. — Diesen inneren Bestand von Ehe und Familie, meine Herren, schaffen keine Paragraphen und den können auch keine Paragraphen aufrechterhalten.
Wir hören immer wieder die alten Begründungen zu den §§ 1354 und 1628. Diese Paragraphen hängen mit dieser Frage überhaupt gar nicht zusammen! In einer normalen Ehe, das wissen wir ja alle, sind alle solche Gesetze vollkommen überflüssig. Aber, meine Herren, Sie wollen diese Bestimmungen ja für die Ehe überhaupt haben und nicht nur für die unnormale Ehe; und dagegen wehren wir uns eben. Wir wünschen keine Generalvollmacht für den Mann — ich wünsche sie jedenfalls nicht —, wie sie in den §§ 1354 und 1628 enthalten ist.
Und nun, verehrter Herr Minister der Justiz, bei aller Hochachtung und Verehrung für Sie, ein bißchen haben mich Ihre Ausführungen an das Wort erinnert: „Du sprichst vergebens viel, um zu versagen!"
Sie sagten, Sie hätten im Urteil des Bundesverfassungsgerichts kein Wort über Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes gefunden. Das ist gar kein Wunder, Herr Minister. Dieser Absatz des Art. 3 war überhaupt nicht Gegenstand der erbetenen Entscheidung, sondern die Entscheidung drehte sich um etwas ganz anderes. Das Bundesverfassungsgericht wollte sich nicht der Gefahr aussetzen, wie es einem in der Schule passiert, wenn man „das Thema verfehlt" hat und dann eine Vier unter den Aufsatz bekommt.
Nun zu dem, was meinen ebenso verehrten Parteifreund, den früheren Herrn Minister Dehler, betrifft. Herr Minister, wir sind uns vollkommen einig. Auch für mich ist es das erste Bestreben, aus diesem Gesetz „ein Gesetz der Liebe" und nicht ein Gesetz der Paragraphen zu machen.
— Aber meine Verehrteste, warum habe ich mich nicht liebevoll betragen? Wenn Sie die Liebe immer nur danach abmessen, was man sagt, dann darf ich Sie bitten, manchmal Ihre eigenen Worte nachzulesen.
In einem Berliner Museum findet sich eine 2500 Jahre alte Holztafel. Diese Holztafel ist ein Dokument für eine Strafarbeit von Schülern wegen Abschreibens. Auf diesem Dokument steht fünfmal eingeritzt — man muß ja als Schüler die Strafarbeit wiederholen —: „Sei fleißig, sonst bekommst du Schläge." Ich bin sehr glücklich, daß dieser Grundsatz heute in keinem der Ministerien und im Bundesrat mehr gilt, sonst wären nämlich der Text und wären auch die Begründungen, wie wir sie jetzt wieder gehört haben, nicht ständig und immer wieder in gleicher Form abgeschrieben worden.
Vielleicht aber ist diese Methode auf Grund des bekannten Ratschlags angewandt worden, daß ständige Wiederholung überzeugt. Leider gibt es eine ganze Anzahl von Menschen — ich gehöre zu ihnen —, die durch Wiederholung keineswegs ohne weiteres überzeugt werden,
sondern wir sind im Gegenteil äußerst erstaunt über den fortgesetzten Versuch, mit kasuistischen Seitensprüngen und mit evidenter Unlogik um die zwingenden Vorschriften der Verfassung herumzugehen. Diese Unlogik stammt ausnahmsweise diesmal nicht von Frauen,
sondern diese Sprünge macht der ministerielle Pegasus. Diese Sprünge erinnern mich etwas an den Rat eines Gardeoffiziers, den ich im „Simplicissimus" las. Die Älteren unter uns kennen diese Zeitschrift. Dort wird berichtet, wie ein Gardeleutnant ein Rennpferd kaufte, es einem Kameraden erzählte und ihn fragte: „Kameraden, wie soll ich denn das Rennpferd nennen?" Darauf sagte der Kamerad: „Kamerad, nenne es doch einfach ,Frauenlogik`;
dann nimmt es spielend alle Hindernisse!" Warten wir ab, wann dieser ministerielle Pegasus, der wie spielend die Hindernisse nehmen will, zum erstenmal ausbricht.
Haben Sie keine Sorge; ich beabsichtige nicht, einen Kampf der Amazonen vorzubereiten. Wir wären ja schon zahlenmäßig und wir wären natürlich auch brachial unterlegen. Aber vielleicht gibt es doch so etwas wie einen geistigen Kampf. Die Frauen — und mit uns viele Männer — haben diesen geistigen Kampf jahrzehntelang um Recht und Freiheit auch für die Frau und für die Anerkennung der Frau als gleichwertig neben und mit dem Manne, für die Familie, für die menschliche Gesellschaft geführt. Das veranlaßte die Frauen schon vor und immer wieder nach der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Rechtsgleichheit für ihre Stellung in Ehe und Familie, in Gesellschaft und Staat zu fordern. Unsere Eingaben — ich weiß nicht, ob es heute noch zutrifft, ich glaube es aber nicht — wanderten in den ungeheuer großen ministeriellen und parlamentarischen Papierkorb. Die Antwort — wenn wir überhaupt eine bekamen—betonte dann immer voll rührender Besorgnis, wir Frauen wüßten selber nicht, was uns fromme! Deshalb sagte man kurzerhand nein.
Ähnliches hört und liest man auch heute noch. Unsere angebliche Hilfsbedürftigkeit steht doch in einem auffallenden Gegensatz zu den überaus bewegten Appellen an unsere weibliche Einsicht, an unseren weiblichen Instinkt, ,an den unvergleichlichen Wert unserer Urteilskraft und an unsere Zuverlässigkeit im persönlichen und sogar im öffentlichen Leben. Der volle Chor dieser Lobpreisungen ertönt regelmäßig vor jeder Wahl. Meine Damen und Herren, auch Mandatsschmerzen sind echte Schmerzen.
Schon Friedrich Naumann sagte: „Wenn Männer krank sind, dann rufen sie nach den Frauen", hier also — bei den Mandaten — als politischen Krankenschwestern.
Vielleicht kann man auch sagen: als weisen Frauen in der politischen Wochenstube.
Jedenfalls hat diese Krankenschwestertätigkeit ausgezeichnet funktioniert, wie man an der Verteilung der Mandate zwischen Männern und Frauen sieht, in stark modifizierter Rechtsgleichheit. Die Wahlstatistik beweist es, und das Lob, das uns der Herr Kanzler gezollt hat, beweist es ebenfalls.
Ehe und Familie sind für uns aber viel wichtigere Probleme als Wahlresultate. Wir sind uns der Tatsache voll bewußt, Ehe und Familie sind als Ordnung der Beziehungen zwischen Mann und Frau untrennbar mit der Existenz des Menschen überhaupt verknüpft. Sie waren es, sie sind es, und sie werden es trotz aller Wandlungen bleiben. Diese Bindung zwischen den Geschlechtern und zwischen Eltern und Kindern ist nach unserer festen Überzeugung der wirklich feste Boden jeder menschlichen Gemeinschaft. Die Ehe hat sich wie nichts anderes — das wurde schon betont — auch in Zeiten größter Not und äußersten Schreckens, Gott sei Dank, als unerhört widerstandsfähig erwiesen. Ja, sie hat sich als tragendes Element und nicht zuletzt in der Hut der Frauen und Mütter auch dann noch bewährt, wenn das Schicksal diese Frauen jahrelang des Mannes beraubt hat.
Diese Kraft wirkt sich auch in der unvollständigen Familie aus. Dem trug schon das Bürgerliche Gesetzbuch dadurch Rechnung, daß unter bestimmten Voraussetzungen die elterliche Gewalt auf die Mutter übergeht. Um so 'beleidigender war für uns immer — jetzt soll es abgeschafft werden — der Verlust der elterlichen Gewalt für die Mutter bei Wiederverheiratung. Oder, fragten wir uns immer wieder erstaunt, verdummt man denn durch Heirat derart, daß man nun nicht mehr imstande ist, seine Kinder selber zu erziehen?
Ebenso ungereimt war und ist die Möglichkeit, die uneheliche Mutter besser als die eheliche Mutter zu stellen -- Herr Minister Wuermeling, ein für Sie ungeheuer wichtiges Problem —, und zwar um so ungereimter wegen der üblichen Hymnen gerade auf die Familienmutter einerseits und andererseits gegenüber der sozialen und persönlichen Diskriminierung der unehelichen Mutter; ein Problem, das des ernsten Nachdenkens bedarf.
Die überragende Bedeutung der Familie rechtfertigt unseres Erachtens den ordnenden, schlichtenden, notfalls strafenden Eingriff der größeren Gemeinschaft in Ehe und Familie. Das rechtfertigt die Verpflichtung nach Art. 6 des Grundgesetzes gegenüber Ehe und Familie. Er wurde zuerst in der Weimarer Verfassung und jetzt wieder im Grundgesetz zum Schutze der Institution von Ehe und Familie konstituiert. Welcher Ehe und Familie gilt diese Garantie des Art. 6 und weshalb? Sie ist für Deutschland der monogamen, grundsätzlich lebenslänglichen Bindung zwischen Mann und Frau und Kindern gegeben, einer mit Erziehungsrechten, mit Erziehungs- und Unterhaltspflichten verknüpften Gemeinschaft der Eltern und ihrer Kinder. Ich betone: der Eltern, nicht nur des Mannes. Diese Bestimmung des Grundgesetzes ist keine Deklamation. Sie ist ein echtes Bekenntnis auf dem Boden unserer abendländischen Kultur, idem die Ehe als Lebensbund gilt und die Familie als Pflanzstätte persönlicher Gesittung in gegenseitiger Bereitschaft auch zu weitgehenden Opfern. Dieses Bekenntnis bestimmt maßgeblich Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung als Grundlage einer dauerhaften gemeinsamen Ordnung der abendländischen Welt.
Weshalb denn dieser Schutz eines feststehenden Komplexes bindender Normen? Nicht um des einzelnen willen, sondern zum Besten der Allgemeinheit, also um allgemein sittlicher und sozialer Ziele willen. Was meint der Gesetzgeber mit der Familie? Er meint grundsätzlich den in Hausgemeinschaft geeinten, engeren Personenkreis, d. h. zusammengefaßt die Personen in Ehe und Familie, Eltern mit ihren Kindern. Dieser Begriff bleibt auch für die unvollständige Familie, wie wir wissen, bestehen. Der Wesensgehalt dieser Lebensordnung liegt in Rechten und Pflichten der Eltern zur Erziehung der Kinder sowie in Rechten und Pflichten aller zu gegenseitiger Hilfeleistung füreinander.
Diese menschliche Gemeinschaft des Art. 6 ist unlöslich mit Art. 1 Abs. 2 verbunden, aus dem der Art. 3 die Folgerung zieht. Man kann sie nicht auseinanderreißen. Man argumentiert so gern gegen den Grundsatz des Art. 3 Abs. 2 mit dem „natürlichen", mit dem angeblich „göttlichen" Recht, mit dem Mann als dem „Haupt" und mit der Frau als dem „Herz" der Familie. Das klingt wunderschön.
Aber was vermag eigentlich ein Haupt ohne Herz,
und was vermag ein Herz ohne Haupt? Gar nichts!
— Wir sind ja immer einer Meinung, wir waren schon im Reichstag in bezug auf die Rechtsgleichheit völlig einer Meinung und wir waren es auch ohne meine Anwesenheit im Parlamentarischen Rat. — Also gar nichts! Sie sind beide gleich notwendig und gleichwertig, Kollegin Weber, auch in dem einheitlichen Körper der Familie.
Die evangelische Kirche im Rheinland z. B. weist in dem Vorspruch ihres Vorschlages zur Reform des Familienrechts im Sinne der Rechtsgleichheit auf das Wesentliche hin. In diesem Vorschlag heißt es:
Die von uns vorgeschlagene Neuregelung geht aus von dem christlichen Grundgebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" Und wir halten dieses Gebot mit einem minderen Recht für den Nächsten für unvereinbar.
Nun, wer von uns wollte diesem höchsten Gebot etwas abzudingen versuchen! Dieser Gedanke ist bereits so tief in das europäische Bewußtsein eingedrungen, wie es z. B. Art. 16 Abs. 1 der Deklaration der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringt. Der Text ist vorhin schon verlesen worden; ich kann darauf verzichten. Auch Deutschland hat diese Deklaration unterzeichnet. Wer von uns möchte allen Menschen gegenüber von unserem gegebenen Wort etwas abdingen! Wer möchte sich einem „Nein" gegenüber dem Art. 16 der Deklaration anschließen, wie es seinerzeit in diesem Hause die Kommunisten ausgesprochen haben!
Diese Rechtsgleichheit ist ein elementarer Grundsatz. Wer ihn in einem Artikel negiert, der zerstört auch den anderen Artikel. Es steht uns meines Erachtens nicht frei, auch nicht mit Zweidrittelmehrheit, diesen Grundsatz außer Kraft zu setzen. Er verkörpert zu jeder Zeit jedem gegenüber das gleichsam ewige Prinzip der Gleichheit des Menschen vor Gott und dem Gesetz. Viele sehen von diesem Prinzip die christliche Ehe und Familie bedroht, die ohne die sogenannte — vorhin wurde so gesagt — „vorgegebene" oberherrliche Autorität nicht funktionieren könne.
Ein Kronzeuge gegen diese Auffassung ist der anderen Ortes doch sehr männerrechtlich orientiert gewesene Apostel Paulus, der ja ausgesprochen gegen unsere Teilnahme am öffentlichen Leben gewesen ist. Aber derselbe Apostel Paulus spricht überaus beachtliche Worte im Galater-Brief Kapitel 3 Vers 28. Da heißt es:
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Knecht noch Freier, hier ist nicht Mann noch Weib; denn ihr seid alle einer in Christo Jesu, unserem Herrn.
Wer möchte sich von dieser Gemeinschaft in Christo Jesu ausschließen! Also sind wir, um auf unseren irdischen Bereich zurückzukommen, logischerweise weder Vater- noch Mutterrechtler, wir sind ganz schlicht Elternrechtler. Wer das nicht sein will, der leugnet meines Erachtens die Einheit der Familie, er leugnet die Ehe als Lebensbündnis zu einer höheren Einheit, als jeder für sich allein sie zu erreichen imstande ist.
Wer das nicht zugeben und danach nicht handeln will, der muß meines Erachtens den Mut haben, im Gesetz nicht von elterlicher Gewalt, sondern von väterlicher Gewalt zu sprechen. Dann ist wenigstens der Text wahr, und man kann sich nicht wie bisher hinter Begriffe verstecken, die keinen Inhalt haben.
Dann soll man von väterlicher Gewalt sprechen, kraft deren der eine den anderen beherrscht.
Und nun wieder das Merkwürdige, daß — das sind so gewisse schöne Sprüche — uns Frauen als unsere natürliche, gottgewollte, höchste Aufgabe zugeteilt sei die Verantwortung für die Kinder, die voll zu behalten und auszuüben aber nur die Witwe berechtigt ist, die verheiratete Frau nicht. Es gibt allerdings Männer genug, die auf diesem Gebiet den Standpunkt der „Elternrechtler" mit uns teilen.
Nun, andere Männer machen eine Konzession und streichen den § 1354. Andere wollen ihn behalten und auch § 1628. Das ist sehr beachtlich im Hinblick auf Äußerungen im Parlamentarischen
Rat. Lassen Sie, bitte, doch die damaligen Redner jetzt einmal wieder zu Worte kommen. Die Redner waren Ehemänner, ganz richtige Ehemänner,
mit Kindern! Es waren keine Junggesellen, die einer jungen Dame zuliebe reden wollten. Es waren ausgesprochene Prominenzen in einem Parlament, das zu 90 % aus Männern bestand.
— Mehr sogar? Noch besser!
In der 42. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 18. Januar 1949 sprach mit Nachdruck von den „unveräußerlichen und unverletzlichen Freiheits- und Menschenrechten des Art. 1 Abs. 2" ein heutiger Staatssekretär. Der frühere Abgeordnete Herr Dr. Süsterhenn betonte in der gleichen Sitzung, daß „diese Rechte der Menschen von Gott und nicht vom Staate verliehen" seien. Will man etwa heute, falls das richtig ist, diese göttliche Gabe mit Menschenhand antasten? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe das nur zitiert, da es besonderen Wert für den Zusammenhang zwischen Art. 1 und Art. 3 im Hinblick auf Gesetzentwurf hat.
In jener Sitzung — Sie erlauben, Herr Präsident
— führte besagter Herr Staatssekretär folgendes aus:
Wir sind uns über den Grundsatz von vornherein einig gewesen.
— Nämlich der Rechtsgleichheit. —
Das ist auch eine Selbstverständlichkeit.
— Habe ich nie bemerkt! —
Gerade die vergangenen Jahre haben wohl jedem Mann einschließlich der Junggesellen vor Augen geführt, daß die Aufgaben der Frau fast sogar noch schwerer, auch physisch schwerer sind als die des Mannes. Die meisten deutschen Frauen sind nun schon seit Jahren berufstätig,
— das merkt man —
ebenso die Männer, aber sie haben zusätzlich
zu den Aufgaben der Männer noch die Aufgaben des Haushalts und der Kindererziehung.
— Ein verheirateter Mann mußte das ja wissen. — Viele deutsche Männer haben erst in diesen Jahren erfahren, was Haushaltarbeit bedeutet, besonders wenn sie gezwungen waren, an dieser Haushaltarbeit mitzuwirken. Infolgedessen dürfte es gar keinen Zweifel — abgesehen von einigen Hinterwäldlern. — auch unter den Junggesellen darüber geben, daß wir die Gleichberechtigung der Frau in jeder Beziehung, nicht nur bei den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten, anerkennen und verlangen und daß, soweit noch juristisch Widersprüche bestehen, diese Widersprüche beseitigt werden müssen. Wir müssen also eine Formulierung finden, — —
Ich will das nicht näher anführen. Zu Anfang dieser Erklärungen sagte derselbe Herr:
Gestatten Sie es deshalb zunächst einem Mann, sich hierzu zu äußern. Ich glaube, daß ich für die überwiegende Anzahl aller deutschen Männer und insbesondere aller deutschen Ehemänner spreche, wenn ich sage, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau uns zum mindesten seit 1918 bereits so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß uns die Debatte
— ob es eine solche Rechtsgleichheit geben muß — etwas überrascht hat.
Mich haben diese Debatten nie überrascht. Denn offfensichtlich hat der Herr Staatssekretär ja nicht wie die Kollegin Dr. Weber und ich nach 1918 an den harten Auseinandersetzungen vor allen Dingen mit dem damaligen Herrn Reichspostminister Dr. Giesberts zum Beamtenrecht und zur Stellung der verheirateten Postbeamtinnen teilgenommen. Na, da konnten wir etwas davon erleben, wie uns „dieser Grundsatz in Fleisch und Blut übergegangen war"!
Ich stimme also diesen Ausführungen des damaligen prominenten Mitgliedes des Parlamentarischen Rates in jedem Worte zu, und ich stimme auch der Frau D r. Weber bei, die diese Worte damals noch unterstrich und folgendes sagte:
Nach den erfrischenden Ausführungen des
Herrn Dr. Sowieso, der sich zum Wortführer
der Ehemänner und Junggesellen gemacht hat,
kann ich vielleicht als Frau der CDU — aber
ich spreche vielleicht auch für die anderen
Frauen —— jawohl —
noch folgendes ausführen:
Es ist so viel Sturm entstanden, daß wir gedacht haben — es liegt uns ja gar nichts an einer bestimmten Formulierung —: wenn diese Formulierung unklar und unzureichend ererscheint, dann wählen wir eine andere Formulierung.
— Das tun wir nämlich jetzt auch. —
Ebenso wie die Herren Juristen und Frauen Juristinnen und auch die anderen haben wir uns in der CDU/CSU geeinigt und haben einen Antrag eingebracht usw.
Verehrteste Frau Weber, Sie haben mir so oft damals bei den Debatten mit Herrn Giesberts aus dem Herzen gesprochen. Sie haben später im Parlamentarischen Rat dasselbe getan. Aber nun möchte ich doch gern einmal wissen: Sind denn die damaligen Ausführungen überhaupt vereinbar mit dem, was hier heute zu den §§ 1354 und 1628 offiziell erklärt worden ist? Für mich nicht! Aber die Ausführungen im Parlamentarischen Rat sind für mich ungeheuer wichtig, denn ich meine, daß sie es nicht mehr zulassen, an den damals gesprochenen Worten
— sie sind ja auch gedruckt worden — auch nur das Geringste zu deuteln.
Die damalige Verwahrung des prominenten Redners, etwa „Hinterwäldler" zu sein, ist sehr berechtigt. Ja, wenn — entschuldigen Sie, Frau Weber — wenn der alte Adam nicht bei wichtigen Teilnehmern jener Zeit wieder recht merklich aufgelebt wäre und wenn dieser alte Adam nicht versuchte, die verfassungsrechtlichen Hindernisse auf dem Rennpferd jenes vorhin zitierten Gardeleutnants zu nehmen!
Jenen Reden folgte dann die dankbare Feststellung der damaligen Abgeordneten Frau Dr. Selbert.
Wenn sich im Parlamentarischen Rat die CDU und alle anderen Leute so einig waren, so ist das doch geradezu eine vorbildliche Übereinstimmung in einer Koalitionsehe! Vielleicht könnten wir das auch jetzt wieder exemplifizieren.
Nach dem, was damals von den schweren Auf- gaben der Frau in Ehe und Familie — und ich setze hinzu: in der Gesellschaft überhaupt — gesagt worden ist, sind wir der Meinung, daß die Zeit endgültig vorüber ist, in der die Frau nach dem Rezept bei Wilhelm Busch leben sollte:
Bei eines Strumpfes Bereitung sitzt sie im Morgenhabit,
er liest in der „Kölnischen Zeitung" und teilt ihr das Nötige mit!
— auch vielleicht über die Kindererziehung eben im Anschluß an einen Artikel in der „Kölnischen Zeitung" oder sonstwo!
Das heißt im vorliegenden Falle: Wir sind gegen die gesetzliche Unterwerfung aus § 1354 und § 1628. Wir sind unbestrittene Anhänger jeder privaten Unterwerfung des einen oder des anderen Eheteils so oder so, ob mit oder ohne Pantoffel, ob mit Überredung oder sonstwelchen Mitteln; das ist uns ganz egal. Privatim kann sich jeder und soll sich jeder soweit unterwerfen, wie sein Gewissen es zuläßt und wie er glaubt, der höheren Gemeinschaft der Familie und vor allem den Kindern. damit dienen zu können.
Wir fragen aber besonders zu § 1628: Wer entscheidet nun eigentlich darüber, ob der Mann den Versuch gemacht hat, sich zu verständigen? Das pflegt sich in den vier Wänden abzuspielen, und kein Mensch kann, wenn die Frau sagt: „Er hat ihn nicht gemacht!" und er sagt: „Ich habe ihn doch gemacht!", nachweisen, wer Recht hat. Wer erfährt denn überhaupt, ob er den Versuch gemacht hat? Niemand, wenn man nicht — und das ist eine höchst fatale und von uns keineswegs gewünschte Konsequenz —, wenn man nicht zum Kadi geht. Gesetze sollen so sein, daß man möglichst nicht zum Kadi zu gehen braucht.
Und dann fragen wir: Was heißt denn eigentlich in dem Artikel das Wort „beharrlich"? Ist das nur objektive Beharrlichkeit, oder ist es auch subjektive Beharrlichkeit? Ist es eine Beharrlichkeit, die sich in derselben Sache mehrmals betätigen muß, oder ist es eine Beharrlichkeit, die sich bei verschiedenen Gelegenheiten nacheinander zeigen muß? Und ist nicht gerade § 1354 geeignet, einer bockigen Frau künstlich einen Ehescheidungsgrund zu geben? Ich möchte einmal fragen: Kann eigentlich § 1628 unter Menschen, die wir doch alle sind mit unseren erheblichen Fehlern, irgendwie versöhnend, irgendwie vermittelnd wirken, wenn der eine von vornherein weiß, daß er auf alle Fälle, unter allen Umständen letztlich recht hat?
Meine Damen und Herren, Sie mögen mich für streitsüchtig — wie die Kollegin Weber meint —, Sie mögen mich für versöhnlich halten — wie alle Menschen meinen, die mich näher kennen —
— Jawohl, lachen Sie nicht! Fragen Sie ein paar Kollegen! Nehmen wir doch einen alltäglichen Fall: Wenn in einem Zivilprozeß jemand von vornherein das Gefühl hat: „Die Sache pauke ich durch! Die kann ich gewinnen!" und der Anwalt ihm das auch noch einredet — in der Ehe vielleicht die Großmutter —, wird er dann bereit sein, nachzugeben,
oder nicht? Er denkt ja gar nicht daran; er müßte ja nicht gescheut sein, wenn er das täte.
Noch etwas anderes. Wir werden darauf verwiesen, daß bei Mißbrauch die Frau klagen kann. Meine Damen und Herren, dieser fatale Hinweis setzt schon ein so tiefes Zerwürfnis
zwischen den Eheleuten voraus, daß da in den meisten Fällen, das wird mir jeder Scheidungsanwalt
bestätigen, überhaupt nichts mehr zu machen ist.
Wir lehnen es um des ehelichen Friedens, wir lehnen es um des Familienfriedens, wir lehnen es aber auch um der Autorität der Mutter vor ihren Kindern willen ab, daß auch fernerhin der Frau die moralische Last zugeschoben wird, den Klageweg beschreiten zu müssen.
Das heißt, wir lehnen es ab, von Gesetzes wegen als Störenfried der Ehe gestempelt zu werden und den eigentlich Schuldigen an der Zerrüttung — nach einem Brief, den ich kürzlich vorn Herrn Familienminister bekommen habe, sind offenbar die Männer meistens schuld, ich kann darüber nicht urteilen —
als unschuldiges Lämmlein aus der Affäre hervorgehen zu lassen.
Dieser Ausweg des § 1628 Abs. 1 soll eine „Lösung" sein. Für mich ist das gar keine Lösung. Eben weil es keine Lösung ist, was § 1628 bringt, hat man ja doch in Absatz 2 und 3 wieder als ultima ratio zu dem Vormundschaftsgericht gegriffen, während man sonst fortgesetzt betont, es solle „kein Dritter sich in Familienangelegenheiten einmischen." „Erkläret mir, Graf Oerindur . . ."
Warum hat man es getan? Weil es eben gar keine andere gesetzliche Institution gibt. Gut, es ist möglich — ich habe selber vor vielen Monaten den Vorschlag gemacht —, daß man um der Verständigung, der Versöhnung und der Auflockerung der Versteifung der beiden gegeneinanderstehenden Menschen willen möglichst viele Eheberatungs-, Ehehilfsstellen einrichtet und Fachverständige dazwischenschaltet, die zu Wort kommen können — ganz egal, wer es ist —, um zu verhindern, daß es zu einer endgültigen Trennung kommt.
Ich will in diesem Zusammenhang heute auf die Tragikomödie mit Art. 117 lieber nicht zurückkommen. Ich warte nur auf die Zurückziehung des Antrages, der seinerzeit zu Art. 117 gestellt worden ist. Natürlich nur um der Klarheit willen; was die Sache selber anbetrifft, so genügen mir das Urteil des Verfassungsgerichts und die Ausführungen des mit Recht berühmten Professors Bosch in Bonn.
Noch ein kurzes Wort zum Rechtschaos. Die zahlreichen inzwischen ergangenen Urteile sind hier bekannt. Besonders wichtig scheint mir die Entscheidung über die Gleichsetzung außerhäuslicher Erwerbsarbeit des Mannes mit der hauswirtschaftlichen Arbeit der Frau zu sein. Ich komme darauf noch zurück. Ebenso wichtig erscheinen mir Entscheidungen zur gemeinsamen elterlichen Gewalt, ferner zur Beibehaltung der elterlichen Gewalt in der zweiten Ehe. Aber gerade in letzterem Punkt zeigt sich ja die völlige Unlogik des § 1628 und seiner Begründung, weil nämlich nun zwei Autoritäten in einer Familie über die Kinder aus den beiden Ehen geschaffen werden! Oder soll man durch Rückfall in die nur väterliche Gewalt den Müttern, die wieder heiraten, gleichsam als Heiratsstrafe das volle Recht über ihre Kinder aus der ersten Ehe wieder entziehen? Das würde gewiß nicht im Sinne des Familienministers sein, den es würde neue Onkelehen schaffen.
Es würde nicht den Familienfrieden fördern, wenn diese beiden autoritären Instanzen in bezug auf die gleiche Situation der Kinder aus der ersten Ehe und der Kinder aus der zweiten Ehe verschiedener Meinung wären. Außerdem fürchte ich, daß das alleinige Entscheidungsrecht des Mannes die Frau der echten Verantwortung überhebt, daß es sie gegebenenfalls sogar straffrei machen könnte. Ein Beispiel! Ein Mann — es gibt solche; es gibt auch solche Frauen — prügelt das Kind in einer unerhörten Weise, trotz des Widerspruchs der Mutter. Das Kind nimmt körperlichen oder geistigen Schaden. Hat nun die Frau ihre Sorgepflicht verletzt oder nicht, weil sie es nicht hat verhindern können, daß das Kind in dieser Weise geprügelt wurde? Und ist es nicht reichlich grotesk, daß man uns schon jahrzehntelang — wir hatten deshalb den „Verband für weibliche Vormundschaft" gegründet — immer wieder aufruft, über fremde Kinder die Vormundschaft mit allen in der elterlichen Gewalt enthaltenen Rechten zu übernehmen, daß wir aber für unser eigenes Kind eine Art Obervormundschaft nötig haben?!
Sehr zu begrüßen ist — so scheint mir — die Gleichsetzung der Hausarbeit der Frau mit der außerhäuslichen Erwerbsarbeit des Mannes. Ich habe dies schon erwähnt. Auch das ist eine alte Forderung von uns. Wir haben bis heute vergebens verlangt, daß dieser Tatsache auch in der Statistik Rechnung getragen wird; denn da gibt es nur die Rubrik „mitarbeitende Familienangehörige". Nun, zu diesen „mitarbeitenden" Familienangehörigen, die anscheinend keinen Beruf haben, gehört — ich will nur einen nennen — auch die Landhausfrau. Diese Frau hat keinen Beruf? Nein, sie hat drei: Mutter und Hauswirtschaft, Garten und Feld sowie Kleinviehzucht. Wenn man es gesetzgeberisch ausdrücken will, so ist sie nach der Preußischen Gesindeordnung gegen Kost und Logis zu ungemessenen Diensten engagiert.
— Ich habe ja nur zitiert, Verehrtester! Erfreulich scheint uns auch das Recht der Frau auf die Berufsarbeit und damit die Unmöglichkeit zu sein, daß' der Ehemann unser Arbeitsverhältnis kündigt. Dieses Recht wird aber meines Erachtens illusorisch durch die §§ 1354 und 1628, weil dann der Mann die Entscheidung darüber hat, was mit den Pflichten der Frau in der Familie vereinbar ist und was nicht.
Noch ein kurzes Wort zu den gefürchteten angeblich unlösbaren Streitfragen, mit denen auch die neue Begründung zu § 1628 wieder operiert. Das Kind wird nicht in die Schule geschickt, wenn die Eltern sich nicht einigen: Soviel ich weiß, gibt es eine Schulpflicht, deren Versäumung die Eltern strafbar macht. Das Kind bekommt keinen Namen: Ich glaube, es gibt ein Standesamt, das verlangen kann, daß ein Name genannt wird. Und nun kommt der ernsteste Fall: Im Falle der Krankheit würden sich die Eltern nicht darüber einigen, ob
Homöopath, Allopath, Wunderdoktor, Schäfer Ast und ich weiß nicht was sonst.
Nun, meine Herren — ich sage hier ausdrücklich: meine Herren —, das ist doch eine vollkommen weltfremde Vorstellung. Beide Eltern sind im Ernstfall in Angst um ihr Kind,
Frau u n d Mann! Ja, man zieht in solchem Falle in der Angst, mit Einwilligung des Ehemanns selbstverständlich - er ist ein vernünftiger Mann —, oft sogar die Schwiegermutter zu Rate. Und der Vater? Ja, meine Damen und Herren, der verwandelt sich in ernsten Fällen in eine Löwenmutter, um das Leben seines Kindes zu verteidigen und alles zu tun, was in seiner Macht steht, um Hilfe möglich zu machen. Die ständige Wiederholung der immer gleichen Beispiele ist dürftig.
Besonderen Ernst — darin sind wir uns, glaube ich, alle einig — verlangt die Behandlung der Ehescheidungsfrage. Aber das Operieren nur mit summarischen Zahlen, wie wir es neulich einmal gehört haben, genügt ja nun doch nicht. Der Versuch, leichtfertigen Scheidungen vorzubeugen, muß auf das ernsteste bedacht und verfolgt werden. Aber, meine Damen und Herren, wer Scheidungsanwalt ist, wer wie ich Hunderte von Ehescheidungsprozessen mit meinem hochverehrten Lehrer und früheren Reichstagskollegen Professor Kahl durchgearbeitet hat, der weiß, daß es nichts Unsittlicheres gibt, als eine Ehe zwangsweise aufrechterhalten zu wollen,
der weiß, daß eine solche Zwangsehe gerade für die Kinder noch schlimmer ist als ihr Leben bei geschiedener Ehe der Eltern, bei dem sie doch wenigstens endlich zur inneren Ruhe kommen. Die absolute Starrheit von Bestimmungen für solchen Zwang treibt ganz selbstverständlich — ich billige es nicht, aber es ist eine Tatsache — ins Konkubinat. Ohne Zerrüttungsprinzip neben dem Schuldprinzip kann meines Erachtens eine vernünftige Regelung nicht getroffen werden. Zu erwägen wäre auch, ob man nicht die Trennungsfrist, wie es ehedem im Reichstagsausschuß vorgeschlagen worden ist, verlängern sollte.
Ein sehr erheblicher Hemmschuh für allzu leichtfüßige Eheleute ist ein Ehegüterrecht, das es den Fortstrebenden unmöglich oder sehr schwer machen soll — mindestens viel schwerer als heute —, fortzulaufen, alles mitzunehmen und die Frau hilflos dasitzen zu lassen. Ehegüter- und Ehescheidungsrecht kann man nicht trennen.
Sehr erfreulich ist auch die Bestimmung über die Zuteilung aus dem Hausrat während des Getrenntlebens. Einzelheiten zum Ehescheidungsrecht kann man hier nicht erörtern; das würde viel zu kompliziert sein und viel zu weit gehen. Wir haben aber das Gefühl, daß ein Verstoß gegen die Rechtsgleichheit auch noch in der Ziffer 3 Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zu Art. 8 liegt. Hiernach ist zwar beiden Ehegatten die Möglichkeit gegeben, durch einseitige Erklärung den Eintritt des Güterstandes der Gütertrennung als Zugewinnbeteiligung abzulehnen. Formal ist damit dem Rechtsgleichheitssatz Genüge getan, de facto aber wird der Mann dabei das Übergewicht haben. Sein
alleiniges Entscheidungsrecht gibt ihm zumindest die Möglichkeit, einen starken Druck auf die Ehefrau auszuüben, falls er nicht — wie es in solchen Fällen wahrscheinlich der Fall sein wird — schon vorher, ohne etwas zu äußern, hingegangen ist und von sich aus eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.
Nun noch ein kurzes Wort zu der mich merkwürdig berührenden Vorstellung von der „vorgegebenen göttlichen Ordnung". Wer von uns kann sich anmaßen, etwas über die „vorgegebene göttliche Ordnung" aussagen zu können? Ich glaube, niemand! Zum Schluß will ich 'deshalb einmal zwei Proben von früheren Vorstellungen über die „vorgegebene göttliche Ordnung" bringen. Die eine entnehme ich aus einer „Deutschen Predigt" dies Berthold von Regensburg um 1250. Eben nach den damaligen Vorstellungen der „vorgegebenen göttlichen Ordnung" schreibt dieser Berthold von Regensburg zum Verhalten des Ehemannes zur Frau:
Du sollst ihr allzeit die Haare nicht ausziehen umsonst und um nichts sollst du sie nicht schlagen, solange dich gutdünket und schelten und fluchen und andere böse Handlungen antun unverdient. Du sollst dein Hausfrau nicht mit dem Fuß vor den Ofen stoßen.
Sehen Sie, das war damals die Vorstellung von der
„vorgegebenen göttlichen Ordnung".
Wir sind heute ganz anderer Meinung als 1250. Aber welche Vorstellung hatte noch Napoleon von der „vorgegebenen göttlichen Ordnung":
Die Frau ist unser Eigentum, nicht wir das Ihrige, denn sie gibt uns Kinder und der Mann gibt ihr keine.
— Das ist sein Glück! —
„Sie ist daher —— daher! —
sein Eigentum wie der Baum das Eigentum des Gärtners."
— Ich habe ja gar nicht gesagt, daß Sie das sind, um Gottes willen!
Meine Damen und Herren! Um jeden Zweifel zu vermeiden: unsere Vorstellungen über die notwendige Gesetzgebung für die menschliche Ordnung einer Gemeinschaft in Verantwortung vor Gott und den Menschen sehen nicht genau so aus wie die des Entwurfs. Wir möchten diese Gemeinschaft in Liebe zum Nächsten — und der Allernächste dürfte eigentlich die Ehefrau und die Mutter sein — so begründen, daß das Ihnen bekannte Wort: „Der Frauen Zustand ist beklagenswert" keine Geltung mehr haben kann.