Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Wenn Sie gut zugehört hätten, hätten Sie bemerkt, daß ich mich hier mit Tendenzen der westlichen und allerdings auch der deutschen Politik auseinandersetze.
— Darauf komme ich gleich zu sprechen, Herr Kollege Lücke. — Wir dürfen diese 18 Millionen in der Zone
weder durch unser Zutun noch durch unser Nichtstun der Gefahr aussetzen,
daß sich wieder konsolidiert, was möglicherweise doch aufgelockert und durch eine gesamtdeutsche Regelung überwunden werden kann. Wir haben von dieser Stelle aus doch wiederholt von der Politik der Stärke als Voraussetzung für Verhandlungen gehört.
— Nun, Herr Kollege Dr. Bucerius, haben nicht die Kumpel und die Stahlwerker, die Maurer und die Fabrikarbeiter politisch gesehen mehr Stärke aufgebracht
als gewisse europäische staatliche Einheiten, deren Militärmächte von totalitären Kräften durchsetzt sind?
Und jetzt, angesichts der Schwäche des östlichen Regimes in der Auseinandersetzung mit der Stärke unserer Landsleute, sagt man plötzlich, daß die Stärke nichts gilt und daß man noch nicht verhandeln will.
— Herr Kollege Dr. Bucerius, ich habe versucht, darzulegen — und Sie können es nicht abstreiten —, daß Sie durch den von ihrer Fraktion mit gestellten und unterschriebenen Änderungsantrag
wegwollen von unserer Forderung, daß sich die deutsche Politik für Viermächteverhandlungen einsetzt.
— Das ist mir ganz egal, was der Bundeskanzler gesagt hat.
Wir reden zu diesem Punkt darüber, was dieses Haus zu beschließen hat.
Wir reden doch zu diesem Punkt, Herr Kollege Bucerius, darüber, in welcher Entschließung der Bundestag seiner Meinung Ausdruck geben soll.
Wir sind der Meinung, daß gerade — abgesehen von den politischen Verhandlungen auf der Ebene der Regierungschefs und der Außenminister — auf der Ebene der Hohen Kommissare jener Gesichtspunkt eine Rolle spielen sollte und daß wir, auch auf die, Gefahr hin, daß es dem einen oder andern nicht paßt, die maßgebenden Leute in den westlichen Hauptstädten fragen müssen, warum denn wohl eigentlich der Westen auf propagandistische oder vielleicht auch manchmal ernster zu nehmende Vorstöße der Sowjetunion immer nur reagiert, anstatt viel stärker, als er es bisher getan hat, durch seine Vorschläge die Initiative zu ergreifen.
Wir haben auch heute wieder durch den Kollegen Wehner eine Reihe von konkreten Vorschlägen für die Verhandlungen auf dieser Ebene unterbreitet. Ein Punkt dieser konkreten Vorschläge befaßt sich auch heute wieder mit Initiativen zur Lösung der Probleme der widernatürlich gespaltenen deutschen Hauptstadt. Wir meinen heute wie früher — da gibt -es sicher keine Meinungsverschiedenheit —, daß, wer es ernst meint mit der Wiedervereinigung, in Berlin den Anfang machen sollte. Aber — und da sind wir sicher nicht einer Meinung, aber auch das sprechen wir an dieser Stelle und heute aus — wir halten es für eine schlechte Sache, daß sich der Beitrag der Bundesregierung und der Westalliierten zum Thema „freie Wahlen" im Augenblick darauf zu beschränken scheint, daß wir uns über die direkte Wahl der Westberliner Vertreter zum Bundestag nicht haben verständigen können
und daß sich in der Saarfrage, obgleich auch dort freie Wahlen dringend geboten wären, eine bemerkenswerte Zurückhaltung geltend macht.
Wir haben von verschiedenster Seite den Wunsch gehört, !daß man sich in den Fragen der
Wiedervereinigung um ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit bemühen möge.
Eines aber geht dann nicht. Man kann nicht, wie es der Herr Bundeskanzler auch heute in seiner Rede getan hat, versuchen, die Wiedervereinigungsfrage auf das eine Blatt und die deutsche Außenpolitik, auf ein anderes zu setzen.
Wiedervereinigungspolitik und Außenpolitik sind zwei Seiten der gleichen Sache.
Wenn wir den Vorrang für die Frage der Wiedervereinigung fordern, dann ergeben sich daraus unserer Meinung nach auch klare Konsequenzen für die deutsche Außenpolitik. Darum ist es un- logisch, anzudeuten, man solle die gesamtdeutsche Frage ausklammern, den Wahlkampf aber, wie wir es an anderer Stelle als dieser gehört haben, zu einem Plebiszit über die deutsche Außenpolitik werden lassen. Übrigens sollte man mit idem Wort „Plebiszit" vorsichtig umgehen;
denn ihm haftet in diesem Zusammenhang etwas vom demokratischen Standpunkt aus durchaus Anrüchiges an.
Wir können darum nicht jenem CDU Blatt zustimmen, das in der vergangenen Woche meinte feststellen zu sollen, die Erhebung in der Zone sei ein Plebiszit für die Politik des Herrn Bundeskanzlers gewesen.
Das heißt denn doch wohl — das bezieht sich auch auf die diesbezügliche Bemerkung, die der Herr Bundeskanzler zu diesem Thema in seiner Rede gemacht hat — die Erhebung dieser Menschen etwas leichtfertig für eine hier im deutschen Westen außerordentlich umstrittene Politik in Anspruch nehmen.
Gestern hat das Bulletin der Bundesregierung behauptet, die Bevölkerung der Zone habe sich mit der Europa-Politik des Herrn Bundeskanzlers solidarisch erklärt. Nun, die Menschen in der Zone müssen es über sich ergehen lassen, wenn sie auf diese Weise in den Parteienstreit hineingezogen werden.
— Ich werde Ihnen gleich ein paar Beispiele geben, Herr Kollege Euler! — In der machtvollen Manifestation in Ost-Berlin und in der sowjetischen Zone drückt sich nicht der Schrei nach dem Anschluß an Bonn aus, sondern es drückt sich darin auch aus der Anspruch auf die echte Mitgestaltung dieser arbeitenden Menschen bei der Schaffung einer gesamtdeutschen Ordnung.
Ich sage Ihnen: die Arbeiter haben vom Brandenburger Tor nicht die rote Fahne, sie haben die rote Fahne als das Symbol der Unterdrücker heruntergeholt.
Im Zusammenhang mit dem Händler, der „Privateigentum" auf seine Bude geschrieben hatte, sage ich Ihnen, Herr Kollege Tillmanns: glauben Sie, daß es irgendwo im deutschen Osten oder im deutschen Westen einen Arbeiter gilbt, der so töricht ist, einen Händler mit seinem Geschäft, seiner Bude oder seinem Wagen anzugreifen?
Viel wichtiger, Herr Kollege Tillmanns, ist aber doch etwas anderes. Auf den Transparenten, die bei den Massenstreiks und bei den Massendemonstrationen mitgeführt wurden, standen viele und wichtige Forderungen. Nirgends hat etwas gestanden von jener Reprivatisierung der Mammutwerke, für die sich offenbar, wenn die Pressemeldungen zutreffen, der Herr Staatssekretär im Ministerium für gesamtdeutsche Fragen ausgerechnet in dieser Situation ausgesprochen hat. Wenn die Arbeiter in der Zone für bestimmte politische Zwecke im Westen so ausgeschlachtet werden sollen, wie es uns heute hier vorgetragen worden ist, dann muß man darauf erwidern: die fassen die Wiedervereinigung nicht als eine Gelegenheit zu persönlichem Gewinnstreben auf. Sie wollen demokratisieren, nicht restaurieren.
Herr Kollege Lücke rief vorhin dazwischen — und er bezog sich dabei auf Herrn Tillmanns, der das in seiner Rede ausgeführt hatte —, es habe Demonstranten gegeben — ich bestreite es gar nicht; aber ich habe es nicht gehört oder gelesen —, die „Hoch Adenauer" gerufen hätten.
Herr Kollege Tillmanns, wenn Sie sich mit den Dingen in der Zone befaßt haben, dann wissen Sie genau so gut wie ich, daß es manche Orte in der Zone gegeben hat, in denen neben den Kampfparolen gegen das SED-Regime in den Beschlüssen und in den Parolen der großen Streikleitung eine durchaus kritische Note gegenüber dem deutschen Westen enthalten war
und auch eine Tendenz, die auf eine möglichst unabhängige deutsche Politik abzielte. Die Zone will die Einheit. Man darf ihr keine Motive und keine Konzeptionen unterstellen, die hier wünschenswert erscheinen.
Von einem Vertrauensvotum für diese oder jene Richtung der Politik, die hier umstritten ist, kann keine Rede sein.
Wir sind also gegen eine Verfälschung dessen, was in der Zone erstritten und was dort gelitten wurde.
Wer nun meint, die außenpolitische Debatte durch ein zurechtgemachtes Gespenst einer angeblich drohenden Neutralisierung und Machtlosigkeit töten zu können, der wird, glaube ich, den Notwendigkeiten nicht gerecht, die in dieser Situation angesichts möglicher Viermächteverhandlungen vor uns stehen. Wer heute noch, wie wir es immer wieder erleben, glaubt, die demokratische und nationale Zuverlässigkeit der deutschen Arbeiterbewegung und der deutschen Sozialdemokratie in Frage stellen zu können, der nimmt dadurch die Verantwortung für eine nochmalige, eine zusätzliche Spaltung unseres Volkes auf sich.
Tatsache ist doch — und das bezieht sich noch einmal auf die angebliche Solidarisierung dieser Menschen im Osten Deutschlands mit der Politik des Herrn Bundeskanzlers —, daß die außenpolitische Entwicklung in diesen vier Jahren und gerade in den letzten Monaten, Herr Bundeskanzler, andere Wege gegangen ist, als Sie es in diesem Hause und an anderer Stelle und nicht zuletzt während Ihrer Reise in Amerika als einzig möglich hingestellt haben.
Tatsache ist weiter, daß die Opposition im Hause, daß die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses dazu beigetragen hat, daß die deutsche Politik nicht in einer Sackgasse gelandet ist.
Sie haben heute zum wiederholten Male die Behauptung aufgestellt, die Opposition habe in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der sogenannten Integrationspolitik nicht gesagt, wie man es anders machen sollte.
Wir haben in der Frage der deutschen Einheit und in der Frage der Viermächteverhandlungen gesagt, wie man es anders machen muß,
und wir sagen es heute, wie man es machen muß.
Wir haben in dem System unserer kritischen Auseinandersetzung nichts von unserer Forderung auf deutsche Gleichberechtigung, auf wirkliche Sicherheit und auf eine wirklich diesem Namen gerecht werdende europäische Lösung zurückzunehmen.
Anstatt nun in den vergangenen Jahren die kritischen Vorbehalte, Einwände und Argumente der Opposition auszuwerten, um das Gewicht der deutschen Politik den Mächten gegenüber zu verstärken, sieht man die Aufgabe, auch heute wieder
vor diesem Hause, darin, die Sozialdemokraten zu kritisieren,
ihnen zu sagen, daß sie zu keiner Frage positive Vorschläge unterbreitet hätten.
Am meisten überrascht uns nun das Argument, mit dem der Herr Bundeskanzler heute aufwartete: wenn es nun doch zu Vier-Mächte-Verhandlungen kommen sollte, wenn sich nun doch solche Möglichkeiten anbahnen sollten, dann sei das ein Erfolg der Politik, die er betrieben habe.
Das ist übrigens schwer in Einklang zu bringen mit der anderen These, die die Freunde des Herrn Bundeskanzlers in den letzten zwei, drei Wochen wiederholt vertreten haben — auch an maßgeblicher Stelle —, daß eine Wende der sowjetischen Politik weder erfolgt noch zu erwarten sei. Man kann doch nicht zu gleicher Zeit behaupten, daß sich nichts geändert habe und nichts ändern werde, daß aber, was sich dann doch geändert habe oder ändern sollte, das Ergebnis der eigenen Politik sei.
Die Illusionen auf außenpolitischem Gebiet in den hinter uns liegenden Jahren lagen nicht bei der deutschen Sozialdemokratie, sondern die Illusionen und der Mangel an Realismus lagen bei denen, die die Verhandlungen zwischen West und Ost nicht mit einkalkuliert hatten. Auch das muß man heute erörtern, wenn von einer Rechenschaft über die Außenpolitik dieser vier Jahre die Rede ist. Denn jetzt müssen Sie sich, meine Damen und Herren von der Mehrheit, die Sie die Politik, mit der wir uns kritisch auseinandersetzen, vorbehaltlos unterstützen, von maßgebenden ausländischen Kommentatoren sagen lassen — z. B. von amerikanischer Seite —, die umstrittenen kleineuropäischen Objekte,, etwa das der EVG, seien von der ausdrücklichen Voraussetzung ausgegangen, daß die Spaltung Deutschlands aufrechterhalten bleibe — ich zitiere Walter Lippman.
Ein Schweizer Organ wie „Die Tat" schreibt, daß die gesamte Außenpolitik des Bundeskanzlers auf einem axiomatisch angenommenen endgültigen Gegensatz zwischen Moskau und dem Westen basiert habe. Ein englischer Kommentator wie Herr Haffner vom „Observer", der bis in die jüngste Zeit sehr wohlwollend gegenüber den Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers war, sagt nun unter dem frischen Eindruck der jüngsten Ereignisse, daß sie es dem deutschen Westen unmöglich machen würden, die deutsche Wiedervereinigung der westeuropäischen Integration unterzuordnen. Als wir im vergangenen Jahr Verhandlungen auf der Ebene aller vier Nächte gefordert haben und gewünscht haben, die Westmächte in
diesem Sinne zu beeinflussen, da ist es noch vorgekommen, daß man uns beschuldigt hat, wir begäben uns damit in Bolschewikennähe.
Das ist ja nicht mehr so einfach,
seitdem wir in so honoriger Gesellschaft sind, Herr Kollege von Brentano, wie der des britischen Premiers, dessen Initiative die Möglichkeiten zu einer Änderung der internationalen Lage beträchtlich gefördert zu haben scheint. In der Debatte im englischen Unterhaus, die sich der ChurchillInitiative anschloß, war von nicht ganz unbedeutender Seite, ich meine: von seiten des Oppositionsführers Attlee aus, sehr deutlich davon die Rede, daß eine einseitige Regelung des deutschen Sicherheitsproblems mit einer Politik der Wiedervereinigung Deutschlands nicht zu vereinbaren sei.
Weil das so einleuchtend ist,
muß leider gesagt werden, daß die Bezugnahme der drei Westmächte in den Briefen oder Telegrammen, die sie in den letzten Tagen dem Herrn Bundeskanzler geschickt haben, auf die Note an die Sowjetunion vom 23. September vorigen Jahres in Verbindung mit den von uns gemeinsam angenommenen fünf Punkten vom 10. Juni dieses Jahres sicher richtig ist, aber uns allein noch nicht weiterbringt. Denn es handelt sich doch um zweierlei:
einmal um die freien Wahlen und die übrigen
Schritte, die für eine demokratische Lösung des
deutschen Einheitsproblems unerläßlich sind, zum andern um die Verständigung der vier Mächte, mit denen der Friedensvertrag in bezug auf den internationalen Rahmen auszuhandeln sein wird, innerhalb dessen die von uns erstrebte Lösung erfolgen könnte.
Auch in der amerikanischen Diskussion ist in den letzten Monaten ziemlich viel von alternativen Lösungen die Rede gewesen, alternativ zu den von uns früher häufig mit Leidenschaft erörterten Vertragswerken. Uns hat man aber immer wieder gesagt, und zwar gerade unter Berufung auf die Westmächte und besonders auf Amerika, daß es alternative Lösungen überhaupt nicht gebe. Uns wollte man noch über Art. 103 der Europa-Verfassung eine zusätzliche Bindung auferlegen, die die viel zitierte Handlungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung von vornherein illusorisch gemacht hätte:.
Der Herr Bundeskanzler hat sich ja neuerdings von diesen Vorhaben einiger seiner übereifrigen Freunde distanziert. Im übrigen hat er aber doch wohl heute, wenn ich es richtig verstanden habe, durch seine Regierungserklärung auch in der gegenwärtigen Situation an den unserer Meinung nach überholten Vertragsprojekten festgehalten. Wenn
wir sagen „überholte Vertragsprojekte" — um darüber gar kein Mißverständnis aufkommen zu lassen —, muß dabei festgestellt werden, daß wir niemals der Meinung waren und es auch heute nicht sind, daß damit die grundsätzliche Frage der Verteidigungsbereitschaft aufgeworfen wird. Wir haben nie einen Zweifel darüber gelassen, daß wir unter den Bedingungen der Gleichberechtigung und der Nichtgefährdung unseres Ringens um die Wiedervereinigung bereit sind, an der Schaffung eines gemeinsamen Systems effektiver, wirksamer Sicherheit mitzuwirken.
Es geht also nicht um diese mehr grundsätzliche Frage, und es geht auch nicht um mehr periphere Fragen, die dieser Tage in die Debatte geworfen wenden, wie etwa um die Frage, ob der Kontrollrat von 1945 wiederaufgerichtet werden sollte, den niemand wiederautgerichtet sehen will.
Aber nun -hat der Herr Bundeskanzler in den Erklärungen der letzten Tage und Wochen mehrfach — auch in Watenstedt-Salzgitter — von der seiner Meinung nach bestehenden Gefahr gesprochen, daß die Westmächte über 'den Kopf Deutschlands hinweg mit der Sowjetunion verhandeln könnten, daß eine Vier-Mächte-Konferenz ohne das deutsche Volk entscheiden könnte. Diese Befürchtung geht unserer Meinung nach von einer besonders mißtrauischen und, wie wir hoffen, überängstlichen Einschätzung der Politik der Westmächte aus. Es entspricht im übrigen unserer Meinung nach nicht 'der europäischen unid der internationalen Lage des Jahres 1953, daß man die deutsche Frage überhaupt noch über die Köpfe der Deutschen hinweg erledigen könnte. Gerade das sollte auch nach den jüngsten Ereignissen klargeworden sein.
Im übrigen wird die These, daß es ohne die Deutschen bei einer solchen etwaigen Verständigung nicht geht, von uns in keiner Weise bestritten. Wir sollten dafür sorgen, daß die Mächte in Kenntnis der deutschen Vorstellungen in die zu wünschenden Verhandlungen hineingehen. Wenn jemand uns einen Vorwurf machen will, so fällt er auf den zurück, der ihn erhebt; denn, meine Damen und Herren, wir werden möglicherweise unter Umständen gerade dann Objekt, wenn wir zu passiv bleiben, wenn wir im Hinblick auf diese Konferenzen nicht genügend konkrete Vorschläge machen. Weder Trauerfeiern noch Telegramme reichen hier im Sinne konkreter Vorstöße und Maßnahmen unserer Meinung nach aus.
— Was denn? Zum Beispiel, Herr Kollege Tillmanns, daß über die allgemein gehaltenen fünf Punkte vom 10. Juni hinaus jenes konkretwerdende Verhandlungsprogramm sowohl auf der Ebene der Hohen Kommissare wie aber auch in der eigentlichen politischen Ebene für die Außenministerkonferenz in Washington und für eine etwaige Viermächtekonferenz erarbeitet werden müßte.
) Wir sehen übrigens die größere Gefahr — und auch das möchte ich hier sagen —, noch immer darin, daß die Mächte bis auf weiteres über eine Lösung der deutschen Frage überhaupt nicht verhandeln. Die deutsche Politik darf nichts tim, was diese Gefahr vergrößern könnte. Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Herr Bundeskanzler die friedlichen Ziele der deutschen Politik in alle Himmelsrichtungen auch bei dieser heutigen Gelegenheit unterstrichen hat. Darüber kann und darf es keine Meinungsverschiedenheiten geben, daß das Friedensinteresse der deutschen Politik, wer auch immer sie vertritt, über jeden Zweifel erhaben sein muß. Denn wir wünschen und müssen es wünschen, daß am Verhandlungstisch zu regeln versucht wird, was uns sonst den Schrecken eines neuen Weltkriegs auszusetzen droht. Es gibt keine andere Lösung als die friedliche Lösung der deutschen Frage. Es gibt keine andere Möglichkeit als die der Verhandlungen über die deutsche Frage. Darum müssen wir sie fordern.
Wir Sozialdemokraten forden angesichts der uns auferlegten gemeinsamen großen Verantwortung mehr Aktivität, mehr Zielklarheit, mehr Entschlossenheit im Kampf um die deutsche Einheit in Frieden und Freiheit.