Rede von
Dr.
Wilhelm
Gülich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß diesem Antrag leider widersprechen. In der zweiten Lesung habe ich bereits ausgeführt, warum meine Fraktion den Antrag gestellt hat, der Rohölverarbeitungspräferenz durch Festsetzung eines Zollsatzes für die Einfuhr von Benzin, Gasölen und Schmierölen auf 16,50 DM per 100 kg nicht zuzustimmen. Ich habe dargelegt, daß diese Frage in den gemeinsamen Sitzungen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen geprüft worden ist und wir keinerlei ausreichende Unterlagen bekommen haben, die die Festsetzung eines Zollsatzes in dieser Höhe rechtfertigen. Ich habe das in der zweiten Lesung begründet und möchte mich jetzt nicht wiederholen.
Seit der zweiten Lesung haben sich meine Bedenken noch verstärkt. Wir sind seitdem mit zahlreichen Eingaben bombardiert worden, die uns aber nichts Neues gebracht haben. Auch die großen Firmen der Mineralölwirtschaft, die sich als die „maßgeblichen" bezeichnen, haben in einem Fernschreiben darum gebeten, die Entscheidung der zweiten Lesung rückgängig zu machen; aber sie haben außer allgemeinen Redewendungen kein Wort einer wirklichen Begründung dafür gefunden.
Wir sind infolgedessen nach wie vor der Meinung, daß die Zollsätze, wie sie in der zweiten Lesung von diesem Haus mit Mehrheit beschlossen worden sind, in der dritten Lesung bestätigt werden sollten.
Die Befürworter der Rohölpräferenz sind die Großkonzerne und die von ihnen abhängigen Unternehmungen. Wenn nicht andere Zahlen beigebracht werden, besteht kein Anlaß, unsere Meinung zu ändern. Die Kostenrechnungen, die uns vorgelegt worden und höchst fragwürdig und unzulänglich gewesen sind,
stützen sich zum Teil auf Betriebe, die in der Zwischenzeit vollständig neu aufgebaut, modernisiert worden sind. Außerdem haben sie sich auf das Jahr 1950 bezogen, ohne daß uns das vom Wirtschafts- und Finanzministerium mitgeteilt worden wäre.
Das ist erst durch Befragen herausgekommen, und infolgedessen besteht keine Veranlassung, unsere Meinung zu ändern.
Ich wiederhole aber noch einmal: Wir sind keine Gegner des Aufbaus einer Industrie mit Rohölverarbeitung in Deutschland. Wir sind auch dafür, daß solche Unternehmungen geschützt werden, wenn sie geschützt werden müssen.
Wir sehen aber nicht ein, daß unbewiesen solche Vergünstigungen gewährt werden.
Ich muß in dem Zusamenhang noch auf etwas weiteres aufmerksam machen. Einige dieser Firmen haben ihre Betriebsräte dahingehend unterrichtet, daß die SPD-Fraktion im Bundestag die Interessen der Arbeiter nicht nur vernachlässige, sondern daß diese Interessen von der SPD-Fraktion mißachtet würden.
— Jawohl! Ich will Ihnen mal so ein Fernschreiben des Betriebsrats eines Werkes vorlesen:
Die am Donnerstag, dem 5. März 1953 im Bundestag erfolgte Debatte über das Mineralölsteuergesetz und die in zweiter Lesung vorgenommene Abstimmung hat bei der Belegschaft unseres Werkes einen Sturm der Entrüstung und Beunruhigung hervorgerufen. Diese Entrüstung wurde ausgelöst durch die Mitteilung der Direktion, daß, wenn der Wegfall der Präferenz Tatsache werden sollte, das Werk nicht mehr rentabel sei und deshalb stillgelegt werden müsse.
Und dann heißt es nachher weiter:
Wir kennen nicht den Beweggrund, der Sie veranlaßt hat, einen solchen Antrag im Bundestag zu stellen, möchten aber darauf hinweisen, ernstlich zu bedenken, wie sich eine solche schwerwiegende Entscheidung in der Praxis auswirken kann. Die Sorge um das Wohlergehen und die Existenz unserer 3500 Mann starken Belegschaft läßt uns Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen.
— Vom Betriebsrat der Gelsenberg-Benzin AG. in Gelsenkirchen.
Die Betriebsräte von einigen Firmen sind vor einigen Tagen in Bonn gewesen und haben einige Abgeordnete der SPD-Fraktion aufgesucht. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen und ihnen unsere wirklichen Gründe dargelegt. Wenn man einfach den Betriebsräten sagt „Unsere Werke müssen stillgelegt werden!", dann entspricht das schlechterdings nicht den Tatsachen.
Wir haben dem eben erwähnten Werk, auch unter Anerkennung der Darlegungen der Werksleitung, eine Mineralölsteuervergünstigung von 12,15 DM ' je 100 kg Hydrierbenzin und 6,30 DM je 100 kg Hydriergas zugebilligt.
— Eben nicht! In dem Augenblick, in dem die Werke behaupten, daß sie stillgelegt werden müssen, muß geprüft werden, ob dieser Steuervorteil zu gering ist.
Deshalb haben wir auch in der zweiten Lesung gesagt: Wenn der Zollsatz für die Einfuhr dieser Fertigfabrikate auf 12,90 DM festgesetzt wird, dann geben wir dem Finanzminister in Art. 3 eine Ermächtigung, nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse den Zollsatz bis auf 16,50 DM zu erhöhen, während in der Ausschußfassung ein Zollsatz von 16,50 DM steht und in Art. 3 die Ermächtigung an den Finanzminister, daß er bis auf 12,90 DM heruntergehen kann. Sie sehen also, daß wir gar nicht so weit voneinander entfernt sind in dem, was wir wollen. Wir wollen lediglich die Beweislast in die Wirtschaft verlegen.
Ich denke, wir kommen nicht in den Verdacht, daß wir die Interessen der Arbeiter vernachlässigen oder gar schädigen wollen.
Es ist sehr merkwürdig, daß die Geschäftsführungen zu solchen Mitteln greifen. Ja, wenn die Geschäftsleitung versagt, dann soll der Betriebsrat einspringen. Hätte man die Betriebsräte nicht unzureichend informiert, würde auch die Belegschaft nicht entrüstet sein!
— Herr Naegel, mit „Ach nee!" ist so etwas ja nicht abgetan!
Das muß doch schließlich bewiesen werden! Sie wissen ganz genau, wie es im Ausschuß gewesen ist und daß, nachdem allgemeine Unzufriedenheit über das Zahlenmaterial dagewesen ist, schließlich die Abgeordneten der CDU-Fraktion sich entschlossen haben, den gordischen Knoten durchzuhauen und irgendwo eine Zahl festzusetzen,
für die Beweise nicht erbracht worden sind.
— Nein, Herr Pelster, ich habe auch keine Beweise; das habe ich alles schon gesagt. Der Unterschied ist nur der, daß wir die Beweislast in die Wirtschaft verlegen, daß wir nicht einfach ein Geschenk geben
durch die Festsetzung eines solchen Zollsatzes und dann dem Finanzminister die Ermächtigung geben, notfalls den Zollsatz auf 12,90 DM zu ermäßigen, sondern wir sagen 12,90 DM und geben dem Finanzminister die Ermächtigung, auf 16,50 DM zu erhöhen, wenn die Wirtschaft beweist, daß das nötig ist. Ich habe ja früher hinreichend ausgeführt, daß uns das Zahlenmaterial dafür nicht vorgelegt wor-
den ist. Infolgedessen ist das, was ich gesagt habe, glaube ich, schlüssig
und kann auch von Ihnen nicht widerlegt werden.