Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 6. März 1951 richtete die Bundesregierung aus Anlaß der ersten Revision des Besatzungsstatuts an die Alliierte Hohe Kommission ein Schreiben, in dem sie sich bereit erklärte, die Haftung für die deutschen Vorkriegsschulden und für die Wirtschaftshilfe, die seitens der alliierten Mächte nach dem 8. Mai 1945 gewährt worden ist, zu übernehmen. Noch am selben Tage wurde dieses Schreiben der Bundesregierung durch die Alliierte Hohe Kommission bestätigt. In ihrem Schreiben hat die Bundesregierung auf den fundamentalen Grundsatz hingewiesen, daß der allgemeinen Lage der Bundesrepublik und den Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt und ihrer Zahlungsfähigkeit Rechnung zu tragen sei. Sie hat an einer weiteren Stelle dieses Schreibens ausgesprochen, daß die allgemeine Lage, die Zunahme der Lasten der Bundesrepublik und die Minderung ihrer volkswirtschaftlichen Substanz bei der Schuldenregelung Berücksichtigung finden müssen. Die Alliierte Hohe Kommission hat diesen maßgebenden Grundsatz ihrerseits anerkannt. Sie hat diesen Briefwechsel vom 6. März 1951 als die Beurkundung eines Abkommens bezeichnet. Dieser Schriftwechsel bildet einen Teil des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages und ist als solcher vom Deutschen Bundestag in drei Lesungen genehmigt worden. Er bildet ferner einen Teil des vorliegenden Schuldenabkommens und wird erneut der Beschlußfassung des Bundestages unterworfen werden.
Die Bundesregierung hat sich in diesem grundlegenden Schreiben erneut zum Grundsatz der Identität und der Kontinuität des deutschen Staates bekannt. Wenn die Bundesregierung in demselben Schreiben auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung
ihrer Herrschaftsgewalt Bezug genommen hat, so steht und stand diese Bezugnahme keineswegs in Widerspruch zu dem Grundsatz der Identität des deutschen Staatswesens. Diese Bezugnahme auf die beschränkte Territorialgewalt bedeutet keineswegs, daß etwa, wie von anderer Seite gelegentlich behauptet worden ist, auf dem Gebiete des früheren deutschen Staates Teilstaaten entstanden seien, die Teilhaftungen gegenüber Gläubigern übernommen hätten. Sie bedeutet vielmehr, daß die Bundesrepublik, die mit dem deutschen Staat identisch ist und ihn fortführt, in der Lage eines Erben steht, der auch der Rechtsnachfolger des Erblassers ist, dem aber die Rechtsordnung gestattet, eine Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß herbeizuführen. In ähnlicher Weise hat die Bundesrepublik auf die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf ihre territoriale Beschränkung und auf die wirtschaftlichen und finanziellen Veränderungen innerhalb ihres Gebietes Bezug genommen.
Die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Bundesrepublik sich durch dieses Schreiben vom 6. März 1951 bereit erklärt hat, war groß, schwierig und undankbar. Die Größe und die Schwierigkeit dieser Aufgabe kommt vielleicht zum Ausdruck in der drastischen, aber doch aufschlußreichen und etwas pessimistisch klingenden Äußerung eines sehr maßgebenden Mitgliedes dieses Hohen Hauses — es war nicht der Herr Bundeskanzler —, der damals zu dem Leiter der deutschen Delegation gesagt hat: „Herr A b s , wenn Sie ein schlechtes Ergebnis haben sollten, werden Sie an einem Birnbaum aufgehängt, und wenn Sie gut abschneiden, an einem Apfelbaum." Ich glaube, wir sollten den Pessimismus der damaligen Äußerung Lügen strafen, indem wir heute von dieser Stelle aus dem Leiter der deutschen Delegation für die Schuldenverhandlungen und seinen Mitarbeitern für die außerordentlich schwierige und nervenaufreibende, über viele Monate sich hinziehende Arbeit den Dank des Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen.
Diese Arbeit war schwierig und kompliziert einmal durch die Vielzahl der Verhandlungspartner. Außer den drei beteiligten alliierten Hauptmächten waren nicht weniger als 31 Länder an den Verhandlungen der Londoner Schuldenkonferenz beteiligt. Das Abkommen, das Ihnen vorliegt, ist mit 20 Staaten abgeschlossen worden, und nicht weniger als 65 Staaten sind zum Beitritt aufgefordert.
Die Arbeit war weiterhin schwierig durch die Vielfältigkeit der Auslandsverpflichtungen, die sich nach den Verpflichtungsarten, nach ihrem Entstehungszeitpunkt und nach ihren Gläubigerländern unterscheiden. Sie war schwierig durch die Vielfalt der Schulden-Kategorien; handelte es sich doch um Schulden des Staates, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts, der privaten Industrieunternehmungen, um Stillhalteschulden und um zahlreiche weitere Schulden, die in der vierten Empfehlung behandelt worden sind. Die Vielfalt der zu regelnden Beziehungen drückt sich auch in der Komplexität des Vertragswerks aus, das Ihnen heute in einer Zahl von etwa 230 Seiten vorliegt und das neben dem großen und umfassenden multilateralen Vertrag mit 20 Ländern nicht weniger als sechs andere Abkommen mit Einzelstaaten enthält.
Die Prinzipien, welche der Schuldenregelung zugrunde liegen sollten, sind in dem Bericht der Londoner Schuldenkonferenz vom August 1952 einstimmig angenommen worden. Die Grundlage für das Zustandekommen dieses Abkommens bildete die Erklärung der drei alliierten Mächte, durch die sie sich grundsätzlich zur Herabsetzung ihrer Nachkriegsforderung bereit erklärten, falls eine befriedigende und gerechte Regelung der Vorkriegsschulden erreicht werde. In diesen Prinzipien ist erneut zum Ausdruck gekommen, daß die allgemeine Wirtschaftslage der Bundesrepublik und die Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt berücksichtigt werden müssen. Es sollten unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzlage vermieden werden. Es sollte eine übermäßige Inanspruchnahme deutscher Devisenquellen unterbleiben. Es sollte keine mehr als vorübergehende Inanspruchnahme von Währungsreserven Platz greifen, und der Transfer der Zahlungen sollte genau wie der Transfer anderer Zahlungen für laufende Transaktionen durch Deviseneinnahmen aus Exporten gedeckt werden. Diese Zahlungsbilanzlage sollte weiterhin durch internationale Zusammenarbeit im Sinne einer liberalen Handelspolitik erleichtert werden. Der Welthandel sollte ausgeweitet und die freie Konvertierbarkeit der Währungen sollte erstrebt werden.
Im Vertrauen auf die Durchführbarkeit dieser Prinzipien sind die Nachkriegsschulden dank dem Entgegenkommen der drei Hauptgläubigerländer wesentlich ermäßigt worden. Die USA haben nicht weniger als 2 Milliarden Dollar der Nachkriegsschulden nachgelassen, Großbritannien die Forderung von 200 Millionen Pfund auf 150 Millionen, Frankreich von 16 auf 11,8 Millionen Dollar ermäßigt. Es würde ein Versäumnis bedeuten, wenn wir nicht in dieser Stunde und von dieser Stelle aus den Dank des deutschen Volkes einmal für die Gewährung dieser Nachkriegshilfe, durch die die Wiedergesundung der deutschen Wirtschaft ermöglicht worden ist, und zweitens für das großzügige Entgegenkommen bei der Streichung eines wesentlichen Teils dieser Verpflichtungen zum Ausdruck bringen wollten.
Erst nachdem durch diese Senkung der Nachkriegsschulden eine Grundlage für weitere Verhandlungen geschaffen worden ist, war es möglich, in langwierigen und zeitraubenden Verhandlungen eine Ermäßigung der Grundlage der Vorkriegsschulden von einer Goldbasis von 13,5 auf 7,3 Milliarden zu erreichen. Kein Gläubiger kann in den ersten fünf Jahren sowohl Zinsen als auch Amortisation verlangen. Die Durchführung dieses Grundsatzes hat bewirkt, daß die Vereinigten Staaten auf die Zinsleistungen von 93 Millionen DM in den ersten fünf Jahren verzichtet und dadurch zu einer Senkung der Annuitäten beigetragen haben. Aus laufenden Überschüssen der Handels- und Dienstleistungsbilanz sollen die laufenden Annuitäten gedeckt werden; sie sollen in Handels- und Zahlungsabkommen Aufnahme finden.
Von ganz besonderer Bedeutung ist Art. 34 des Schuldenregelungsabkommens, der für den Fall einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Konsultation vorsieht. Auf Ersuchen der Bundesregierung oder eines Gläubigerstaates soll eine erneute Beratung stattfinden. Hierbei sollen die maßgeblichen wirtschafts-, finanz- und währungspolitischen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, insoweit sie die Transferfähigkeit beeinflussen. Eine ähnliche Bestimmung in einer noch stärkeren Fassung ist in Art. VI des Abkommens mit
den USA über die Regelung der Ansprüche aus der Nachkriegs-Wirtschaftshilfe eingefügt worden. Neben dieser umfassenden Gesamtregelung des Schuldenregelungsabkommens mit 20 Staaten ist eine Reihe von bilateralen Verträgen und Sonderregelungen getroffen worden.
Besonderer Erwähnung bedürfen die Abkommen, die mit unseren beiden Nachbarländern Dänemark und der Schweiz getroffen worden sind, Ländern, mit denen uns nicht nur die enge geographische Nachbarschaft, sondern auch freundnachbarliche Beziehungen verbinden und in der Zukunft verbinden sollen. Das Land Dänemark hat in der Nachkriegszeit durch die Aufnahme der deutschen Flüchtlinge dem deutschen Volke einen großen Dienst erwiesen, und es ist auch hier an der Zeit, ihm hierfür den Dank auszusprechen. Auch die Schweiz hat bei der Regelung ihrer Forderungen Verständnis für die deutsche Lage gezeigt, wenn sie auch verständlicherweise auf die Regulierung alter Schuldverpflichtungen Wert gelegt hat.
Wenn wir die Gesamtheit der erzielten Regelung betrachten, so glauben wir sagen zu können, daß das Schuldenregelungsabkommen in Verbindung mit den Sonderabkommen einen Erfolg der Verhandlungsführung darstellt und daß es gelungen ist, Lösungen herbeizuführen, die, im Vertrauen auf eine günstige Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft, noch als tolerabel bezeichnet werden können.
Aber wenn wir diese positive Wertung des Abkommens vornehmen, so mischen sich in den Becher der Freude über das gute Gelingen und den von allen Seiten bekundeten guten Willen auch bittere Wermuttropfen. Trotz der weitgehenden Ermäßigung der Vorkriegs- und vor allem der Nachkriegsschulden ist die von der Bundesrepublik übernommene Last schwer. Die zu tragenden Verpflichtungen belaufen sich auf nicht weniger als 14 Milliarden DM. Zu diesen Verpflichtungen treten die weiteren Verpflichtungen aus dem Israel-Abkommen in Höhe von 3,5 Milliarden DM und aus der individuellen Wiedergutmachung.
Das Abkommen kann nur im Vertrauen darauf gutgeheißen werden, daß die günstige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den künftigen Jahren andauern wird. Aber gerade im Dollarraum können möglicherweise Schwierigkeiten eintreten, wenn sich nicht die Exportmöglichkeit aus Deutschland nach diesem Raum auch in Zukunft günstig gestaltet.
Es muß bedauert werden, daß sich der Grundsatz der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung der deutschen Herrschaftsgewalt, den auch die Gegenseite anerkannt hat, in dem Abkommen nur in unvollkommener Weise hat durchsetzen lassen. Eine Kapitalreduktion, die diesem Grundsatz in vollem Ausmaß gerecht geworden wäre, hat sich leider nicht erzielen lassen. Bei der Berechnung der Zinsen aus den alten deutschen Reichsanleihen, insbesondere der Young- und der Dawes-Anleihe, ist diesem Grundsatz allerdings Rechnung getragen worden; die Bedienung dieser großen Reichsanleihen durch Zinsen und Amortisation ist bis zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung hinausgeschoben worden.
Mit der vollen Übernahme der Verpflichtungen, die die Saar berühren, erkennt die Bundesrepublik die rechtliche Eigenart der Saar als eines Teiles Deutschlands an.
Durch den Verzicht auf die Beibehaltung der Goldklausel ist der territorialen Beschränkung der
Bundesrepublik nicht, wie von der Gegenseite angenommen wurde, ausreichend Rechnung getragen worden; denn die Goldklausel hätte, nachdem der Dollar seinerzeit um 40,6 % gegenüber dem Goldkurs abgewertet worden ist, nicht aufrechterhalten werden können.
Ein weiteres Bedenken betrifft die Frage der Währungsumstellung bei Goldmarkschulden und Reichsmarkschulden mit Goldklausel. In diesen Fällen ist vorgesehen, daß die Umstellung nicht im Verhältnis 10 : 1, sondern im Verhältnis 1 : 1 erfolgt, und zwar dann, wenn es sich um Goldmarkverbindlichkeiten spezifisch ausländischen Charakters handelt. Die deutsche Währungsumstellung des Jahres 1948 geht auf Direktiven der alliierten Mächte zurück. In diesen Umstellungsgesetzen ist das Umstellungsprinzip 10 : 1 grundsätzlich anerkannt und die Umstellung demgemäß durchgeführt worden. Wenn nunmehr in den vorliegenden Verträgen für Angehörige der alliierten Mächte in den genannten Fällen eine begünstigte Währungsumstellung, nämlich im Verhältnis 1 : 1, vorgesehen wird, so wird damit der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung von Inländern und Ausländern zweifellos nicht beachtet. Diese unterschiedliche Behandlung weist vielmehr die Trennungslinie auf, die die Besiegten von den Siegermächten trennt. Der Umstellungsgrundsatz 1 : 1, der bisher nur für die alliierten Mächte galt, ist in den Abkommen ausgedehnt worden auf weitere Länder und Angehörige weiterer Länder, die nicht zu den alliierten Mächten gehören, immer unter der Voraussetzung, daß es sich hierbei um Hypotheken auf Goldmarkbasis oder um Reichsmarkhypotheken mit Goldklausel handelt und daß diese Schuldverpflichtungen einen spezifisch ausländischen Charakter aufweisen. Es handelt sich bei dieser Ausdehnung in erster Linie um die Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger, die in einer Höhe von schätzungsweise 30 Millionen bestehen. So anerkennenswert es ist, daß schweizerische Gläubiger ihr Kapital seit vielen Jahrzehnten immer wieder nach Deutschland ausgeliehen und hierdurch wirtschaftliche Aufbaumöglichkeiten geschaffen und gefördert haben, so kann andererseits doch nicht verkannt werden, daß die Geschichte vieler derartiger Goldmarkhypotheken, die manchmal bis in die Zeit um 1870 zurückreichen, sich als eine Tragödie für die Schuldner entwickelt hat. Diese Schuldner haben zweimal den Verlust ihrer Ersparnisse erlebt. Ihre Häuser sind vielleicht in Trümmer gelegt worden, aber ihre Schulden sind bestehengeblieben.
Das vorliegende Abkommen sieht vor, daß diese Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger wiederum aufleben und in gewissen Fällen neu eingetragen werden können. Hierdurch tritt in vielen Fällen eine Benachteiligung der deutschen Schuldner ein, die sich darauf verlassen haben, daß die Umstellung dieser Goldmarkhypotheken auf Grund der Umstellungsgesetze des Jahres 1948 erfolgt. Diese deutschen Schuldner verlieren insbesondere die Begünstigungen, die ihnen bezüglich ihrer Umstellungsverpflichtungen durch das Lastenausgleichsgesetz eingeräumt worden sind. Es muß daher die Forderung erhoben werden, daß die Bundesrepublik, nachdem sie diese Goldmarkhypotheken zugunsten ausländischer, insbesondere schweizerischer Gläubiger wiederhergestellt hat, die deutschen Schuldner in vollem Umfange für alle Benachteiligungen materieller und finanzieller Art, die ihnen durch diese Maßnahme erwachsen, schadlos hält.
Es ist zu bedauern, ,daß es nicht gelungen ist, einen Kapitalnachlaß auch in dem Abkommen zu erhalten, das die Bundesrepublik mit den USA über die Regelung der Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Überschußgütern, den sogenannten StEG-Gütern, geschlossen hat. Die Gründe, weshalb sich die Vereinigten Staaten zu einem solchen Nachlaß nicht entschlossen haben, sind in der Begründung zur Vorlage dargelegt worden. Es sind haushaltsrechtliche Schwierigkeiten, und es besteht das Bedürfnis, weiterhin gewisse Beträge in Landeswährung zur Verfügung zu haben. Aber gerade in diesem Falle wirkt sich das Fehlen einer Kapitalreduktion als besonders bedauerlich aus; denn die Erlöse aus den StEG-Gütern sind bereits vor der Währungsreform erzielt worden und vielfach untergegangen, und dem Wert der gelieferten Waren in Höhe von rund 216 Millionen Dollar steht eine Deckung nur noch etwa in Höhe eines Viertels dieses Betrages gegenüber.
Eine besondere Sorge hat uns immer der Zusammenhang zwischen den Auslandsschulden und dem Auslandsvermögen bereitet. Die Bundesregierung hat noch im Frühjahr 1951, wenige Wochen nach ihrer grundlegenden Erklärung vom 6. März 1951, der Alliierten Hohen Kommission den Wunsch unterbreitet, daß das deutsche Auslandsvermögen zur Deckung der deutschen Auslandsschulden herangezogen werden möge. Die Alliierte Hohe Kommission hat namens der von ihr vertretenen Mächte diesem Wunsch der Bundesregierung nicht stattgegeben. Auch in der Folgezeit ist diese Haltung der alliierten Mächte unverändert geblieben. Es ist seitens der alliierten Mächte lediglich anerkannt worden, daß die Tatsache des Verlustes des deutschen Auslandsvermögens als ein Faktor anerkannt werden kann, der die deutsche Transferfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinflußt. Diese Feststellung ist für uns betrüblich, und wenn wir uns heute durch den Abschluß dieses Abkommens zu der Anerkennung des Eigentums und auch des Privateigentums feierlich und vor aller Welt bekennen, so können und müssen wir hiermit den Wunsch verbinden, daß dieses Eigentum nicht nur innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland, sondern innerhalb der ganzen Welt und der ganzen Menschheit als ein schutzwürdiges Gut ein für allemal anerkannt und respektiert werden möge.
Wir haben in Verbindung mit der heutigen Behandlung der Schuldenregelungsabkommen einige Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Der Herr Vorsitzende der deutschen Delegation hat bei der Schlußverhandlung in London in unmißverständlicher Weise die Erklärung abgegeben, falls seitens der alliierten Mächte — was wir nicht annehmen können — noch Reparationsansprüche jemals erhoben werden sollten, wäre Deutschland nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen aus den Schuldenregelungsabkommen nachzukommen. Es erscheint wichtig und notwendig, ,daß sich der Deutsche Bundestag diese Erklärung des Leiters der deutschen Schuldenregelungsdelegation zu eigen macht.
Die Schuldenregelung stellt in gewissem Sinne eine Vorwegnahme des Achten Teils des Überleitungsvertrags dar. Es ist richtig, daß die Vertragspartner des Überleitungsvertrags und des Schuldenregelungsabkommens verschiedene sind. Aber auch die drei alliierten Mächte sind Mitvertragspartner des Schuldenregelungsabkommens. Deutschland nimmt somit in diesem Schuldenregelungsabkommen gewisse Verpflichtungen vorweg, die ihm im Achten Teil des Überleitungsvertrags auferlegt werden sollen. Der Sechste Teil des Überleitungsvertrags behandelt das Schicksal des deutschen Auslandsvermögens und eröffnet gewisse, wenn auch bescheidene, Verhandlungsmöglichkeiten für Deutschland mit gewissen Ländern über bestimmte deutsche Auslandsvermögenswerte. Wenn Deutschland sich heute bereit erklärt, zur Wiederherstellung des internationalen Vertrauens gewisse wichtige und weittragende Verpflichtungen, die im Überleitungsvertrag vorgesehen sind, gegenüber den Gläubigerländern und den alliierten Mächten jetzt schon, vor der Ratifikation des Überleitungsvertrags, zu übernehmen, dann darf dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, daß der Bundesrepublik in Würdigung dieser deutschen Bereitschaft zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gestattet werden möge, von den Verhandlungsmöglichkeiten, die ihr im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags bezüglich bestimmter Auslandsvermögenswerte eröffnet sind, schon jetzt und ohne Verzug Gebrauch zu machen. Es dürfte seitens der zuständigen Ausschüsse zu prüfen sein, ob und in welcher Form ein Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet werden soll, einen derartigen Schritt bei den alliierten Mächten zu unternehmen.
Ein weiterer Wunsch ist von mir bereits vorhin angedeutet worden. Es ist notwendig, diejenigen deutschen Schuldner, deren Rechtslage durch den Abschluß des deutsch-schweizerischen Schuldenabkommens verschlechtert wird, in vollem Umfang zu entschädigen. Die Bundesrepublik soll demgemäß verpflichtet sein, den deutschen Schuldner von allen Verbindlichkeiten zu befreien, die ihm über die Verpflichtungen hinaus auferlegt werden, die sich für ihn auf Grund der deutschen Umstellungsgesetze ergeben würden. Die Bundesregierung ist damit befaßt, ein Ausführungsgesetz für die Durchführung der Schuldenregelungsabkommen auszuarbeiten. Es darf der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß dieses Ausführungsgesetz eine vollkommene Schadloshaltung dieser deutschen Schuldner enthält.
Der Ältestenrat hat in Erwägung gezogen, die beschleunigte Prüfung des sehr umfassenden Vertragswerkes einem neu zu bildenden Sonderausschuß zu übertragen. Es gäbe einen anderen Weg, der mir persönlich als der vielleicht glücklichere erscheinen möchte. Ich glaube, ,daß für dieses Vertragswerk, bei dem der Primat des politischen Gesichtspunkts vor dem finanziellen und dem wirtschaftspolitischen anerkannt werden muß, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend sein sollte und daß man ihn beauftragen sollte, in Gemeinschaft mit den anderen beteiligten Ausschüssen eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der möglichst beschleunigt das gesamte Vertragswerk unter den verschiedenen Gesichtspunkten, die aus den verschiedenen Ausschüssen herangebracht werden, geprüft wird. Diese Prüfung sollte eine sorgfältige, aber auch eine beschleunigte sein.
Abschließend darf ich in wenigen Worten nochmals eine Gesamtwürdigung dieses großen Vertragswerks abgeben. Es legt dem deutschen Volke zweifellos große und schwere Opfer auf. In der Geschichte der deutschen Verschuldung, der Nachkriegsverschuldung der beiden Weltkriege, in den jahrelangen Bemühungen, eine Lockerung und Lösung des Schuldenbandes zu erzielen, ist das Spiegelbild eines tragischen Ablaufs der deutschen Geschichte zu erblicken, die durch zwei Katastrophen geführt hat. Es ist der Sinn des Abkom-
mens, einige Jahrzehnte der deutschen Geschichte auf dem finanziellen und finanzpolitischen Gebiet zu liquidieren. In diesem Sinne ist ,das Abkommen in die Vergangenheit gerichtet. Aber es weist zugleich in die Zukunft. Denn es bedeutet zugleich eine Novation von Schuldverpflichtungen, eine Konsolidierung und Fundierung bereits bestehender Schulden, einen Neubeginn, der allerdings mit schweren Hypotheken belastet ist. Es wird somit gleichzeitig ein Schlußstrich unter eine tragische Vergangenheit gezogen und ein neuer Anfang mit schweren Opfern gemacht. Dieser Neubeginn fällt zeitlich zusammen mit dem Zeitpunkt, in dem sich Deutschland anschickt, seine Souveränität wiederzugewinnen und sich in eine neu zu schaffende europäische Ordnung als gleichberechtigter Partner einzufügen. Nach der finanziellen Seite, aber auch nach der Seite der Wiedergewinnung des Vertrauens soll das Abkommen, wie es unter Ziffer 21 des Berichts der Londoner Schuldenkonferenz heißt, „zu der Wiederherstellung des internationalen Kredites Deutschlands durch Neubegründung des Vertrauens in das finanzielle Ansehen und die Verläßlichkeit Deutschlands als Kreditnehmer beitragen". Aber die Bedeutung und der Sinn des Abkommens wächst weit über den Rahmen seiner finanziellen Bestimmungen hinaus. In einer Welt der zerstörten Ordnung sollen alte und bewährte, aber allzuoft vergessene Tugenden als neue Eckpfeiler wiederhergestellt werden, wie ein Rocher de bronze: die Bereitschaft zur Erfüllung übernommener Verpflichtungen, die Respektierung des Eigentums und die Treue zu den Verträgen.