Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion
stimmt dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, in dem eine Vier-Mächte-Konferenz und eine deutsche Initiative gefordert werden, zu. Schon seit Jahren hat die Kommunistische Partei Deutschlands vorgeschlagen, daß sich die Deutschen aus Ost und West untereinander über die friedliche Lösung aller Fragen verständigen, die uns Deutsche in der Innen- und Außenpolitik angehen. Das Hauptanliegen ist dabei die Durchführung einer Vier-Mächte-Verhandlung über den Abschluß eines Friedensvertrages und die Wiedervereinigung Deutschlands. Wir haben von jeher die Auffassung vertreten, daß es keine Frage gibt, die unter uns Deutschen nicht gelöst werden kann, und betonen noch einmal ausdrücklich, daß die friedliche Lösung der deutschen Frage, die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes, nur auf dem Wege eines Kompromisses zustande kommen kann.
Jeder Politiker Westdeutschlands, der den Gedanken der Eroberung oder der Eingliederung der Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik propagiert oder verbreitet, wie es Dr. Adenauer tut, gibt zu erkennen, daß er die Wiedervereinigung Deutschlands auf friedlichem Wege nicht will.
Die Politik, die Dr. Adenauer und seine in- und ausländischen Hintermänner betreiben, ist nicht darauf gerichtet, daß sich die Deutschen und ebenso die vier Größmächte verständigen. Dr. Adenauer unternimmt alles um die Regelung der deutschen Frage auf friedlichem Wege zu torpedieren. Mit jedem Tag wird offensichtlicher, daß die Politik Dr. Adenauers Schiffbruch erlitten hat. Ursprünglich wollte Herr Dr. Adenauer heute im Bundestag als der große Sieger im Glorienschein seiner außenpolitischen Erfolge auftreten. Daraus ist aber nichts geworden. Die Völker in Frankreich, Italien und in England kennen besser als Herr Dr. Adenauer die weltpolitische Lage. Vor allem wissen sie, welch eine Gefahr der wiedererstarkende deutsche
A) Imperialismus und Militarismus für die Völker der Welt bedeuten.
Weil die vorgesehene große Wahlrede des Herrn Dr. Adenauer infolge eines andern Ablaufs der internationalen Ereignisse, als ihn Herr Dr. Adenauer wünschte, heute nicht stattfinden kann, darum wird jetzt eine nationalistische Pogromhetze losgelassen,
um idas deutsche Valk zu irritieren und um Wählerstimmen zu fangen. Immer mehr erkennt das deutsche Volk und erkennen die Völker der Welt, daß der 17. Juni in Berlin von in- und ausländischen Provokateuren organisiert worden ist.
Ihre Hetzreden sind ein Zeichen der Unsicherheit, der Verwirrung und der Schwäche. Wenn Dr. Adenauer dem Bundestag seine bekannten fünf Punkte unterbreitet, so tut er dies, um das deutsche Volk zu irritieren. Die wahren Absichten Dr. Adenauers gehen aus der Denkschrift hervor, die er Herrn Blankenhorn zu Verhandlungen mit dem Präsidenten der USA mit auf den Weg gegeben hat. In diesem Dokument heißt es u. a.:
1. Die Bundesregierung lehnt eine Vier-MächteVerhandlung mit der Regierung der UdSSR ohne vorherige Festlegung einer Tagesordnung ab.
2. Das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik bleibt
weiterhin Besatzungsgebiet der drei Westalliierten auf der Grundlage der Bestimmungen des Generalvertrags.
— Hören Sie gut zu, meine Herren —
3. Freie Wahlen in Gesamtdeutschland spätestens ein Jahr nach Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen.
4. Die verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Struktur der Bundesrepublik Deutschland wird durch den Ausgang dieser Wahlen nicht berührt. Die in beiden Ländern gewählte Volksvertretung hat nicht den Charakter einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung, sondern den einer gesamtdeutschen Wahl zum Deutschen Bundestag auf der Basis des Grundgesetzes, das als unveränderlich anerkannt werden muß.
.
5. Der neugewählte gesamtdeutsche Bundestag hat sämtliche von der jetzigen Bundesregierung eingegangenen internationalen Verpflichtungen und Verträge sowie die vom jetzigen Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetze anzuerkennen.
Das ist auch Ihr Art. 103, Herr Becker, den Sie hier zitiert haben.
— Das stimmt ganz genau, Herr Becker. Sie selbst
haben das heute hier zitiert. Das stimmt aufs Wort.
Der „Rheinische Merkur" Nr. 26 vom 26. Juni 1953 kommentiert die Grundlagen der Politik dieses
Memorandums. In dem Artikel des „Rheinischen Merkur" heißt es:
Der Parlamentarische Rat hat, und zwar auch mit den Stimmen der Sozialdemokratie, die Bundesrepublik zum alleinigen rechtmäßigen Staatsgehäuse des deutschen Volkes erklärt, zum allein berufenen Sprecher aller Deutschen.
Meine Damen und Herren, mit solch einer Politik wollen Sie die Einheit Deutschlands herstellen? Nie! Die Realität ist eine ganz andere, ob wir wollen oder nicht: zwei Hälften Deutschlands, zwei Regierungen. Und Sie maßen sich an, daß diese Regierung für ganz Deutschland sprechen und Verträge abschließen darf, die dann eine andere deutsche Regierung unterschreiben muß? Das, Herr Kaiser, ist Ihr Ziel, Ihre Politik, das haben Sie festgelegt. Glauben Sie nicht, daß auf diesem Weg die Einheit Deutschlands hergestellt Werden kann!
Diese von Dr. Adenauer verfolgte Politik ist nicht auf eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands ausgerichtet, sondern auf die Eroberung, den Krieg und den Bruderkrieg. Eine Vier-Mächte-Konferenz ist auf Grund der besonderen Lage, in der wir uns befinden, und der Entwicklung der Politik im Weltmaßstab sofort möglich. Es ist allen bekannt, daß die Regierung der UdSSR energisch das Zustandekommen einer Vier-Mächte-Konferenzanstrebt und hierzu bereits erfolgreiche diplomatische Schritte eingeleitet hat. Diese Konferenz kommt — da können Sie sich heute gegen den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion noch so wehren —, diese Konferenz werden Sie nicht verhindern!
Die Tatsache, daß die Bermuda-Konferenz mit den von den Amerikanern beabsichtigten Zielen nicht stattfindet, muß jedem verständlich machen, daß Maßnahmen eingeleitet sind und noch eingeleitet werden, die eine Verständigung der Großmächte über eine Vier-Mächte-Konferenz herbeiführen werden, ohne daß dieselbe mit Vorleistungen, die Sie wünschen, belastet wird.
Wenn in diesem Augenblick in- und ausländische Kräfte glaubten, diese Entwicklung dadurch zu behindern, daß sie einen Tag x in Berlin und in der DDR auslösten, so müssen diese sich sagen lassen, daß alle Provokationen am Verständigungswillen des deutschen Volkes und der Völker scheitern werden, genau so scheitern werden wie die Torpedierungsversuche Syngman Rhees gegen das Zustandekommen eines Waffenstillstands in Korea. Ich möchte allen Politikern in der Bundesrepublik noch einmal an das Herz legen, sich reiflich zu überlegen, was sie heute und morgen tun.
— Ja, wir überlegen uns jeden Schritt. — Das deutsche Volk und die Völker Europas werden nicht dulden, daß aus Deutschland noch einmal ein faschistischer Unruheherd wird, von dem eine neue Bedrohung des Friedens, der Sicherheit und der Unabhängigkeit der Völker ausgeht.
Die Kommunistische Partei Deutschlands stand von jeher auf dem Standpunkt, daß das deutsche Volk nicht Objekt der Politik sein darf. Das deutsche Volk hat ein Anrecht darauf, seine volle Souveränität wiederzuerlangen und als selbständige Nation an der Zusammenarbeit aller Völker teilzunehmen.
Insbesondere verzichtet das deutsche Volk nicht auf sein Recht, bei den Verhandlungen der vier Großmächte durch Vertreter des ganzen deutschen Volkes, und zwar Gesamtdeutschlands, seine Meinung zu sagen.
Wenn nun auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Kollege Ollenhauer, zu der Auffassung gelangt ist, daß das deutsche Volk nicht Objekt der Politik sein darf, so ist das sehr erfreulich. Aber dann gibt es nur eine Schlußfolgerung, nämlich die, daß Deutsche aus Ost und West sich über eine einheitliche deutsche Innen- und Außenpolitik den vier Großmächten gegenüber verständigen und diese durch eine gesamtdeutsche Vertretung auf einer Vier-Mächte-Konferenz, die in absehbarer Zeit kommen wird, vertreten.
Wenn Herr Ollenhauer auf der Duisburger Parteikonferenz der SPD erklärt, daß es ein Zusammengehen zwischen ihm, der SED und der KPD nicht gibt, so handelt er, ob er will oder nicht, in Widerspruch zu seinen eigenen Erklärungen über die Wiedervereinigung Deutschlands.
Die deutschen Politiker aus West- und Ostdeutschland würden dem deutschen Volke und der internationalen Öffentlichkeit ein beschämendes Schauspiel bieten, wenn erst die Großmächte auf der Vier-Mächte-Konferenz eine Aufforderung an die Deutschen aus West und Ost ergehen ließen, eine Vertretung zu bilden, damit dieselbe den Standpunkt des deutschen Volkes über die Wiedervereinigung und den Abschluß enes Friedensvertrags darlegt.
Im Interesse unseres Volkes darf es so weit niemals kommen. Im Interesse unseres Volkes empfehle ich eindringlichst, den Vorschlag zu einer deutschen Verständigung aufzugreifen. Das ist die Kernfrage einer jeden deutschen Innen- und Außenpolitik, die heute hier zur Entscheidung steht.
Wenn Sie den Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion annehmen, dann muß er dahingehend erweitert werden, daß eine Initiative zu einer gesamtdeutschen Verständigung und Vertretung herbeigeführt wird. Darum sind wir der Meinung, daß der Bundestag angesichts der innen- und außenpolitischen Entwicklung nicht in Ferien gehen, sondern zusammenbleiben sollte, um allen Entscheidungen, die täglich und stündlich heranreifen können, gerecht zu werden.
Ist diese Initiative der Bildung einer gesamtdeutschen Vertretung erreicht und eine Verständigung herbeigeführt, dann ist das deutsche Volk nicht mehr Objekt, sondern, da es um sein eigenes Schicksal geht, in die Lage versetzt, durch eine gesamtdeutsche Delegation die berechtigten nationalen Interessen unserer Nation den vier Großmächten gegenüber zu vertreten. Dann können auch alle Fragen wie die Durchführung freier Wahlen, die Beseitigung der Zonengrenzen, die Aufnahme eines ungehinderten Waren- und Personenverkehrs in ganz Deuschland im Geiste der Verständigung durch ehrliche Kompromisse gelöst werden.
Immer mehr Menschen in unserer Heimat erkennen, daß die Adenauer-Regierung und besonders die Politik des Herrn Bundeskanzlers dem Frieden
und der friedlichen Wiedervereinigung unseres
Vaterlandes im Wege stehen. Darum wird das deutsche Volk bei der kommenden Bundestagswahl durch seine Wahlentscheidung das Kräfteverhältnis im Bundestag ändern. Jede andere Regierung, die dann gebildet wird und einen Schritt, nur einen Schritt auf dem Wege der friedlichen Lösung der deutschen Frage tut, ist tausendmal besser als die Regierung unter dem Bundeskanzler Dr. Adenauer. Um dieses nationale Ziel zu erreichen, müssen sich alle Parteien, Gruppen und Politiker, die mit der Politik Dr. Adenauers nicht einverstanden sind, einigen und untereinander einen fairen Wahlkampf führen, der nur ein Ziel kennt: die AdenauerRegierung zu beseitigen und eine Koalitionsregierung zu bilden, die eine Regierung der Verständigung, des Friedens und des sozialen Aufstiegs unseres Volkes darstellt.