Rede von
Dr.
Gerd
Bucerius
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Mit einiger Überraschung habe ich gehört, daß in der heutigen Debatte, an der ich wegen einer Grippe zu meinem Bedauern nicht teilnehmen konnte, auch mein Name erwähnt worden ist. Das geschah im Zusammenhang mit einem Artikel in der „Zeit", geschrieben von Paul Bourdin, Ihnen allen als der frühere Pressechef des Herrn Bundeskanzlers wohlbekannt.
Wenn ich des Zusammenhangs wegen über den Artikel von Bourdin noch etwas sage, so meine ich, es war schon richtig, daß die im Ausland umlaufenden törichten Gerüchte, auf welche sich z. B. sozialdemokratische Zeitungen mit parteiamtlich gefördertem Fleiß bereits gestürzt hatten, einmal erwähnt wurden. Allerdings hat Bourdin eine Darstellung von Kingsbury Smith, an die wirklich niemand — außer ihm — so recht geglaubt hat, für bare Münze genommen, pointiert aufgemacht und in einem äußerst kritischen Augenblick dem verblüfften Publikum vorgesetzt — und er ist damit hereingefallen.
Er ist damit hereingefallen; denn das Dementi, an das er nicht geglaubt hat, hat der Bundeskanzler j a nun prompt und überzeugend geben können. Angesichts des Inhalts der Meldung und der Bedeutung der amerikanischen Nachrichtenagentur, die sie bereits vor Wochen verbreitet hat, hätte dieses Dementi allerdings nach meiner Meinung schon früher geschehen sollen.
Mit Erstaunen habe ich nun vom Tonband gehört, daß ich persönlich für den Artikel verantwortlich gehalten werde. Herr Bundeskanzler, Sie sind zwar für jedes Wort Ihres Pressechefs verantwortlich,
weil Ihr Pressechef Ihnen Gehorsam schuldet. Ich bin Verleger der ;Zeit". Redakteure nämlich, Herr Bundeskanzler, sind nach der guten Sitte freier Länder vom Verleger unabhängig,
was nicht ausschließt, daß Zeitungen wie manche Fraktionen von ihren Parteileitungen gesteuert werden, — aber nicht die „Zeit"! Als Verleger bin ich für die Grundrichtung des Blattes verantwortlich. So bestimmt es der Entwurf des Pressegesetzes, den der Herr Innenminister — Ihr Innenminister, Herr Bundeskanzler! — der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Die Grundrichtung des Blattes allerdings vertrete ich. Daß sich freilich Herr Bourdin nicht leicht steuern läßt, das wird Ihnen bekannt sein!
Wir haben es eben beide nicht ganz leicht mit der Presse, Herr Bundeskanzler!