Rede von
Dr.
Karl
Weber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Vorlagen Drucksachen 124, 125 und 171 kommt schon angesichts dessen, daß das Grundgesetz ergänzt werden soll, eine besondere Bedeutung zu.
In der Wehrdebatte im Frühjahr 1952 und in der zweiten Lesung der Ratifikationsgesetze zum Deutschland-Vertrag und zu dem Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft im Dezember 1952 wurde vor allem die Frage erörtert, ob die mit dem Verteidigungsbeitrag notwendig verbundene Wiedereinführung der Wehrpflicht und deren in den Verträgen vorgesehene Verwirklichung wie auch sonstige Bestimmungen der Verträge mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Das wurde von der Koalition bejaht, von der SPD bestritten.
Mit seiner am 6. September 1953 getroffenen Entscheidung hat das deutsche Volk in seiner überwältigenden Mehrheit der Politik der europäischen Integration seine ausdrückliche Zustimmung erteilt, wie es der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 betont hat. Es scheint uns deshalb eine Pflicht des vom deutschen Volke gewählten Bundestages zu sein, nunmehr auch die Zustimmung des Volkes formell in der vom Grundgesetz selbst vorgesehenen Form zu vollziehen. Dies zu verwirklichen ist der Sinn der Vorlagen. Die Koalitionsparteien als Träger dieser Politik halten sich dazu verpflichtet und haben deshalb die Initiativgesetzentwürfe vorgelegt.
Die eingangs erwähnten Debatten, der vergangene Wahlkampf wie auch die Aussprache über die Regierungserklärung haben erfreulicherweise eine Klärung dahin gebracht, daß die Fraktionen der Koalition und die SPD sich darin einig sind, daß die Bundesrepublik zur freien Welt steht, daß sie deshalb aber auch bereit sein muß, ihrerseits einen Beitrag zur Verteidigung dieser Freiheit zu leisten,
Nach wie vor besteht Streit um das Wie dieser Leistung. Koalition und SPD haben bedauerlicherweise noch keine gemeinsame Linie, die für beide Teile annehmbar wäre, gefunden. Die Koalition glaubt aber, wie ich nachdrücklich betone, auch angesichts der neuesten Entwicklung der politischen Lage an der bisher konsequent von ihr verfolgten politischen Linie festhalten zu müssen. Sie hat auch stets den Standpunkt vertreten, daß diese Linie, soweit sie in den Verträgen ihren Niederschlag gefunden hat, sich im Rahmen des Grundgesetzes halte. Die vorliegenden Gesetzentwürfe bedeuten deshalb keine Änderung des Grundgesetzes, sondern lediglich eine Verdeutlichung, eine ausdrückliche Klarstellung dieses Sachverhalts durch eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes. Es erscheint aber angebracht, diese Klarstellung nicht nur auf die zur Zeit abgeschlossenen Verträge abzustellen, sondern sie, bei aller Beschränkung auf das Notwendigste, doch ein für allemal und für jeden Fall vorzusehen.
Um aber andererseits auch jegliche verfassungsrechtlichen Zweifel an der Gültigkeit der abgeschlossenen Verträge zu beseitigen, erscheint es uns weiter notwendig, ihre Gültigkeit und Rechtmäßigkeit auf jeden Fall sicherzustellen und zu diesem Zweck eine Verfassungsbestimmung in das Grundgesetz aufzunehmen, wie sie sich auch schon in vergangener Zeit bei Regelung internationaler Beziehungen, insbesondere in Friedensverträgen, als notwendig und zweckmäßig erwiesen hat. Bei dem jetzigen Stand der Diskussion sollte man der Annahme sein können, daß wenigstens der erste Teil, die Ergänzung des Grundgesetzes, auch von der SPD gebilligt werden könne. Nachdem diese aber glaubte, in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung vom 20. Oktober die Regelung, wie sie in den Verträgen ihren Niederschlag gefunden hat, nach wie vor ablehnen zu müssen, wird man leider nicht der Meinung sein können, daß die Bestimmung, die speziell die Rechtsgültigkeit der Verträge unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sicherstellen soll, auch die Billigung der sozialdemokratischen Opposition finden wird. Es wäre aber sicherlich schon viel gewonnen, wenn man in der ersten Frage zu einer einheitlichen Meinung kommen könnte.
Ein gewisser Bestand von Rechtssätzen über das Wehrwesen war in den früheren deutschen Verfassungen üblich. Es erscheint deshalb zweckmäßig, bei einer ausdrücklichen Ergänzung einzelner Bestimmungen des Grundgesetzes auch ausdrückliche Bestimmungen über die allgemeine Wehrpflicht und zur Frage der Geltung der Grundrechte innerhalb der allgemeinen Wehrpflicht zu treffen wie auch die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern abzugrenzen.
Dies ist auch deshalb geboten, weil gegenüber der sich aus der Natur der Sache ergebenden Zuständigkeit des Bundes zur Verteidigung der Bundesrepublik auch den Ländern der ihnen nach der föderalistischen Struktur zuzubilligende Einfluß gegeben werden soll, andererseits aber dem Bund in dem unbedingt notwendigen Umfang Verwaltungskompetenzen zugewiesen werden müssen, sei es in Gestalt der bundeseigenen Verwaltung, sei es in Gestalt der Bundesauftragsverwaltung.
Die Einzelheiten, einschließlich der Regelung des Oberbefehls, müssen in den Ausschüssen einer eingehenden Beratung unterzogen werden.
Ich beantrage, die Vorlage an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit zur Mitberatung zu überweisen.
Zum Schluß noch einige Bemerkungen zum Zeitpunkt der Einbringung der Vorlage. Die Auffassung, daß die Einbringung im gegenwärtigen Zeitpunkt die Verhandlungen der bevorstehenden Außenministerkonferenz stören oder auch nur beeinträchtigen könnte, ist unrichtig. Unsere Politik hat überhaupt erst die Viererkonferenz ermöglicht.
Wir alle wollen ihren Erfolg.
Wir wissen, daß nur auf diesem Wege die Wiedervereinigung Deutschlands auf friedlichem Wege erreicht werden kann.
Die Vorlagen sind keine politische Demonstration. Die politische Entscheidung für Europa und die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist längst gefallen.
Es gilt lediglich, die Durchführung dieser Entscheidung sicherzustellen.
Nur durch eine feste Verbindung zu den Völkern der freien Welt kann erreicht werden, daß die Außenministerkonferenz den Weg freigibt für eine Wiedervereinigung Deutschlands auf Grund freier Wahlen, wie sie der Deutsche Bundestag stets einmütig gefordert hat. Wir wollen keine Fortdauer der Spaltung, wir ersehnen und erflehen, daß das Jahr 1954 uns endlich wieder die Einheit in Freiheit bringen möge.