Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Keine weitere Erklärung? — Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses. Ich lasse ziffernweise abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 der Drucksache Nr. 4363 zuzustimmen wünschen, um ein
Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; Ziffer 1 ist angenommen.
Ich stelle die gleiche Frage zu Ziffer 2. — Ziffer 2 ist angenommen.
Ziffer 3. Wer ist für Ziffer 3? — Niemand! Ich stelle fest, daß Ziffer 3 abgelehnt ist. Eine Gegenprobe erübrigt sich nach der Geschäftsordnung.
Ziffer 4. Wer ist für Ziffer 4? — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Wer ist für Ziffer 5? — Das ist die Mehrheit. Ziffer 6? — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses unter Berücksichtigung der Abstimmungsergebnisse bei den einzelnen Ziffern — das heißt also unter Wegfall der Ziffer 3, um es deutlich zu machen — zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist in dieser Form angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Atzenroth, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Aufwertung von Anleihen der öffentlichen Hand .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit, falls eine Aussprache gewünscht wird, von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth, bitte.
Dr. Atzenroth , Anfragender: Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage meiner Fraktion auf Drucksache Nr. 4305 ist aus der Sorge entstanden, daß die Lösung eines so wichtigen Problems in nicht zu vertretender Weise weiter verzögert wird. Ich darf daran erinnern, daß die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung eine gerechte Lösung des Sparerproblems versprochen hat und daß der Herr Bundesfinanzminister vor dem Unterausschuß für ein Altsparerentschädigung die Erklärung abgegeben hat, er werde dem Bundestag ein Gesetz vorlegen, nach dem eine entsprechende Regelung, wie sie für die aus dem Lastenausgleich zu bedenkenden Altsparer besteht, auch für die Gläubiger von Anleihen der öffentlichen Hand erfolgen solle. Das ist bisher nicht geschehen.
Ich habe dem Herrn Bundesfinanzminister am 27. März, also vor mehr als zwei Monaten, im Auftrage meiner Fraktion geschrieben und ihn um eine Mitteilung darüber gebeten, bis wann mit der Vorlage des angekündigten Entwurfs zu rechnen sei. Es tut mir leid, hier feststellen zu müssen, daß wir auf dieses Schreiben keine Antwort erhalten haben. Uns blieb daher nur der Weg dieser Großen Anfrage offen, um zu der Antwort zu gelangen, die von einem großen Teil der deutschen Wertpapiersparer so dringend gefordert wird.
Wenn überhaupt von. einem Unrecht bei der Währungsreform gesprochen werden kann, so ist es diesem durch unsere Anfrage angesprochenen Kreis zugefügt worden. Der kleinste Aufwertungssatz beträgt bekanntlich 5 %. Auf ihn müssen übrigens die in Westdeutschland lebenden Gläubiger von Berliner Sparkassen immer noch warten. Die Gläubiger des Reiches, der Reichsbahn, der Reichspost und des ehemaligen Landes Preußen sind aber bisher leer ausgegangen. Die Schuldner haben zwar beträcht-
liche Vermögenswerte übernommen, bisher jedoch in keiner Weise den Willen gezeigt, nun auch die darauf lastenden Schulden zu begleichen. Der Bund ist sogar so weit gegangen, die Verbindlichkeiten des Reiches gegenüber ausländischen Gläubigern anzuerkennen und zu regeln — ich erinnere an das Londoner Schuldenabkommen —, aber er versagt sich vorläufig der Regelung für seine inländischen Gläubiger. Soviel zu dem Punkt 1.
Zu dem Punkt 2 unserer Anfrage kann ich mich ganz kurz fassen. Die Forderung nach Gleichstellung mit den im Altsparergesetz berücksichtigten Gläubigern ist vom Herrn Bundesfinanzminister ausdrücklich als berechtigt anerkannt worden. Auch der Unterausschuß für eine Altsparerentschädigung war sich darüber einig, daß hier eine völlig analoge Regelung getroffen werden müsse. Voraussetzung dazu ist aber die in Punkt 1 unserer Anfrage geforderte Umstellung.
Nun wird man mir einwenden, daß unser Verlangen doch fast eine Utopie sei. Der Betrag der Reichsanleihen allein wird auf rund 400 Milliarden Reichsmark geschätzt. Dagegen verschwinden die übrigen Titel. Wenn man sich auf die in Publikumshand befindlichen Titel beschränken wollte, so käme bei einer 10 %igen Aufwertung immer noch die gewaltige Summe von etwa 5 Milliarden DM in Frage. Ich gestehe Ihnen ohne weiteres, daß ich mich für eine Regelung im jetzigen Zeitpunkt nicht einsetzen würde, wenn diese Beträge von den heutigen Steuerzahlern zusätzlich aufgebracht werden müßten. Das kann man von den so überlasteten Bürgern auf keinen Fall verlangen. Aber das ist auch nicht nötig. Selbst bei den sozial schwächsten Gruppen, die auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind, fordert der Staat, daß sie zunächst 31 ihre letzten Vermögensreste veräußern und einsetzen, bevor die Unterstützung wirksam wird.
Warum kann man das gleiche nicht vom Staat verlangen?
Es ist ein geradezu grotesker Zustand, daß derselbe Staat, der sich weigert, seine Schulden zu bezahlen, Vermögen über Vermögen anhäuft. In jedem Jahr werden Steuermittel dazu verwendet, das gewerbliche Vermögen von Bund und Ländern zu vergrößern, und niemand von uns hat eine klare Vorstellung darüber, wie groß dieses Vermögen inzwischen eigentlich geworden ist. Herr Minister Schäffer, ich weiß, daß man in Ihrem Ministerium stets über sehr gute Zahlenunterlagen verfügt und daß man diese Unterlagen immer im geeigneten Moment zur Hand hat, wenn man Argumente unangenehmer Anfragen entkräften will. Aber ich glaube, daß nicht einmal Sie exakt wissen, wie groß dieses Vermögen ist. Sie fordern von jedem Steuerzahler einen bis ins kleinste gehenden Nachweis über seinen Vermögensstand. Warum lassen Sie nicht dieselben Grundsätze auch für den Staat gelten?
Warum verschanzen Sie ,sich hinter die kameralistische Buchführung, die mein Lehrer Professor Schmalenbach schon vor 30 Jahren als ein großes Übel bezeichnet hat? Geben Sie uns recht bald eine ordnungsmäßige Vermögensaufstellung und lassen Sie die durch eigene Buchprüfer überprüfen! Dann wird sich zeigen, daß es sich zu einem großen Teil um Vermögensanlagen handelt, die nicht unbedingt vom Staat betrieben werden müssen. Diese würden als Aktiengesellschaften oder in anderer privatrechtlicher Struktur wahrscheinlich viel wirkungsvoller arbeiten, wenn sie in den frischen Wind der Konkurrenz im Rahmen der Marktwirtschaft kämen, und wenn Sie diese Aktien oder Anteile Ihren Gläubigern übergäben, so ware die Finanzierungsfrage sehr leicht gelöst. Es entstehen nämlich kaum Schwierigkeiten in der Bewertung, denn der Markt sorgt schnell für die Feststellung des wahren Wertes, und Ihre Gläubiger, die durch den Besitz von Wertpapieren entschädigt werden sollen, werden sich mit einer solchen Regelung gern einverstanden erklären. Aber zu einer solchen Lösung muß man sich auch grundsätzlich durchringen.
Was haben Sie alles in Ihrem Besitz, angefangen von Industrieunternehmen wie Automobilfabriken — ich weiß, daß die Besitzverhältnisse hier noch nicht völlig geklärt sind — über Elektrowerke, Aluminiumfabriken, Stickstoffunternehmungen, Steinkohlenzechen, chemische Fabriken usw.! Mir wird auch von bundeseigenen Mühlen berichtet. Was wollen Sie damit eigentlich anfangen bei der Übersetzung, die gerade in diesem Gewerbe herrscht? Ich erinnere Sie daran, daß in der Presse vor noch nicht langer Zeit von einem staatlichen Warenhaus der Sozialisierung gesprochen worden ist. Aber die Tendenz in Ihrem Ministerium geht leider in entgegengesetzter Richtung. Wie könnte man sich sonst mit einer Beteiligung des Bundes an einer deutschsüdamerikanischen Handelsgesellschaft befassen? Ich habe auch Sorgen um die Entwicklung im Rahmen des EVG-Vertrages. Da sollen Pläne zur Errichtung staatlicher Kantinen gerade von Ihrem Ministerium gefördert werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, hier ist größte Wachsamkeit am Platze. Wer auf einem Vermögen sitzt, will nur schwer wieder davon herunter, und gut bezahlte Aufsichtsratsposten locken sehr.
Im Haushaltsjahr 1951/52 sind auf dem gewerblichen Sektor ohne Verkehrsbetriebe 22,5 Millionen DM und im folgenden Haushaltsjahr sogar 45 Millionen DM aus Steuermitteln für solche Zwecke zur Verfügung gestellt worden. Und dann kommt gleich ein weiterer Schritt: Sie brauchen eine eigene Bank, um dieses Vermögen zu finanzieren. Die Öffentlichkeit hat diese Dinge bisher ohne große Anteilnahme verfolgt, weil sie sich im allgemeinen hinter einem Schleier von sehr dürftigen Mitteilungen abgewickelt haben. Sie müssen sich aber darüber klar sein, daß die große Masse des deutschen Volkes eine solche Politik scharf verurteilt. Sie entspricht nicht der Vorstellung, die sich die Mehrheit der Wähler von der sozialen Marktwirtschaft gemacht hat. Hier muß daher eine schnelle und radikale Umkehr erfolgen.
Finanziell kann sich eine solche Wandlung für den Staat nur günstig auswirken. Die Einnahmen, die der Bund aus dem gewaltigen Vermögen zur Zeit bezieht, sind mehr als dürftig. Das wird mit einem Schlage anders werden, wenn die Betriebe nunmehr konkurrenzfähig werden müssen und wenn sie das berechtigte Bestreben erhalten, Gewinne zu erzielen. Dann werden auch Sie und alle Finanzminister davon profitieren, denn es wird Ihnen ja bekannt sein, daß von den Gewinnen der Kapitalgesellschaften der weitaus größte Teil in Form von Steuern an den Staat fließt.
Wenden Sie mir bitte nicht ein, für viele in der Hand des Staates befindliche Unternehmungen sei ein solches Verfahren nicht möglich. Das gebe ich ohne weiteres zu. Aber es bleiben genügend Vermögenswerte. um die in den Punkten 1 und 2
unserer Anfrage geforderten Leistungen zu er- i bringen. Gegen diese Pläne sind schon Vorwürfe erhoben worden, und man hat davon gesprochen, es werde wertvollstes Volksgut an Großspekulanten verschleudert. Das Gegenteil ist richtig. Nach unserem Plan soll eine große, ich glaube, MillionenZahl von deutschen Menschen diese Anteilsrechte erhalten. Dabei handelt es sich zum Teil um Personen, die bei allen unseren sozialen Maßnahmen am schlechtesten weggekommen sind. Die Sozialrenten haben eine Aufwertung erfahren, die vielleicht nicht voll befriedigend ist. Diejenigen Menschen aber, die die Sicherung ihres Lebensabends auf das Sparen in Wertpapieren aufgebaut haben, sind bisher leer ausgegangen. Sie stehen in vielen Fällen schlechter da als jeder Sozialrentner.
Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie mit uns darin einig sind, daß etwas geschehen muß, denn Sie haben es ja selbst versichert. Aber handeln Sie schnell und so, wie man es von einer Regierung erwarten muß, die unter dem Aufruf zur sozialen Marktwirtschaft gewählt wurde und in der Durchführung der sozialen Marktwirtschaft ihre großen Erfolge errungen hat.