Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag, den Entschließungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union — Bayernpartei-Zentrum — Umdruck Nr. 826 mit einigen Worten zu begründen. Die Ziffern 1 und 2 des Antrags behandeln den gleichen Gegenstand, der in dem Umdruck Nr. 828 — Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, DP, CDU/CSU — unter III behandelt worden ist. Es bestehen nur ein oder zwei Unterschiede zwischen unserem Antrag und dem der Regierungsfraktionen.
Zunächst einmal wünschen wir, daß auch die Verhandlungen über die Interpretation, die Ausführung oder die Durchführung der deutsch-alliierten Verträge uns als Verhandlungsergebnisse vorgelegt werden, auch wenn sie nicht ratifikationsbedürftig sind, soweit es sich also um Regierungsakte handelt. Gerade über diesen Punkt kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, wie die Verhandlungen über das Petersberg-Abkommen ergeben haben. Ich glaube außerdem, daß die Frage der Überprüfung der Gleichberechtigung eine so schwierige und von verschiedenen Seiten verschieden zu beurteilende Frage ist, daß dieser Punkt im Bundestag als solchem auch bei derartigen Verhandlungsergebnissen geklärt werden müßte, die nicht unmittelbar ein Ratifikationserfordernis haben.
Zweitens wünschen wir zum Unterschied von der Vorlage der Regierungsparteien, daß auch einseitige Verzichte, die nicht in Vertragsform erklärt zu sein brauchen, von diesem Ratifikationserfordernis umfaßt werden. Ich bitte Sie deshalb, unseren etwas weitergehenden Antrag unter den Ziffern 1 und 2 anzunehmen.
Unter Ziffer 3 haben wir einen Antrag vorgelegt, der von der Voraussetzung ausgeht, daß es durchaus zweifelhaft sein kann, ob der EVG-Vertrag von allen Parlamenten angenommen und wirksam werden wird. Aber ganz unabhängig von dem Schicksal dieses Verteidigungsvertrages ist in jedem Falle eine politische Organisation der Völker Europas erforderlich. Deshalb ist, unabhängig vom Schicksal des EVG-Vertrages, eine Förderung des im EPG-Vertrag niedergelegten Gedankens durch die Bundesregierung erforderlich.
Die Bundesregierung selbst hat sich bisher für das im EPG-Vertrag Niedergelegte eingesetzt. Die Bundesregierung hat aber bisher für diesen Vertrag nicht die Vollmacht des Bundestages. Es ist etwas anderes, ob die Bundesregierung hier qua eigener Autorität oder qua Autorität des Deutschen Bundestages in den internationalen Verhandlungen, die demnächst beginnen, zu sprechen berechtigt ist. Es ist deshalb von Bedeutung, daß hier eine entsprechende Entscheidung getroffen wird.
Die Frage, ob der EVG-Vertrag kommen wird oder nicht, kann vor allem deshalb zweifelhaft sein, weil Frankreich sich möglicherweise selbst überfordert hat, als es, um eine deutsche Nationalarmee zu verhindern, seine eigene Armee in die Waagschale warf. Die nationalstaatliche Idee ist in Frankreich doch stärker, als wahrscheinlich die Franzosen selbst gedacht haben. Die Aushöhlung der nationalstaatlichen Idee, die jetzt in Frankreich befürchtet wird, ist vielleicht auch durchaus zu vermeiden. Nicht eine Aushöhlung der nationalstaatlichen Idee, sondern eine Überhöhung der nationalstaatlichen Idee wäre die Aufgabe! Vielleicht wäre es deshalb durchaus möglich — und man könnte dafür Verständnis haben —, wenn einige der Forderungen der französischen Seite angenommen, also zu einer Abänderung des EVG-Vertrages dahin führen würden, daß auch wir Deutschen, von einer gleichen Basis ausgehend, gleiche Rechte erhielten und beispielsweise nur bestimmte Truppengattungen integriert, im übrigen aber die Heeresteile nicht integriert, sondern weiter unter der nationalen Fahne aufgestellt würden.
Die Frage des Beginns einer neuen politischen Idee ist also deshalb so außerordentlich wichtig, weil damit die Verzögerung des ganzen Werks, die jetzt darin liegt, daß das französische nationalstaatliche Gefühl offenbar überfordert worden ist, aufgefangen und dieses Gefühl dadurch wieder besänftigt werden könnte, daß eine Abänderung des Vertrages im Sinne dieser französischen Wünsche
durchgeführt und damit eine Beschleunigung, wenn auch anderer Verträge, möglich wäre.
Das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist aber gar nicht die Frage dieses EVG-Vertrages, sondern tatsächlich die des EPG-Vertrages. Sicherheit wird nicht durch Machtpolitik allein gewonnen, sondern durch die Politik des Gleichgewichts und des Ausgleichs der Spannungen zwischen den Staaten im Rahmen einer Organisation der Zusammenarbeit der Staaten, wie es im EPGVertrag gelungen ist. Daß England als Teil des Commonwealth zu diesem organisierten Nachbarschaftsverb and, Regionalverband nicht zugezogen werden kann, liegt in der gesamten politischen Struktur des englischen Commonwealth begründet und ist ganz unabhängig von der Frage einer etwaigen Nationalarmee oder sonstigen Verteidigungsfragen. Wer aber seine Politik nur auf Macht, nur auf Sicherheit gründet, der sät nichts anderes als Furcht — . und wer Furcht sät, wird Unglück ernten. Wir bitten Sie deshalb, diesem Antrag, die EPG mit allen Kräften in die vorderste Linie der Regierungspolitik zu rücken, zuzustimmen.
Wenn wir endlich gefordert haben, die Beziehungen zum Atlantikpakt im Sinne der Ziffer 1 unseres Antrages zu regeln, so soll dieser Antrag im Unterschied zu dem Antrag der Regierungsparteien nicht nur die eine Alternative vorsehen, nämlich den Eintritt in den Atlantikpakt, sondern auch die andere, nach meiner Ansicht bessere Alternative: den Austritt sämtlicher jetzt im Atlantikpakt noch vorhandenen fünf EVG-Mächte und den geschlossenen Eintritt der EPG-Einheit als solcher in den Rahmen des Atlantikpakts. Diese zweite Lösung trüge der Forderung nach echter Gleichberechtigung Rechnung. Damit würde die EPG
— die Europäische Politische Gemeinschaft —
zu einem Stück aufbauender europäischer Politik.