Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 hat sich die Bundesregierung zu weitreichenden Verpflichtungen hergegeben.
Sie hat erstens eine Summe von 14,3 Milliarden DM anerkannt, die als Auslandsschuld abzutragen ist. Sie hat zweitens eine weitere Summe von 30 Milliarden DM anerkannt, deren genaue Fixierung später erfolgen und für die der Abtragungsmodus ebenfalls später festgesetzt werden soll. Drittens hat die Bundesregierung in diesem Abkommen einen formellen Verzicht auf das deutsche Auslandsvermögen in Höhe von 20 bis 30 Milliarden DM ausgesprochen. An dieser Tatsache ändert auch nichts, daß der Herr Bundeskanzler heute erklärte, man werde bemüht sein, diesen „schweren Verlust zu mildern". Tatsache bleibt jedenfalls, daß die Verfügung über das Deutsche Auslandsvermögen in das freie Ermessen der Westmächte gestellt ist, wobei höchstens zugestanden wird, daß sie vielleicht diese oder jene Konzession an deutsche Konzernherren machen, um geringe Teile dieses Auslandsvermögens verwerten zu lassen.
Im übrigen entspricht diese Anerkennung genau dem Text des Überleitungsabkommens des Generalvertrages, und zwar dessen Abschnitt VI Art. 3, in dem es heißt:
Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen.
Damit hat die Adenauer-Regierung erneut einen Beweis dafür erbracht, daß sie gewillt ist, für den Preis der Eingliederung Westdeutschlands in das amerikanische Militärpaktsystem nicht nur deutsche Fremdenlegionen zur Verfügung zu stellen, sondern auch Tributleistungen finanzieller Art in ungeheurem Ausmaß anzuerkennen und zu gewährleisten.
Die Bundesregierung hat weiterhin mit ihrer Unterschrift unter das Schuldenabkommen einen neuerlichen Beitrag zur Vertiefung der Spaltung Deutschlands geleistet. In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf Art. 25 des Vertrages hinweisen, in dem es ausdrücklich heißt:
Bei der Wiedervereinigung Deutschlands werden die Parteien dieses Abkommens das Abkommen einer Nachprüfung unterziehen, und zwar ausschließlich mit dem Ziele,
a) die Bestimmungen der Anlagen dieses Abkommens über Anpassungen, die bei bestimmten Schulden im Falle der Wiedervereinigung vorzunehmen sein werden, auszuführen, soweit sie dann nicht ohne weiteres wirksam werden sollen, und
b) die Bestimmungen dieses Abkommens auf die Schulden von Personen auszudehnen, die in dem mit der Bundesrepublik Deutschland wiedervereinigten Gebiet ansässig sind, ...
Das ist das Gegenstück zu Art. VII des Generalvertrages. Auch in diesem Abkommen werden Verpflichtungen für den Teil Deutschlands eingegangen, für den die Bundesrepublik nicht zuständig ist, d. h. für die Deutsche Demokratische Republik. Damit erklärt die Bundesregierung erneut ihre Absicht, das Gebiet der DDR gewaltsam zu erobern und zu unterwerfen.
Da sie aber weiß, daß die Aussicht gering ist, mit Mitteln der Gewalt durchzudringen, hat diese Klausel die Bedeutung eines Sperriegels gegen die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands.
Dieser Sinn des Abkommens ergibt sich auch aus seiner Gesetlichte. Im September 1950 haben die westlichen Außenminister in New York ein Abkommen geschlossen, das die Bundesrepublik nicht nur zur Bereitstellung von Truppenkontingenten für eine europäische Armee verpflichtete, sondern ihr auch eine Blankoverpflichtung auferlegte zur Abtragung seiner Vorkriegs- und Nachkriegsschulden in einer Höhe und mit einem Modus, die allein von den Westmächten zu bestimmen sind. Diesem Beschluß der westlichen Außenminister entsprach dann die am 23. Oktober 1950 ergangene Aufforderung an die Bundesregierung, auch formal diese Verpflichtung selbst anzuerkennen. Diesem Beschluß entsprach der alliierte Vordruck für einen Antworttext, mit dem die Bundesregierung die Anerkennung dieser Forderung zu unterschreiben habe, und die Bundesregierung hat sich auch beeilt, den von den Alliierten vorgelegten Text genau so zu schreiben.
Darum hat der Brief, den die Bundesregierung entsprechend dem vorgeschriebenen alliierten Text dann am 6. März 1951 an die Adresse der Hohen Kommissare abschickte, nur den Sinn einer Ausführungsbestimmung zu dem Abkommen der Außenminister der Westmächte in New York, und auch das jetzt vorliegende sogenannte Vertragswerk stellt somit eine Ausführungsbestimmung des Westalliierten Abkommens von New York dar, also eine Ausführungsbestimmung für den Plan zur Remilitarisierung Westdeutschlands und für die Spaltung Deutschlands.
Der Herr Bundeskanzler hielt es für nötig, sich für die sogenannte Hilfe zu bedanken, die die Amerikaner uns geleistet haben, und vor allem dafür, daß wir nur verpflichtet seien, lediglich 37 % dieser „großzügigen Hilfe" zurückzuzahlen. Herr Bundeskanzler, Sie haben wohl noch nichts davon gehört, daß allein aus der Zwangsexportverpflichtung für deutsche Kohle und der Abnahmeverpflichtung für amerikanische Kohle andererseits der Bundesrepublik ein materieller Schaden und den Amerikanern ein materieller Gewinn entsteht, der die ganze Summe der Marshall-Hilfe übersteigt? Haben Sie sich etwa auch für diese großartige „Hilfe" bedankt? Sie wissen doch, daß in diesem Abkommen z. B. auch die Anerkennung der Zurückzahlung der Schulden ausgesprochen ist, die aus der Lieferung der sogenannten StEG-Waren entstanden sind, also jener Lieferungen von alten BDM-Jacken, von Hunderttausenden Paaren linker Schuhe, von türkischen Lumpen und ähnlichem Zeug, das die Amerikaner hier billig loswerden wollten. Haben Sie sich auch dafür bedankt, Herr Bundeskanzler, daß für jene großzügige „Hilfeleistung" jetzt eine Schuld von 825 Millionen festgelegt wird?
Zum Schluß noch ein Wort zur Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion. Herr Kollege Gülich hat erklärt, die Stellung seiner Fraktion sei noch offen. Ich verstehe nicht ganz, wie er das mit dem „noch offen" meint. Ich habe eine andere Auffassung davon. Ich meine, die SPD hat sich bereits festgelegt. Zwar hat der verstorbene Vorsitzende Ihrer Partei in einer Pressekonferenz in Bonn am 16. Dezember 1950 zum Schuldenanerkennungsvorhaben der Bundesregierung erklärt:
Der Bundeskanzler ist zu einem solchen Schritt moralisch und politisch nicht legitimiert. Eine solche Unterschrift des Bundeskanzlers würde gegen den erkennbaren Widerstand des deutschen Volkes geleistet.
Aber schon zwei Monate später, am 16. Februar 1951, haben Ihre Vertreter, Herr Kollege Gülich, im Auswärtigen Ausschuß der Antwort des Bundeskanzlers an die Westmächte zugestimmt. Und wissen Sie nichts darüber, daß am 27. März dieses Jahres der Bundesrat den Schuldenabkommen einstimmig und ohne Debatte seine Zustimmung gegeben hat,
also mit den Stimmen aller dort anwesenden sozialdemokratischen Minister? Ich frage Sie: Was ist denn da an Ihrer Stellungnahme noch „offen"? Sie haben doch schon ja gesagt!
Sie machen nur noch eine Komödie. Sie wollen hier in diesem Hause, wo Sie sich der Mehrheit der Jasager sicher sind, kleine formelle Einwände erheben, um bessere Chancen für den Wahlkampf zu haben, während Sie im Bundesrat, wo Sie die Möglichkeit hätten, die Dinge zu verhindern, ja sagen, genau so, wie Sie sich in der Frage des Generalvertrags und des EVG-Vertrags verhalten.
Die kommunistische Fraktion erklärt, daß sie das Abkommen der Bundesregierung in keiner Hinsicht anerkennt. Sie erklärt, daß die Schuldenanerkennung der Bundesregierung keinerlei Rechtskraft besitzen kann, denn unser Volk fühlt sich weder verpflichtet noch ist es gewillt, Leistungen zu tragen, die aus der Unterwerfung einer gewissenlosen Regierung unter fremde Kolonialsklaverei entstehen. Unser Volk will nichts zu tun haben mit der Rückzahlung von Rüstungsgeldern, die in den zwanziger Jahren den Krupp und Thys-
sen zur Vorbereitung des Krieges geleistet wurden, und unser Volk will nichts zu tun haben mit einer sogenannten „Hilfe", die nur den einen Zweck verfolgt, die Bundesrepublik wirtschaftlich zu unterwerfen, die Spaltung Deutschlands aufrechtzuerhalten und aus Westdeutschland ein gefügiges Objekt für die amerikanische Kolonial- und Kriegspolitik zu machen. Aus diesem Grunde lehnt die kommunistische Fraktion die Vorlage ab.