Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen federführend und an den Haushaltsausschuß. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Mauk und Genossen betreffend Importe von Obst und Gemüse, Südfrüchten und Frühkartoffeln .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung der Anfrage 10 und für die Aussprache 40 Minuten vor.
Eine Anfrage können wir nicht gut überweisen.
— Das Wort zur Begründung der Anfrage hat Herr Abgeordneter Mauk.
Mauk , Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß dieser wichtige Punkt, der schon zum drittenmal auf der Tagesordnung steht, heute vor einem nahezu leeren Hause behandelt werden muß. Es mag vielleicht der eine oder andere sagen: Was ist Obst und Gemüse schon für etwas Wichtiges?! Wir haben wichtigere Dinge! Aber ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie auf einige Dinge im Zusammenhang mit dieser großen Anfrage hinweisen zu müssen, aus welchen Sie ersehen, daß die Frage nicht ohne Bedeutung ist.
Wir haben vor dem Kriege in den Jahren 1932 bis 1938 im Durchschnitt der Jahre im alten deutschen Reichsgebiet bei einer Bevölkerung von rund 65 Millionen Menschen eine Gemüseanbaufläche von rund 150 000 Hektar gehabt. Diese Gemüseanbaufläche ist infolge einer Politik einer etwas überhöhten Einfuhr in den letzten Jahren im Bundesgebiet bei 50 Millionen Menschen auf nunmehr rund 60 000 Hektar zurückgegangen. Wollten wir unser Volk in ähnlicher Weise wie vor dem Kriege aus einheimischem Anbau versorgen, müßten wir heute eine Gemüseanbaufläche haben, die mindestens 40 bis 50 % größer ist als die, die wir zur Zeit haben.
Die Folge dieser so geringen Anbaufläche, die zweifellos auf überhöhte Einfuhren zurückzuführen ist, ist die, daß wir heute nicht mehr in der Lage sind, das deutsche Volk mit Gemüse aus dem deutschen Boden, aus der deutschen Erzeugung zu versorgen. Wir sind jetzt in großem Maße auf Importe angewiesen. Und nun müssen wir uns einmal fragen, ob hier das Gesetz, daß, wenn die Grenzen weit geöffnet werden, die Preise sinken — wie es allerorts heißt —, gültig ist, die Verbraucher also wirklich billiges Gemüse bekommen. Wenn Sie aber einmal die Hausfrau fragen, was sie heute für Gemüse, wenn sie einkauft, zahlen muß, dann wird Ihnen beinahe jede Hausfrau und jeder Verbraucher sagen können, daß die Preise, die angelegt werden müssen, trotz der riesigen Importe im Durchschnitt drei- bis viermal so hoch sind wie vor dem Kriege.
Nun stehen wir vor einer neuen großen Gefahr. Beim Gemüseanbau konnte der Anbau auf die neuen Verhältnisse relativ leicht eingehen; er hatte leicht die Möglichkeit, zu anderen Kulturen überzugehen. Gemüse hat eine kurze Kulturzeit und wird in der Regel auf Flächen angebaut, die sich leicht auch mit anderen Dingen bepflanzen lassen. Der Kreis der Erzeuger hat also als Folge der Importpolitik nur vorübergehend, in den Jahren 1949 und 1950, als er seine Ware nicht verkaufen konnte, große Verluste hinnehmen müssen. Heute ist es die Hausfrau, die die Zeche für diese falsche Politik bezahlt.
Beim Obstbau gehen wir nun anscheinend einen ähnlichen Weg. Dieser Weg ist aber gefährlicher als beim Gemüsebau, weil Obstbau eine langlebige Kultur ist und nicht kurzfristig umgestellt werden kann. Würden die Obstbäume aber umgehackt, wäre die Versorgung im Bedarfsfalle auf Jahre hinaus gefährdet. Fast 80 % der Obstbauflächen, die früher das gesamte Reichsgebiet hatte, liegen im heutigen Bundesgebiet, da die klimatischen Verhältnisse hier in Westdeutschland günstiger waren als im Osten. 1935 bis 1938 haben wir im Jahresdurchschnitt in Deutschland 2,3 Millionen t Obst erzeugt; im Jahre 1951 aber haben wir allein in Westdeutschland 2,12 Millionen t erzeugt und im Jahre 1952 sogar 2,83 Millionen t, also mehr als im Durchschnitt der Jahre 1935 bis 1938 im alten Reichsgebiet.
Wenn ich Ihnen noch sage, daß wir dazu auch noch die Importe nach Westdeutschland gesteigert haben, dann werden Sie verstehen, daß für den Obstbau heute eine fast unerträgliche Lage gekommen ist. Wir haben eingeführt im Durchschnitt der Jahre vor dem Kriege ungefähr 850 000 t Obst und Südfrüchte. Im Jahre 1952 haben wir für das kleine Bundesgebiet 852 000 t eingeführt, also mehr als in den Jahren vor dem Kriege in ganz Deutschland.
Wer die freie Marktwirtschaft kennt, weiß, was es bedeutet, wenn ein Überangebot auf dem Markt ist. Dann sinken eben die Preise zu einem Nichts zusammen. So ist es gekommen, daß wir im Vorjahr nur noch für eine einzige Obstart, und zwar für Erdbeeren, einen etwas höheren Preis als vor dem Kriege bekommen haben. Obwohl die Gestehungskosten inzwischen rund um das Doppelte gestiegen sind, liegen wir unter den Preisen der Vorkriegsjahre, bei Steinobst sogar bis zu 52 %. Daß eine Wirtschaft, auch die am rationellsten arbeitende, auf die Dauer nicht unter Gestehungskosten erzeugen kann, das wird wohl jedem einleuchten.
Wir müssen uns deshalb fragen: Ist es notwendig, für Erzeugnisse, die bei uns selbst wachsen, wertvolle Devisen ins Ausland zu geben, während die deutsche Erzeugung zu einem großen Teil dem Verderb anheimfallen muß? Würde die gewerbliche Wirtschaft für Rohstoffe, die in Deutschland erzeugt oder gefördert werden können, Devisen ausgeben und den deutschen Bergbau damit vernichten? Oder würde ein Kaufmann Artikel kaufen, die er selbst noch im Überfluß auf Lager hat?
Es wird so oft gesagt: Was bedeutet schon der Gemüse- und Obstbau für unsere gesamte Volkswirtschaft? Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, den meisten von Ihnen ist bekannt, daß die landwirtschaftliche Urproduktion nicht so ganz bedeutungslos ist. Es ist ja bekannt, daß allein die Milcherzeugung weit, weit den Wert der Kohlenerzeugung übersteigt. Und so darf ich Ihnen sagen, daß auch die Erzeugung von Obst und Gemüse keinesfalls bedeutungslos ist. Im Jahre 1951 hatte die Obsterzeugung im Bundesgebiet einen Wert von rund 874 Millionen, die Gemüseerzeugung einen Wert von rund 550 Millionen DM. Allein diese zwei Produkte der deutschen Landwirtschaft machen zusammen also nahezu 1 1/2 Milliarden DM aus. Vergleichen Sie demgegenüber unseren Bergbau! Den Metall- und Eisenerzbergbau, die Kali-und Steinsalzerzeugung und -förderung und sämtliche übrigen Grundstoffindustrien mit Ausnahme von Kohle und Mineralöl, so betrug deren Wert im Jahre 1951 nur 646 Millionen. Ich darf damit wohl sagen, daß es nicht unwichtig ist, sich auch an Obst und Gemüse als Grundstoff unserer deutschen Erzeugung zu erinnern.
Ich muß zum Schluß kommen, weil die Redezeit leider abgelaufen ist. Ich will bloß noch daran erinnern: Andere Staaten, und zwar reiche Industriestaaten, insbesondere die USA, aber auch Holland, Dänemark, die Schweiz usw. haben längst erkannt, daß sie auf die Dauer nur dann reich bleiben können, wenn sie auch ihre Landwirtschaft produktions- und lebensfähig erhalten. Sie wissen, ein wichtiger Industriestaat, England, hat einmal seine landwirtschaftliche Produktion seinem Außenhandel geopfert, und es bedurfte fast der ganzen Steuergelder dieses großen und reichen Industriestaates, um seine landwirtschaftliche und seine gärtnerische Erzeugung wieder produktionsfähig zu machen. Trotzdem hat dieses Land, das aus den beiden letzten Kriegen als Gewinner hervorging, heute, acht Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkriegs, noch Lebensmittelrationierung für sehr wesentliche Nahrungsgüter.
Es wird so oft gesagt, wir deutschen Erzeuger sollten uns mehr der ausländischen Konkurrenz anpassen. Man muß uns aber auch Gelegenheit geben,
nach dieser Zeit, die hinter uns liegt, uns langsam umzustellen, und deshalb bitten wir darum, daß künftig unserer Regierung bei der Einfuhrpolitik Verständnis für die Erfordernisse der Landwirtschaft hat.
Zum Beweis dessen, daß der deutsche Erzeuger für die heutigen Preise nicht immer verantwortlich ist, darf ich Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen kleinen Ausschnitt aus einer Zeitung dieser Tage verlesen:
Unter der Überschrift
„Grüße mit der Kohlkopfpost" — heißt es —
Ein Landarbeiter aus dem Kohlanbaugebiet von Dithmarschen wollte gern wissen, wo die Kohlköpfe landen, die er auf dem Hofe versandfertig machte. Er höhlte einen Kohlstrunk aus und steckte einen Brief hinein. Jetzt kam die Antwort von einer Familie aus Offenburg in Südbaden 'bei Freiburg. „Das Kraut war prima", schrieb die Hausfrau. Der Dithmarscher staunte allerdings über die Preisentwicklung. Für 9 Pfennig war der Kohlkopf abgegeben worden.
— Er wog 3 Pfund, das Pfund kostete 3 Pfennig beim Erzeuger oder 3 DM der Zentner. —
Im Offenburger Laden hatte er jedoch 90 Pfennig gekostet.
Meine Damen und Herren, ich muß nun abschließen. Ich frage die Regierung: Ist sie gewillt, diese wichtige Urproduktion, den deutschen Obst- und Gemüsebau, künftig durch' eine vernünftige Außenhandelspolitik zu erhalten?