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ID0126200400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 262. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953 12747 262. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. April 1953. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 12748D, 12780A Erste Beratung der Entwürfe von Gesetzen betr. Abkommen über Deutsche Auslandsschulden, die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutschamerikanischen Gemischten Kommission, die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland, die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe, die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 (Nr. 4260 der Drucksachen) 12749A Dr. Adenauer, Bundeskanzler : . 12749C Dr. Kopf (CDU) 12752C Dr. Gülich (SPD) 12756B Jaffé (DP) 12758A Dr. Reismann (FU) 12759C Fisch (KPD) 12760C Dr. Preusker (FDP) 12762A Dr. Etzel (Bamberg) (Fraktionslos) 12763A Scharnberg (CDU) 12763D Mellies (SPD) 12763D Überweisung an einen Sonderausschuß 12764A Zur Geschäftsordnung, betr. Mittagspause: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12764B Mellies (SPD) 12764C Erste Beratung des Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes (Nr. 4225 der Drucksachen) 12764C Storch, Bundesminister für Arbeit 12764C Freidhof (SPD) 12766A Frau Kalinke (DP) 12766D Renner (KPD) 12767D Arndgen (CDU) 12768C Erler (SPD) 12769B Dr. Atzenroth (FDP) 12769C Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Kriegsopferausschuß 12770B Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ehren, Arnholz, Stegner, Löfflad, Mayerhofer u. Gen. betr. Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nr. 4224 der Drucksachen) 12748D, 12770C Ehren (CDU), Anfragender . . . . 12770C Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . . . 12771C Unterbrechung der Sitzung . . . . 12772D Erste Beratung des von den Abg. Dr. Decker, Dr. Besold u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz (Nr. 4226 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Freiherr von Aretin, Dr. Reismann u. Gen. betr. Volksentscheid in der Pfalz (Nr. 4227 der Drucksachen) 12748D, 12772B Dr. Decker (FU), Antragsteller . . 12772B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12773B Eberhard (FDP) 12774A Wagner (SPD) 12774D Neber (CDU) 12776C Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) . . . 12777A Niebergall (KPD) 12778A Freiherr von Aretin (FU) 12778B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 4243 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr 4286 der Drucksachen) 12749A Dr. Atzenroth (FDP): als Berichterstatter 12779C als Abgeordneter 12782B Seuffert (SPD) 12780B Kunze (CDU) 12781B Dr. Reismann (FU) 12782B Wackerzapp (CDU) 12783A Abstimmungen 12780A, 12783D Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesfernstraßengesetzes (Nr. 4248 der Drucksachen) 12783D Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 12783D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Haferaufkauf (Nrn. 4236, 4036 der Drucksachen) 12784A Tobaben (DP), Berichterstatter . 12784A Beschlußfassung 12784B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Freiherrn von Aretin (Nr. 4257 der Drucksachen) 12784B Müller (Hessen) (SPD), Berichterstatter 12784B Beschlußfassung 12784D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abg. Langer (Nr. 4258 der Drucksachen) . . . 12784D Abgesetzt 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Privateisen bahnen (Nr. 4228 der Drucksachen) 12785A Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785A Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wiedereinführung des § 397 AVG in der britischen Zone (Nr. 4223 der Drucksachen) 12785A Frau Kalinke (DP) 12785B Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 12785C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Nachwuchs für supranationale Behörden (Nr. 4222 der Drucksachen) 12785C Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß, den Haushaltsausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß 12785C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Familienbeirat (Nr. 4229 der Drucksachen) 12785D Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 12785D Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) 12785D Dr. Bertram (Soest) (FU), Antragsteller (schriftliche Begründung) 12785D, 12790 Dr. Schöne (SPD) . . . 12786A, 12789C Dr. Preusker (FDP) 12787C Dr. Meitinger (FU) 12789A Loritz (Fraktionslos) 12789A Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 12789D Bildung der Gruppe Wirtschaftliche Aufbauvereinigung 12789D Nächste Sitzung 12780A, 12789D Anlage: Schriftliche Begründung des Abg. Dr. Bertram (Soest) zum Antrag der Fraktion der FU betr. steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nrn. 4230 der Drucksachen, Umdruck Nr. 878) . . 12790 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 262. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Bertram (Soest) (Umdruck Nr. 878) zum Antrag der Fraktion der FU (BP-Z) (Nr. 4230 der Drucksachen) betreffend Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Unser Antrag wurde zu einem Zeitpunkt vorgelegt, als die Untersuchungen eines internationalen .Ausschusses noch nicht begonnen hatten. Dieser internationale Ausschuß wurde am 5. März 1953 beauftragt, von der Hohen Behörde des Kohle- und Stahlpools auf folgende Fragen zu antworten: Da die Umsatzsteuern in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft verschieden sind, welches wären dann für das Funktionieren des gemeinschaftlichen Marktes die wirtschaftlichen Folgen: a) eines Systems a, das durch Befreiungen bei der Ausfuhr und durch Ausgleichsabgaben bei der Einfuhr die Erzeugnisse mit den im Bestimmungslande geltenden Umsatzsteuern belasten würde, b) eines Systems b, bei welchem auf die Erzeugnisse, gleichgültig wohin sie innerhalb des gemeinsamen Marktes geliefert werden, aus- schließlich die im Ursprungslande geltenden Umsatzsteuern zur Anwendung kämen? Der internationale Ausschuß, unter dem Vorsitz von Professor Tinbergen und nach Anhörung aller beteiligten Länder, ihrer Organisationen und ihrer maßgebenden Fachleute, ist zu dem einstimmigen Votum gelangt, daß man die Gesamtheit der direkten und indirekten Steuern, also das Steuersystem eines Landes, abwägen müsse, wenn man auch nur die Wirkungen bei der Ausfuhr gewährter Befreiungen, Erstattungen und Ausgleichsabgaben für das Marktgeschehen beurteilen wolle. Von dieser These ausgehend kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß Maßnahmen, die nötig werden sollten, sobald der gemeinschaftliche Markt eintritt, um Funktionsstörungen durch steuerliche Folgewirkungen zu vermeiden, nicht in die Kompetenz der Hohen Behörde, sondern der einzelnen Regierungen fallen. Zu der gleichen Schlußfolgerung waren die Antragsteller vor dem internationalen Tinbergen-Ausschuß gelangt. Die Hohe Behörde kann zwar Zölle und zollähnliche Steuern beseitigen, nicht jedoch kann sie Befreiungen, Rückvergütungen und Ausgleichsabgaben ändern, die nur dazu dienen, Inlandsbelastungen der Ware mit Steuern indirekter oder direkter Art auszugleichen. Diese Maßnahmen sollen die Startgleichheit herstellen, nicht wie Zölle ungleichmäßig wirken. Die Ermittlungen des Tinbergen-Ausschusses haben auch die Frage geprüft, ob nicht über das erlaubte Maß des Ausgleichs hinausgehende steuerliche Manipulationen festzustellen seien. Es hat sich ergeben, daß die Befreiungen ebenso wie die Ausgleiche überall gegenwärtig niedriger sind als die Gesamtbelastung durch, die Steuer auf den Umsatz. Es ist nach der Überzeugung der Antragsteller jedoch notwendig, die negative Feststellung über die Befugnisse der Hohen Behörde zu benutzen, den Weg nach Europa nunmehr weiterzugehen, indem man sich in den nationalen Parlamenten über eine Methode zur Vereinheitlichung des Steuersystems berät und entsprechende Beschlüsse faßt. Die nationalen Gewalten sind es, die nunmehr ihre Steuersysteme nach gemeinsamen Leitideen zu ordnen hätten. Daß die Europäische Gemeinschaft ohne Unterstützung der Mitgliedstaaten auf weiteren als den Vertragsgebieten große Schwierigkeiten erfahren wird, war unsere Überzeugung schon bei der Beschlußfassung über das Vertragswerk: Jetzt gilt es, den zweiten Schritt zu tun! Wenn deshalb die Bundesregierung eine entsprechende steuerliche Ermächtigung erhalten soll, so soll sie diese Ermächtigung in die Lage versetzen, durch Verhandlungen mit den anderen vertragschließenden Staaten eine steuerrechtliche Vereinbarung zu treffen, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes ermöglicht. Die Hohe Behörde wird ein entsprechendes Ersuchen an die Mitgliedstaaten richten. Mit Absicht wurde es vermieden, über steuerrechtliche Einzelheiten sowie über Einzelheiten der voraussichtlich eintretenden Marktstörungen zu berichten. Diese Fragen sollten, schon um internationale Verstimmungen zu vermeiden, in einem Sonderausschuß behandelt werden. Im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen schlagen wir einen 7er Ausschuß vor, in dem die antragstellende Fraktion als Antragsteller vertreten wäre. Wir beantragen daher: 1. Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses, 2. Überweisung unseres Antrags an diesen Ausschuß. Bonn, den 20. April 1953 Dr. Bertram (Soest)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abkommen zur Regelung der deutschen Auslandsschulden aus der Vor- und Nachkriegszeit, die Ihnen heute zur Zustimmung vorliegen, fügen sich in ihrer Gesamtheit als ein wesentlicher Bestandteil in die allgemeinen Bemühungen der Bundesregierung und der beteilig- ten anderen Regierungen ein, die deutschen finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland zu ordnen und in normale Bahnen zu lenken. Dieses Ordnungswerk mußte in Angriff genommen werden, um auch auf dem finanziellen Gebiete die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ausland wieder zu schaffen.
    Als die deutsche Leistungsfähigkeit bis zu einem gewissen Grade wiederhergestellt war, konnten insbesondere die privaten Auslandsgläubiger mit Recht erwarten, daß ihre Forderungen aus der Vorkriegszeit, die teils seit Jahrzehnten unerfüllt geblieben waren, einer Regelung zugeführt wurden. Ohne einen sichtbaren Beweis dafür, daß der deutsche Schuldner es mit der Erfüllung seiner alten Verpflichtungen ernst nimmt, kann das Vertrauen des Auslandes in die gesamte deutsche Wirtschaft nicht wieder erweckt werden. Dieses Vertrauen ist die wirkliche Grundlage für die Anknüpfung neuer finanzieller Beziehungen. Ich bitte Sie deshalb, die Ihnen vorliegenden Abkommen in dem Geist zu behandeln, in dem sie in London ausgearbeitet worden sind. Die nüchterne Betrachtung und Beurteilung der aus der Vergangenheit gegebenen Tatsachen muß sich dabei mit wirtschaftlicher Vernunft, zugleich aber auch mit der Zuversicht verbinden, die das Vertrauen in unseren guten Willen stützt.
    Ich möchte es an dieser Stelle ausdrücklich anerkennen, daß alle unsere Partner in den Londoner Verhandlungen, trotz der Energie, mit der sie für die ihnen anvertrauten Gläubigerinteressen eingetreten sind, sich von der wirtschaftlichen Einsicht haben leiten lassen, daß von den Schuldnern nicht mehr gefordert werden darf, als es ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit entspricht. Ohne diese wirtschaftliche Vernunft hätte der Schuldenregelungsplan nicht zustande gebracht werden können.
    Seinen Hauptteil bildet das Abkommen über deutsche Auslandsschulden, das sich mit der Regelung der deutschen Verbindlichkeiten öffentlicher und privater Natur aus der Vorkriegszeit befaßt. Skeptiker im In- und Ausland hatten bei Beginn der Verhandlungen über dieses Abkommen behauptet, daß eine so umfangreiche und weitverzweigte Materie kaum in einem einheitlichen und umfassenden Plan behandelt werden könnte. Der Plan ist in langer und mühsamer Arbeit dennoch fertig geworden. Daß er in seinem Aufbau und seinen einzelnen Bestimmungen kompliziert ist, liegt im Wesen der Materie begründet, die er behandelt.
    Zur Geschichte und zur Erläuterung des Abkommens im einzelnen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Denkschrift der Bundesregierung lenken, die in der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 4260 enthalten ist. Einige Punkte allerdings, die im Zusammenhang mit den Schuldenverhandlungen das öffentliche Interesse erweckt haben, möchte ich hier klarstellen, um dadurch die bevorstehenden parlamentarischen Beratungen zu erleichtern.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Meine Damen und Herren, die Schuldenerklärung vom 6. März 1951, die Ihnen als Anhang des Hauptabkommens auch heute vorliegt, bildete einen Bestandteil der damaligen ersten Revision des Besatzungsstatuts. Erst heute kann man auf der Grundlage der vorliegenden Abkommenstexte auch die wirtschaftliche und finanzielle Tragweite jenes Schriftwechsels klar erkennen. In diesem Sinne hat die Bundesregierung schon auf die Kleine Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vom 20. März 1953 mit einem Schreiben vom 8. April geantwortet, enthalten in Drucksache Nr. 4252.
    Ich möchte gleich an dieser Stelle, um jeden Zweifel auszuräumen, hervorheben, daß es sich in London nicht um die Übernahme neuer Verpflichtungen, auch nicht zu Lasten der privaten Schuldner gehandelt hat, sondern um den Abschluß einer Rahmenvereinbarung, die den Schuldner auf Grund noch zu treffender Absprache mit seinem Gläubiger in die Lage versetzen soll, die Verzinsung und Tilgung seiner alten Verbindlichkeiten aus der Vorkriegszeit wiederaufzunehmen. In dieser Rahmenvereinbarung haben die Gläubigervertreter mit Rücksicht auf die beschränkte Leistungsfähigkeit des Bundes und der deutschen Wirtschaft auf ihr Recht verzichtet, eine volle und sofortige Abtragung dieser längst fälligen Schulden zu verlangen. Sie haben vielmehr sowohl in bezug auf die Höhe der Schulden als auch auf den Zeitraum für ihre Abtragung erhebliche Zugeständnisse gemacht.
    Im Zusammenhang mit den Schuldenverhandlungen wurde ferner oft die Frage erörtert, ob es nicht möglich sei, die deutschen Vermögenswerte im Ausland zur Schuldendeckung zu verwenden. Was die Behandlung der deutschen Vermögenswerte im Ausland betrifft, so kann ich dem Deutschen Bundestag erneut versichern, daß die Bundesregierung und auch ich selbst in meinen Verhandlungen mit ehemals feindlichen Regierungen nichts unversucht lassen, um den schweren Verlust, den wir als Kriegsfolge erlitten haben, zu mildern. Mit den Londoner Schuldenverhandlungen allerdings konnten die Probleme des Auslandsvermögens nur in mittelbaren Zusammenhang gebracht werden. Bei der Bemessung der deutschen Leistungsfähigkeit sind in London neben den anderen aus dem Krieg herrührenden Schäden die schweren Einbußen aus dem Verlust des deutschen Auslandsvermögens berücksichtigt worden.
    Bei den Erwägungen über die Regelung der deutschen Auslandsschulden trat natürlich auch zugleich das Reparationsproblem in Erscheinung. Art. 5 des Abkommens bestätigt, daß dieses Problem zurückgestellt wird. Hier im Schuldenabkommen bedeutet dies eine Zurückstellung nicht nur im Einvernehmen mit den drei Hauptmächten wie im Deutschland-Vertrag, sondern im Einvernehmen mit allen Staaten, die das Schuldenabkommen unterzeichnet haben oder die ihm beitreten werden. Dieses Einvernehmen ist ein Schutz für uns im Hinblick auf die Tatsache, daß 18 Regierungen schon unterzeichnet haben und 55 weitere Regierungen zum Beitritt eingeladen sind, die sich zu einem großen Teil mit dem Deutschen Reich im Kriegszustand befunden haben. Ich glaube sagen zu können, daß die alliierten Hauptmächte —obgleich ein offizieller Verzicht nicht ausgesprochen worden ist — nicht beabsichtigen, gegen alle Regeln wirtschaftlicher Vernunft noch Reparationsforderungen geltend zu machen. Im übrigen hat die deutsche Delegation den Verhandlungspartnern keine Zweifel darüber gelassen, daß der in London vorgesehene Schuldendienst angesichts der beschränkten Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht erfüllt werden könnte, wenn erneut Reparationsforderungen gestellt werden sollten.
    Was das Verhältnis des Schuldenabkommens zu dem Sechsten und dem Achten Teil des Überleitungsvertrags zum Deutschland-Vertrag betrifft, so bestehen hier, wie ich ausgeführt habe, zwar sachliche Beziehungen, eine juristische Abhängigkeit beider Vertragswerke voneinander besteht jedoch nicht. Das Abkommen über deutsche Auslandsschulden stellt schon wegen des weiteren Kreises der Beteiligten ein selbständiges Vertragswerk dar.
    In der öffentlichen Diskussion über das Abkommen ist zum Teil kritisiert worden, daß hier eine Regelung der Auslandsschulden des Reichs erfolgt, während eine Regelung seiner Inlandsschulden noch aussteht. Ich darf dazu folgendes sagen: Ohne vorangegangene Regelung der Auslandsschulden ist eine Regelung der Inlandsschulden überhaupt nicht möglich.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Ich kann aber weiter hinzufügen, daß sich die Bundesregierung der Bedeutung auch dieses Problems voll bewußt ist und daß die Vorarbeiten zur Regelung auch dieses Fragenkomplexes in Angriff genommen sind.
    Den Londoner Verhandlungen haben ausführliche Untersuchungen der deutschen Transferfähigkeit zugrunde gelegen. Gerade in diesem Zusammenhang wurde die Beschränkung des Gebietes der Bundesrepublik berücksichtigt, die im Vergleich zum Deutschen Reich nur über eine stark verminderte volkswirtschaftliche Substanz verfügt. Bei der Beurteilung der künftigen Entwicklung der deutschen Transfermöglichkeiten bitte ich Sie zu bedenken, daß die in London vorgesehenen Leistungen in den ersten fünf Jahren nicht ganz 4 % des gesamten deutschen Ausfuhrvolumens ausmachen.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Hört! Hört!)

    Nach dem Stand der bisherigen Entwicklung der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik ist zu erwarten, daß dieser Schuldendienst sowohl im europäischen Raum als auch im Dollar-Raum erfüllt werden kann.

    (Abg. Dr. Bucerius: Hört! Hört!)

    Es wurde aber auf deutscher Seite Wert darauf gelegt, daß, falls trotz unseres ernsten Bemühens, die Verpflichtungen aus dem Abkommen zu erfüllen, Transferschwierigkeiten auftreten sollten, rechtzeitig neue Beratungen aufgenommen werden. Sie finden die entsprechende Konsultationsklausel in dem Art. 34 des Abkommens. Ich glaube auch erklären zu können, daß die von den einzelnen privaten Schuldnern zu erfüllenden Verpflichtungen mit Rücksicht auf die vereinbarten Erleichterungen getragen werden können.
    Ich habe eingangs das Abkommen über deutsche Auslandsschulden als den Hauptteil der gesamten Schuldenregelung bezeichnet. Den zweiseitigen Abkommen zur Regelung der Nachkriegsverbindlichkeiten aus der Wirtschaftshilfe, die uns vom Ausland geleistet worden ist, kommt wirtschaftlich und politisch keine geringere Bedeutung zu. Eine vernünftige Regelung der Vorkriegsschulden, wie sie in dem vorliegenden Hauptabkommen enthalten


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    ist, bildet nach Ansicht der drei Hauptmächte die Voraussetzung für die Konzessionen, die sie uns bei den Nachkriegsschulden zu gewähren bereit sind. Mit Rücksicht auf diese Verknüpfung der beiden Probleme mußte in London über die Vor- und über die Nachkriegsschulden gleichzeitig verhandelt werden. Aus demselben Grunde wurde das Hauptabkommen an dem gleichen Tage unterzeichnet wie die verschiedenen zweiseitigen Abkommen, die Ihnen heute mit den Entwürfen der entsprechenden Zustimmungsgesetze ebenfalls vorliegen. Es ist verständlich, daß die drei Hauptmächte ihre Ansprüche aus der Nachkriegswirtschaftshilfe gleichzeitig mit den Vorkriegsschulden geregelt und nicht ungünstiger als die übrigen deutschen Auslandsschulden behandelt sehen wollen. Ohne die großzügige Hilfe insbesondere von seiten der Vereinigten Staaten wäre eine wirtschaftliche Erholung der Bundesrepublik und somit eine Regelung der deutschen Auslandsschulden nicht möglich gewesen.
    Bei der Behandlung der zweiseitigen Abkommen möchte ich mich auf einige leitende Gedanken beschränken. Die wesentlichste Hilfe, aber auch die größte Herabsetzung des Rückzahlungsanspruchs, haben wir von den Vereinigten Staaten erfahren. Sie haben Deutschland bis Mitte 1951 eine Hilfe von 3,2 Milliarden Dollar oder 13,5 Milliarden DM geleistet. Die Bundesrepublik soll hierauf im Laufe der Jahre 1,2 Milliarden Dollar, also rund ein Drittel, zurückzahlen. Bei meinem Besuch in den Vereinigten Staaten habe ich den Amerikanern den Dank des deutschen Volkes für diese Hilfe und für das großzügige Angebot zur Regelung der Rückzahlungsverpflichtung überbracht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Bei den amerikanischen Lieferungen handelt es sich, wie Sie wissen, nicht allein um die Marshallplan-Hilfe, sondern auch um die umfangreiche sogenannte GARIOA-Hilfe. In den von mir als Rückzahlungsverpflichtung erwähnten 1,2 Milliarden Dollar sind ferner 203 Millionen Dollar enthalten, die auf Grund des vorliegenden Abkommens über die Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Überschußgütern der amerikanischen Streitkräfte zu erstatten sein werden.
    Aus Gründen, die hauptsächlich im amerikanischen Haushaltsrecht liegen, wurde der Nachlaß von zwei Milliarden Dollar ausschließlich für Marshallplan-, GARIOA-Hilfe gewährt. Aus diesem Grunde verblieb es im StEG-Abkommen bei dem errechneten Schuldbetrag von 203 Millionen Dollar.
    Angesichts des Umfangs der amerikanischen Unterstützung ist es der Öffentlichkeit weniger zum Bewußtsein gekommen, daß auch andere Staaten Deutschland nach dem Kriege Hilfe geleistet haben, an erster Stelle Großbritannien, das sich selbst erheblich verschulden mußte, um seine Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

    (Abg. Dr. Bucerius: Hört! Hört!)

    In dem vorliegenden deutsch-britischen Abkommen wird von einer britischen Hilfeleistung von rund 202 Millionen Pfund Sterling oder 2,4 Milliarden DM ausgegangen. Hierauf wird die Bundesrepublik 150 Millionen Pfund Sterling, also rund drei Viertel zurückzuzahlen haben. Dabei muß anerkannt werden, daß Großbritannien seine Forderung schon aus eigener Initiative von rund 244 Millionen auf rund 202 Millionen Pfund Sterling in dem Bestreben herabgesetzt hatte, der Bundesrepublik nur solche Leistungen in Anrechnung zu
    bringen, die der deutschen Wirtschaft und der deutschen Bevölkerung unmittelbar zugute gekommen sind.

    (Abg. Dr. Bucerius: Hört! Hört!)

    Die französische Forderung von rund 16 Millionen Dollar wurde auf rund 12 Millionen Dollar herabgesetzt.
    Schließlich möchte ich hier das deutsch-dänische Abkommen über die Flüchtlingshilfe erwähnen und diese Gelegenheit benutzen, Dänemark für die Hilfe zu danken, die es deutschen Flüchtlingen von 1945 bis 1949 gewährt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)

    Wir kennen das schwere Schicksal der Flüchtlinge aus dem Osten, und es liegt uns am Herzen. Wir verkennen jedoch auch nicht, was es für Dänemark bedeutete, die Betreuung von 200 000 deutschen Heimatvertriebenen zu übernehmen, nachdem es gerade von der deutschen Besatzung befreit worden war.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Obgleich Dänemark nicht zu den eigentlichen Nachkriegsgläubigern gehört, hat es sich mit einer Regelung seiner Forderung nach dem Beispiel der drei Hauptmächte einverstanden erklärt und in entgegenkommender Weise seine Ansprüche von 430 Millionen dänischer Kronen auf 160 Millionen dänische Kronen herabgesetzt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)

    Bei diesen Nachkriegsforderungen haben die Gläubigerregierungen mit Ausnahme der amerikanischen auf eine Verzinsung der geschuldeten Beträge verzichtet und sich — einschließlich der amerikanischen Regierung — mit einer sehr langfristigen Abtragung dieser Verbindlichkeiten einverstanden erklärt.
    Die Nachkriegsschulden stellen eine bedeutende finanzielle Last dar. Es darf aber nicht übersehen werden, daß andere Staaten für Hilfeleistungen weit größere Rückzahlungsverpflichtungen übernehmen mußten. Die übrigen europäischen Staaten, denen Hilfe aus dem Marshall-Plan oder ähnlichen amerikanischen Programmen zuteil wurde, haben durchschnittlich 45 °/o zurückzuzahlen, während die deutsche Rückzahlungsverpflichtung sich aus 37 % der amerikanischen Hilfeleistung errechnet. Im übrigen ist diese finanzielle Last auf viele Jahre verteilt, und der Schuldendienst wird erst im fünften Jahr auf seine volle Höhe ansteigen. Gewiß wird unsere Dollarlage durch die Leistungen an die Vereinigten Staaten beeinträchtigt. Es ist jedoch in dem deutsch-amerikanischen Abkommen vorgesehen, gemeinsam eine Lösung zu suchen, falls sich hieraus Schwierigkeiten ergeben sollten.
    Ich möchte Ihnen nun in großen Zügen einen Überblick über die finanzielle Tragweite der Verpflichtungen geben, die mit der Schuldenregelung im ganzen übernommen werden. Die zu regelnde Vorkriegsverschuldung einschließlich der rückständigen Zinsen machte unter Berücksichtigung der in den einzelnen Verträgen enthaltenen Goldklauseln rund 13,5 Milliarden DM aus. In London wurde eine Herabsetzung auf rund 7,3 Milliarden DM erreicht. An Stelle einer sofortigen Rückzahlung dieser, wie ich nochmals betonen möchte, seit langer Zeit fälligen Schulden wurde eine langfristige Fundierung vorgesehen.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Die Nachkriegsschulden, die in London verhandelt wurden, sind von den Gläubigerregierungen von dem ursprünglichen Gesamtbetrag von rund 16 Milliarden DM auf 7 Milliarden DM herabgesetzt worden. Diesen Gesamtbeträgen soll nun ein zu transferierender Schuldendienst entsprechen, der in den ersten fünf Jahren jährlich rund 340 Millionen DM für Vorkriegsschulden und rund 227 Millionen DM für Nachkriegsschulden, also insgesamt jährlich 567 Millionen DM beträgt. Diese Leistungen wachsen nach fünf Jahren durch stärkere Amortisationszahlungen auf den Gesamtbetrag von rund 765 Millionen DM an.
    Es wurde erreicht, daß der Maßstab der Leistungen der Schuldner, sei es nun öffentlicher oder privater Hand, sich auf die Transferfähigkeit der Bundesrepublik beschränkt. In keinem Fall und bei keiner Schuldenkategorie werden also neben den zu transferierenden Zinsen und Amortisationsbeträgen noch ergänzende Leistungen in DM auf Sperrkonto zu erbringen sein. Wenn das Abkommen somit eine Anhäufung von Sperrguthaben vermeidet und zu einer langfristigen Konsolidierung der Schulden führt, so bildet es zugleich auch einen wesentlichen Beitrag zu der von der Bundesregierung angestrebten Wiederherstellung der Konvertibilität der Deutschen Mark und des Übergangs zu freieren Wirtschaftsformen. Die gegenwärtig noch beschränkte deutsche Devisenhoheit wird mit dem Inkrafttreten des Abkommens wiederhergestellt werden.

    (Abg. Dr. Bucerius: Bravo!)

    Meine Damen und Herren! Die deutsche Delegation für Auslandsschulden hat unter der sehr umsichtigen Leitung von Herrn A b s seit nunmehr zwei Jahren im Auftrag der Bundesregierung die außerordentlich schwierigen Verhandlungen mit dem Drei-Mächte-Ausschuß für deutsche Schulden und mit den Vertretern vieler anderer Staaten geführt. Ich möchte auch von dieser Stelle aus dem Leiter und allen Mitgliedern der deutschen Delegation heute den Dank der Bundesrepublik und die grüßte Anerkennung für die geleistete Arbeit aussprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und der SPD.)

    Diese Arbeit war von großer Sachkenntnis getragen, von unermüdlicher Geduld bei der Klärung der Probleme und von dem ständigen Bestreben, dem deutschen Interesse im Rahmen einer geordneten Weltwirtschaft nach Kräften zu dienen.
    Ich möchte nicht schließen, ohne die Bitte an Sie, meine Damen und Herren, gerichtet zu haben, bei aller Sorgfalt, die zur Behandlung des Vertragswerks aufgewandt werden muß, auf eine möglichst baldige Verabschiedung der Zustimmungsgesetze bedacht zu sein, damit der Schuldendienst beginnen kann. Die Bundesregierung wird ihrerseits alles tun, um die parlamentarische Arbeit zu fördern. Sie bittet darum, daß die zuständigen Ausschüsse des Bundestags sich für die Behandlung der Schuldenabkommen vereinigen, und sie wird bemüht sein, durch ihre Vertreter alle Begründungen und Erläuterungen zu dem Inhalt der Abkommen zu geben, so daß der Bundestag sich möglichst bald in der Lage sehen kann, die Zustimmungsgesetze zu beschließen.
    Die Vorbereitungen der Bundesministerien für das Durchführungsgesetz, das für die praktische Verwirklichung des Abkommens über deutsche Auslandsschulden erforderlich ist, sind so weit fortgeschritten, daß der Entwurf den gesetzgebenden Körperschaften in Kürze vorgelegt wird. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, das Durchführungsgesetz, wie es dringend erforderlich ist, noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden.
    Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, bei der Diskussion der vorliegenden Zustimmungsgesetze sich stets bewußt zu bleiben, daß es gerade im Zusammenhang mit der Regelung alter finanzieller Verpflichtungen entscheidend darauf ankommt, das Vertrauen des Auslandes in die deutsche Vertragstreue zu festigen. Eine wirtschaftliche und eine politische Erholung Deutschlands ist nicht möglich ohne das Vertrauen des Auslandes in das deutsche Volk in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Zahlungen zu leisten, fällt jedem schwer. Aber, meine Damen und Herren: einmal besteht eine rechtliche Verpflichtung, zu bezahlen; und weiter, meine Damen und Herren: wir können unsere Wirtschaft nicht weiter aufbauen, wir können keine weitere Förderung unserer Wirtschaft vom Ausland, auf die wir absolut angewiesen sind, erwarten, wenn wir nicht vorher alles tun, was in unserer Kraft steht, um die alten Schulden im Rahmen unserer Leistungsmöglichkeit zu begleichen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Gesamtredezeit von 2 Stunden zu beschließen. — Das Haus erhebt keinen Widerspruch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Kopf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 6. März 1951 richtete die Bundesregierung aus Anlaß der ersten Revision des Besatzungsstatuts an die Alliierte Hohe Kommission ein Schreiben, in dem sie sich bereit erklärte, die Haftung für die deutschen Vorkriegsschulden und für die Wirtschaftshilfe, die seitens der alliierten Mächte nach dem 8. Mai 1945 gewährt worden ist, zu übernehmen. Noch am selben Tage wurde dieses Schreiben der Bundesregierung durch die Alliierte Hohe Kommission bestätigt. In ihrem Schreiben hat die Bundesregierung auf den fundamentalen Grundsatz hingewiesen, daß der allgemeinen Lage der Bundesrepublik und den Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt und ihrer Zahlungsfähigkeit Rechnung zu tragen sei. Sie hat an einer weiteren Stelle dieses Schreibens ausgesprochen, daß die allgemeine Lage, die Zunahme der Lasten der Bundesrepublik und die Minderung ihrer volkswirtschaftlichen Substanz bei der Schuldenregelung Berücksichtigung finden müssen. Die Alliierte Hohe Kommission hat diesen maßgebenden Grundsatz ihrerseits anerkannt. Sie hat diesen Briefwechsel vom 6. März 1951 als die Beurkundung eines Abkommens bezeichnet. Dieser Schriftwechsel bildet einen Teil des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages und ist als solcher vom Deutschen Bundestag in drei Lesungen genehmigt worden. Er bildet ferner einen Teil des vorliegenden Schuldenabkommens und wird erneut der Beschlußfassung des Bundestages unterworfen werden.
    Die Bundesregierung hat sich in diesem grundlegenden Schreiben erneut zum Grundsatz der Identität und der Kontinuität des deutschen Staates bekannt. Wenn die Bundesregierung in demselben Schreiben auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung


    (Dr. Kopf)

    ihrer Herrschaftsgewalt Bezug genommen hat, so steht und stand diese Bezugnahme keineswegs in Widerspruch zu dem Grundsatz der Identität des deutschen Staatswesens. Diese Bezugnahme auf die beschränkte Territorialgewalt bedeutet keineswegs, daß etwa, wie von anderer Seite gelegentlich behauptet worden ist, auf dem Gebiete des früheren deutschen Staates Teilstaaten entstanden seien, die Teilhaftungen gegenüber Gläubigern übernommen hätten. Sie bedeutet vielmehr, daß die Bundesrepublik, die mit dem deutschen Staat identisch ist und ihn fortführt, in der Lage eines Erben steht, der auch der Rechtsnachfolger des Erblassers ist, dem aber die Rechtsordnung gestattet, eine Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß herbeizuführen. In ähnlicher Weise hat die Bundesrepublik auf die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf ihre territoriale Beschränkung und auf die wirtschaftlichen und finanziellen Veränderungen innerhalb ihres Gebietes Bezug genommen.
    Die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Bundesrepublik sich durch dieses Schreiben vom 6. März 1951 bereit erklärt hat, war groß, schwierig und undankbar. Die Größe und die Schwierigkeit dieser Aufgabe kommt vielleicht zum Ausdruck in der drastischen, aber doch aufschlußreichen und etwas pessimistisch klingenden Äußerung eines sehr maßgebenden Mitgliedes dieses Hohen Hauses — es war nicht der Herr Bundeskanzler —, der damals zu dem Leiter der deutschen Delegation gesagt hat: „Herr A b s , wenn Sie ein schlechtes Ergebnis haben sollten, werden Sie an einem Birnbaum aufgehängt, und wenn Sie gut abschneiden, an einem Apfelbaum." Ich glaube, wir sollten den Pessimismus der damaligen Äußerung Lügen strafen, indem wir heute von dieser Stelle aus dem Leiter der deutschen Delegation für die Schuldenverhandlungen und seinen Mitarbeitern für die außerordentlich schwierige und nervenaufreibende, über viele Monate sich hinziehende Arbeit den Dank des Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Arbeit war schwierig und kompliziert einmal durch die Vielzahl der Verhandlungspartner. Außer den drei beteiligten alliierten Hauptmächten waren nicht weniger als 31 Länder an den Verhandlungen der Londoner Schuldenkonferenz beteiligt. Das Abkommen, das Ihnen vorliegt, ist mit 20 Staaten abgeschlossen worden, und nicht weniger als 65 Staaten sind zum Beitritt aufgefordert.
    Die Arbeit war weiterhin schwierig durch die Vielfältigkeit der Auslandsverpflichtungen, die sich nach den Verpflichtungsarten, nach ihrem Entstehungszeitpunkt und nach ihren Gläubigerländern unterscheiden. Sie war schwierig durch die Vielfalt der Schulden-Kategorien; handelte es sich doch um Schulden des Staates, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts, der privaten Industrieunternehmungen, um Stillhalteschulden und um zahlreiche weitere Schulden, die in der vierten Empfehlung behandelt worden sind. Die Vielfalt der zu regelnden Beziehungen drückt sich auch in der Komplexität des Vertragswerks aus, das Ihnen heute in einer Zahl von etwa 230 Seiten vorliegt und das neben dem großen und umfassenden multilateralen Vertrag mit 20 Ländern nicht weniger als sechs andere Abkommen mit Einzelstaaten enthält.
    Die Prinzipien, welche der Schuldenregelung zugrunde liegen sollten, sind in dem Bericht der Londoner Schuldenkonferenz vom August 1952 einstimmig angenommen worden. Die Grundlage für das Zustandekommen dieses Abkommens bildete die Erklärung der drei alliierten Mächte, durch die sie sich grundsätzlich zur Herabsetzung ihrer Nachkriegsforderung bereit erklärten, falls eine befriedigende und gerechte Regelung der Vorkriegsschulden erreicht werde. In diesen Prinzipien ist erneut zum Ausdruck gekommen, daß die allgemeine Wirtschaftslage der Bundesrepublik und die Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt berücksichtigt werden müssen. Es sollten unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzlage vermieden werden. Es sollte eine übermäßige Inanspruchnahme deutscher Devisenquellen unterbleiben. Es sollte keine mehr als vorübergehende Inanspruchnahme von Währungsreserven Platz greifen, und der Transfer der Zahlungen sollte genau wie der Transfer anderer Zahlungen für laufende Transaktionen durch Deviseneinnahmen aus Exporten gedeckt werden. Diese Zahlungsbilanzlage sollte weiterhin durch internationale Zusammenarbeit im Sinne einer liberalen Handelspolitik erleichtert werden. Der Welthandel sollte ausgeweitet und die freie Konvertierbarkeit der Währungen sollte erstrebt werden.
    Im Vertrauen auf die Durchführbarkeit dieser Prinzipien sind die Nachkriegsschulden dank dem Entgegenkommen der drei Hauptgläubigerländer wesentlich ermäßigt worden. Die USA haben nicht weniger als 2 Milliarden Dollar der Nachkriegsschulden nachgelassen, Großbritannien die Forderung von 200 Millionen Pfund auf 150 Millionen, Frankreich von 16 auf 11,8 Millionen Dollar ermäßigt. Es würde ein Versäumnis bedeuten, wenn wir nicht in dieser Stunde und von dieser Stelle aus den Dank des deutschen Volkes einmal für die Gewährung dieser Nachkriegshilfe, durch die die Wiedergesundung der deutschen Wirtschaft ermöglicht worden ist, und zweitens für das großzügige Entgegenkommen bei der Streichung eines wesentlichen Teils dieser Verpflichtungen zum Ausdruck bringen wollten.
    Erst nachdem durch diese Senkung der Nachkriegsschulden eine Grundlage für weitere Verhandlungen geschaffen worden ist, war es möglich, in langwierigen und zeitraubenden Verhandlungen eine Ermäßigung der Grundlage der Vorkriegsschulden von einer Goldbasis von 13,5 auf 7,3 Milliarden zu erreichen. Kein Gläubiger kann in den ersten fünf Jahren sowohl Zinsen als auch Amortisation verlangen. Die Durchführung dieses Grundsatzes hat bewirkt, daß die Vereinigten Staaten auf die Zinsleistungen von 93 Millionen DM in den ersten fünf Jahren verzichtet und dadurch zu einer Senkung der Annuitäten beigetragen haben. Aus laufenden Überschüssen der Handels- und Dienstleistungsbilanz sollen die laufenden Annuitäten gedeckt werden; sie sollen in Handels- und Zahlungsabkommen Aufnahme finden.
    Von ganz besonderer Bedeutung ist Art. 34 des Schuldenregelungsabkommens, der für den Fall einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Konsultation vorsieht. Auf Ersuchen der Bundesregierung oder eines Gläubigerstaates soll eine erneute Beratung stattfinden. Hierbei sollen die maßgeblichen wirtschafts-, finanz- und währungspolitischen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, insoweit sie die Transferfähigkeit beeinflussen. Eine ähnliche Bestimmung in einer noch stärkeren Fassung ist in Art. VI des Abkommens mit


    (Dr. Kopf)

    den USA über die Regelung der Ansprüche aus der Nachkriegs-Wirtschaftshilfe eingefügt worden. Neben dieser umfassenden Gesamtregelung des Schuldenregelungsabkommens mit 20 Staaten ist eine Reihe von bilateralen Verträgen und Sonderregelungen getroffen worden.
    Besonderer Erwähnung bedürfen die Abkommen, die mit unseren beiden Nachbarländern Dänemark und der Schweiz getroffen worden sind, Ländern, mit denen uns nicht nur die enge geographische Nachbarschaft, sondern auch freundnachbarliche Beziehungen verbinden und in der Zukunft verbinden sollen. Das Land Dänemark hat in der Nachkriegszeit durch die Aufnahme der deutschen Flüchtlinge dem deutschen Volke einen großen Dienst erwiesen, und es ist auch hier an der Zeit, ihm hierfür den Dank auszusprechen. Auch die Schweiz hat bei der Regelung ihrer Forderungen Verständnis für die deutsche Lage gezeigt, wenn sie auch verständlicherweise auf die Regulierung alter Schuldverpflichtungen Wert gelegt hat.
    Wenn wir die Gesamtheit der erzielten Regelung betrachten, so glauben wir sagen zu können, daß das Schuldenregelungsabkommen in Verbindung mit den Sonderabkommen einen Erfolg der Verhandlungsführung darstellt und daß es gelungen ist, Lösungen herbeizuführen, die, im Vertrauen auf eine günstige Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft, noch als tolerabel bezeichnet werden können.
    Aber wenn wir diese positive Wertung des Abkommens vornehmen, so mischen sich in den Becher der Freude über das gute Gelingen und den von allen Seiten bekundeten guten Willen auch bittere Wermuttropfen. Trotz der weitgehenden Ermäßigung der Vorkriegs- und vor allem der Nachkriegsschulden ist die von der Bundesrepublik übernommene Last schwer. Die zu tragenden Verpflichtungen belaufen sich auf nicht weniger als 14 Milliarden DM. Zu diesen Verpflichtungen treten die weiteren Verpflichtungen aus dem Israel-Abkommen in Höhe von 3,5 Milliarden DM und aus der individuellen Wiedergutmachung.
    Das Abkommen kann nur im Vertrauen darauf gutgeheißen werden, daß die günstige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den künftigen Jahren andauern wird. Aber gerade im Dollarraum können möglicherweise Schwierigkeiten eintreten, wenn sich nicht die Exportmöglichkeit aus Deutschland nach diesem Raum auch in Zukunft günstig gestaltet.
    Es muß bedauert werden, daß sich der Grundsatz der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung der deutschen Herrschaftsgewalt, den auch die Gegenseite anerkannt hat, in dem Abkommen nur in unvollkommener Weise hat durchsetzen lassen. Eine Kapitalreduktion, die diesem Grundsatz in vollem Ausmaß gerecht geworden wäre, hat sich leider nicht erzielen lassen. Bei der Berechnung der Zinsen aus den alten deutschen Reichsanleihen, insbesondere der Young- und der Dawes-Anleihe, ist diesem Grundsatz allerdings Rechnung getragen worden; die Bedienung dieser großen Reichsanleihen durch Zinsen und Amortisation ist bis zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung hinausgeschoben worden.
    Mit der vollen Übernahme der Verpflichtungen, die die Saar berühren, erkennt die Bundesrepublik die rechtliche Eigenart der Saar als eines Teiles Deutschlands an.
    Durch den Verzicht auf die Beibehaltung der Goldklausel ist der territorialen Beschränkung der
    Bundesrepublik nicht, wie von der Gegenseite angenommen wurde, ausreichend Rechnung getragen worden; denn die Goldklausel hätte, nachdem der Dollar seinerzeit um 40,6 % gegenüber dem Goldkurs abgewertet worden ist, nicht aufrechterhalten werden können.
    Ein weiteres Bedenken betrifft die Frage der Währungsumstellung bei Goldmarkschulden und Reichsmarkschulden mit Goldklausel. In diesen Fällen ist vorgesehen, daß die Umstellung nicht im Verhältnis 10 : 1, sondern im Verhältnis 1 : 1 erfolgt, und zwar dann, wenn es sich um Goldmarkverbindlichkeiten spezifisch ausländischen Charakters handelt. Die deutsche Währungsumstellung des Jahres 1948 geht auf Direktiven der alliierten Mächte zurück. In diesen Umstellungsgesetzen ist das Umstellungsprinzip 10 : 1 grundsätzlich anerkannt und die Umstellung demgemäß durchgeführt worden. Wenn nunmehr in den vorliegenden Verträgen für Angehörige der alliierten Mächte in den genannten Fällen eine begünstigte Währungsumstellung, nämlich im Verhältnis 1 : 1, vorgesehen wird, so wird damit der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung von Inländern und Ausländern zweifellos nicht beachtet. Diese unterschiedliche Behandlung weist vielmehr die Trennungslinie auf, die die Besiegten von den Siegermächten trennt. Der Umstellungsgrundsatz 1 : 1, der bisher nur für die alliierten Mächte galt, ist in den Abkommen ausgedehnt worden auf weitere Länder und Angehörige weiterer Länder, die nicht zu den alliierten Mächten gehören, immer unter der Voraussetzung, daß es sich hierbei um Hypotheken auf Goldmarkbasis oder um Reichsmarkhypotheken mit Goldklausel handelt und daß diese Schuldverpflichtungen einen spezifisch ausländischen Charakter aufweisen. Es handelt sich bei dieser Ausdehnung in erster Linie um die Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger, die in einer Höhe von schätzungsweise 30 Millionen bestehen. So anerkennenswert es ist, daß schweizerische Gläubiger ihr Kapital seit vielen Jahrzehnten immer wieder nach Deutschland ausgeliehen und hierdurch wirtschaftliche Aufbaumöglichkeiten geschaffen und gefördert haben, so kann andererseits doch nicht verkannt werden, daß die Geschichte vieler derartiger Goldmarkhypotheken, die manchmal bis in die Zeit um 1870 zurückreichen, sich als eine Tragödie für die Schuldner entwickelt hat. Diese Schuldner haben zweimal den Verlust ihrer Ersparnisse erlebt. Ihre Häuser sind vielleicht in Trümmer gelegt worden, aber ihre Schulden sind bestehengeblieben.
    Das vorliegende Abkommen sieht vor, daß diese Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger wiederum aufleben und in gewissen Fällen neu eingetragen werden können. Hierdurch tritt in vielen Fällen eine Benachteiligung der deutschen Schuldner ein, die sich darauf verlassen haben, daß die Umstellung dieser Goldmarkhypotheken auf Grund der Umstellungsgesetze des Jahres 1948 erfolgt. Diese deutschen Schuldner verlieren insbesondere die Begünstigungen, die ihnen bezüglich ihrer Umstellungsverpflichtungen durch das Lastenausgleichsgesetz eingeräumt worden sind. Es muß daher die Forderung erhoben werden, daß die Bundesrepublik, nachdem sie diese Goldmarkhypotheken zugunsten ausländischer, insbesondere schweizerischer Gläubiger wiederhergestellt hat, die deutschen Schuldner in vollem Umfange für alle Benachteiligungen materieller und finanzieller Art, die ihnen durch diese Maßnahme erwachsen, schadlos hält.


    (Dr. Kopf)

    Es ist zu bedauern, ,daß es nicht gelungen ist, einen Kapitalnachlaß auch in dem Abkommen zu erhalten, das die Bundesrepublik mit den USA über die Regelung der Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Überschußgütern, den sogenannten StEG-Gütern, geschlossen hat. Die Gründe, weshalb sich die Vereinigten Staaten zu einem solchen Nachlaß nicht entschlossen haben, sind in der Begründung zur Vorlage dargelegt worden. Es sind haushaltsrechtliche Schwierigkeiten, und es besteht das Bedürfnis, weiterhin gewisse Beträge in Landeswährung zur Verfügung zu haben. Aber gerade in diesem Falle wirkt sich das Fehlen einer Kapitalreduktion als besonders bedauerlich aus; denn die Erlöse aus den StEG-Gütern sind bereits vor der Währungsreform erzielt worden und vielfach untergegangen, und dem Wert der gelieferten Waren in Höhe von rund 216 Millionen Dollar steht eine Deckung nur noch etwa in Höhe eines Viertels dieses Betrages gegenüber.
    Eine besondere Sorge hat uns immer der Zusammenhang zwischen den Auslandsschulden und dem Auslandsvermögen bereitet. Die Bundesregierung hat noch im Frühjahr 1951, wenige Wochen nach ihrer grundlegenden Erklärung vom 6. März 1951, der Alliierten Hohen Kommission den Wunsch unterbreitet, daß das deutsche Auslandsvermögen zur Deckung der deutschen Auslandsschulden herangezogen werden möge. Die Alliierte Hohe Kommission hat namens der von ihr vertretenen Mächte diesem Wunsch der Bundesregierung nicht stattgegeben. Auch in der Folgezeit ist diese Haltung der alliierten Mächte unverändert geblieben. Es ist seitens der alliierten Mächte lediglich anerkannt worden, daß die Tatsache des Verlustes des deutschen Auslandsvermögens als ein Faktor anerkannt werden kann, der die deutsche Transferfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinflußt. Diese Feststellung ist für uns betrüblich, und wenn wir uns heute durch den Abschluß dieses Abkommens zu der Anerkennung des Eigentums und auch des Privateigentums feierlich und vor aller Welt bekennen, so können und müssen wir hiermit den Wunsch verbinden, daß dieses Eigentum nicht nur innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland, sondern innerhalb der ganzen Welt und der ganzen Menschheit als ein schutzwürdiges Gut ein für allemal anerkannt und respektiert werden möge.
    Wir haben in Verbindung mit der heutigen Behandlung der Schuldenregelungsabkommen einige Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Der Herr Vorsitzende der deutschen Delegation hat bei der Schlußverhandlung in London in unmißverständlicher Weise die Erklärung abgegeben, falls seitens der alliierten Mächte — was wir nicht annehmen können — noch Reparationsansprüche jemals erhoben werden sollten, wäre Deutschland nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen aus den Schuldenregelungsabkommen nachzukommen. Es erscheint wichtig und notwendig, ,daß sich der Deutsche Bundestag diese Erklärung des Leiters der deutschen Schuldenregelungsdelegation zu eigen macht.
    Die Schuldenregelung stellt in gewissem Sinne eine Vorwegnahme des Achten Teils des Überleitungsvertrags dar. Es ist richtig, daß die Vertragspartner des Überleitungsvertrags und des Schuldenregelungsabkommens verschiedene sind. Aber auch die drei alliierten Mächte sind Mitvertragspartner des Schuldenregelungsabkommens. Deutschland nimmt somit in diesem Schuldenregelungsabkommen gewisse Verpflichtungen vorweg, die ihm im Achten Teil des Überleitungsvertrags auferlegt werden sollen. Der Sechste Teil des Überleitungsvertrags behandelt das Schicksal des deutschen Auslandsvermögens und eröffnet gewisse, wenn auch bescheidene, Verhandlungsmöglichkeiten für Deutschland mit gewissen Ländern über bestimmte deutsche Auslandsvermögenswerte. Wenn Deutschland sich heute bereit erklärt, zur Wiederherstellung des internationalen Vertrauens gewisse wichtige und weittragende Verpflichtungen, die im Überleitungsvertrag vorgesehen sind, gegenüber den Gläubigerländern und den alliierten Mächten jetzt schon, vor der Ratifikation des Überleitungsvertrags, zu übernehmen, dann darf dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, daß der Bundesrepublik in Würdigung dieser deutschen Bereitschaft zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gestattet werden möge, von den Verhandlungsmöglichkeiten, die ihr im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags bezüglich bestimmter Auslandsvermögenswerte eröffnet sind, schon jetzt und ohne Verzug Gebrauch zu machen. Es dürfte seitens der zuständigen Ausschüsse zu prüfen sein, ob und in welcher Form ein Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet werden soll, einen derartigen Schritt bei den alliierten Mächten zu unternehmen.
    Ein weiterer Wunsch ist von mir bereits vorhin angedeutet worden. Es ist notwendig, diejenigen deutschen Schuldner, deren Rechtslage durch den Abschluß des deutsch-schweizerischen Schuldenabkommens verschlechtert wird, in vollem Umfang zu entschädigen. Die Bundesrepublik soll demgemäß verpflichtet sein, den deutschen Schuldner von allen Verbindlichkeiten zu befreien, die ihm über die Verpflichtungen hinaus auferlegt werden, die sich für ihn auf Grund der deutschen Umstellungsgesetze ergeben würden. Die Bundesregierung ist damit befaßt, ein Ausführungsgesetz für die Durchführung der Schuldenregelungsabkommen auszuarbeiten. Es darf der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß dieses Ausführungsgesetz eine vollkommene Schadloshaltung dieser deutschen Schuldner enthält.
    Der Ältestenrat hat in Erwägung gezogen, die beschleunigte Prüfung des sehr umfassenden Vertragswerkes einem neu zu bildenden Sonderausschuß zu übertragen. Es gäbe einen anderen Weg, der mir persönlich als der vielleicht glücklichere erscheinen möchte. Ich glaube, ,daß für dieses Vertragswerk, bei dem der Primat des politischen Gesichtspunkts vor dem finanziellen und dem wirtschaftspolitischen anerkannt werden muß, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend sein sollte und daß man ihn beauftragen sollte, in Gemeinschaft mit den anderen beteiligten Ausschüssen eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der möglichst beschleunigt das gesamte Vertragswerk unter den verschiedenen Gesichtspunkten, die aus den verschiedenen Ausschüssen herangebracht werden, geprüft wird. Diese Prüfung sollte eine sorgfältige, aber auch eine beschleunigte sein.
    Abschließend darf ich in wenigen Worten nochmals eine Gesamtwürdigung dieses großen Vertragswerks abgeben. Es legt dem deutschen Volke zweifellos große und schwere Opfer auf. In der Geschichte der deutschen Verschuldung, der Nachkriegsverschuldung der beiden Weltkriege, in den jahrelangen Bemühungen, eine Lockerung und Lösung des Schuldenbandes zu erzielen, ist das Spiegelbild eines tragischen Ablaufs der deutschen Geschichte zu erblicken, die durch zwei Katastrophen geführt hat. Es ist der Sinn des Abkom-


    (Dr. Kopf)

    mens, einige Jahrzehnte der deutschen Geschichte auf dem finanziellen und finanzpolitischen Gebiet zu liquidieren. In diesem Sinne ist ,das Abkommen in die Vergangenheit gerichtet. Aber es weist zugleich in die Zukunft. Denn es bedeutet zugleich eine Novation von Schuldverpflichtungen, eine Konsolidierung und Fundierung bereits bestehender Schulden, einen Neubeginn, der allerdings mit schweren Hypotheken belastet ist. Es wird somit gleichzeitig ein Schlußstrich unter eine tragische Vergangenheit gezogen und ein neuer Anfang mit schweren Opfern gemacht. Dieser Neubeginn fällt zeitlich zusammen mit dem Zeitpunkt, in dem sich Deutschland anschickt, seine Souveränität wiederzugewinnen und sich in eine neu zu schaffende europäische Ordnung als gleichberechtigter Partner einzufügen. Nach der finanziellen Seite, aber auch nach der Seite der Wiedergewinnung des Vertrauens soll das Abkommen, wie es unter Ziffer 21 des Berichts der Londoner Schuldenkonferenz heißt, „zu der Wiederherstellung des internationalen Kredites Deutschlands durch Neubegründung des Vertrauens in das finanzielle Ansehen und die Verläßlichkeit Deutschlands als Kreditnehmer beitragen". Aber die Bedeutung und der Sinn des Abkommens wächst weit über den Rahmen seiner finanziellen Bestimmungen hinaus. In einer Welt der zerstörten Ordnung sollen alte und bewährte, aber allzuoft vergessene Tugenden als neue Eckpfeiler wiederhergestellt werden, wie ein Rocher de bronze: die Bereitschaft zur Erfüllung übernommener Verpflichtungen, die Respektierung des Eigentums und die Treue zu den Verträgen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)