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ID0126200800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 262. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953 12747 262. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 12748D, 12780A Erste Beratung der Entwürfe von Gesetzen betr. Abkommen über Deutsche Auslandsschulden, die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutschamerikanischen Gemischten Kommission, die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland, die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 (Nr. 4260 der Drucksachen) 12749A Dr. Adenauer, Bundeskanzler : . 12749C Dr. Kopf (CDU) 12752C Dr. Gülich (SPD) 12756B Jaffé (DP) 12758A Dr. Reismann (FU) 12759C Fisch (KPD) 12760C Dr. Preusker (FDP) 12762A Dr. Etzel (Bamberg) (Fraktionslos) 12763A Scharnberg (CDU) 12763D Mellies (SPD) 12763D Überweisung an einen Sonderausschuß 12764A Zur Geschäftsordnung, betr. Mittagspause: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12764B Mellies (SPD) 12764C Erste Beratung des Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes (Nr. 4225 der Drucksachen) 12764C Storch, Bundesminister für Arbeit 12764C Freidhof (SPD) 12766A Frau Kalinke (DP) 12766D Renner (KPD) 12767D Arndgen (CDU) 12768C Erler (SPD) 12769B Dr. Atzenroth (FDP) 12769C Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Kriegsopferausschuß 12770B Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ehren, Arnholz, Stegner, Löfflad, Mayerhofer u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nr. 4224 der Drucksachen) 12748D, 12770C Ehren (CDU), Anfragender . . . . 12770C Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . . . 12771C Unterbrechung der Sitzung . . . . 12772D Erste Beratung des von den Abg. Dr. Decker, Dr. Besold u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz (Nr. 4226 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Freiherr von Aretin, Dr. Reismann u. Gen. betr. Volksentscheid in der Pfalz (Nr. 4227 der Drucksachen) 12748D, 12772B Dr. Decker (FU), Antragsteller . . 12772B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12773B Eberhard (FDP) 12774A Wagner (SPD) 12774D Neber (CDU) 12776C Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) . . . 12777A Niebergall (KPD) 12778A Freiherr von Aretin (FU) 12778B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 4243 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr 4286 der Drucksachen) 12749A Dr. Atzenroth (FDP): als Berichterstatter 12779C als Abgeordneter 12782B Seuffert (SPD) 12780B Kunze (CDU) 12781B Dr. Reismann (FU) 12782B Wackerzapp (CDU) 12783A Abstimmungen 12780A, 12783D Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesfernstraßengesetzes (Nr. 4248 der Drucksachen) 12783D Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 12783D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Haferaufkauf (Nrn. 4236, 4036 der Drucksachen) 12784A Tobaben (DP), Berichterstatter . 12784A Beschlußfassung 12784B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Freiherrn von Aretin (Nr. 4257 der Drucksachen) 12784B Müller (Hessen) (SPD), Berichterstatter 12784B Beschlußfassung 12784D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abg. Langer (Nr. 4258 der Drucksachen) . . . 12784D Abgesetzt 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Privateisen bahnen (Nr. 4228 der Drucksachen) 12785A Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wiedereinführung des § 397 AVG in der britischen Zone (Nr. 4223 der Drucksachen) 12785A Frau Kalinke (DP) 12785B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Nachwuchs für supranationale Behörden (Nr. 4222 der Drucksachen) 12785C Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß, den Haushaltsausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß 12785C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Familienbeirat (Nr. 4229 der Drucksachen) 12785D Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12785D Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) 12785D Dr. Bertram (Soest) (FU), Antragsteller (schriftliche Begründung) 12785D, 12790 Dr. Schöne (SPD) . . . 12786A, 12789C Dr. Preusker (FDP) 12787C Dr. Meitinger (FU) 12789A Loritz (Fraktionslos) 12789A Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 12789D Bildung der Gruppe Wirtschaftliche Aufbauvereinigung 12789D Nächste Sitzung 12780A, 12789D Anlage: Schriftliche Begründung des Abg. Dr. Bertram (Soest) zum Antrag der Fraktion der FU betr. steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nrn. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) . . 12790 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 262. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Bertram (Soest) (Umdruck Nr. 878) zum Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) (Nr. 4230 der Drucksachen) betreffend Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Unser Antrag wurde zu einem Zeitpunkt vorgelegt, als die Untersuchungen eines internationalen .Ausschusses noch nicht begonnen hatten. Dieser internationale Ausschuß wurde am 5. März 1953 beauftragt, von der Hohen Behörde des Kohle- und Stahlpools auf folgende Fragen zu antworten: Da die Umsatzsteuern in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft verschieden sind, welches wären dann für das Funktionieren des gemeinschaftlichen Marktes die wirtschaftlichen Folgen: a) eines Systems a, das durch Befreiungen bei der Ausfuhr und durch Ausgleichsabgaben bei der Einfuhr die Erzeugnisse mit den im Bestimmungslande geltenden Umsatzsteuern belasten würde, b) eines Systems b, bei welchem auf die Erzeugnisse, gleichgültig wohin sie innerhalb des gemeinsamen Marktes geliefert werden, aus- schließlich die im Ursprungslande geltenden Umsatzsteuern zur Anwendung kämen? Der internationale Ausschuß, unter dem Vorsitz von Professor Tinbergen und nach Anhörung aller beteiligten Länder, ihrer Organisationen und ihrer maßgebenden Fachleute, ist zu dem einstimmigen Votum gelangt, daß man die Gesamtheit der direkten und indirekten Steuern, also das Steuersystem eines Landes, abwägen müsse, wenn man auch nur die Wirkungen bei der Ausfuhr gewährter Befreiungen, Erstattungen und Ausgleichsabgaben für das Marktgeschehen beurteilen wolle. Von dieser These ausgehend kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß Maßnahmen, die nötig werden sollten, sobald der gemeinschaftliche Markt eintritt, um Funktionsstörungen durch steuerliche Folgewirkungen zu vermeiden, nicht in die Kompetenz der Hohen Behörde, sondern der einzelnen Regierungen fallen. Zu der gleichen Schlußfolgerung waren die Antragsteller vor dem internationalen Tinbergen-Ausschuß gelangt. Die Hohe Behörde kann zwar Zölle und zollähnliche Steuern beseitigen, nicht jedoch kann sie Befreiungen, Rückvergütungen und Ausgleichsabgaben ändern, die nur dazu dienen, Inlandsbelastungen der Ware mit Steuern indirekter oder direkter Art auszugleichen. Diese Maßnahmen sollen die Startgleichheit herstellen, nicht wie Zölle ungleichmäßig wirken. Die Ermittlungen des Tinbergen-Ausschusses haben auch die Frage geprüft, ob nicht über das erlaubte Maß des Ausgleichs hinausgehende steuerliche Manipulationen festzustellen seien. Es hat sich ergeben, daß die Befreiungen ebenso wie die Ausgleiche überall gegenwärtig niedriger sind als die Gesamtbelastung durch, die Steuer auf den Umsatz. Es ist nach der Überzeugung der Antragsteller jedoch notwendig, die negative Feststellung über die Befugnisse der Hohen Behörde zu benutzen, den Weg nach Europa nunmehr weiterzugehen, indem man sich in den nationalen Parlamenten über eine Methode zur Vereinheitlichung des Steuersystems berät und entsprechende Beschlüsse faßt. Die nationalen Gewalten sind es, die nunmehr ihre Steuersysteme nach gemeinsamen Leitideen zu ordnen hätten. Daß die Europäische Gemeinschaft ohne Unterstützung der Mitgliedstaaten auf weiteren als den Vertragsgebieten große Schwierigkeiten erfahren wird, war unsere Überzeugung schon bei der Beschlußfassung über das Vertragswerk: Jetzt gilt es, den zweiten Schritt zu tun! Wenn deshalb die Bundesregierung eine entsprechende steuerliche Ermächtigung erhalten soll, so soll sie diese Ermächtigung in die Lage versetzen, durch Verhandlungen mit den anderen vertragschließenden Staaten eine steuerrechtliche Vereinbarung zu treffen, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes ermöglicht. Die Hohe Behörde wird ein entsprechendes Ersuchen an die Mitgliedstaaten richten. Mit Absicht wurde es vermieden, über steuerrechtliche Einzelheiten sowie über Einzelheiten der voraussichtlich eintretenden Marktstörungen zu berichten. Diese Fragen sollten, schon um internationale Verstimmungen zu vermeiden, in einem Sonderausschuß behandelt werden. Im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen schlagen wir einen 7er Ausschuß vor, in dem die antragstellende Fraktion als Antragsteller vertreten wäre. Wir beantragen daher: 1. Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses, 2. Überweisung unseres Antrags an diesen Ausschuß. Bonn, den 20. April 1953 Dr. Bertram (Soest)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Geschäftsordnung ist zwar voll Genüge getan, indem diese 215 Seiten umfassende Druckschrift eine Woche vor der Behandlung im Parlament in die Fächer der Abgeordneten gelegt worden ist; aber es ist doch zu fragen, ob bei einer so schwierigen und verwickelten Materie die Abgeordneten des Bundestags nicht früher unterrichtet werden sollten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das Studium dieser Originaldokumente ist um so notwendiger, als die Zeitungen bisher außerordentlich unzulänglich berichtet haben. Jedenfalls konnte die Lektüre von einigen Hundert Zeitungsausschnitten kein Bild vermitteln von dem, was im Londoner Schuldenabkommen wirklich geschehen ist. Wenn eine so seriöse Zeitung wie das „Handelsblatt" oder eine Wochenschrift wie der „Volkswirt" — der ja auch große Ansprüche an sich stellt — so schief, so falsch, so unzulänglich berichten, so muß uns das doch zu denken geben, und wir sind hier wie in vielen anderen Fällen in der Hauptsache auf die „Neue Zürcher Zeitung" und die „Tat" angewiesen.

    (Hört! Hört!)

    Der erste Eindruck nach der Lektüre des Vertragswerks ist der, daß die deutsche Delegation unter Hermann A b s gut zusammengesetzt und gut geführt ist und daß sie mit Geschick und Erfolg verhandelt hat.

    (Zuruf des Abg. Renner: Ei, ei, der Herr Abs! Ist der auch schon reif für die Aufnahme in die SPD-Fraktion?)

    Was wir nicht wissen, aber gerne wissen möchten,
    ist, nach welchen Richtlinien des Herrn Bundeskanzlers die Delegation ihre Arbeit getan hat.
    Ich will in der ersten Lesung nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern mich auf wenige Anmerkungen beschränken. Der zentrale Punkt des gesamten Abkommens ist ja die wirtschaftliche Tragfähigkeit, und zwar sowohl was die Aufbringung des gewaltigen Schuldendienstes im Inneren als auch was den Transfer ins Ausland betrifft. Es ist hier die Frage zu stellen, ob sowohl die innere Aufbringung wie die Übertragung ins Ausland ohne wirtschaftliche, soziale und politische Schwierigkeiten durchgeführt werden können. Man vermißt in dem Vertragswerk eine Transferschutzklausel mit objektiven Merkmalen. Es wird deshalb zu fragen sein, ob die Bestimmungen über den Transfer in Art. 9 und die Konsultativklausel in Art. 34 des Vertragswerkes und die entsprechenden Artikel 6 bzw. 8 in den zweiseitigen Abkommen mit USA und Großbritannien, ferner in dem Abkommen mit Frankreich den tatsächlichen Bedürfnissen genügen. Diese Frage wird bei den Ausschußarbeiten ganz besonders beraten werden müssen.
    Dann verdient eine besondere Beachtung die Frage der sogenannten „Ballons", d. h. der auf einmal fälligen Rückzahlungen der Anleihen zwischen 1960 und 1978. Wahrscheinlich werden solche „Ballons" nur mit neuen Anleihen an alte oder neue Schuldner zu bezahlen sein. Auch diese Frage wird bei den Ausschußberatungen besonders beachtet werden müssen. Wir werden die gesamten Lasten bei Aufbringung und Transfer während der Laufzeit des Abkommens prüfen müssen, da eine Koordination mit den anderen Belastungen in diesem Abkommen vermißt wird.
    Die Basis für dieses Abkommen bildet der Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Hohen Kommissaren vom 6. März 1951. In diesem Briefwechsel ist klar zum Ausdruck gebracht, daß er durch das Parlament ratifiziert werden muß. Das hat der Herr Bundeskanzler aber leider unterlassen. Daß die Ratifizierung implizite jetzt geschieht, ist zwar richtig, hat aber den Herrn Bundeskanzler nicht von der Verpflichtung entbunden, unmittelbar nach diesem Briefwechsel vom 6. März 1951 das Parlament mit der Sache zu befassen und die Genehmigung des Parlaments einzuholen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es ist doch überhaupt zu fragen, ob bei Abkommen von so entscheidender Bedeutung das Parlament nicht vorher unterrichtet werden sollte, damit es in der Lage ist, seine Zustimmung zu den großen Linien, nach denen verhandelt werden soll, zu geben. Das haben wir nicht nur hier, sondern auch bei anderen, bei allen Fragen von außenpolitischer Bedeutung vermißt. Es wäre auch zu wünschen, daß der Regierungschef in allen solchen Fragen mit der Opposition rechtzeitig Fühlung aufnehmen würde.
    Ich möchte noch ein paar Anmerkungen mehr grundsätzlicher Art hinzufügen: Dieses Abkommen über die deutschen Auslandsschulden steht in derselben Perspektive und unterliegt mithin denselben Kriterien wie die Verträge von Bonn und Paris. Wie diese Verträge, stellt das Abkommen einerseits eine Liquidation der Vergangenheit, andererseits eine Verpflichtung dar, die weit in eine unsichere und unüberschaubare Zukunft reicht. In einem


    (Dr. Gülich)

    Zeitpunkt, in dem die außenpolitischen Weltfronten in Bewegung geraten sind und eine Lösung der deutschen Frage zumindest möglich erscheint, drängt sich die Regierung der Bundesrepublik geradezu danach, dem deutschen Volke schwere und unübersehbare Verpflichtungen aufzuerlegen, bevor die völkerrechtliche, die politische und die wirtschaftliche Zukunft Gesamtdeutschlands auch nur in Umrissen sichtbar wird. Wir haben jede Frage, nicht zuletzt auch das Problem des Londoner Schuldenabkommens, unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie es auf die deutsche Wiedervereinigung wirkt, ob es sie fördert oder hindert.

    (Sehr gut! bei der SPD.) Verpflichtungen solcher Art setzen einen Grundbestand fester Aspekte voraus, die eine Abschätzung der Tragfähigkeit für solche Verpflichtungen erlauben, wie sie nur ein Friedensvertrag oder wenigstens eine klare. Sicht auf künftige Entwicklungen, inbesondere auf die Frage etwaiger Reparationsverpflichtungen, ermöglicht. Dies gilt schon für ein besiegtes Land wie das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg, das eine Schulden- und Reparationslast übernehmen mußte und übernahm, der es gar nicht gewachsen sein konnte. Um so mehr gilt das für ein Volk, das mit der unendlich größeren Belastung des Zusammenbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg eine schwerwiegende und sowohl politisch als auch wirtschaftlich belastende Bündnisverpflichtung auf sich nehmen will, die ebenfalls unübersehbare Zukunftslasten aufbürdet. Wenn diese Bündnisverpflichtung, wie ja immer betont wird, auf gleichberechtigter Partnerschaft beruht, folgt daraus, daß der frühere Gegner das Schulden- wie das Verpflichtungsverhältnis des neuen Partners komplex, im ganzen, betrachten muß, nicht aber isoliert.

    Der Begriff der Verpflichtung bringt es mit sich, daß man nicht mehr übernimmt, als man äußerstenfalls zu leisten verantworten kann. Jede Vabanquepolitik, die sich auf die unsichere Zukunft verläßt, wäre nach beiden Seiten verantwortungslos. Niemand leugnet — und wir wären die letzten, die es tun würden — unsere moralische und faktische Verpflichtung, Schulden anzuerkennen und abzutragen, auch solche der Vorkriegszeit. Im Rahmen der Partnerschaft, die wir eingehen sollen, ist jedoch die einseitige Perspektive der Frage von „Schuld" und „Recht", wie sie die Drei Mächte oft üben, sehr gefährlich. Es muß ein gerechter, d. h. ein lebensfähiger Ausgleich zwischen Verschuldung und Bündnisfähigkeit gefunden werden, ein Ausgleich, wie er in dem doppelpoligen Ausdruck „Verpflichtung" enthalten ist.
    Die Frage nach der Verantwortlichkeit, der Verpflichtung, die der Bundesrepublik auferlegt wird, erscheint nach beiden Seiten offen. Man kann hier die Frage nicht außer acht lassen, ob die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme der deutschen Auslandsguthaben und der deutschen Auslandsvermögen mit der echten Partnerschaft auf Tod und Leben vereinbar ist;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    man wird vielmehr sagen müssen, daß diese Fragen nur insgesamt gelöst werden können. Man müßte von der Bundesregierung gewissermaßen einen Gesamtlastenplan erwarten. Hierzu werden wir dem Herrn Bundeskanzler in den Ausschußberatungen noch ganz konkrete Fragen stellen. Was heute schon offenbar scheint, ist die gefährliche Tatsache, daß man auf beiden Seiten eben
    nicht über den gesamten Komplex der deutschen Auslandsverpflichtungen, sondern, wie ich schon andeutete, über die einzelnen Sparten und Lasten besonders verhandelte und daß überhaupt nicht alle Verpflichtungen geregelt wurden. Das gilt z. B. für die Reparationsforderungen, die zwar formell nicht vor dem Friedensvertrag erhoben werden sollen, auf die man aber andererseits bisher auch nicht verzichtete. Das gilt weiterhin — ich will es im einzelnen nicht aufzählen — für die sogenannten Altschulden, die noch zu regeln sind. Das gilt vor allem für den Finanzvertrag und die finanziellen Bestimmungen des EVG-Vertrags. Das gilt für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Montanunionpakt, für das Abkommen mit Israel und für die zahlreichen individuellen Restitutions-forderungen. Die erhoffte Anerkennung der Bundesrepublik als Wirtschaftspartner und die Wiederherstellung des Vertrauens in die deutsche Vertragstreue würden aber in Frage gestellt, wenn wir Verpflichtungen übernehmen, die unerfüllbar sind. Es ist leider nicht so, wie Herr Kollege Kopf vorhin ausführte, daß mit dem Londoner Schuldenabkommen ein Schlußstrich unter die Vergangenheit gesetzt wird;

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    sondern es ist vielmehr so, daß noch sehr viele zähe Verhandlungen geführt werden müssen und daß noch sehr viel Einsicht auf der Seite der Alliierten erweckt werden muß, bis wir einmal zu einem solchen Schlußstrich — hoffentlich — kommen werden.
    Dieses Schuldenabkommen ist so umfangreich, so gewaltig, daß ich glaube, daß es in der Finanzgeschichte keine Parallele dafür gibt. Solche Abkommen können nur dann wirklich Vertrauen für Deutschland erwerben, wenn eine breite parlamentarische Mehrheit solchen Abkommen zustimmt. Die Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion ist noch offen. Wir werden uns intensiv an den Ausschußberatungen beteiligen, und wir werden von dem Ergebnis dieser Beratungen unsere endgültige Stellungnahme zu diesem Vertragswerk abhängig machen.
    Herr Kollege Kopf hat den Gedanken, den ich ihm gestern sagte und der ein Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion ist, freundlicherweise aufgegriffen. Wir waren in unserer Fraktionssitzung vorgestern der Meinung, daß bei einem Vertragswerk von so großer außenpolitischer Bedeutung unter allen Umständen der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten die Federführung haben muß.

    (Abg. Mellies: Sehr richtig!)

    Wenn man nun aber bedenkt, daß auch die Ausschüsse Haushalt, Finanzen und Steuern, Geld und Kredit, Wirtschaftspolitik und Außenhandel mitberaten sollten, dann würden wir, falls wir diese Vorlage federführend an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, mitberatend an die eben genannten fünf Ausschüsse überweisen, nach unserer Meinung einen Fehler begehen. Wir würden die Verabschiedung des Vertragswerks über Gebühr hinauszögern. Deshalb kamen wir zu dem Ergebnis: nur Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, was ich hiermit beantrage, und diesem Ausschuß jedoch dann die Auflage zu geben, daß er einen Arbeitskreis bildet, dem sachverständige Mitglieder seines eigenen Ausschusses und der übrigen genannten Ausschüsse angehören. Ein solcher Arbeitskreis würde sich im


    (Dr. Gülich)

    wesentlichen auf die finanziellen, die rechtlichen und die technischen Fragen des Vertragswerkes beziehen, während die eigentliche Beratung über das außenpolitisch Wichtige beim Auswärtigen Ausschuß läge. Ich wäre also dem Hohen Hause dankbar, wenn es diesem Antrag zustimmen würde, da durch Annahme dieses Antrags die schnelle Verabschiedung und die gute Beratung im Auswärtigen Ausschuß und in dem Arbeitskreis gewährleistet ist.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, ist Ihre Meinung, daß dieser Arbeitskreis zahlenmäßig begrenzt sein soll?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich glaube, Herr Präsident, man müßte ihn schon siebenundzwanzigköpfig machen, aber auch nicht größer; also in der Größe eines normalen großen Ausschusses.