Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Föderalistische Union — Bayernpartei-Zentrum — hält das abgeschlossene Vertragswerk, das uns nunmehr zur Beurteilung vorliegt, für ein — wie man auch sonst darüber denken mag — sehr vierdienstliches Werk. Die Arbeit, die da geleistet worden ist, war sehr mühevoll. Die Regelung der Schulden war für unsere internationalen Beziehungen zu den Gläubigerländern überfällig und dringend notwendig. Es sei also vorab unser Dank namentlich der Kommission ausgesprochen, die so gründliche und sorgfältige Arbeit geleistet hat. Es ist ein dringendes Bedürfnis und unterstützt über das Moralische und Ethische hinaus auch unsere Kreditwürdigkeit und den Willen unserer früheren Gläubiger, mit uns weiter zusammenzuarbeiten, erheblich, daß wir nunmehr an eine loyale Anerkennung und an eine loyale Abtragung unserer alten Verbindlichkeiten herangehen und sie regeln.
Dabei ist aber die Frage zu prüfen — und der gute Wille, unsere Verbindlichkeiten zu erfüllen, ändert daran nichts —, ob man dabei nicht auf seiten der Gläubigerländer und auch auf der eigenen Seite die Leistungsfähigkeit unserer Nation nicht vielleicht überschätzt hat. Schon der Herr Kanzler hat darauf hingewiesen, daß das Wirtschaftsvolumen und damit die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht mit dem bzw. der früher sehr viel größeren des Deutschen Reiches gleichzusetzen sind. Wir müssen uns aber dabei auch vor Augen halten, daß wir es uns nicht leisten können, zu unterstellen, die derzeitige Grundlage unserer Leistungsfähigkeit werde immer dieselbe bleiben. Wir haben zunächst zu berücksichtigen, daß unsere Wirtschaft sich zur Zeit auf einer für die Zukunft keineswegs sicheren Grundlage bewegt, nämlich auf der einer auf einer gewissen Konjunktur beruhenden Vollbeschäftigung, von der wir nicht wissen, wie lange sie noch anhält. Man mag darüber streiten, ob das, was wir heute haben, echte Vollbeschäftigung ist; aber es kommt jedenfalls diesem Zustand nahe.
Es ist sehr bedenklich, zu glauben, das müsse nun für alle Zukunft so bleiben. Die Aufbauverpflichtungen, die Aufgaben, die uns nach dem verlorenen Kriege und der totalen Zerstörung unseres Landes und unserer Wirtschaft erwachsen sind, lasten wie eine schwere Hypothek auf unserem Volk und vor allen Dingen auf unserer Wirtschaft. Der anhaltende und sich verstärkende Flüchtlingsdruck muß berücksichtigt werden. Wir stehen vor völlig unübersehbaren Aufgaben, deren wir Herr werden müssen. Wir können uns das allein schon wegen der Notwendigkeit einer leistungsfähigen Volkswirtschaft — neben allem anderen; auch von der politischen Seite darf man nicht absehen —, nicht leisten, den Lebensstandard unseres Volkes zu senken. Wir müssen uns auch darüber klar sein, daß gerade wegen der gesunkenen Kaufkraft die Versorgungsberechtigten aus diesen zwei Kriegen ein Absinken der ihnen zukommenden Leistungen nicht ertragen können.
Einer meiner Vorredner hat soeben schon richtig gesagt: Es ist nur ein beschränkter Teil des Aufkommens aus unserer Volkswirtschaft frei verfügbar; alles übrige ist von zwingenden Notwendigkeiten bestimmt. Leider ist dabei zu berücksichtigen, daß das Ausmaß unserer inneren Verschul-
dung von unseren Verhandlungspartnern bis jetzt kaum richtig erkannt werden konnte. Vor allen Dingen lag die Last des Lastenausgleichs, als diese Verhandlungen unternommen und sogar als sie abgeschlossen wurden, noch völlig unerkennbar, namentlich für ausländische Gläubiger, vor uns. Das Lastenausgleichsgesetz kam zu spat, um im Ausland die Erkenntnis begründen zu können, in welchem Maße eine innere Verschuldung noch über die Währungsreform hinaus auf dem Staat liegengeblieben ist. Und das Lastenausgleichsgesetz ist auch unzulänglich, einmal, weil man die Höhe der Verschuldung, die sich daraus ergibt, nur schätzen, aber noch nicht zahlenmäßig genau erfassen kann, und weil vor allen Dingen die Altspareraufwertung dabei noch nicht berücksichtigt worden ist, an der wir auf keinen Fall vorbeigehen dürfen.
Es kommt noch hinzu, daß die öffentliche Verschuldung dem Ausland gegenüber geringer erscheinen muß, als sie ist, weil die öffentliche Hand in Deutschland hinsichtlich der Finanzierung ihrer Aufgaben nach unserer Auffassung einen falschen Weg beschritten hat. Man hat sich viel zu sehr bemüht, aus den laufenden Steuermitteln heraus die Aufgaben zu bewältigen, als daß, wie das früher üblich war, langfristige Aufgaben durch langfristige Investitionen gedeckt wurden, die dann nur verzinst und amortisiert werden mußten.
So kann sowohl im Inland als auch im Ausland der Eindruck entstehen, daß zur Zeit von allen Ländern der Welt das Bundesgebiet die geringste innere Schuldenlast zu tragen habe. Nichts wäre unrichtiger als das, zumal wir besonders — sei es nun in dieser oder jener Form — mit der Möglichkeit noch ansteigender Verteidigungslasten zu rechnen haben.
Wir bedauern ferner, daß es nicht gelungen ist, das deutsche Auslandsvermögen zur Abtragung unserer Verbindlichkeiten in Einsatz zu bringen. Denn wenn wir selbst mit einer klaren Anerkennung unserer Schulden, mit einer klaren Anerkennung des Rechts der Gläubiger und der Idee des Privateigentums uns hier vor die Weltöffentlichkeit stellen, dann sollten wir auf der anderen Seite aber auch erwarten, daß sich die ausländischen Gläubigerstaaten dazu verstehen, die Grundsätze des Völkerrechts hinsichtlich der Wahrung des privaten Eigentums anzuerkennen. Daß das nicht geschehen ist, ist nun eine Folge der Auseinandertrennung der zusammengehörenden Komplexe, die sich einmal nicht vermeiden läßt. Dieser Umstand stellt uns indessen vor Aufgaben, die wir berücksichtigen müssen, wenn wir im Ausschuß demnächst an die Beratung dieses Komplexes herangehen.
Ein Anliegen liegt uns dabei besonders am Herzen. Es ist im Bundesrat in der 104. Sitzung vom 27. März schon angeklungen, als dort der Antrag akzeptiert wurde:
Die Bundesregierung wird mit Rücksicht darauf, daß durch das Abkommen über die deutschen Auslandsschulden sich bei den echten Remboursschulden Fälligkeiten ergeben, ersucht, die Verhandlungen über eine angemessene Regelung solcher Fälle beschleunigt zum Abschluß zu bringen.
Hier klingt das Transferproblem an. Es ist zwar gut, daß eine Konsultationsklausel verabredet ist. Aber, sie ist, wie Herr Professor Gülich soeben gesagt hat, zu vage, sie ist nicht substantiiert und tatbestandsmäßig umrissen. Es sind keine objektiven
Merkmale festzustellen, sondern lediglich subjektive und sehr starke Ermessensfragen spielen dabei herein. Wir haben sehr schlechte Erfahrungen mit solchen Dingen gemacht. Und wenn man auch auf die Dynamik der Tatsachen und auf die Einsicht der führenden Persönlichkeiten in aller Welt vertrauen kann, so müssen wir doch auf die schlechten Erfahrungen hinweisen, die wir mit dem Dawes-und dem Youngplan nach dem ersten Weltkrieg gemacht haben. Auch der Youngplan sah sich zunächst als eine Verbesserung unserer Situation an. Er hatte aber letzten Endes den Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft, die Deflationspolitik, die Arbeitslosigkeit und damit das Großwerden des Nationalsozialismus zur Folge. Es muß von Anfang an mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß wir es uns nicht leisten können, die Fehler von damals zu wiederholen.
Das sind die Gesichtspunkte, nach denen wir bei voller Anerkennung des Grundsatzes, der diesen Verträgen zugrunde liegt, und der Grundidee, die für sie leitend gewesen ist, in den Ausschußberatungen mitarbeiten wollen. Wir stimmen der Überweisung an einen besonderen Ausschuß zu.