Rede von
Hans
Bodensteiner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat uns aufgefordert, die große Linie in diesen Verträgen zu sehen. Ich will in den wenigen Minuten versuchen, das zu tun.
Er hat diese Verträge in der Hauptsache mit dem Argument begründet, daß sie zu unserer Sicherheit notwendig seien. Er hat wiederum das Schreckgespenst einer drohenden russischen' Invasion hier erscheinen lassen. Wie steht es damit? Am 16. November 1952 schrieb die „New York Times", daß den 22 russischen Divisionen in der russisch besetzten Zone 19 Divisionen der Westmächte in der Bundesrepublik gegenüberständen, daß der Westen dem Osten in Westdeutschland an Panzern um das Doppelte überlegen sei, daß er an Artillerie gleich stark sei, daß die Russen ohne Heranschaffung größerer Kräfte keinen Angriff wagen könnten und daß dafür im gegenwärtigen Augenblick keinerlei Anhaltspunkte vorlägen und in einem halben Jahr die völlige Kräftegleichheit hergestellt sei.
Das schrieb immerhin eine amerikanische republikanische Zeitung.
Er hat weiterhin betont, daß dazu noch 70 Divisionen der Satellitenstaaten kommen. Auch dazu mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein Zitat aus der gleichen Zeitung.
Es lautet:
Die militärischen Abmachungen zwischen Griechenland, der Türkei und Jugoslawien machen Belgrad de facto, wenn nicht de jure, zu einem Mitgliedstaat der NATO. Damit wird die defensive Schlagkraft der drei ausgezeichneten kleinen Armeen zusammengefaßt. Mehr als 70 schlagkräftige Divisionen
— und zwar ist das die Friedensstärke — werden somit auf der Flanke eines jeden geplanten sowjetischen Angriffs bereitstehen.
Herr Kollege Bausch, Sie haben gefragt, ob das wahr ist. Für Sie bringe ich noch ein Zitat. Der Generalsekretär der NATO, Lord Ismay, hat vor wenigen Tagen, am 12. März 1953, in Washington erklärt, daß in Westeuropa 3,3 Millionen Menschen unter Waffen stehen, daß die Produktion Westeuropas und Amerikas zusammen viermal so groß ist wie die der Ostblockstaaten und daß diese dem Westen zur Verfügung stehenden Kräfte dazu ausreichen; jeden Aggressor abzuschrecken. — Das alles soll nach Ihrer Meinung nicht wahr sein. Wahr soll nur das sein, was hier von unserer Propaganda behauptet wird, um in unserem Volk eine Angstpsychose zu erzeugen, womit man es für diese Verträge mürbe machen will. So sind doch die Dinge.
Wenn es um die Sicherheit ginge, wären wir alle
einig. Wir von der Gesamtdeutschen Volkspartei
sind nicht bereit, auch nur einen Zentimeter von der Sicherheit preiszugeben. Es geht aber um etwas ganz anderes. Um was geht es denn? Die USA haben sich für eine dynamische Politik entschlossen, von Eisenhower am 25. August 1952 erstmals verkündet. Dulles hat am 15. Januar 1953 wiederum verkündet: Neuordnung Osteuropas, dazu Befreiung 24 unterdrückter Völker, wie er es nennt. Wie soll denn diese Befreiung geschehen? Er sagt: durch Propaganda. Nun, das glaubt er selbst nicht. Jedenfalls glaubt das keiner, der von einem totalitären System auch nur eine blasse Ahnung hat. Was ist in Wirklichkeit beabsichtigt? Die wahre Absicht ist die, daß man versuchen will, die Russen mit militärischer Übermacht zur kampflosen Räumung Europas zu bewegen. Das ist der Plan. Es mag sein, daß es einige gibt, die wirklich glauben, daß die Russen Europa kampflos räumen werden. Aber man weiß sehr wohl, daß man für den äußersten Fall auch zu anderen Mitteln entschlossen sein muß. Das ist das Entscheidende. Dulles hat ja in Paris erklärt, daß die geheim geführten Gespräche gescheitert seien; wenn die weiteren auch scheiterten, sei die Auseinandersetzung unvermeidlich, und dann sei sie um so leichter zu führen, je früher sie erfolge. Für diese letzte, äußerste Konsequenz braucht man deutsche Divisionen, genau genommen deutsche Infanterie. Darum geht es, nicht um Sicherheit, nicht um Freiheit oder um sonstige Dinge.