Rede von
Dr.
Robert
Tillmanns
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Diskussion über die Verträge haben innerhalb und außerhalb dieses Hauses zwei Einwände eine besondere Rolle gespielt, der Einwand, daß der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft den Frieden gefährde, und der weitere Einwand, daß dieser Vertrag und der Deutschland-Vertrag die Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich machten. Wir haben für diese Einwände in der letzten Stunde der Debatte einige merkwürdige Beispiele erlebt. Es ist nicht meine Sache, mich am Schluß der Diskussion nochmals mit diesen Einwänden auseinanderzusetzen; aber es ist unerläßlich, daß vor der Schlußabstimmung für alle, die diese Verträge angesichts der Weltsituation für notwendig halten, mit allem Nachdruck eins festgestellt wird: es geht uns in vollem Ernst und in vollem Bewußtsein unserer Verantwortlichkeit um den Frieden, um nichts anderes als um den Frieden, und es geht uns mit demselben Ernst um die Wiedervereinigung unseres Landes. Wir sehen eben in einer entschlossenen Politik europäischer Einigung keinen Widerspruch und keinen Gegensatz zu einer Politik der
Wiedervereinigung Deutschlands, sondern nach unserem Erkenntnisvermögen sind diese beiden Pole unserer Politik zwei Seiten einer und derselben Sache.
Das noch einmal festzustellen, gebietet uns vor allem unsere Verpflichtung gegenüber den 18 Millionen Deutsche in der Sowjetzone. Nicht weil sie unsere Entscheidung nicht verständen; im Gegenteil, von ihnen hören wir am allerstärksten das Ja zu unserer Politik europäischer Verteidigung.
Wenn es eins gibt, was uns in der Überzeugung von der Richtigkeit unseres Weges bestärkt, dann ist es dieses Ja der Menschen in Berlin, der Flüchtlinge aus der Sowjetzone und der deutschen Menschen, die heute in der Sowjetzone leben.
Daher geben wir ihnen in dieser Stunde die Versicherung,
daß unsere Entscheidung wesentlich bestimmt ist von der Verantwortung, die wir für ihr Schicksal und für ihre Freiheit tragen.
Namens der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP habe ich dem Hohen Hause folgende Entschließung vorzulegen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es ist der im Grundgesetz niedergelegte Wille des deutschen Volkes, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
Der Deutsche Bundestag erklärt anläßlich der Verabschiedung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und des Deutschland-Vertrages, daß dieser Wille für seine politischen Entscheidungen maßgebend war und weiterhin bleiben wird.
Wir wissen uns verantwortlich für das Schicksal des ganzen deutschen Volkes, also auch des Teils, der heute noch daran gehindert ist, seinen Willen frei zu bekunden.
In dieser Verantwortung erstreben wir die Einigung Europas und seine gemeinsame Verteidigung, die niemanden bedroht. Dadurch überwinden wir jahrhundertealte Rivalitäten, die Europa an den Rand des Abgrunds gebracht haben, und schaffen ein sicheres Bollwerk des Friedens.
Das ist die Grundlage für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit. Wir wollen diese Wiedervereinigung ausschließlich mit friedlichen Mitteln. Wir erwarten daher, daß die Bundesregierung sich mit Nachdruck für das Zustandekommen von Verhandlungen zwischen den vier Mächten einsetzt, sobald die Voraussetzungen für einen Erfolg gegeben sind.
Ich darf bemerken, daß sich auf dem Ihnen vorliegenden Umdruck Nr. 827 ein kleiner Druckfehler befindet. Es muß in der vorletzten Zeile statt „Großmächten" heißen „vier Mächten".
Ich bitte das Hohe Haus, dieser Entschließung zuzustimmen.