Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion ist keineswegs leicht zu der ganz überwiegend gefaßten Stellungnahme gekommen, diesem Gesetz zuzustimmen. Wir haben Pro und Kontra eingehend erwogen. Aber wenn man die Gründe, die für und die gegen die Senkung des Tabakpreises durch Steuersenkung sprechen, miteinander vergleicht, so wird man doch den für eine Senkung sprechenden das größere Gewicht beimessen müssen. Zunächst einmal geschieht ja die Senkung in erster Linie im Interesse der Schmuggelbekämpfung. Dadurch wird doch erreicht, daß diejenigen Mengen an Rauchwaren, die jetzt ohnehin geraucht wurden, in Zukunft auf legalem Wege erworben und verzehrt werden. Dadurch tritt insgesamt aber keine Umsatzvermehrung ein. Außerdem kommt hinzu, daß sich die Rauchgewohnheiten ja nur schwer ändern. Wir rechnen damit, daß zahlreiche Raucher, die jetzt ihr Quantum täglich zum Preis von 10 Pf gekauft haben, in Zukunft das gleiche Quantum eben zu einem billigeren Preis kaufen werden, daß sie aber nicht etwa, wie die Zigarettenindustrie es uns erzählt, automatisch mehr rauchen werden. Ganz im Gegenteil: gerade der Familienvater, der eine Fülle von Aufgaben zu bewältigen hat und dem es schwer genug fallen wird, alle Bedürfnisse seiner Familie zu befriedigen, wird nicht ohne weiteres, wenn die Steuersenkung kommt, die ersparten Pfennige automatisch in Mehrkonsum anlegen, sondern er wird sie im Interesse der Bedürfnisse seiner Familie verwenden. So kann auf diesem Wege also eine echte Verbesserung der Lebenshaltung der Familie eintreten.
Die Frage, die sich bei der Erörterung des Problems vor allem stellt, ist, ob überhaupt auf dem Wege über die Steuer der Konsum derartiger Genußmittel entscheidend beeinflußt werden kann. Wenn das wirklich der Fall wäre, wenn die Theorie, von der die Vertreter der andern Auffassung, der hohen Preise, ausgehen, richtig wäre, dann hätte sich der Konsum jetzt schon nicht in dieser Höhe entwickeln können; dann hätte jetzt schon das Steueraufkommen aus Tabak und Kaffee und ähnlichen Genußmitteln nicht Milliardenhöhe erreichen und eine wesentliche Stütze des Bundeshaushalts überhaupt ausmachen können. Gerade die Tatsache, daß der Verbrauch trotz der durch die deutsche Steuergesetzgebung bedingten außergewöhnlichen Höhe des Preises, eines Preises, wie wir ihn ja sonst nirgendwo in der Welt kennen, diesen Umfang angenommen hat, zeigt doch ganz deutlich, daß nicht
die Steuern die entscheidenden Faktoren für den Verbrauch dieses Genußmittels sind, sondern daß die entscheidenden Faktoren irgendwoanders zu suchen sind. Sie sind in der ganzen seelischen Haltung zu suchen und können nur durch eine Erziehung, durch eine Änderung der allgemeinen Umweltsbedingungen entscheidend geändert werden, aber nicht dadurch, daß die Steuer und der Preis in der bisherigen Höhe festgehalten werden.
Es ist keineswegs richtig, daß insbesondere die Jugend auf die Preissenkung in verstärktem Maße reagieren würde. Schon jetzt ist es doch so, daß die Selbstgedrehte nicht von den jungen Menschen geraucht wird, sondern in erster Linie von dem Familienvater geraucht werden muß, der sein Rauchbedürfnis auf andere Art und Weise nicht befriedigen kann. Wenn aber gerade die jungen Leute im allgemeinen eher als die Familienväter in der Lage sind, sich ihr Zigarettenquantum in dem Umfang zu kaufen, in dem sie es selber wollen und nötig zu haben glauben, wie sollte dann zu erwarten sein, wenn wir tatsächlich die Vorschläge der andern Seite verwirklichen, daß die Jugend nunmehr weniger rauchte, als sie es heute schon tut? Die jungen Leute sind im allgemeinen in der Lage gewesen, sich ihr Rauchquantum zu vollen Preisen so zu verschaffen, und es ist nicht anzunehmen, daß es dadurch anders wird, daß die Preise jetzt teilweise gesenkt werden.
Ich bin deshalb in der Lage, namens meiner Fraktion zu erklären, daß wir bei Abwägung des Pro und Kontra dem Gesetzentwurf ganz überwiegend unsere Zustimmung geben werden. Wir tun das in erster Linie aus der Erwägung heraus, daß die Steuersenkung dazu beitragen wird, die Dekkung der Lebensbedürfnisse weiter Bevölkerungskreise zu erleichtern, und in zweiter Linie aus der Auffassung heraus, daß die Zurückdrängung des Genusses von Tabakwaren und ähnlichen Genußmitteln keine Aufgabe der Steuergesetzgebung, sondern eine Aufgabe der Erziehung und anderer politischer Maßnahmen ist.