Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch die Normalisierung der Beziehungen der Bundesrepublik zu den Staaten der übrigen freien Welt in wirtschaftlicher Beziehung bereits weit fortgeschritten ist, so erscheint es doch schon auf den ersten Blick als anomaler Zustand, daß auf einem so grundlegenden Gebiet wie dem der Schuldenregelung noch Verhältnisse herrschen, die keineswegs dem Fortschritt der letzten Jahre in Hinsicht auf die wirtschaftlichen Beziehungen entsprechen. Ich bin infolgedessen nicht der vom verehrten Kollegen Dr. Gülich ausgedrückten Meinung, daß die Bundesregierung gewissermaßen voreilig gehandelt habe, wenn sie auf eine schnelle Lösung dieses Problems gedrängt und dazu die nötigen Schritte unternommen hat. Der Zustand war doch folgender: Nicht erst während des Krieges, sondern auch in den Jahren vorher war z. B. die Bedienung der Auslandsschulden nicht mehr vertragsgemäß, und seit 1945 war von irgendwelcher Verzinsung oder Tilgung, geschweige denn einer Gesamtrückzahlung alter Schulden nicht mehr die Rede, und die neuen Schulden auf Grund der Wirtschaftshilfe hingen völlig in der Luft. Schon — das ist hier von Vorrednern bereits betont worden — die Wiederkehr der Vertragstreue und die Rückkehr zum Eigentumsbegriff erforderten eine Regelung. Der Zustand des zahlungsunfähigen Schuldners, in dessen Rolle unsere Bundesrepublik geraten war, mußte doch ein Ende finden, ein Ende, das nach Lage der Dinge nur ein Vergleich sein konnte. Als solchen müssen wir daher das Londoner Abkommen auch sehen und werten.
Im Verhältnis der Völker miteinander ist es doch nicht anders als im Geschäftsleben: Neue wirtschaftliche Beziehungen zwischen einem bankrotten Schuldner und seinen früheren Geschäftspartnern stehen so lange auf völlig unsicherer Basis, als die alten Verpflichtungen nicht bereinigt sind. Daß die Kapitalarmut unserer Bundesrepublik, die nach einer Aufbesserung durch finanzielle Hilfe auf der Basis echter Verträge, sei es der öffentlichen Hand — ich denke z. B. an die Bundesbahn —, sei es von privaten Unternehmungen, also auf kommerzieller Basis, geradezu schreit, nicht abgestellt werden kann ohne eine faire Regelung der bisherigen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland, ist dabei selbstverständlich.
Das umfangreiche Vertragswerk als Ergebnis langwieriger Verhandlungen versucht der deutschen Situation gerecht zu werden. Es wäre dabei doch eine einseitige Betrachtung, wollte man nicht anerkennen, daß auf der anderen Seite mit sehr viel Geduld bisher stillgehalten worden ist und daß in dem Abkommen von allen ausländischen Gläubigern Opfer gebracht worden sind. Es ist gelungen, praktisch alle Gläubiger unter einen Hut zu bringen. Das sollte uns, glaube ich, damit aussöhnen, daß man dabei zwischen ehemaligen Kriegsgegnern und Neutralen keinen Unterschied gemacht hat. Es wäre ja auch nicht angegangen, einzelnen Gläubigerländern dadurch letzten Endes eine bessere Position uns gegenüber zu ermöglichen, daß man sie nicht in die generelle Regelung einbezogen hätte.
Eine grundsätzliche Betrachtung dieser generellen Regelung, zu der unsere. Zustimmung von der Bundesregierung begehrt wird, müßte unseres Erachtens vor allem zwei Gesichtspunkte umfassen. Erstens: War unter den gegebenen Verhältnissen zu unserem Gunsten noch mehr zu erreichen?, und zweitens: Sind die Lasten, die uns das Abkommen in seiner Gesamtheit auferlegt, für uns wirtschaftlich tragbar?
Ich darf zum ersten Punkt kurz sagen: Es ist leicht, Kritik zu üben, vor allen Dingen für solche, die nur allzu gern der Tatsache sich verschließen, daß das Ansehen Deutschlands auch in der uns befreundeten Welt noch lange nicht so gefestigt ist, als daß man in solchen Verhandlungen uns nicht mit teilweise sehr starken Vorurteilen gegenüberträte. Zudem darf man nicht vergessen, daß Verträge, an denen nicht weniger als 31 Länder unmittelbar beteiligt sind, immer nur ein Kompromiß darstellen können, ein Kompromiß zwischen Leistungsfähigkeit des Schuldners und — das muß man dabei immer wieder anmerken — den verbrieften Rechten der Gläubiger. Wir glauben — ohne hierbei der eingehenden Prüfung auf der Ausschußbasis vorgreifen zu wollen —, daß man in den langwierigen und zähen Verhandlungen, die sich auf dem Verhandlungsergebnis von 1951 über die Nachkriegsschulden mit aufbauen mußten, doch das erreicht hat, was man von der deutschen Delegation angesichts der äußerst schwierigen und detaillierten Problemstellung billigerweise erwarten konnte.
Dabei ist gerade für meine Fraktion eines besonders unbefriedigend. Vorhin ist mehrfach betont worden, daß es nicht gelungen ist, bei der Schuldenregelung auch eine Behandlung der deutschen Auslandsvermögen zu erreichen, die gegenüber der bisherigen, als besondere Härte empfundenen, eine Verbesserung bedeutet hätte. Es war doch ein Gebot der Gerechtigkeit, zur Abdeckung der Schulden solche Vermögenswerte des Schuldners zunächst heranzuziehen, die sich in Gläubigerhänden befinden, statt es einfach bei der Konfiskation dieser Werte zu belassen. Wir bedauern dabei gleichfalls, daß die angestrebte globale Regelung, die ohne Zweifel per Saldo für uns günstiger gewesen wäre, nicht hat erreicht werden können. Das Abkommen sieht, wie bekannt, Einzelregelungen der verschiedenen Schuldengruppen vor und ist auch dementsprechend gegliedert. Es handelt sich, wie Ihnen bekannt ist, um ein gesamt-multilaterales Abkommen und verschiedene bilaterale Verträge. Schließlich ist es dabei doch gelungen, die Vorkriegsschulden — die Zahlen sind bereits genannt worden — von rund 131/2 Milliarden auf etwa 7,3
Milliarden herunterzusetzen. Dabei dürfen Sie natürlich nicht vergessen, daß die Regelung der kommerziellen Schulden nicht so günstig ist wie die Regelung der Schulden der öffentlichen Hand.
Zu dem zweiten Problem, zu der Frage der wirtschaftlichen Tragbarkeit der sich aus dem Abkommen ergebenden Lasten habe ich kurz folgendes zu sagen. Entscheidend sind natürlich die Annuitäten, die Jahresleistungen, einmal in Hinsicht auf ihre Höhe in D-Mark, andererseits in bezug auf die Frage des Transfers. Das Transferproblem
— das ist für jeden, der mit der Materie auch nur einigermaßen vertraut ist, selbstverständlich
— ist das Entscheidende. Unsere mühsam aufgebauten Währungsreserven können hierfür keinesfalls in Anspruch genommen werden. Es ist klar, daß nur vermehrte Exportüberschüsse — und zwar angesichts sinkender Weltmarktpreise mengenmäßig gesteigerter und ausgedehnter Außenhandel
— den Transfer verbürgen. Auch in den bekanntlich in bezug auf die Annuitäten begünstigten ersten fünf Jahren ist die Größenordnung von 567 Millionen DM derart, daß es alle Anstrengungen kosten wird, um hiermit fertig zu werden. Auf den Art. 34, die Konsultations- und Revisionsmöglichkeit, möchte ich in diesem Zusammenhang nur kurz hinweisen. Die Annuitäten, an denen die öffentliche Hand mit rund zwei Dritteln, die Privatschuldner etwa mit einem Drittel beteiligt sind, stellen gegenüber dem bisherigen Zustand ohne Zweifel eine zusätzliche ernste Belastung dar. Es gibt aber für einen Schuldner keinen anderen Ausweg, als im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit seine Verpflichtungen in der Form von Annuitäten abzutragen. Wir dürfen wohl hoffen, daß unsere Leistungsfähigkeit für die vorgesehenen Raten ausreicht. Was die Belastungen des öffentlichen Haushalts, in erster Linie des Bundes, angeht, so tragen wir an dieser neuen Last besonders schwer. Der prozentuale Anteil dieser Last ist im Verhältnis zum Gesamthaushaltsvolumen nicht erschrekkend. Ich muß aber immer wieder daran erinnern, in welch hohem Maße, nämlich in Höhe von über 80 %, der Bundeshaushalt unelastisch und für festliegende große Aufgaben in Anspruch genommen ist, so daß jede zusätzliche Belastung aus dem verhältnismäßig kleinen, noch zur Verfügung stehenden Restbetrag gedeckt werden muß. Auch der privaten Wirtschaft werden die Lasten angesichts der hohen Gesamtbelastung, die bereits zugunsten der öffentlichen Hand besteht, Kummer genug machen.
Ich darf mit einigen kurzen Worten dahin zusammenfassen: Wir sind uns der Schwere der Last und insbesondere des Risikos des Transfers durchaus bewußt. Wir halten es aber für unser Ansehen wie für unseren Kredit für unumgänglich notwendig, zu einer Regelung der Frage der Auslandsschulden, und zwar möglichst schnell, zu gelangen. Sie muß umfassend sein, und sie muß tragbar sein. Wir werden die sehr umfangreichen und detaillierten Abkommen im einzelnen noch zu prüfen haben, stehen aber heute nicht an, zu erklären, daß wir im Grundsatz den in London vereinbarten Regelungen zustimmen. Wir sehen sie — wie schon seitens des Herrn Bundeskanzlers betont worden ist — als einen wesentlichen Beitrag zur Vertiefung der Zusammenarbeit der freien Welt an. Der Geist ihrer Durchführung wird zum Prüfstein für den Willen aller werden, zum gemeinsamen Ziel zu gelangen.