Rede von
Peter
Jacobs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion stimmt den hier beschlossenen Maßnahmen ausdrücklich zu und knüpft daran die Bitte, es keinesfalls bei diesen Maßnahmen zu belassen. Wenn eben durch den Herrn Berichterstatter auf Zustände in den genannten Kreisen im Lande Rheinland-Pfalz, insbesondere in den Räumen Baumholder, Kaiserslautern, Bitburg und Worms hingewiesen wurde, dann muß ergänzend dazu gesagt werden, daß sich dieser Bericht auf eine Besichtigung stützt, die immerhin einige Zeit zurückliegt, und zu unserem Bedauern muß festgestellt werden, daß sich in der Zwischenzeit die Verhältnisse sehr geändert haben; sie haben sich weiter verschlechtert, auch was die Zahl und das Ausmaß der erneut festzustellenden Gefährdung nicht nur der Jugend, sondern der gesamten Bevölkerung anlangt.
Aus Zeitungsnotizen beispielsweise war zu entnehmen, daß sich in Baumholder oder in unmittelbarer Nähe davon in jüngster Zeit sogar eine Zeltstadt aufgetan hat, die von obskuren Elementen der Besatzungsmacht, einer bestimmten Kategorie von Leuten, die dort jetzt ansässig geworden sind, für ganz bestimmte Zwecke zur Verfügung gestellt wurde.
Ich will hier nicht im einzelnen darauf hinweisen, wie sich die Zustände entwickelt haben, sondern möchte in dem Zusammenhang nur erklären, daß es falsch wäre, dafür eine Besatzungsmacht verantwortlich zu machen. Es ist ganz allgemein die Folge der Tatsache der Zusammenballung von Truppenmassen an irgendwelchen Plätzen, wobei allerdings zum Ausdruck gebracht werden muß, daß der Lebensstandard der jeweiligen Besatzungsmacht und die Möglichkeit, solche Dinge zu forcieren, ein entsprechendes Ausmaß zeitigen. Es gehört ja zu diesen Dingen nicht nur einer, sondern in diesem speziellen Fall sind es drei. Der dritte ist dabei derjenige Teil der Bevölkerung, der sich nicht scheut, um des klingenden Lohnes willen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Das beweist, daß die Ursachen dieser unmöglichen Verhältnisse umfassender sind, als man es gemeinhin annimmt.
Wir möchten aber vor allen Dingen darauf hinweisen, daß sich die sozialdemokratische Fraktion keinesfalls damit einverstanden erklären kann, daß die sogenannten Sofortmittel, die in ihrer Auswirkung als ungenügend zu bezeichnen sind, auf den Bundesjugendplan selbst angerechnet werden können. Wenn feststeht, daß der Haushaltsausschuß die benötigten Mittel bewilligt hat, dann muß unsererseits die Forderung erhoben werden, daß selbst bei der Notwendigkeit, den Bundesjugendplan vorübergehend in Anspruch zu nehmen, eine weitere Erhöhung der benötigten Mittel keinesfalls auf Kosten der Mittel des Bundesjugendplans gehen darf, da der Bundesjugendplan in seiner ganzen Struktur und in dem, was er beabsichtigt, ja etwas anderes verfolgt als die Bereitstellung der Mittel für diesen speziellen Zweck.
Der Bundesregierung möchten wir in diesem Zusammenhang auch noch sagen, daß ein hochpolitisches Anliegen mit dieser Sache verbunden ist, ein politisches Anliegen, das besonders in diesem Raum seinen Niederschlag gefunden hat. Eine der repräsentativsten, zwar unabhängigen, aber durchaus nicht regierungsfeindlichen Zeitungen des Landes Rheinland-Pfalz hat sich kürzlich in einem Leitartikel mit der Überschrift „negative Grenzlandpolitik", glaube ich, mit Recht darüber beklagt, wie wenig seitens der verantwortlichen Instanzen dieser Tatsache M diesem Gebiet Rechnung getragen wird. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder erlebt und erleben es auch in der Gegenwart, daß die Bevölkerung eines bestimmten Gebiets gegen gewisse Gefahren auch politischer Natur von außen um so immuner wird, je je günstiger der Lebensstandard und die sozialen Verhältnisse des betreffenden Lande sind, während überall dort, wo ein sogenanntes soziales Gefälle zu verzeichnen ist, die Gefahr von der andern Seite außerordentlich groß ist. Ich darf daran erinnern, daß ein Teil der hier genannten Räume, insbesondere Baumholder, in unmittelbarer Nähe des Saargebiets liegt, jenes Teiles unseres Vaterlandes, in dem zur Zeit keine Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen keine Jugendarbeitslosigkeit herrscht. Es ist immer wieder erschütternd, festzustellen, daß bei der Beurteilung und bei der Auswertung der Statistik über die Beschäftigung in der Bundesrepublik angesichts einer Zahl von fast 2 Millionen Arbeitslosen so getan wird, als ob es sich da um einen mehr oder weniger nicht behebbaren Schönheitsfehler handle, wobei vergessen wird, daß unter diesen 2 Millionen Arbeitslosen der Prozentsatz der jugendlichen Beschäftigungslosen so außerordentlich groß ist. Gerade die Zahl der jugendlichen Beschäftigungslosen in diesen Räumen ist außerordentlich groß, und es ist falsch, anzunehmen und zu sagen, daß ja für diese Jugendlichen die Möglichkeit bestehe, bei den Besatzungsbauten in diesem Gebiet Arbeit und Brot zu finden. Das ist eben nicht der Fall, weil in der Regel die Firmen, die dort beschäftigt sind, ihr Stammpersonal aus dem ganzen Bundesgebiet heranholen und weil darüber hinaus diese Arbeiten nicht geeignet sind, Jugendlichen eine Beschäftigung zu geben, vor allen Dingen eine Ausbildungsmöglichkeit, die wir als Voraussetzung einer Berufsausbildung betrachten, auf die jeder Jugendliche in der Bundesrepublik eigentlich Anspruch haben müßte.
Ich glaube auch berechtigt zu sein, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß dieses Gebiet ein Sammelbecken für diejenigen beklagenswerten Jugendlichen ist, die immer noch aus der Bundesrepublik den Weg in die Fremdenlegion finden. Wir sollten alles tun, um diesen Jugendlichen gerade an dieser Stelle unseres Vaterlandes, an der Grenze, nicht das Gefühl zu geben, mit der Überschreitung der Grenze auf dem Wege in ein ungewisses Schicksal nichts Sonderliches aufzugeben. Deshalb ist es sinnvoll und zweckmäßig, daß die jetzt bereitgestellten Mittel, die dringend einer Erhöhung bedürfen, so verwendet werden, daß sie auch eine konstruktive Auswirkung haben, und nicht nach gewissen Absichten verwendet
werden, die bei manchen Organisationen bereits ihren Niederschlag in bestimmten Forderungen gefunden haben. Diese Organisationen glauben, mit diesen Mitteln die Möglichkeit zu haben, wiederum billig oder sehr bequem an den Ausbau von gewissen Heimen zu kommen, die dann in mehr oder weniger kurzer Zeit anderen Zwecken zur Verfügung gestellt werden als denen, für die sie eigentlich errichtet werden sollen.
Wir sind also der Meinung, weil wir die Notwendigkeit, zu diesem Zweck Mittel zur Verfügung zu stellen, bejahen und weil es etatrechtliche Vorschriften im Augenblick wahrscheinlich nicht anders ermöglichen, man sollte dafür vorerst den Bundesjugendplan in Anspruch nehmen. Wir sehen darin keinesfalls eine Endlösung, sondern sind der Ansicht, daß in jedem Fall die weitere Erhöhung der benötigten Mittel über das im Bundesjugendplan festgesetzte Soll hinaus noch bewilligt werden muß.
Die sozialdemokratische Fraktion bittet darüber hinaus in der Erkenntnis, daß hier Entscheidendes geschehen muß, und angesichts der Tatsache, daß überall dort, wo Truppenzusammenballungen zu verzeichnen sind, eine solche Gefährdung auftritt, aber auch aus politischen Erwägungen im Hinblick auf die grenzpolitischen Aufgaben, die wir gegenüber der westlichen Seite haben, in Zukunft mehr fördernde Maßnahmen ins Auge zu fassen, vor allen Dingen solche fördernden Maßnahmen, die geeignet sind, einen entscheidenden politischen und moralischen Erfolg zu bewirken.