Rede von
Wendelin
Morgenthaler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der soeben eingebrachte Gesetzentwurf entspricht einem Bedürfnis. Er kommt zugleich den Forderungen nach, die der Deutsche Bundestag schon vor zwei Jahren ausgesprochen hat, indem er der Regierung auftrug, Vorsorge zu treffen, daß die Evakuierten, sobald die Möglichkeit dazu besteht, heimkommen.
Wenn ich den § 1 dieses Gesetzentwurfs ansehe, dann finde ich, daß die Begrenzung des Personenkreises zu eng gefaßt ist. Es sind nur Personen einbezogen, die nach dem 26. August 1939 bis zum 7. Mai 1945 aus kriegsbedingten Gründen evakuiert worden sind. Wir wissen aber, daß nach diesem Zeitpunkt noch eine große Anzahl von Personen auf Grund von Anordnungen der Besatzung evakuiert worden sind. Ich habe diese Dinge in BadenBaden beobachtet. Ich weiß auch, daß Köln noch eine große Zahl solch Evakuierter zurückerwartet. Ich glaube, es ist ein Unrecht, wenn wir diese Menschen ausgliedern und nur diejenigen, die direkt während des Krieges evakuiert worden sind, in den Gesetzentwurf einbeziehen.
Der Gesetzentwurf stellt eine Grundlage dar, und es wird Aufgabe des Ausschusses sein, diese Grundlage auszubauen.
Betrachtet man den genannten Personenkreis nach Berufen, so ist in dem Gesetzentwurf zunächst nur gesagt, daß die Ärzte, die Zahnärzte und die Dentisten, wenn sie zurückkehren, wieder zur Kasse zugelassen werden müssen, sofern sie zuvor Kassenärzte gewesen sind. Nach meinem Dafürhalten fehlt aber ein Hinweis darauf, was mit den Beamten geschieht und insbesondere mit den Evakuierten, die in den Ländern, in denen sie aufgenommen wurden, Beamte geworden sind. Unter denen sind eine große Anzahl, die wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. Sie haben aber zum Teil im Aufenthaltsland ihre Ausbildung genossen, die vielleicht anders war als in ihrer Heimat, und nun sehen sie gewissen Schwierigkeiten entgegen, von ihren Länderregierungen aufgenommen zu werden. Es sind nicht die schlechtesten, die heimkehren wollen, und ich möchte nur die Bitte aussprechen, daß die Länderregierungen ihre Landeskinder unter allen Umständen wohlwollend behandeln, daß sie sich nicht an irgendwelchen Formalitäten stoßen, für die der einzelne ja gar nichts kann.
Der Herr Minister hat vorhin die Betreuungsmaßnahmen erwähnt und hat auch darauf hingewiesen, daß Bund, Länder und Gemeinden alles unternehmen müßten, um den Evakuierten zu helfen. Die schwierigste Frage ist ja die Wohnraumbeschaffung. Wir müssen auch in den Gemeinden draußen alles tun, um den Rückkehrwilligen eine Aufnahmemöglichkeit zu geben. Aber wer in der Kommunalverwaltung tätig ist, wer irgendwo Verantwortung trägt, z. B. in einer Wohnungskommission, der kennt die ungeheuren Schwierigkeiten, die die Wohnraumzuteilung heute einer Wohnungskommission, einer Gemeindevertretung überhaupt, aufbürdet. Für die Personenkreise, die bevorzugt behandelt werden müssen, also unsere Flüchtlinge, unsere Umsiedler, unsere Spätheimkehrer, unsere Naziverfolgten und jetzt die Evakuierten, haben wir selbstverständlich die Aufgabe, in den Gemeindeverwaltungen dafür zu sorgen, daß sie vordringlich untergebracht werden.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben vor wenigen Tagen hier das Vertriebenengesetz durchgesprochen, und es hat sich dort herausgestellt, daß neben all den bevorrechteten Personen — und wir erkennen sie ohne weiteres als solche an — auch noch Rücksicht genommen werden muß auf diejenigen, die in der Heimat geblieben sind und dort den Krieg ausgehalten haben. So ist es auch mit der Wohnraumzuteilung. Es ist leider Gottes vielfach außerordentlich schwer, den in der Heimat Wohnenden den notwendigen Wohnraum zuzubilligen; manche von ihnen wohnen auch heute noch in menschenunwürdigen Verhältnissen.
Was mich besonders bedrückt, ist die Tatsache, daß wir in den Gemeinden meist nicht die Möglichkeit haben, insbesondere den jungen Ehepaaren und solchen Personen, die heiraten wollen, auch nur ein bescheidenes Heim — und sei es nur ein Zimmer mit Küche — zu geben. Nach meinem Dafürhalten müßten heute Darlehen nicht nur für die bevorzugten Personenkreise gegeben werden, sondern insbesondere auch für jung Verheiratete und für solche, die heiraten wollen. Es ist doch nachgewiesen, daß gerade das Fehlen des Wohnraums in vielfacher Hinsicht an den vielen Ehescheidungen
schuld ist. Es ist deswegen eine Aufgabe des Staates, eine Aufgabe des Bundes, an der sicherlich der ganze Bundestag teilnimmt, gerade hier einmal nach dem Rechten zu sehen und Mittel und Wege zu suchen, insbesondere auch durch Bereitstellung von Baudarlehen und von Darlehen zum Ausbau von Wohnungen, diesem Personenkreis jene Unterstützung zuteil werden zu lassen, die er als die Grundlage des Staates, als das Volk von morgen, ansieht.
Ich möchte deswegen die Regierung und insbesondere die einzelnen Ministerien, die dafür zuständig sind, bitten, dem Gedanken der Unterbringung dieser Personen mehr Rechnung zu tragen, als es bisher geschehen ist. Die einzelnen Gemeinden sind dazu von sich aus nicht in der Lage; sie können dieses Problem nur lösen, wenn nicht von vornherein alle Wohnungen zweckgebunden sind. Als wir letzthin in meiner Gemeinde zwölf Wohnungen eines Hauses vergeben haben, waren ganze zwei Wohnungen für die Einheimischen frei, während zehn Wohnungen zweckgebunden waren. Dies muß auch der Bundesregierung zu denken geben.
Meine Damen und Herren, es wird Gelegenheit sein, in den Ausschüssen über alle diese Fragen — es sind ja noch weit mehr - zu beraten und den Gesetzentwurf auszubauen. Ich möchte namens meiner Fraktion bitten, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für innere Verwaltung federführend und daneben dem Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung zu überweisen.