Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erstaunlich, daß hier im Rheinland der Bundestag einen kommunistischen Abgeordneten in diesen Tagen anscheinend ruhiger anhören kann, als die Stuttgarter Landesversammlung das getan hat.
Wenn Sie aber wissen wollen, Herr Abegordneter Fisch, warum der Bundestag trotz Ihrer provozierenden und die Wahrheit entstellenden Äußerungen über Berlin so ruhig blieb, dann will ich es Ihnen sagen: Gottlob haben die Kollegen gar nicht zugehört, sie haben Zeitung gelesen. Wenn Sie in den letzten Tagen die Zeitungen gelesen hätten, dann hätten Sie nicht von Schauerthesen, von phantastischen Zahlen, von der Volkskammer und von den Berliner Ereignissen so geredet, wie es anscheinend nur Ihre Zeitungen berichten.
Sie sprechen von phantastischen Zahlen. Sie haben sich selbst widerlegt. Wenn Sie von der Demobilisation von 40 000 Volkspolizisten reden — das deuteten Sie doch hier an —, so muß die Annahme gerechtfertigt sein, daß nicht die ganze Volkspolizei nach Hause geschickt werden sollte. Wenn aber schon 40 000 demobilisiert werden sollen, muß die Gesamtzahl in der Relation zu den 40 000 stehen. Das heißt, es sind eben jene 180 000, von denen ich eingangs sprach.
Wenn Sie behaupten, daß es Schauerthesen sind, nun, ich habe das Berliner Pfingsttreffen 1950 gesehen, Herr Fisch, vor drei Jahren. Da hieß es immer von den FDJ-Sprechchören: Befreiung Westdeutschlands von dem kapitalistisch-kolonialen Joch des Petersbergs. Wir wissen doch, welcher Art diese Befreiungen sind. Sie beginnen mit der Armbanduhr und enden bei allem, was man hat, beim Leben selbst.
Nur muß ich feststellen, daß im Leipziger Jugendparlament 1952 diese Leute, die damals in Berlin unbewaffnet waren, ihre Karabiner 98 k geschultert trugen; sogar die Mädchen haben sie getragen.
Wenn dann Herr Abgeordneter Fisch vom Volkswillen spricht — er dokumentiert sich meines Erachtens nicht in der Volkskammer, sondern in dem, was sich in Berlin wirklich ereignet hat und was Sie nicht bagatellisieren können — und sagt, daß wir militärische Kräfte des Auslandes zum Schutze dagegen einsetzen wollten und deshalb eine Verstärkung der alliierten Divisionen forderten, — Herr Fisch, in Ost-Berlin werden Panzer der Roten Armee der Sowjetunion zur Unterdrückung des deutschen Volkswillens eingesetzt.
Wenn Sie dann noch davon sprechen wollen, daß wir etwa Streitkräfte zur Unterdrückung des Volkswillens brauchen, — die Photos können wirklich nicht gestellt sein, die uns beinahe dramatisch zeigen, in welcher Verzweiflung sich die Menschen in Ost-Berlin befinden, wie sie sogar in den Tod laufen, indem sie mit bloßen Fäusten und Brechstangen gegen die T 34 angehen.
Aber es gibt gar keine Möglichkeit, diese Dinge so darzustellen. Ich staune nur, Herr Fisch — Sie sind doch ein intelligenter Mann —, wie Sie den Mut und gleichzeitig die Geschmacklosigkeit besitzen können, hier darüber zu sprechen. Ich glaube, die kommunistische Gruppe sollte sich angesichts der Berliner Ereignisse schämen, daß sie überhaupt noch hier sitzt.
Ich darf nun noch zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Menzel einige Angaben machen. Herr Kollege Menzel, Sie• bestätigen, daß das Washingtoner Abkommen noch nicht ausgenutzt ist und daß noch 10 000 Stellen besetzt werden können. Ja, meine Damen und Herren, ist das nicht ein Beweis, daß irgend etwas schief gelaufen ist? Wenn wir seit drei Jahren die Möglichkeit einer Ausschöpfung des Abkommens besitzen und sie nicht ausgenutzt haben, dann ist das doch der Beweis, daß parteipolitische Kämpfe das irgendwie verhindert haben müssen! Ich glaube nicht, daß eine Blockierung der Länderpolizeien durch die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes eintritt.
— Ich komme darauf, Herr Kollege Menzel. — Ich sage deshalb, daß auch andere einen Anteil daran haben, daß dieses Washingtoner Abkommen nicht ausgenutzt worden ist. Das ist ja meine Kritik, daß es an parteipolitischen Streitigkeiten gescheitert ist.
Man kann auch nicht den Finanzminister hier als einen Kronzeugen für die Nichtdurchführbarkeit der Verstärkung anführen. Herr Finanzminister Schäffer wird sich schon seine eigenen Gedanken darüber machen. Im übrigen, wenn Sie an den Türen des Finanzministeriums vielleicht eines Tages die Namen der Kollegen Gülich, Seuffert oder Schoettle stehen haben, wenn also Ihre verehrten Kollegen Finanzminister sein sollten, dann haben Sie einen Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Solange der Name Schäffer aber noch oben steht — und ich hoffe, er wird auch nach dem 6. September stehenbleiben —, so lange überlassen wir es ihm und der Koalition.
Nun, meine Damen und Herren, zum Sicherheitsamt in Koblenz. Leider ist dieses Sicherheitsamt noch in der Lage, zu intervenieren und seine Existenzberechtigung mit den 200 Beamten nachzuweisen, die man hier und da mal Kanonen aus den gelieferten klapprigen amerikanischen Straßenpanzerwagen ausbauen läßt, jene Kanonen, die man bereits im zweiten Weltkrieg scherzhafterweise als Heeresanklopfgeräte bezeichnet hat,
weil sie mit 3,7 cm jedem Panzer auch kleinster Art völlig ungefährlich sind. Wenn wir aber das Sicherheitsamt in Koblenz nicht mehr haben wollen, dann müssen wir dafür sorgen, daß die deutschalliierten Verträge so bald wie möglich in Kraft treten.
Dann wird es verschwinden, und dann sind wir in der Bewaffnung unserer innerstaatlichen Polizeikräfte frei.
Ich sehe also nichts, was gegen die Verstärkung des Bundesgrenzschutzes sprechen könnte, sowohl innerstaatlicher wie auch außenpolitischer Art. Was ich bezüglich der Vernachlässigung der nationalen Sicherheit gesagt habe, halte ich voll aufrecht, und es wird durch das bestätigt, was Herr Kollege Menzel sagte, daß wir leider Gottes nämlich eben nicht das Washingtoner Abkommen ausgenutzt haben. Wir alle haben nun leider bisher die nationale Sicherheit vernachlässigt. Meine Kritik traf ebenso die überspitzten Föderalisten, die Angst um ihre Länderpolizeien hatten, wie auch jene Superpazifisten, die 1949 im Bundestag ein Gesetz zur Verhinderung der Herstellung von Kriegsspielzeug einbrachten, in der Meinung, damit den ewigen Frieden zu erhalten. Sowohl die einen wie die anderen Extremisten habe ich damit gemeint. Die Entwicklung zwingt uns, auf sie keine Rücksicht zu nehmen, sondern ja zu sagen.