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ID0126200600

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    Deutscher Bundestag — 262. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953 12747 262. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 12748D, 12780A Erste Beratung der Entwürfe von Gesetzen betr. Abkommen über Deutsche Auslandsschulden, die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutschamerikanischen Gemischten Kommission, die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland, die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 (Nr. 4260 der Drucksachen) 12749A Dr. Adenauer, Bundeskanzler : . 12749C Dr. Kopf (CDU) 12752C Dr. Gülich (SPD) 12756B Jaffé (DP) 12758A Dr. Reismann (FU) 12759C Fisch (KPD) 12760C Dr. Preusker (FDP) 12762A Dr. Etzel (Bamberg) (Fraktionslos) 12763A Scharnberg (CDU) 12763D Mellies (SPD) 12763D Überweisung an einen Sonderausschuß 12764A Zur Geschäftsordnung, betr. Mittagspause: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12764B Mellies (SPD) 12764C Erste Beratung des Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes (Nr. 4225 der Drucksachen) 12764C Storch, Bundesminister für Arbeit 12764C Freidhof (SPD) 12766A Frau Kalinke (DP) 12766D Renner (KPD) 12767D Arndgen (CDU) 12768C Erler (SPD) 12769B Dr. Atzenroth (FDP) 12769C Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Kriegsopferausschuß 12770B Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ehren, Arnholz, Stegner, Löfflad, Mayerhofer u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nr. 4224 der Drucksachen) 12748D, 12770C Ehren (CDU), Anfragender . . . . 12770C Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . . . 12771C Unterbrechung der Sitzung . . . . 12772D Erste Beratung des von den Abg. Dr. Decker, Dr. Besold u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz (Nr. 4226 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Freiherr von Aretin, Dr. Reismann u. Gen. betr. Volksentscheid in der Pfalz (Nr. 4227 der Drucksachen) 12748D, 12772B Dr. Decker (FU), Antragsteller . . 12772B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12773B Eberhard (FDP) 12774A Wagner (SPD) 12774D Neber (CDU) 12776C Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) . . . 12777A Niebergall (KPD) 12778A Freiherr von Aretin (FU) 12778B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 4243 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr 4286 der Drucksachen) 12749A Dr. Atzenroth (FDP): als Berichterstatter 12779C als Abgeordneter 12782B Seuffert (SPD) 12780B Kunze (CDU) 12781B Dr. Reismann (FU) 12782B Wackerzapp (CDU) 12783A Abstimmungen 12780A, 12783D Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesfernstraßengesetzes (Nr. 4248 der Drucksachen) 12783D Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 12783D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Haferaufkauf (Nrn. 4236, 4036 der Drucksachen) 12784A Tobaben (DP), Berichterstatter . 12784A Beschlußfassung 12784B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Freiherrn von Aretin (Nr. 4257 der Drucksachen) 12784B Müller (Hessen) (SPD), Berichterstatter 12784B Beschlußfassung 12784D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abg. Langer (Nr. 4258 der Drucksachen) . . . 12784D Abgesetzt 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Privateisen bahnen (Nr. 4228 der Drucksachen) 12785A Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wiedereinführung des § 397 AVG in der britischen Zone (Nr. 4223 der Drucksachen) 12785A Frau Kalinke (DP) 12785B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Nachwuchs für supranationale Behörden (Nr. 4222 der Drucksachen) 12785C Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß, den Haushaltsausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß 12785C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Familienbeirat (Nr. 4229 der Drucksachen) 12785D Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12785D Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) 12785D Dr. Bertram (Soest) (FU), Antragsteller (schriftliche Begründung) 12785D, 12790 Dr. Schöne (SPD) . . . 12786A, 12789C Dr. Preusker (FDP) 12787C Dr. Meitinger (FU) 12789A Loritz (Fraktionslos) 12789A Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 12789D Bildung der Gruppe Wirtschaftliche Aufbauvereinigung 12789D Nächste Sitzung 12780A, 12789D Anlage: Schriftliche Begründung des Abg. Dr. Bertram (Soest) zum Antrag der Fraktion der FU betr. steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nrn. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) . . 12790 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 262. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Bertram (Soest) (Umdruck Nr. 878) zum Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) (Nr. 4230 der Drucksachen) betreffend Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Unser Antrag wurde zu einem Zeitpunkt vorgelegt, als die Untersuchungen eines internationalen .Ausschusses noch nicht begonnen hatten. Dieser internationale Ausschuß wurde am 5. März 1953 beauftragt, von der Hohen Behörde des Kohle- und Stahlpools auf folgende Fragen zu antworten: Da die Umsatzsteuern in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft verschieden sind, welches wären dann für das Funktionieren des gemeinschaftlichen Marktes die wirtschaftlichen Folgen: a) eines Systems a, das durch Befreiungen bei der Ausfuhr und durch Ausgleichsabgaben bei der Einfuhr die Erzeugnisse mit den im Bestimmungslande geltenden Umsatzsteuern belasten würde, b) eines Systems b, bei welchem auf die Erzeugnisse, gleichgültig wohin sie innerhalb des gemeinsamen Marktes geliefert werden, aus- schließlich die im Ursprungslande geltenden Umsatzsteuern zur Anwendung kämen? Der internationale Ausschuß, unter dem Vorsitz von Professor Tinbergen und nach Anhörung aller beteiligten Länder, ihrer Organisationen und ihrer maßgebenden Fachleute, ist zu dem einstimmigen Votum gelangt, daß man die Gesamtheit der direkten und indirekten Steuern, also das Steuersystem eines Landes, abwägen müsse, wenn man auch nur die Wirkungen bei der Ausfuhr gewährter Befreiungen, Erstattungen und Ausgleichsabgaben für das Marktgeschehen beurteilen wolle. Von dieser These ausgehend kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß Maßnahmen, die nötig werden sollten, sobald der gemeinschaftliche Markt eintritt, um Funktionsstörungen durch steuerliche Folgewirkungen zu vermeiden, nicht in die Kompetenz der Hohen Behörde, sondern der einzelnen Regierungen fallen. Zu der gleichen Schlußfolgerung waren die Antragsteller vor dem internationalen Tinbergen-Ausschuß gelangt. Die Hohe Behörde kann zwar Zölle und zollähnliche Steuern beseitigen, nicht jedoch kann sie Befreiungen, Rückvergütungen und Ausgleichsabgaben ändern, die nur dazu dienen, Inlandsbelastungen der Ware mit Steuern indirekter oder direkter Art auszugleichen. Diese Maßnahmen sollen die Startgleichheit herstellen, nicht wie Zölle ungleichmäßig wirken. Die Ermittlungen des Tinbergen-Ausschusses haben auch die Frage geprüft, ob nicht über das erlaubte Maß des Ausgleichs hinausgehende steuerliche Manipulationen festzustellen seien. Es hat sich ergeben, daß die Befreiungen ebenso wie die Ausgleiche überall gegenwärtig niedriger sind als die Gesamtbelastung durch, die Steuer auf den Umsatz. Es ist nach der Überzeugung der Antragsteller jedoch notwendig, die negative Feststellung über die Befugnisse der Hohen Behörde zu benutzen, den Weg nach Europa nunmehr weiterzugehen, indem man sich in den nationalen Parlamenten über eine Methode zur Vereinheitlichung des Steuersystems berät und entsprechende Beschlüsse faßt. Die nationalen Gewalten sind es, die nunmehr ihre Steuersysteme nach gemeinsamen Leitideen zu ordnen hätten. Daß die Europäische Gemeinschaft ohne Unterstützung der Mitgliedstaaten auf weiteren als den Vertragsgebieten große Schwierigkeiten erfahren wird, war unsere Überzeugung schon bei der Beschlußfassung über das Vertragswerk: Jetzt gilt es, den zweiten Schritt zu tun! Wenn deshalb die Bundesregierung eine entsprechende steuerliche Ermächtigung erhalten soll, so soll sie diese Ermächtigung in die Lage versetzen, durch Verhandlungen mit den anderen vertragschließenden Staaten eine steuerrechtliche Vereinbarung zu treffen, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes ermöglicht. Die Hohe Behörde wird ein entsprechendes Ersuchen an die Mitgliedstaaten richten. Mit Absicht wurde es vermieden, über steuerrechtliche Einzelheiten sowie über Einzelheiten der voraussichtlich eintretenden Marktstörungen zu berichten. Diese Fragen sollten, schon um internationale Verstimmungen zu vermeiden, in einem Sonderausschuß behandelt werden. Im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen schlagen wir einen 7er Ausschuß vor, in dem die antragstellende Fraktion als Antragsteller vertreten wäre. Wir beantragen daher: 1. Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses, 2. Überweisung unseres Antrags an diesen Ausschuß. Bonn, den 20. April 1953 Dr. Bertram (Soest)
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    Rede von Dr. Hermann Kopf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 6. März 1951 richtete die Bundesregierung aus Anlaß der ersten Revision des Besatzungsstatuts an die Alliierte Hohe Kommission ein Schreiben, in dem sie sich bereit erklärte, die Haftung für die deutschen Vorkriegsschulden und für die Wirtschaftshilfe, die seitens der alliierten Mächte nach dem 8. Mai 1945 gewährt worden ist, zu übernehmen. Noch am selben Tage wurde dieses Schreiben der Bundesregierung durch die Alliierte Hohe Kommission bestätigt. In ihrem Schreiben hat die Bundesregierung auf den fundamentalen Grundsatz hingewiesen, daß der allgemeinen Lage der Bundesrepublik und den Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt und ihrer Zahlungsfähigkeit Rechnung zu tragen sei. Sie hat an einer weiteren Stelle dieses Schreibens ausgesprochen, daß die allgemeine Lage, die Zunahme der Lasten der Bundesrepublik und die Minderung ihrer volkswirtschaftlichen Substanz bei der Schuldenregelung Berücksichtigung finden müssen. Die Alliierte Hohe Kommission hat diesen maßgebenden Grundsatz ihrerseits anerkannt. Sie hat diesen Briefwechsel vom 6. März 1951 als die Beurkundung eines Abkommens bezeichnet. Dieser Schriftwechsel bildet einen Teil des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages und ist als solcher vom Deutschen Bundestag in drei Lesungen genehmigt worden. Er bildet ferner einen Teil des vorliegenden Schuldenabkommens und wird erneut der Beschlußfassung des Bundestages unterworfen werden.
    Die Bundesregierung hat sich in diesem grundlegenden Schreiben erneut zum Grundsatz der Identität und der Kontinuität des deutschen Staates bekannt. Wenn die Bundesregierung in demselben Schreiben auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung


    (Dr. Kopf)

    ihrer Herrschaftsgewalt Bezug genommen hat, so steht und stand diese Bezugnahme keineswegs in Widerspruch zu dem Grundsatz der Identität des deutschen Staatswesens. Diese Bezugnahme auf die beschränkte Territorialgewalt bedeutet keineswegs, daß etwa, wie von anderer Seite gelegentlich behauptet worden ist, auf dem Gebiete des früheren deutschen Staates Teilstaaten entstanden seien, die Teilhaftungen gegenüber Gläubigern übernommen hätten. Sie bedeutet vielmehr, daß die Bundesrepublik, die mit dem deutschen Staat identisch ist und ihn fortführt, in der Lage eines Erben steht, der auch der Rechtsnachfolger des Erblassers ist, dem aber die Rechtsordnung gestattet, eine Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß herbeizuführen. In ähnlicher Weise hat die Bundesrepublik auf die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf ihre territoriale Beschränkung und auf die wirtschaftlichen und finanziellen Veränderungen innerhalb ihres Gebietes Bezug genommen.
    Die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Bundesrepublik sich durch dieses Schreiben vom 6. März 1951 bereit erklärt hat, war groß, schwierig und undankbar. Die Größe und die Schwierigkeit dieser Aufgabe kommt vielleicht zum Ausdruck in der drastischen, aber doch aufschlußreichen und etwas pessimistisch klingenden Äußerung eines sehr maßgebenden Mitgliedes dieses Hohen Hauses — es war nicht der Herr Bundeskanzler —, der damals zu dem Leiter der deutschen Delegation gesagt hat: „Herr A b s , wenn Sie ein schlechtes Ergebnis haben sollten, werden Sie an einem Birnbaum aufgehängt, und wenn Sie gut abschneiden, an einem Apfelbaum." Ich glaube, wir sollten den Pessimismus der damaligen Äußerung Lügen strafen, indem wir heute von dieser Stelle aus dem Leiter der deutschen Delegation für die Schuldenverhandlungen und seinen Mitarbeitern für die außerordentlich schwierige und nervenaufreibende, über viele Monate sich hinziehende Arbeit den Dank des Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Arbeit war schwierig und kompliziert einmal durch die Vielzahl der Verhandlungspartner. Außer den drei beteiligten alliierten Hauptmächten waren nicht weniger als 31 Länder an den Verhandlungen der Londoner Schuldenkonferenz beteiligt. Das Abkommen, das Ihnen vorliegt, ist mit 20 Staaten abgeschlossen worden, und nicht weniger als 65 Staaten sind zum Beitritt aufgefordert.
    Die Arbeit war weiterhin schwierig durch die Vielfältigkeit der Auslandsverpflichtungen, die sich nach den Verpflichtungsarten, nach ihrem Entstehungszeitpunkt und nach ihren Gläubigerländern unterscheiden. Sie war schwierig durch die Vielfalt der Schulden-Kategorien; handelte es sich doch um Schulden des Staates, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts, der privaten Industrieunternehmungen, um Stillhalteschulden und um zahlreiche weitere Schulden, die in der vierten Empfehlung behandelt worden sind. Die Vielfalt der zu regelnden Beziehungen drückt sich auch in der Komplexität des Vertragswerks aus, das Ihnen heute in einer Zahl von etwa 230 Seiten vorliegt und das neben dem großen und umfassenden multilateralen Vertrag mit 20 Ländern nicht weniger als sechs andere Abkommen mit Einzelstaaten enthält.
    Die Prinzipien, welche der Schuldenregelung zugrunde liegen sollten, sind in dem Bericht der Londoner Schuldenkonferenz vom August 1952 einstimmig angenommen worden. Die Grundlage für das Zustandekommen dieses Abkommens bildete die Erklärung der drei alliierten Mächte, durch die sie sich grundsätzlich zur Herabsetzung ihrer Nachkriegsforderung bereit erklärten, falls eine befriedigende und gerechte Regelung der Vorkriegsschulden erreicht werde. In diesen Prinzipien ist erneut zum Ausdruck gekommen, daß die allgemeine Wirtschaftslage der Bundesrepublik und die Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt berücksichtigt werden müssen. Es sollten unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzlage vermieden werden. Es sollte eine übermäßige Inanspruchnahme deutscher Devisenquellen unterbleiben. Es sollte keine mehr als vorübergehende Inanspruchnahme von Währungsreserven Platz greifen, und der Transfer der Zahlungen sollte genau wie der Transfer anderer Zahlungen für laufende Transaktionen durch Deviseneinnahmen aus Exporten gedeckt werden. Diese Zahlungsbilanzlage sollte weiterhin durch internationale Zusammenarbeit im Sinne einer liberalen Handelspolitik erleichtert werden. Der Welthandel sollte ausgeweitet und die freie Konvertierbarkeit der Währungen sollte erstrebt werden.
    Im Vertrauen auf die Durchführbarkeit dieser Prinzipien sind die Nachkriegsschulden dank dem Entgegenkommen der drei Hauptgläubigerländer wesentlich ermäßigt worden. Die USA haben nicht weniger als 2 Milliarden Dollar der Nachkriegsschulden nachgelassen, Großbritannien die Forderung von 200 Millionen Pfund auf 150 Millionen, Frankreich von 16 auf 11,8 Millionen Dollar ermäßigt. Es würde ein Versäumnis bedeuten, wenn wir nicht in dieser Stunde und von dieser Stelle aus den Dank des deutschen Volkes einmal für die Gewährung dieser Nachkriegshilfe, durch die die Wiedergesundung der deutschen Wirtschaft ermöglicht worden ist, und zweitens für das großzügige Entgegenkommen bei der Streichung eines wesentlichen Teils dieser Verpflichtungen zum Ausdruck bringen wollten.
    Erst nachdem durch diese Senkung der Nachkriegsschulden eine Grundlage für weitere Verhandlungen geschaffen worden ist, war es möglich, in langwierigen und zeitraubenden Verhandlungen eine Ermäßigung der Grundlage der Vorkriegsschulden von einer Goldbasis von 13,5 auf 7,3 Milliarden zu erreichen. Kein Gläubiger kann in den ersten fünf Jahren sowohl Zinsen als auch Amortisation verlangen. Die Durchführung dieses Grundsatzes hat bewirkt, daß die Vereinigten Staaten auf die Zinsleistungen von 93 Millionen DM in den ersten fünf Jahren verzichtet und dadurch zu einer Senkung der Annuitäten beigetragen haben. Aus laufenden Überschüssen der Handels- und Dienstleistungsbilanz sollen die laufenden Annuitäten gedeckt werden; sie sollen in Handels- und Zahlungsabkommen Aufnahme finden.
    Von ganz besonderer Bedeutung ist Art. 34 des Schuldenregelungsabkommens, der für den Fall einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Konsultation vorsieht. Auf Ersuchen der Bundesregierung oder eines Gläubigerstaates soll eine erneute Beratung stattfinden. Hierbei sollen die maßgeblichen wirtschafts-, finanz- und währungspolitischen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, insoweit sie die Transferfähigkeit beeinflussen. Eine ähnliche Bestimmung in einer noch stärkeren Fassung ist in Art. VI des Abkommens mit


    (Dr. Kopf)

    den USA über die Regelung der Ansprüche aus der Nachkriegs-Wirtschaftshilfe eingefügt worden. Neben dieser umfassenden Gesamtregelung des Schuldenregelungsabkommens mit 20 Staaten ist eine Reihe von bilateralen Verträgen und Sonderregelungen getroffen worden.
    Besonderer Erwähnung bedürfen die Abkommen, die mit unseren beiden Nachbarländern Dänemark und der Schweiz getroffen worden sind, Ländern, mit denen uns nicht nur die enge geographische Nachbarschaft, sondern auch freundnachbarliche Beziehungen verbinden und in der Zukunft verbinden sollen. Das Land Dänemark hat in der Nachkriegszeit durch die Aufnahme der deutschen Flüchtlinge dem deutschen Volke einen großen Dienst erwiesen, und es ist auch hier an der Zeit, ihm hierfür den Dank auszusprechen. Auch die Schweiz hat bei der Regelung ihrer Forderungen Verständnis für die deutsche Lage gezeigt, wenn sie auch verständlicherweise auf die Regulierung alter Schuldverpflichtungen Wert gelegt hat.
    Wenn wir die Gesamtheit der erzielten Regelung betrachten, so glauben wir sagen zu können, daß das Schuldenregelungsabkommen in Verbindung mit den Sonderabkommen einen Erfolg der Verhandlungsführung darstellt und daß es gelungen ist, Lösungen herbeizuführen, die, im Vertrauen auf eine günstige Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft, noch als tolerabel bezeichnet werden können.
    Aber wenn wir diese positive Wertung des Abkommens vornehmen, so mischen sich in den Becher der Freude über das gute Gelingen und den von allen Seiten bekundeten guten Willen auch bittere Wermuttropfen. Trotz der weitgehenden Ermäßigung der Vorkriegs- und vor allem der Nachkriegsschulden ist die von der Bundesrepublik übernommene Last schwer. Die zu tragenden Verpflichtungen belaufen sich auf nicht weniger als 14 Milliarden DM. Zu diesen Verpflichtungen treten die weiteren Verpflichtungen aus dem Israel-Abkommen in Höhe von 3,5 Milliarden DM und aus der individuellen Wiedergutmachung.
    Das Abkommen kann nur im Vertrauen darauf gutgeheißen werden, daß die günstige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den künftigen Jahren andauern wird. Aber gerade im Dollarraum können möglicherweise Schwierigkeiten eintreten, wenn sich nicht die Exportmöglichkeit aus Deutschland nach diesem Raum auch in Zukunft günstig gestaltet.
    Es muß bedauert werden, daß sich der Grundsatz der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung der deutschen Herrschaftsgewalt, den auch die Gegenseite anerkannt hat, in dem Abkommen nur in unvollkommener Weise hat durchsetzen lassen. Eine Kapitalreduktion, die diesem Grundsatz in vollem Ausmaß gerecht geworden wäre, hat sich leider nicht erzielen lassen. Bei der Berechnung der Zinsen aus den alten deutschen Reichsanleihen, insbesondere der Young- und der Dawes-Anleihe, ist diesem Grundsatz allerdings Rechnung getragen worden; die Bedienung dieser großen Reichsanleihen durch Zinsen und Amortisation ist bis zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung hinausgeschoben worden.
    Mit der vollen Übernahme der Verpflichtungen, die die Saar berühren, erkennt die Bundesrepublik die rechtliche Eigenart der Saar als eines Teiles Deutschlands an.
    Durch den Verzicht auf die Beibehaltung der Goldklausel ist der territorialen Beschränkung der
    Bundesrepublik nicht, wie von der Gegenseite angenommen wurde, ausreichend Rechnung getragen worden; denn die Goldklausel hätte, nachdem der Dollar seinerzeit um 40,6 % gegenüber dem Goldkurs abgewertet worden ist, nicht aufrechterhalten werden können.
    Ein weiteres Bedenken betrifft die Frage der Währungsumstellung bei Goldmarkschulden und Reichsmarkschulden mit Goldklausel. In diesen Fällen ist vorgesehen, daß die Umstellung nicht im Verhältnis 10 : 1, sondern im Verhältnis 1 : 1 erfolgt, und zwar dann, wenn es sich um Goldmarkverbindlichkeiten spezifisch ausländischen Charakters handelt. Die deutsche Währungsumstellung des Jahres 1948 geht auf Direktiven der alliierten Mächte zurück. In diesen Umstellungsgesetzen ist das Umstellungsprinzip 10 : 1 grundsätzlich anerkannt und die Umstellung demgemäß durchgeführt worden. Wenn nunmehr in den vorliegenden Verträgen für Angehörige der alliierten Mächte in den genannten Fällen eine begünstigte Währungsumstellung, nämlich im Verhältnis 1 : 1, vorgesehen wird, so wird damit der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung von Inländern und Ausländern zweifellos nicht beachtet. Diese unterschiedliche Behandlung weist vielmehr die Trennungslinie auf, die die Besiegten von den Siegermächten trennt. Der Umstellungsgrundsatz 1 : 1, der bisher nur für die alliierten Mächte galt, ist in den Abkommen ausgedehnt worden auf weitere Länder und Angehörige weiterer Länder, die nicht zu den alliierten Mächten gehören, immer unter der Voraussetzung, daß es sich hierbei um Hypotheken auf Goldmarkbasis oder um Reichsmarkhypotheken mit Goldklausel handelt und daß diese Schuldverpflichtungen einen spezifisch ausländischen Charakter aufweisen. Es handelt sich bei dieser Ausdehnung in erster Linie um die Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger, die in einer Höhe von schätzungsweise 30 Millionen bestehen. So anerkennenswert es ist, daß schweizerische Gläubiger ihr Kapital seit vielen Jahrzehnten immer wieder nach Deutschland ausgeliehen und hierdurch wirtschaftliche Aufbaumöglichkeiten geschaffen und gefördert haben, so kann andererseits doch nicht verkannt werden, daß die Geschichte vieler derartiger Goldmarkhypotheken, die manchmal bis in die Zeit um 1870 zurückreichen, sich als eine Tragödie für die Schuldner entwickelt hat. Diese Schuldner haben zweimal den Verlust ihrer Ersparnisse erlebt. Ihre Häuser sind vielleicht in Trümmer gelegt worden, aber ihre Schulden sind bestehengeblieben.
    Das vorliegende Abkommen sieht vor, daß diese Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger wiederum aufleben und in gewissen Fällen neu eingetragen werden können. Hierdurch tritt in vielen Fällen eine Benachteiligung der deutschen Schuldner ein, die sich darauf verlassen haben, daß die Umstellung dieser Goldmarkhypotheken auf Grund der Umstellungsgesetze des Jahres 1948 erfolgt. Diese deutschen Schuldner verlieren insbesondere die Begünstigungen, die ihnen bezüglich ihrer Umstellungsverpflichtungen durch das Lastenausgleichsgesetz eingeräumt worden sind. Es muß daher die Forderung erhoben werden, daß die Bundesrepublik, nachdem sie diese Goldmarkhypotheken zugunsten ausländischer, insbesondere schweizerischer Gläubiger wiederhergestellt hat, die deutschen Schuldner in vollem Umfange für alle Benachteiligungen materieller und finanzieller Art, die ihnen durch diese Maßnahme erwachsen, schadlos hält.


    (Dr. Kopf)

    Es ist zu bedauern, ,daß es nicht gelungen ist, einen Kapitalnachlaß auch in dem Abkommen zu erhalten, das die Bundesrepublik mit den USA über die Regelung der Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Überschußgütern, den sogenannten StEG-Gütern, geschlossen hat. Die Gründe, weshalb sich die Vereinigten Staaten zu einem solchen Nachlaß nicht entschlossen haben, sind in der Begründung zur Vorlage dargelegt worden. Es sind haushaltsrechtliche Schwierigkeiten, und es besteht das Bedürfnis, weiterhin gewisse Beträge in Landeswährung zur Verfügung zu haben. Aber gerade in diesem Falle wirkt sich das Fehlen einer Kapitalreduktion als besonders bedauerlich aus; denn die Erlöse aus den StEG-Gütern sind bereits vor der Währungsreform erzielt worden und vielfach untergegangen, und dem Wert der gelieferten Waren in Höhe von rund 216 Millionen Dollar steht eine Deckung nur noch etwa in Höhe eines Viertels dieses Betrages gegenüber.
    Eine besondere Sorge hat uns immer der Zusammenhang zwischen den Auslandsschulden und dem Auslandsvermögen bereitet. Die Bundesregierung hat noch im Frühjahr 1951, wenige Wochen nach ihrer grundlegenden Erklärung vom 6. März 1951, der Alliierten Hohen Kommission den Wunsch unterbreitet, daß das deutsche Auslandsvermögen zur Deckung der deutschen Auslandsschulden herangezogen werden möge. Die Alliierte Hohe Kommission hat namens der von ihr vertretenen Mächte diesem Wunsch der Bundesregierung nicht stattgegeben. Auch in der Folgezeit ist diese Haltung der alliierten Mächte unverändert geblieben. Es ist seitens der alliierten Mächte lediglich anerkannt worden, daß die Tatsache des Verlustes des deutschen Auslandsvermögens als ein Faktor anerkannt werden kann, der die deutsche Transferfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinflußt. Diese Feststellung ist für uns betrüblich, und wenn wir uns heute durch den Abschluß dieses Abkommens zu der Anerkennung des Eigentums und auch des Privateigentums feierlich und vor aller Welt bekennen, so können und müssen wir hiermit den Wunsch verbinden, daß dieses Eigentum nicht nur innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland, sondern innerhalb der ganzen Welt und der ganzen Menschheit als ein schutzwürdiges Gut ein für allemal anerkannt und respektiert werden möge.
    Wir haben in Verbindung mit der heutigen Behandlung der Schuldenregelungsabkommen einige Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Der Herr Vorsitzende der deutschen Delegation hat bei der Schlußverhandlung in London in unmißverständlicher Weise die Erklärung abgegeben, falls seitens der alliierten Mächte — was wir nicht annehmen können — noch Reparationsansprüche jemals erhoben werden sollten, wäre Deutschland nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen aus den Schuldenregelungsabkommen nachzukommen. Es erscheint wichtig und notwendig, ,daß sich der Deutsche Bundestag diese Erklärung des Leiters der deutschen Schuldenregelungsdelegation zu eigen macht.
    Die Schuldenregelung stellt in gewissem Sinne eine Vorwegnahme des Achten Teils des Überleitungsvertrags dar. Es ist richtig, daß die Vertragspartner des Überleitungsvertrags und des Schuldenregelungsabkommens verschiedene sind. Aber auch die drei alliierten Mächte sind Mitvertragspartner des Schuldenregelungsabkommens. Deutschland nimmt somit in diesem Schuldenregelungsabkommen gewisse Verpflichtungen vorweg, die ihm im Achten Teil des Überleitungsvertrags auferlegt werden sollen. Der Sechste Teil des Überleitungsvertrags behandelt das Schicksal des deutschen Auslandsvermögens und eröffnet gewisse, wenn auch bescheidene, Verhandlungsmöglichkeiten für Deutschland mit gewissen Ländern über bestimmte deutsche Auslandsvermögenswerte. Wenn Deutschland sich heute bereit erklärt, zur Wiederherstellung des internationalen Vertrauens gewisse wichtige und weittragende Verpflichtungen, die im Überleitungsvertrag vorgesehen sind, gegenüber den Gläubigerländern und den alliierten Mächten jetzt schon, vor der Ratifikation des Überleitungsvertrags, zu übernehmen, dann darf dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, daß der Bundesrepublik in Würdigung dieser deutschen Bereitschaft zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gestattet werden möge, von den Verhandlungsmöglichkeiten, die ihr im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags bezüglich bestimmter Auslandsvermögenswerte eröffnet sind, schon jetzt und ohne Verzug Gebrauch zu machen. Es dürfte seitens der zuständigen Ausschüsse zu prüfen sein, ob und in welcher Form ein Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet werden soll, einen derartigen Schritt bei den alliierten Mächten zu unternehmen.
    Ein weiterer Wunsch ist von mir bereits vorhin angedeutet worden. Es ist notwendig, diejenigen deutschen Schuldner, deren Rechtslage durch den Abschluß des deutsch-schweizerischen Schuldenabkommens verschlechtert wird, in vollem Umfang zu entschädigen. Die Bundesrepublik soll demgemäß verpflichtet sein, den deutschen Schuldner von allen Verbindlichkeiten zu befreien, die ihm über die Verpflichtungen hinaus auferlegt werden, die sich für ihn auf Grund der deutschen Umstellungsgesetze ergeben würden. Die Bundesregierung ist damit befaßt, ein Ausführungsgesetz für die Durchführung der Schuldenregelungsabkommen auszuarbeiten. Es darf der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß dieses Ausführungsgesetz eine vollkommene Schadloshaltung dieser deutschen Schuldner enthält.
    Der Ältestenrat hat in Erwägung gezogen, die beschleunigte Prüfung des sehr umfassenden Vertragswerkes einem neu zu bildenden Sonderausschuß zu übertragen. Es gäbe einen anderen Weg, der mir persönlich als der vielleicht glücklichere erscheinen möchte. Ich glaube, ,daß für dieses Vertragswerk, bei dem der Primat des politischen Gesichtspunkts vor dem finanziellen und dem wirtschaftspolitischen anerkannt werden muß, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend sein sollte und daß man ihn beauftragen sollte, in Gemeinschaft mit den anderen beteiligten Ausschüssen eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der möglichst beschleunigt das gesamte Vertragswerk unter den verschiedenen Gesichtspunkten, die aus den verschiedenen Ausschüssen herangebracht werden, geprüft wird. Diese Prüfung sollte eine sorgfältige, aber auch eine beschleunigte sein.
    Abschließend darf ich in wenigen Worten nochmals eine Gesamtwürdigung dieses großen Vertragswerks abgeben. Es legt dem deutschen Volke zweifellos große und schwere Opfer auf. In der Geschichte der deutschen Verschuldung, der Nachkriegsverschuldung der beiden Weltkriege, in den jahrelangen Bemühungen, eine Lockerung und Lösung des Schuldenbandes zu erzielen, ist das Spiegelbild eines tragischen Ablaufs der deutschen Geschichte zu erblicken, die durch zwei Katastrophen geführt hat. Es ist der Sinn des Abkom-


    (Dr. Kopf)

    mens, einige Jahrzehnte der deutschen Geschichte auf dem finanziellen und finanzpolitischen Gebiet zu liquidieren. In diesem Sinne ist ,das Abkommen in die Vergangenheit gerichtet. Aber es weist zugleich in die Zukunft. Denn es bedeutet zugleich eine Novation von Schuldverpflichtungen, eine Konsolidierung und Fundierung bereits bestehender Schulden, einen Neubeginn, der allerdings mit schweren Hypotheken belastet ist. Es wird somit gleichzeitig ein Schlußstrich unter eine tragische Vergangenheit gezogen und ein neuer Anfang mit schweren Opfern gemacht. Dieser Neubeginn fällt zeitlich zusammen mit dem Zeitpunkt, in dem sich Deutschland anschickt, seine Souveränität wiederzugewinnen und sich in eine neu zu schaffende europäische Ordnung als gleichberechtigter Partner einzufügen. Nach der finanziellen Seite, aber auch nach der Seite der Wiedergewinnung des Vertrauens soll das Abkommen, wie es unter Ziffer 21 des Berichts der Londoner Schuldenkonferenz heißt, „zu der Wiederherstellung des internationalen Kredites Deutschlands durch Neubegründung des Vertrauens in das finanzielle Ansehen und die Verläßlichkeit Deutschlands als Kreditnehmer beitragen". Aber die Bedeutung und der Sinn des Abkommens wächst weit über den Rahmen seiner finanziellen Bestimmungen hinaus. In einer Welt der zerstörten Ordnung sollen alte und bewährte, aber allzuoft vergessene Tugenden als neue Eckpfeiler wiederhergestellt werden, wie ein Rocher de bronze: die Bereitschaft zur Erfüllung übernommener Verpflichtungen, die Respektierung des Eigentums und die Treue zu den Verträgen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Geschäftsordnung ist zwar voll Genüge getan, indem diese 215 Seiten umfassende Druckschrift eine Woche vor der Behandlung im Parlament in die Fächer der Abgeordneten gelegt worden ist; aber es ist doch zu fragen, ob bei einer so schwierigen und verwickelten Materie die Abgeordneten des Bundestags nicht früher unterrichtet werden sollten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das Studium dieser Originaldokumente ist um so notwendiger, als die Zeitungen bisher außerordentlich unzulänglich berichtet haben. Jedenfalls konnte die Lektüre von einigen Hundert Zeitungsausschnitten kein Bild vermitteln von dem, was im Londoner Schuldenabkommen wirklich geschehen ist. Wenn eine so seriöse Zeitung wie das „Handelsblatt" oder eine Wochenschrift wie der „Volkswirt" — der ja auch große Ansprüche an sich stellt — so schief, so falsch, so unzulänglich berichten, so muß uns das doch zu denken geben, und wir sind hier wie in vielen anderen Fällen in der Hauptsache auf die „Neue Zürcher Zeitung" und die „Tat" angewiesen.

    (Hört! Hört!)

    Der erste Eindruck nach der Lektüre des Vertragswerks ist der, daß die deutsche Delegation unter Hermann A b s gut zusammengesetzt und gut geführt ist und daß sie mit Geschick und Erfolg verhandelt hat.

    (Zuruf des Abg. Renner: Ei, ei, der Herr Abs! Ist der auch schon reif für die Aufnahme in die SPD-Fraktion?)

    Was wir nicht wissen, aber gerne wissen möchten,
    ist, nach welchen Richtlinien des Herrn Bundeskanzlers die Delegation ihre Arbeit getan hat.
    Ich will in der ersten Lesung nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern mich auf wenige Anmerkungen beschränken. Der zentrale Punkt des gesamten Abkommens ist ja die wirtschaftliche Tragfähigkeit, und zwar sowohl was die Aufbringung des gewaltigen Schuldendienstes im Inneren als auch was den Transfer ins Ausland betrifft. Es ist hier die Frage zu stellen, ob sowohl die innere Aufbringung wie die Übertragung ins Ausland ohne wirtschaftliche, soziale und politische Schwierigkeiten durchgeführt werden können. Man vermißt in dem Vertragswerk eine Transferschutzklausel mit objektiven Merkmalen. Es wird deshalb zu fragen sein, ob die Bestimmungen über den Transfer in Art. 9 und die Konsultativklausel in Art. 34 des Vertragswerkes und die entsprechenden Artikel 6 bzw. 8 in den zweiseitigen Abkommen mit USA und Großbritannien, ferner in dem Abkommen mit Frankreich den tatsächlichen Bedürfnissen genügen. Diese Frage wird bei den Ausschußarbeiten ganz besonders beraten werden müssen.
    Dann verdient eine besondere Beachtung die Frage der sogenannten „Ballons", d. h. der auf einmal fälligen Rückzahlungen der Anleihen zwischen 1960 und 1978. Wahrscheinlich werden solche „Ballons" nur mit neuen Anleihen an alte oder neue Schuldner zu bezahlen sein. Auch diese Frage wird bei den Ausschußberatungen besonders beachtet werden müssen. Wir werden die gesamten Lasten bei Aufbringung und Transfer während der Laufzeit des Abkommens prüfen müssen, da eine Koordination mit den anderen Belastungen in diesem Abkommen vermißt wird.
    Die Basis für dieses Abkommen bildet der Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Hohen Kommissaren vom 6. März 1951. In diesem Briefwechsel ist klar zum Ausdruck gebracht, daß er durch das Parlament ratifiziert werden muß. Das hat der Herr Bundeskanzler aber leider unterlassen. Daß die Ratifizierung implizite jetzt geschieht, ist zwar richtig, hat aber den Herrn Bundeskanzler nicht von der Verpflichtung entbunden, unmittelbar nach diesem Briefwechsel vom 6. März 1951 das Parlament mit der Sache zu befassen und die Genehmigung des Parlaments einzuholen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es ist doch überhaupt zu fragen, ob bei Abkommen von so entscheidender Bedeutung das Parlament nicht vorher unterrichtet werden sollte, damit es in der Lage ist, seine Zustimmung zu den großen Linien, nach denen verhandelt werden soll, zu geben. Das haben wir nicht nur hier, sondern auch bei anderen, bei allen Fragen von außenpolitischer Bedeutung vermißt. Es wäre auch zu wünschen, daß der Regierungschef in allen solchen Fragen mit der Opposition rechtzeitig Fühlung aufnehmen würde.
    Ich möchte noch ein paar Anmerkungen mehr grundsätzlicher Art hinzufügen: Dieses Abkommen über die deutschen Auslandsschulden steht in derselben Perspektive und unterliegt mithin denselben Kriterien wie die Verträge von Bonn und Paris. Wie diese Verträge, stellt das Abkommen einerseits eine Liquidation der Vergangenheit, andererseits eine Verpflichtung dar, die weit in eine unsichere und unüberschaubare Zukunft reicht. In einem


    (Dr. Gülich)

    Zeitpunkt, in dem die außenpolitischen Weltfronten in Bewegung geraten sind und eine Lösung der deutschen Frage zumindest möglich erscheint, drängt sich die Regierung der Bundesrepublik geradezu danach, dem deutschen Volke schwere und unübersehbare Verpflichtungen aufzuerlegen, bevor die völkerrechtliche, die politische und die wirtschaftliche Zukunft Gesamtdeutschlands auch nur in Umrissen sichtbar wird. Wir haben jede Frage, nicht zuletzt auch das Problem des Londoner Schuldenabkommens, unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie es auf die deutsche Wiedervereinigung wirkt, ob es sie fördert oder hindert.

    (Sehr gut! bei der SPD.) Verpflichtungen solcher Art setzen einen Grundbestand fester Aspekte voraus, die eine Abschätzung der Tragfähigkeit für solche Verpflichtungen erlauben, wie sie nur ein Friedensvertrag oder wenigstens eine klare. Sicht auf künftige Entwicklungen, inbesondere auf die Frage etwaiger Reparationsverpflichtungen, ermöglicht. Dies gilt schon für ein besiegtes Land wie das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg, das eine Schulden- und Reparationslast übernehmen mußte und übernahm, der es gar nicht gewachsen sein konnte. Um so mehr gilt das für ein Volk, das mit der unendlich größeren Belastung des Zusammenbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg eine schwerwiegende und sowohl politisch als auch wirtschaftlich belastende Bündnisverpflichtung auf sich nehmen will, die ebenfalls unübersehbare Zukunftslasten aufbürdet. Wenn diese Bündnisverpflichtung, wie ja immer betont wird, auf gleichberechtigter Partnerschaft beruht, folgt daraus, daß der frühere Gegner das Schulden- wie das Verpflichtungsverhältnis des neuen Partners komplex, im ganzen, betrachten muß, nicht aber isoliert.

    Der Begriff der Verpflichtung bringt es mit sich, daß man nicht mehr übernimmt, als man äußerstenfalls zu leisten verantworten kann. Jede Vabanquepolitik, die sich auf die unsichere Zukunft verläßt, wäre nach beiden Seiten verantwortungslos. Niemand leugnet — und wir wären die letzten, die es tun würden — unsere moralische und faktische Verpflichtung, Schulden anzuerkennen und abzutragen, auch solche der Vorkriegszeit. Im Rahmen der Partnerschaft, die wir eingehen sollen, ist jedoch die einseitige Perspektive der Frage von „Schuld" und „Recht", wie sie die Drei Mächte oft üben, sehr gefährlich. Es muß ein gerechter, d. h. ein lebensfähiger Ausgleich zwischen Verschuldung und Bündnisfähigkeit gefunden werden, ein Ausgleich, wie er in dem doppelpoligen Ausdruck „Verpflichtung" enthalten ist.
    Die Frage nach der Verantwortlichkeit, der Verpflichtung, die der Bundesrepublik auferlegt wird, erscheint nach beiden Seiten offen. Man kann hier die Frage nicht außer acht lassen, ob die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme der deutschen Auslandsguthaben und der deutschen Auslandsvermögen mit der echten Partnerschaft auf Tod und Leben vereinbar ist;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    man wird vielmehr sagen müssen, daß diese Fragen nur insgesamt gelöst werden können. Man müßte von der Bundesregierung gewissermaßen einen Gesamtlastenplan erwarten. Hierzu werden wir dem Herrn Bundeskanzler in den Ausschußberatungen noch ganz konkrete Fragen stellen. Was heute schon offenbar scheint, ist die gefährliche Tatsache, daß man auf beiden Seiten eben
    nicht über den gesamten Komplex der deutschen Auslandsverpflichtungen, sondern, wie ich schon andeutete, über die einzelnen Sparten und Lasten besonders verhandelte und daß überhaupt nicht alle Verpflichtungen geregelt wurden. Das gilt z. B. für die Reparationsforderungen, die zwar formell nicht vor dem Friedensvertrag erhoben werden sollen, auf die man aber andererseits bisher auch nicht verzichtete. Das gilt weiterhin — ich will es im einzelnen nicht aufzählen — für die sogenannten Altschulden, die noch zu regeln sind. Das gilt vor allem für den Finanzvertrag und die finanziellen Bestimmungen des EVG-Vertrags. Das gilt für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Montanunionpakt, für das Abkommen mit Israel und für die zahlreichen individuellen Restitutions-forderungen. Die erhoffte Anerkennung der Bundesrepublik als Wirtschaftspartner und die Wiederherstellung des Vertrauens in die deutsche Vertragstreue würden aber in Frage gestellt, wenn wir Verpflichtungen übernehmen, die unerfüllbar sind. Es ist leider nicht so, wie Herr Kollege Kopf vorhin ausführte, daß mit dem Londoner Schuldenabkommen ein Schlußstrich unter die Vergangenheit gesetzt wird;

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    sondern es ist vielmehr so, daß noch sehr viele zähe Verhandlungen geführt werden müssen und daß noch sehr viel Einsicht auf der Seite der Alliierten erweckt werden muß, bis wir einmal zu einem solchen Schlußstrich — hoffentlich — kommen werden.
    Dieses Schuldenabkommen ist so umfangreich, so gewaltig, daß ich glaube, daß es in der Finanzgeschichte keine Parallele dafür gibt. Solche Abkommen können nur dann wirklich Vertrauen für Deutschland erwerben, wenn eine breite parlamentarische Mehrheit solchen Abkommen zustimmt. Die Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion ist noch offen. Wir werden uns intensiv an den Ausschußberatungen beteiligen, und wir werden von dem Ergebnis dieser Beratungen unsere endgültige Stellungnahme zu diesem Vertragswerk abhängig machen.
    Herr Kollege Kopf hat den Gedanken, den ich ihm gestern sagte und der ein Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion ist, freundlicherweise aufgegriffen. Wir waren in unserer Fraktionssitzung vorgestern der Meinung, daß bei einem Vertragswerk von so großer außenpolitischer Bedeutung unter allen Umständen der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten die Federführung haben muß.

    (Abg. Mellies: Sehr richtig!)

    Wenn man nun aber bedenkt, daß auch die Ausschüsse Haushalt, Finanzen und Steuern, Geld und Kredit, Wirtschaftspolitik und Außenhandel mitberaten sollten, dann würden wir, falls wir diese Vorlage federführend an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, mitberatend an die eben genannten fünf Ausschüsse überweisen, nach unserer Meinung einen Fehler begehen. Wir würden die Verabschiedung des Vertragswerks über Gebühr hinauszögern. Deshalb kamen wir zu dem Ergebnis: nur Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, was ich hiermit beantrage, und diesem Ausschuß jedoch dann die Auflage zu geben, daß er einen Arbeitskreis bildet, dem sachverständige Mitglieder seines eigenen Ausschusses und der übrigen genannten Ausschüsse angehören. Ein solcher Arbeitskreis würde sich im


    (Dr. Gülich)

    wesentlichen auf die finanziellen, die rechtlichen und die technischen Fragen des Vertragswerkes beziehen, während die eigentliche Beratung über das außenpolitisch Wichtige beim Auswärtigen Ausschuß läge. Ich wäre also dem Hohen Hause dankbar, wenn es diesem Antrag zustimmen würde, da durch Annahme dieses Antrags die schnelle Verabschiedung und die gute Beratung im Auswärtigen Ausschuß und in dem Arbeitskreis gewährleistet ist.

    (Beifall bei der SPD.)