Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Vogel, der die aus der Mitte des Hauses eingebrachte Gesetzesvorlage begründet hat, kann ich namens der Bundesregierung nur in vollem Umfang zustimmen.
Es ist bekannt, daß diese Vorlage aus der Mitte des Hauses auf umfassende und jahrelange Vorarbeiten zurückgeht, die in meinem Hause auf diesem Gebiet geleistet worden sind. Sie haben zu einem Gesetzentwurf geführt, der auch die Zustimmung des Kabinetts gefunden hat und der nach eingehender Anhörung der Rundfunkanstalten, der Intendanten und der Vertreter der einzelnen Länder entworfen worden ist. Sie dürfen aber auch von mir erwarten, daß ich namens der Bundesregierung zu dem Entwurf einmal Stellung nehme. Der Hauptinhalt des Entwurfs ist der, daß gewisse überregionale Angelegenheiten des Rundfunks einer neuen Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen werden sollen. An dieser Anstalt sind drei Besonderheiten bemerkenswert. Erstens: An ihr sollen alle Kräfte beteiligt werden, die auf der Ebene der Rundfunkanstalten, auf der Ebene der Länder und des Bundes bisher schon an der Lösung der Aufgabe beteiligt waren. Zweitens soll dieser Anstalt das Recht der Selbstverwaltung in gleichem Maße und in gleichem Umfang zustehen, wie es jetzt bereits den Rundfunkanstalten in den Ländern zugewiesen und gewährt worden ist. Damit komme ich zu dem dritten wesentlichen Punkt: eine Staatsaufsicht über den Rundfunk ist mit diesem Gesetz weder beabsichtigt noch irgendwo auch nur aus der Fassung herauszulesen. Ich möchte das mit Nachdruck hier in der Öffentlichkeit betonen, weil von interessierter Seite immer wieder unterstellt worden ist, namentlich dem Innenministerium, daß hier ein Staatsfunk geschaffen werden sollte.
Ich sprach davon, daß überregionale Fragen behandelt werden sollen. Es gibt unstreitig vier Gruppen überregionaler Fragen, die durch Bundesgesetz behandelt werden müssen.
Die erste große überregionale Frage ist das Fernsehen, das noch in voller Entwicklung begriffen ist und das allein schon, weil es ein umfassendes finanzielles Problem darstellt, das auch die Kräfte der stärksten Rundfunkanstalt bei weitem übersteigt, eine überregionale Erledigung erfordert.
Die zweite Frage ist die Einrichtung einer Deutschen Welle neben den verschiedenen Landessendern, die wir im Bund in der heutigen Zeit ebenso brauchen, wie wir sie einst in der Weimarer Zeit bereits gehabt haben.
Ich denke da an den Deutschlandsender zur Weimarer Zeit vor Hitler.
Drittens: Die Einrichtung eines deutschen Kurzwellendienstes für Sendungen ins Ausland,
die auch eigentlich selbstverständlich ist.
Schließlich gibt es eine Anzahl gemeinsamer Aufgaben — ich denke allein an die Forschung auf dem Gebiet der Ultra-Kurzwelle und des Fernsehens —, die eben auch überregional geführt werden müssen.
Es ist auch hervorzuheben und bezeichnend für die Einstellung weiter Kreise, daß die überregionale Natur dieser vier Aufgaben, die ich eben nannte, nirgendwo auch von den schärfsten Kritikern des Gesetzentwurfs, bestritten worden ist und auch nicht bestritten werden kann. Es handelt sich lediglich um die Streitfrage: Sollen diese überregionalen Aufgaben, wie es die Intendanten der Rundfunkanstalten begreiflicherweise gern möchten, durch Vereinbarungen der Rundfunkanstalten selbst erledigt werden, oder soll es, wie es die Länder begreiflicherweise wollen, durch Staatsvertrag der zehn Länder untereinander gemacht werden, wobei vielleicht auch noch der Bund in gewisser Weise beteiligt werden darf, wenn er sich brav verhält, oder — und das ist die Auffassung der Bundesregierung mit den Initiatoren dieses Gesetzentwurfs — soll ein Bundesgesetz die ganze Materie regeln?
— Auf das Grundgesetz komme ich noch ausführlich zu sprechen. — Ich darf nur heute einmal eine kritische Bemerkung anführen. Die Rundfunkanstalten haben ja immerhin fünf Jahre Zeit gehabt, die überregionalen Fragen vernünftig zu regeln.
Was sie bisher geschaffen haben, ist nichts als eine lose Arbeitsgemeinschaft. Sie hat eine charakteristische Ähnlichkeit mit der UNO; es genügt bisher nämlich das Veto eines einzelnen Mitglieds, um einen Beschluß nicht zustande kommen zu lassen.
Aber, meine Damen und Herren, nicht nur ich und meine Mitarbeiter, die diese Materie kritisch zu bearbeiten hatten, sondern auch weite Kreise der Öffentlichkeit — ich habe das auch aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Vogel herausgehört — können sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Arbeitsgemeinschaft von den Rundfunkanstalten und ihren verantwortlichen Leitern im wesentlichen nur dazu benutzt worden ist, die durch Zufälligkeiten und Unzuträglichkeiten eines Besatzungszustandes der ersten Nachkriegsjahre geschaffenen Zustände zu konservieren.
Das liegt aber nicht im Interesse des deutschen Rundfunks. Es ist doch ganz klar: Erinnern Sie sich doch an unser atomisiertes Westdeutschland hier 1945, erinnern Sie sich an die kleinen und größeren Länder und Ländchen, erinnern Sie sich an die Zusammenfassung im Zonenbeirat in Hamburg und die entsprechende Zusammenfassung im Süddeutschen Länderrat in Stuttgart, die ersten Gehversuche für größere Einheiten im Westen, und erinnern Sie sich daran, daß damals, in dieser Zeit des äußersten Mißtrauens gegen alle staatlichen Schritte, eben die Rundfunkanstalten so geschaffen worden sind, wie sie bemüht sind, sich heute am Leben zu erhalten.
Wenn jetzt in letzter Minute plötzlich, Hals über Kopf, von den Intendanten, um dem Gesetzentwurf dieses Hohen Hauses zuvorzukommen, eine Vereinbarung über gemeinsame Durchführung des Fernsehens getroffen wird, so kann das meines Erachtens wenig überzeugen.
Ein solcher Vertrag bietet keinerlei Sicherheit. Er kann jederzeit wieder aufgehoben werden, wenn es den Urhebern des Vertrages passend erscheint.
Im übrigen können auch die Rundfunkanstalten dem Fernsehen gar nicht die erforderliche Rechtsbasis geben. Oder will man vielleicht das Fernsehen erledigen dadurch, daß man eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder eine Gesellschaft des Handelsrechts schafft? Nach meiner Ansicht ist das Fernsehen genau wie der Tonrundfunk eine öffentliche Angelegenheit, und die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, daß die Dinge auf diesem zukunftsträchtigen Gebiet hier durch die berufene Volksvertretung behandelt werden.
Lassen Sie mich zu diesem Vertragswerk nur das eine sagen: ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Fassade eindrucksvoller ist als der Inhalt selbst. Da liest man, daß das Erfordernis der Einstimmigkeit, das ich gegenüber der bisherigen Arbeitsgemeinschaft bereits moniert hatte, jetzt abgeschafft sei. Aber sehen Sie einmal näher zu! Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, daß nur bei Ausübung rundfunkhoheitlicher Befugnisse diese Aufhebung gilt. Es wird also das Fell des Bundesbären verteilt, bevor man den Bundesbären selbst zur Strecke gebracht hat. Im übrigen ist die Einstimmigkeit für Beschlüsse der Arbeitsgemeinschaft aufrechterhalten in allen Programmangelegenheiten und ferner in allen Fragen, die nicht unwesentliche finanzielle Auswirkungen haben. Das heißt also praktisch, daß es bei der Regelung der überregionalen Angelegenheiten künftig bei dem alten, rückständigen Prinzip der Einstimmigkeit verbleiben soll.
Weiter ist wesentlich, wie man sich unter den Rundfunkanstalten die Verteilung der Lasten bei Wahrnehmung überregionaler Aufgaben denkt. Das ist ja gerade der kritische Punkt, bei dem die Geister sich scheiden. Hier finden Sie nichts anderes als die lakonische Feststellung, daß die finanziellen Mittel von den einzelnen Rundfunkanstalten nach Maßgabe ihrer Finanzkraft aufgebracht werden sollen. Die Einigung über diese Fragen, an der bisher 99 % aller Vereinbarungen scheiterten, ist also der Zukunft überlassen. Das zeigt, wie man diesen Entwurf der Intendanten zu bewerten hat. Es zeigt aber auch, daß das Bundesgesetz unbedingt notwendig ist, um auch auf finanziellem Gebiet gewisse unentbehrliche Ordnungen zu schaffen.
Gewichtiger — und ich komme auf einen Zwischenruf zurück — sind die Einwendungen der Länder zu nehmen, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Bundesgesetz abgelehnt werden müsse und man den Inhalt der verschiedenen Wünsche durch Staatsverträge der 10 Länder zusammenfassen solle. Auf die sich aus dem Grundgesetz ergebenden Zuständigkeitsfragen gehe ich gleich noch ein. Ich möchte unabhängig von dem Grundgesetz nur darauf hinweisen, daß ein solcher Staatsvertrag der Zustimmung von 10 Länderparlamenten bedarf. Ich möchte mich mit dem Hinweis auf diese Schwierigkeiten begnügen, ohne sie näher zu begründen.
Aber ich will durchaus nicht verkennen, daß sich sowohl in technischer, als auch in organisatorischer und finanzieller Hinsicht auch in kulturpolitischen Fragen gewisse Überschneidungen ergeben, die eben dem Problem des Rundfunks eigentümlich sind. Diese Dinge haben wir auch gewissenhaft berücksichtigt. Ich würde dankbar begrüßen, wenn die für die Ausschußberatungen des Ihnen vorliegenden Entwurfs notwendige Zeit dazu benutzt werden könnte, daß Bundesregierung und Länder in Fortsetzung ihrer bisherigen Fühlungnahme sich nochmals erneut um eine Verständigung bemühen. Ich glaube, daß die Länder dem Bund im Rahmen seiner Aufgabe auch die Rechte gewähren müssen, die dieser für sich in Anspruch nehmen kann. Er ist eben erst in die Erscheinung getreten, nachdem im Parlamentarischen Rat 1948/49 das Grundgesetz geschaffen worden ist und nachdem 1949 eine deutsche Regierung in Wirksamkeit getreten ist. Deshalb muß man jetzt den tatsächlichen Notwendigkeiten und der veränderten Rechtslage durch neue Verständigung Rechnung tragen.
Die Gesetzesvorlage hat in Berücksichtigung der Tatsache, daß es hier um Dinge geht, die die Interessen der Rundfunkanstalten, der Länder und des Bundes gleichermaßen berühren, das einzig Vernünftige getan, was in dieser Sachlage zu tun ist.
Sie hat vorgesehen, in das entscheidende Organ der neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, in den Gesamtrat, alle jene Repräsentanten als Mitglieder zu berufen, die auch bisher in Bund, Ländern und Rundfunkanstalten zur Mitwirkung bei den überregionalen Angelegenheiten berufen gewesen sind. Das sind bei den Rundfunkanstalten sämtliche Herren Intendanten und die Vorsitzenden der Aufsichtsratsgremien; das sind im übrigen sechs Vertreter, die von den Ländern aus dem Kreise des Bundesrats erbeten werden; das sind auch alle jene Persönlichkeiten, die als Vorsitzende der Rundfunkräte und der Verwaltungsräte der Rundfunkanstalten eingesetzt worden sind; das sind schließlich sechs Vertreter dieses Hohen Hauses und drei Vertreter — nur drei Vertreter - der Bundesregierung selbst und einige Repräsentanten großer wirtschaftlicher und konfessioneller Verbände. Es ist doch kein Zweifel, daß nur bei einem gemeinsamen und verständnisvollen Miteinander und nicht einem Gegeneinander aller die Sache einer kraftvollen Entwicklung zugeführt werden kann.
Ich komme noch einmal besonders auf das Gebiet des Fernsehens zu sprechen. Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß im Bundesgebiet nur e i n Fernsehprogramm entwickelt werden kann.
Das Fernsehen ist rund zehnmal so kostspielig wie der Tonrundfunk. Eine Minute Fernsehen kostet bei einem mäßigen Programm etwa 500 DM; bei einem einigermaßen anspruchsvollen Programm wird sie 1000 DM kosten, und sehr wahrscheinlich wird dieser Betrag rasch überschritten. Ein solches Jahresprogramm erforderte also etwa 30 bis 50 Millionen DM. Das geht selbst über die Kräfte des Nordwestdeutschen Rundfunks, des mächtigsten und kapitalkräftigsten von allen. Mit Zusammenlegung und Verständigung zwischen den einzelnen Ländern ist hier auch nicht genügend zu erreichen. Das bedeutete, daß die Führung an die Finanzstarken, an die ganz Großen übergeht und die Kleinen überfahren werden. Wir verkennen nicht, daß von den Rundfunkanstalten, soweit sie sich aus finanziellen Gründen der Aufgabe bisher überhaupt haben widmen können, eine wertvolle Pionierarbeit geleistet worden ist, und wir können ihnen keinen Vorwurf daraus machen, wenn mit unzureichenden Mitteln auch nur ein unzureichendes Programm entwickelt worden ist. Für uns erwächst hieraus aber die Pflicht, einzugreifen, um eine zweckmäßige Gesamtorganisation im Bundesgebiet zu schaffen.
— Ich komme gleich auch darauf.
Die Rundfunkanstalten vertreten die Auffassung, die Unterschiede zwischen Tonrundfunk und Fernsehen seien nicht so gewichtig, als daß sie nicht aus der Natur der Sache auch zur Durchführung des Fernsehens berufen seien. Dieser Ansicht können wir nicht beipflichten. Gewiß, es sind von der sendetechnischen Seite manche Parallelen da, wenn man an den Vorgang der Ausstrahlung von Ultrakurzwellen denkt; aber was den Inhalt des Gesendeten betrifft, so ist durch die visuelle Seite beim Fernsehen eine völlige Verschiebung der Darstellungsprobleme gegeben. Während bisher alles in einem kleinen Studio hat erledigt werden können, vor dem Mikrophon, ohne große Aufmachung, sei es irgendeine Komödie, sei es ein Drama, ein Lustspiel oder seien es Reportagen, so ist das auf dem Gebiet des Fernsehens nicht mehr möglich. Das Fernsehen hat insofern viel mehr Berührungspunkte mit dem Filmwesen als mit dem Tonrundfunk. Es kann von der technischen Seite her gar nicht daran gedacht werden, daß etwa in den Tonrundfunkstudien der Rundfunkanstalten künftig gleichzeitig Fernsehen durchgeführt wird. Wir müssen eine vollständig neue Organisation schaffen. Bei der englischen BBC und auch in anderen Kulturländern hat man diese Trennung vorgenommen. Es ist deshalb abwegig, zu behaupten, daß durch die Neueinrichtung einer Fernsehanstalt unnütze Ausgaben hervorgerufen werden. Wenn alle Rundfunkanstalten anfingen, im eigenen Studio Fernsehforschungen und -betrieb zu veranstalten, dann würde doch zweifellos weit unrationeller gewirtschaftet werden. Wir können heute die Bedeutung des Fernsehens im Gesamtausmaß noch nicht abschätzen. Aber wir können aus der Entwicklung gerade des kommerziell gesteuerten Fernsehens in Amerika die kulturellen Gefahren abschätzen, die hier heraufziehen. Nur wenn die Dinge rechtzeitig vernünftig geordnet werden — und gerade die BBC in England ist hier richtungweisend —, dann kann der Gefahr der geistigen und kulturellen Vermassung wirksam begegnet werden. Dazu bedarf es eben zentraler Koordinierung. Nur durch Konzentration der Kräfte können wir wirkliche Qualität erreichen. In der praktischen Ausgestaltung der vielfältigen kulturellen Kräfte und der landsmannschaftlichen Eigenarten des deutschen Volkes finden wir die Möglichkeiten, auf diesem Gebiet wirkliche Qualität zu schaffen. Durch die Zusammensetzung des entscheidenden Aufsichtsrats-Gremiums der Anstalt, in der die Länder, wie ich schon sagte, durch Vertreter des Bundesrats und der Rundfunkanstalten bei weitem in der Mehrheit sind, wird dafür gesorgt werden, daß die Belange der Länder in jeder Beziehung, insbesondere auch auf kulturellem Gebiet, nicht zu kurz kommen.
Ich komme nun zu dem bereits von mir durch Zuruf erfragten Problem der Gebührenverteilung. Daß der Bund zur Regelung der Gebühren zuständig ist, kann doch wohl kaum streitig sein.
Die Rundfunkgebühr ist von Anfang an stets eine Lizenzgebühr gewesen, eine Lizenzgebühr für die von dem Bundespostminister, früher vom Reichspostminister gewährte Genehmigung zum Betreiben einer Rundfunkempfangsanlage.
Die Zugehörigkeit dieser Frage zum Fernmeldewesen tritt hier ganz deutlich in Erscheinung. Nun wird plötzlich von den Intendanten und vielleicht auch noch von einigen Ländern die neue These vertreten, die Rundfunkgebühr sei eine Anstaltsgebühr, eine Anstaltsgebühr der einzelnen Rundfunkanstalten. Das ist eine Zweckkonstruktion mit der einzigen Absicht, die Zuständigkeit vom Bund auf die Länder zu verschieben. Alle Länder Europas einschließlich der Schweiz, einschließlich Englands kennen heute nur die Lizenzgebühren des jeweiligen Postministers. Ich kann mir daher auch nicht denken, daß ein deutsches Verfassungsgericht einer solchen gegenteiligen Zwecktheorie, wie sie jetzt von den Intendanten aufgestellt wird, Beachtung schenken wird. Ich glaube auch nicht, daß sich das Verfassungsgericht durch ein gerade heute veröffentlichtes Gutachten von neun Universitätsprofes-
soren — es sind teils Juristen, teils Pädagogen, teils Soziologen, teils Historiker — zu einer anderen Auffassung bewegen lassen wird. Es ist immerhin beachtlich, daß alle diese neun Herren Gutachter, die sich heute morgen in der Presse verlautbart haben, allerdings seit längerer Zeit zum Freundeskreis des Nordwestdeutschen Rundfunks gehören.
Der Auftraggeber des Gutachtens kann deshalb auch in bestimmter Richtung vermutet werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch kurz auf Verträge und Entwürfe eingehen, die von den Intendanten in Hannover unter sich beraten und verabschiedet worden sind. Es findet sich bei diesen Beratungen der Entwurf eines Bundesrundfunkgesetzes und der Entwurf eines Staatsvertrags der zehn deutschen Länder. Nach diesem Staatsvertrag setzen die Länder sogar die Höhe der Rundfunkgebühren fest. Ich habe das Gefühl, daß hier allerdings die Herren Intendanten in ihren Beratungen die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall den Herrn Bundespostminister, gemacht haben. Der Bundespostminister würde nach dem Entwurf immerhin noch die Funktion haben, daß er die Gebühren einziehen darf. Aber er muß sie dann an die Länder abführen. Es genügt, diese Regelung zu nennen, um sie in ihrem Wert zu charakterisieren.
Intendanten und Länderregierungen haben nicht immer so gedacht, wie es heute aus einzelnen Verlautbarungen hervorzugehen scheint. Ich erinnere daran, daß zu einem Bundesgesetzentwurf der Rundfunkanstalten vom September 1950 meinem Ministerium von den federführenden Intendanten folgender ausgezeichneter Begleitsatz übermittelt wurde:
Bei der großen Bedeutung der Angelegenheit und der Gefahr, daß nicht der Sache dienende Interessen die Entwicklung in eine falsche Richtung treiben, möchte ich die Bitte an Sie richten, auch Ihren persönlichen Einfluß aufzubieten, um das Rundfunkwesen in Deutschland nicht zum Schaden des Ganzen zersplittern zu lassen.
Ich habe diesem Gedanken nichts nachträglich hinzuzufügen. Dieser Entwurf eines Bundesgesetzes sah vor — ich betone das ausdrücklich —, daß die Organisation der Rundfunkanstalten der Landesgesetzgebung zu überlassen sei. Nun, man kann über diese Frage selbstverständlich reden, aber nachdem nun wieder drei Jahre seit jenem Entwurf ins Land gegangen sind, muß man auf einmal feststellen, daß dem Bund plötzlich das Recht zur Behandlung sogar der überregionalen Fragen abgesprochen wird.
Ich komme damit zur Zuständigkeit. Sie wissen, wie der Bund seine Zuständigkeit zum Erlaß des Gesetzes begründet. Bekanntlich hat der Bund nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes die ausschließliche Gesetzgebung für das Post- und Fernmeldewesen. Der Begriff des Fernmeldewesens stammt aus der Weimarer Zeit. Damals hat der Reichspostminister den gesamten organisatorischen Aufbau des deutschen Rundfunks in seine Hand genommen. Die Rundfunkgesellschaften, die durch seine Initiative in Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften ins Leben traten, sind entstanden, ohne daß es eines gesetzgeberischen Aktes bedurft hätte. Die Mehrheit der Anteile und die Stimmen dieser Rundfunkgesellschaften wurden bekanntlich durch die Reichsrundfunkgesellschaft verwaltet, und die Reichsrundfunkgesellschaft war ihrerseits zu 51 % im Besitz des Reichspostministers. Der Postminister regelte damals noch auf einem anderen Weg innerorganisatorische Angelegenheiten und Fragen der Programmüberwachung und anderer Sachgebiete. In seinen Sendelizenzen war eine Fülle von organisatorischen Auflagen enthalten. Ich erinnere nur an die Einrichtung der sogenannten politischen Überwachungskommissionen. Dieses gesamte Tätigkeitsfeld des Reichspostministers bezeichnet man in der Gesetzessprache als das Fernmeldewesen. Es bildet seinerseits einen Ausschnitt aus dem Post- und Telegraphenwesen, für das das Reich gemäß Art. 6 Ziffer 7 der Weimarer Reichsverfassung ausschließlich zuständig war.
Der Parlamentarische Rat hat nachweislich an diesen Verhältnissen nichts ändern wollen. Besonders die Vertreter der SPD haben sich damals eindeutig und auch entschieden dafür eingesetzt, daß nicht nur sendetechnische, sondern auch organisatorische Angelegenheiten des Rundfunks zur Zuständigkeit des Bundes rechnen. Mein sehr verehrter Freund, Herr Professor Laforet hat sich damals sehr darum bemüht, die Zuständigkeit des Bundes auf sendetechnische Fragen zu beschränken; aber seinen Bemühungen ist kein Erfolg beschieden gewesen. Wenn man davon Abstand genommen hat, die Zuständigkeit des Bundes auch in organisatorischer Hinsicht expressis verbis zum Ausdruck zu bringen, so ist der Grund der gewesen, daß man es möglichst bei der Gesetzessprache der Weimarer Zeit hat belassen wollen, um die Alliierten nicht unnötig auf diese Konsequenz aufmerksam zu machen und etwa einen Einspruch auszulösen. Das geht freilich in dieser Klarheit aus den Protokollen nicht hervor.
Aber die Teilnehmer an jenen Beratungen, zu denen ich selbst gehöre, werden es ohne weiteres bestätigen können.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch sagen, daß die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf noch in so vorgeschrittenem Stadium zur Diskussion gestellt hat, weil auf diesem verworrenen Gebiet seit langem jedenfalls eine Regelung in bezug auf überregionale Angelegenheiten fällig war. Es ist unbedingt nötig, in diesem Zeitpunkt zu einer klaren Weichenstellung zu kommen. Der Tonrundfunk ist für uns alle ein warnendes Beispiel dafür, daß, wenn der Bund nicht rechtzeitig im Wege der Gesetzgebung eingreift, gegensätzliche Entwicklungen stattfinden können, die nachher Tatsachen schaffen, die sehr schwer wieder aus der Welt zu schaffen sind. Ich denke an die einseitige Größenentwicklung des Nordwestdeutschen Rundfunks und stelle dem den Bremer Sender gegenüber.
Es ist der Sinn meiner Ausführungen, Sie zu bitten, in den Ausschußberatungen alle diese Punkte ebenso sorgsam zu erwägen, wie wir es in den Verhandlungen innerhalb der Bundesressorts, wie wir es in den Verhandlungen mit den Ländern, den Intendanten und den Rundfunkanstalten getan haben. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre Beschlüsse fassen, dem Bunde zu geben, was des Bundes ist, im Interesse des deutschen Rundfunks.