Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 4. Februar hat die Koalition hier den Antrag vorgelegt, den Bundesgrenzschutz zu verdoppeln; sie hat für diesen Antrag damals nicht die erforderliche verfassungändernde Mehrheit erhalten.
Der damals gescheiterte Versuch wird nun heute wiederholt, und man verwendet dabei die gleichen Begründungen, die damals schon als unaufrichtig erkannt wurden und die heute abermals dazu dienen, die wirklichen Motive dieser geplanten Maßnahmen zu tarnen.
Der Herr Kollege Mende sprach auch heute wieder über die angeblich bedrohte nationale Sicherheit, und er versuchte, seine Behauptungen heute wie damals mit ähnlich phantastischen Zahlen über den angeblichen Stand der Volkspolizei in der DDR zu begründen. Was will Herr Abgeordneter Mende eigentlich mit diesen Schauerthesen beweisen? Will er damit beweisen, daß man mit Hilfe des Bundesgrenzschutzes bzw. mit dem um 10 000 Mann erhöhten Bestand dieser Truppe die militärische Sicherheit, die jetzt nicht vorhanden sei, herstellen könne? Herr Kollege Mende, Sie treten doch dafür ein, daß die Westmächte ihren Bestand an Divisionen auf deutschem Boden vervielfachen. Sie treten doch dafür ein, daß im Rahmen des EVG-Vertrages deutsche Fremdenlegionärdivisionen aufgestellt werden. Womit wollen Sie ernsthaft die Verdoppelung dieser Grenzschutzformationen begründen, wenn Sie doch für die „echte", wie Sie sagen, Sicherung der „nationalen Existenz" Westdeutschlands die militärischen Formationen des Auslands und eine neue Wehrmacht zu mobilisieren wünschen?
Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn es Ihnen wirklich darum ginge, einer echten Befürchtung vor einer Drohung aus dem Osten Rechnung zu tragen, dann hätten Sie dieser Befürchtung zu einem längst zurückliegenden Zeitpunkt schon Rechnung tragen können. Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Volkskammer der DDR am 30. Januar 1951
dem Bundestag einen Vorschlag unterbreitete, unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen über die zahlenmäßige Stärke, die Bewaffnung und Standortsverteilung der Polizei in ganz Deutschland, darunter auch der Volkspolizei in der Deutschen Demokratischen Republik:
Dabei wird die Deutsche Demokratische Republik, falls es für notwendig erachtet wird, noch vor der Vereinigung Deutschlands eine Herabsetzung der zahlenmäßigen Stärke der Polizei in Ostdeutschland nach den gemeinsam zu vereinbarenden Prinzipien durchführen, die auch für Westdeutschland zu gelten hätten.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es gab eine echte Möglichkeit der Reduzierung der Spannungen und der Regelung der Polizeifrage in ganz Deutschland. Aber Sie wollten davon keinen Gebrauch machen.
Worauf es Ihnen wirklich ankommt, das hat der Minister Lehr hier deutlich gesagt. Er sprach von „anderen als den militärischen Gesichtspunkten". Er sprach von einer „Bewährungsprobe", auf die man sich vorbereiten müsse. Welche Art Bewährungsprobe meint der Herr Minister? Dafür spricht doch wohl sehr deutlich, in welchem Geiste er seine Grenzschutztruppen erziehen läßt und wie die politische Zusammensetzung dieser Truppen aussieht.
Ich möchte Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren: Es läßt sich auch von Ihnen nicht mehr bestreiten, daß wir in der Entwicklung der internationalen Lage seit kurzem eine deutlich veränderte Situation haben, eine Situation, die alle Zeichen einer internationalen Entspannung zeigt. Und auch in der deutschen Frage gibt es wichtige Vorgänge, die auf eine Entspannung hinzielen. Dafür sprechen die von der Regierung der DDR gefaßten Beschlüsse, die das Ziel haben, die Annäherung beider Teile Deutschlands zu erleichtern. Somit ist es eine Tatsache, daß die friedliche Wiedervereinigung des gespaltenen Deutschlands heute in greifbare Nähe gerückt ist.
Und ich möchte Ihnen sagen: Wer in diesem Zeitpunkt für die Verdoppelung des Grenzschutzes eintritt, dem geht es nicht um Schutz und Sicherheit der Bundesrepublik; dem geht es darum, die sich anbahnende Verständigung zwischen den Deutschen zu durchkreuzen und die Lage zu verschärfen.
Sie wollen ein Instrument des kalten Krieges verstärken. Sie wollen damit einen eigentlichen Stoßtrupp des kalten Krieges schaffen.