Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat nichts davon gesagt, daß ihm oder der Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken bei der Einbringung dieses Gesetzes in den zweiten Bundestag gekommen sind. Dieser Gesetzentwurf ist dem Bundesrat Juni/Juli zugeleitet worden, am 7. Juli im Bundesrat abgelehnt worden und wird nun mit einer nicht datierten Stellungnahme der Bundesregierung zur Ablehnung des Bundesrats mit Datum vom 30. Oktober vom zweiten Kabinett Adenauer dem zweiten Deutschen Bundestag zugeleitet. Mir scheint, es bedürfte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung, ob dieses Verfahren zulässig ist.
Hochinteressant waren die Darlegungen von Herrn Minister Schäffer — von denen man bisher nur ganz gerüchtweise erfahren hatte —, daß er ,die Absicht hat, bei ,dem Ausführungsgesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes oder vielleicht auch bei der Beratung des Haushalts dahin zu drängen, daß den Ländern überhaupt keine Steuerverwaltungskosten mehr erstattet werden. Die Durchführung dieses Grundsatzes, den Herr Minister Schäffer soeben hier verkündet hat, geht einseitig zu Lasten der Länder; denn der Bund verwaltet als einzige Landessteuer die Biersteuer, wofür also die Länder ihren Beitrag von 2 % des Biersteueraufkommens zahlen müssen. Das betrifft praktisch nur Bayern, das den großen Vorteil von dieser merkwürdigen grundgesetzlichen Regelung hat. Im übrigen ist es erstaunlich, daß über die Frage der Kosten und Kostenerstattungen im ersten Bundestag nicht gesprochen worden ist, mit einer Ausnahme: bei der Beratung des Zweiten Überleitungsgesetzes habe ich als Berichterstatter darauf hingewiesen, daß sich der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen dem Wunsche des Bundesrats, 4 % des Aufkommens der Umsatzsteuer an die Länder zu erstatten, nicht anschließen könne. Wir haben Herrn Minister Schäffer vollkommen zugestimmt, daß es eine Unmöglichkeit ist — zumal wir damals die Umsatzsteuer von 3 auf 4 % erhöht hatten —, einen so festen Prozentsatz einer solchen Steuer an den Steuerverwaltungsträger abzuführen. Popitz hat einmal darauf hingewiesen, daß die Umsatzsteuer die allerbilligste Verwaltung erfordere und unter diesem Gesichtspunkt geradezu erfunden werden müßte, wenn sie nicht schon bestände.
Es ist also der Bundesregierung und dem Herrn Bundesfinanzminister zuzugeben, daß die gegenwärtige Regelung nicht glücklich ist. Nach der gegenwärtigen Regelung bekommen Länder mit vielen Großunternehmungen und hohen Umsatzsteueraufkommen und hohen Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen auch sehr hohe Verwaltungskostenbeiträge, während arme Länder mit kleinen und mittleren Industrien und kleinem Steueraufkommen, deren Verwaltung relativ mehr kostet als die der Länder mit hohen Beträgen, am schlechtesten dastehen.
Nach .der Aufstellung der Bundesregierung, die sie dem Entwurf beigegeben hat. hat der Bund 77,4 % der gesamten Steuerverwaltungskosten der Länder an die Länder erstattet. Dabei ist die Streuung interessant; denn es zeigt sich nach dieser Tabelle, daß Nordrhein-Westfalen die Aufwendungen für seinen gesamten Steuerverwaltungsapparat vergütet bekommt — sogar noch etwas mehr –, daß aber das ärmste Land Schleswig-Holstein nur fast 60 %o erstattet bekommt.
Die Länder haben die Richtigkeit dieser Aufstellung bezweifelt. Wenn man die Länderaufstellung zugrunde legt, ergibt sich, daß Nordrhein-Westfalen ohne Bauausgaben immer noch 87,5 % seiner gesamten Steuerverwaltungskosten erstattet bekommt, Schleswig-Holstein aber nur 45,6 %. Zieht man ,die Verwaltungskosten für die Bauausgaben hinein, so ergeben sich bei Nordrhein-Westfalen 79 %, bei Schleswig-Holstein 45,8 %, also nur 2/10 % mehr. Wenn man einen Blick auf diese Tabelle wirft und die Bauausgaben vergleicht, so sieht man. daß die Kosten der Bauverwaltung bei Nordrhein-Westfalen über 15 Millionen DM betragen, bei allen übrigen Ländern liegen sie zwischen 1 und 2 Millionen DM. Bei Schleswig-Holstein betragen sie sogar nur 111 000 DM.
Dieses Gesetz, das materiell ein finanzverwaltungsrechtliches Gesetz ist, ist in Wirklichkeit von eminent finanzpolitischer Bedeutung. Das System
ist nicht in Ordnung, weil es den steuerstärksten Ländern mit relativ geringstem Verwaltungsaufwand den höchsten Ersatz für Verwaltungskosten leistet. Im Prinzip, glaube ich, sollte man sagen, daß der Bund die Steuerverwaltungskosten den Ländern etwa in der bisherigen Höhe erstatten sollte, daß aber die Verteilung gründlich revidiert werden muß.
Die Bundesregierung will nach der Gesetzesvorlage ein Drittel der den Ländern tatsächlich entstehenden Steuerverwaltungskosten erstatten. Dieses Drittel ist zwar nicht ganz willkürlich gegriffen, aber es ist auch nicht fundiert hingestellt. Es bedarf jedenfalls genauer Untersuchungen. Bei der Erörterung dieses Problems in den Drucksachen ist auffällig, daß die Bundesregierung irgendeine Behauptung aufstellt, die beweisbar ist, aber nicht bewiesen wird, daß die Länder dagegen behaupten, es sei so oder so, was sie auch nicht beweisen, während es sich doch um Dinge handelt, in die man mit gutem Willen wirklich völlige Klarheit hineinbekommen kann.
Einen Gedanken möchte ich hier noch kurz vortragen. Wenn man das Verhältnis des Bundesanteils am Gesamtsteueraufkommen in einem Lande betrachtet, sieht man, daß im Durchschnitt etwa 60 bis 62 % des G es amtsteuer out kommens in jedem Lande dem Bunde zufließen. Schleswig-Holstein, das ärmste Land, macht wieder eine interessante Ausnahme, es liefert nämlich über 65 % des Gesamtsteueraufkommens an die Bundeshauptkasse ab. Man wird zu überlegen haben, ob die Steuerverwaltungskosten in dem gleichen Verhältnis den Ländern erstattet werden sollen, wie sich ,das Aufkommen von Bundessteuern zu dem von Landessteuern ein- schließlich des Bundesanteils der Einkommen- und Körperschaftsteuer tatsächlich verhält. Der Bundesminister der Finanzen sagt — ohne Begründung —,,das sei kein richtiger Maßstab. Er sagt weiter, wenn man einen höheren Prozentsatz der Einkommen- und Körperschaftsteuer abschöpfe, also jetzt etwa von 38 auf 42 % gehe, so entstünden dadurch den Ländern keine Mehrkosten. Das ist im Prinzip auch wieder richtig. Aber ich halte es doch für unbillig, daß sich der Bund nur am Ertrag der Steuern, nicht aber 'entsprechend auch ,an den Steuerverwaltungskosten beteiligen will. Es ist ganz offensichtlich, daß der Bundesfinanzminister mit der Regelung, die er ,dem Hause vorgelegt hat, eine Haushaltsverbesserung des Bundes erreichen will, welche zu Lasten der Länder geht. Das geht auch aus seiner 'grundsätzlichen Bemerkung hervor, wie er die Verwaltungskosten in Zukunft nach dem Gesetz nach Art. 107 geregelt haben möchte.
Es 'ist ein schwacher Trost für die 'armen Länder, wenn ihnen gesagt wird: Ihr müßt gewisse Verschlechterungen im ordentlichen Haushalt hinnehmen; dafür werde ich euch im ,außerordentlichen Haushalt besondere Zuwendungen machen, etwa für eure Schäden in den Zonengrenzgebieten. Das ist, glaube ich, eine finanzpolitische Maßnahme, der man nicht zustimmen kann.
Wir kommen eben bei dieser Sache klar und deutlich wieder darauf, daß ,der Föderalismus so, wie er sich in der Bundesrepublik ausgeprägt hat, nicht in Ordnung ist. Ich habe im Prinzip gar nichts gegen einen föderalistisch gegliederten Staat, nur müssen dann die einzelnen Glieder auch wohl gegeneinander ausgewogen sein. Das braucht nicht die Nivellierung zu sein, die Herr Minister Schäffer bei einer früheren Gelegenheit hier einmal so gründlich abgelehnt hat. Aber es geht nicht, daß die Länder derartig verschieden ausgestattet sind und daß man durch den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf Reformen nur zu Lasten der Länder durchführen will. Man kann sich vielmehr nur überlegen, wie die Steuerverwaltungskosten gerecht verteilt werden können. Noch besser, man überlegt sich, wie man unseren Föderalismus — man sieht ja an den Materialien zu diesem Gesetz wieder ganz deutlich, daß unser Föderalismus nicht in Ordnung ist — zweckmäßigerweise in Ordnung bringt.
Wenn man diesen Föderalismus wegen des Egoismus der sogenannten reichen Länder und wegen der unausbleiblichen Begehrlichkeit der armen Länder nicht in Ordnung bringen kann, dann bleibt gar nichts anderes übrig, als auch hier wieder den Schluß zu ziehen, daß uns nur die einheitliche Bundesfinanzverwaltung aus diesem Dilemma befreien kann.
Das ist die einzige Möglichkeit, zu der auch der Föderalist Schäffer sich nun endlich einmal bekennen sollte.
Daß hier der Bundesfinanzminister in einem heftigen inneren Widerspruch zu dem Abgeordneten des bayrischen Wahlkreises Passau steht, weiß ich. Aber, du lieber Gott, wir können doch diesen Widerspruch nicht auch die ganzen Jahre im zweiten Bundestag ertragen, sondern es ist nun an dler Zeit, daß der Bundesfinanzminister den Abgeordneten des Wahlkreises Passau endlich mal zur Ordnung ruft
und das tut, was sein bundesministerialer Verstand ihm ja schon längst eingegeben hat. Außerdem ist es doch so, daß die gesamte Finanzbeamtenschaft des Bundes und der Länder, sogar einschließlich des Münchner Oberfinanzpräsidenten,
diese bundeseinheitliche Finanzverwaltung aus Gründen der Ratio wünscht.
Die einheitliche Bundesfinanzverwaltung kann auf die Dauer gar nicht verhindert werden, sie kann nur vorübergehend zurückgehalten werden. Eines Tages kommt sie doch, Herr Kollege Schäffer, und dann sind Sie der besiegte Mann. Sie werden wahrscheinlich trotz der jetzigen Mehrheitsverhältnisse noch in diesem zweiten Bundestag besiegt werden. Ich habe ein sicheres Gefühl dafür,
daß .die Sache so nicht mehr lange weitergeht.
Noch ein letztes Wort. Die Bundesregierung ist der Meinung, dieses Gesetz bedürfe nicht 'der Zustimmung des Bundesrates; der Herr Vertreter des Bundesfinanzministers hat 'das in der Sitzung des Bundesrates vom 7. Juli auch zum Ausdruck gebracht. Ich will auf die formale Begründung, die Herr Staatssekretär Hartmann dort gegeben hat, jetzt nicht eingehen. Aber mir scheint es doch völlig klar zu sein, daß ein Gesetz, welches so tief in die Finanzverwaltung der Länder eingreift, welches die Finanzverwaltungsrechte der Länder beschneidet, welches den Haushalt der Länder so entschei-
dend tangiert, auch der Zustimmung der Länder durch den Bundesrat bedarf.
Im übrigen ist dieses Gesetz noch voller Tücken, und das neue Inanspruchnahmegesetz, welches dem Bundesrat vor kurzem zugeleitet worden ist, ist geradezu ein Meisterwerk finanzpolitischer Akrobatik und Artistik. Wir werden uns im Ausschuß für Finanzen und Steuern sehr eingehend damit befassen müssen. Ich beantrage Überweisung der Drucksache 42 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.