Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemals ist die weltpolitische Situation so ignoriert worden wie in diesen Tagen. Selbst der Sicherheitsbeauftragte der Bundesregierung, Herr Blank, mußte zugeben, daß keine akute Kriegsgefahr drohe. Durch den Tod Stalins sieht sich das russische Volk vor neue Aufgaben gestellt. Es liegen keinerlei Beweise dafür vor, daß Malenkow den Krieg will. Er kann keinen Krieg wollen, benötigen doch Diktaturen alle Energie zur Festigung ihrer innenpolitischen Macht, sobald ihre Idole wechseln.
In diesem Augenblick weiß die einfallslose Bundesregierung nichts anderes zu tun, als sich in verhängnisvoller Weise einer Westallianz in die Arme zu werfen, die Sowjetrußland eines Tages zu Präventivmaßnahmen zwingen wird. Am Ende dieser Entwicklung wird die größte Heimsuchung stehen, die je über das deutsche Volk gekommen ist. Aber selbst wenn es zutreffen würde, daß ein Krieg vermeidbar ist, wird die Einfrierung des gegenwärtigen Zustandes die Folge der Vertragsunterzeichnung sein. Kein Geringerer als Dr. Adenauer früherer Pressechef hat gestern enthüllt, daß sich hinter dem Rücken Amerikas Frankreich, England und Rußland geeinigt haben, den status quo bestehen zu lassen. Sie wollen kein wiedervereintes Deutschland und sind gewillt, die Trennung zu verewigen. Der Russe wird behalten, was er hat, und der Westen wird es zufrieden sein. Statt des Eisernen Vorhangs wird eine chinesische Mauer errichtet werden, die unübersteigbar ist. Hinter ihr werden hüben und drüben deutsche Menschen als knechtische Waffenträger fremder Mächte aufmarschieren, bis ein Funke das Pulverfaß entzündet.
Die phantasielose Bundesregierung sollte ihr Augenmerk auf Frankreich richten. Diesem Land reichen die diskriminierenden Bestimmungen der Verträge gegenüber Deutschland nicht aus. Unersättlich verlangt es Garantien über Garantien auf dem Umweg über Zusatzprotokolle. Die einzige Garantie, deren Deutschland gewiß sein kann, ist jene, daß seinem Volk der höchste Blutzoll abverlangt werden wird. Europa ist auf den Lippen vieler nicht mehr als ein falscher Zungenschlag. Lösen Sie, Herr Bundeskanzler, Ihren faszinierten Blick von Straßburg und vergessen Sie über Europa nicht Deutschland!
Nun gestatten Sie mir ein Wort zu der Rolle, die den Heimatvertriebenen nach dem Willen des BHE zugedacht ist. Bei der ersten Lesung habe ich meine Landsleute davor gewarnt, sich zu einem Kreuzzug gegen den Bolschewismus mißbrauchen zu lassen. Ein Marsch in die Ostgebiete, so sagte ich damals, werde mit Sicherheit an der Heimat vorbei in die sibirischen Gefangenenlager führen. Es nützt uns nichts, wenn am Ende eines Krieges auf Grund der Überlegenheit des amerikanischen Materials die Alliierten hinter den Pyrenäen siegen; Deutschland und seine Menschen wären dann längst vernichtet. Der Nachruhm aber, für ein angeblich freies Europa verdorben zu sein, dünkt uns allzu gering für den Preis unseres Lebens. Solche Überlegungen frei von Ressentiments anzustellen, ziemt niemandem mehr als einer Partei der Vertriebenen. Diese werden nämlich eines Tages wieder Nachbarn der slawischen Völker sein und die Fehler der Politiker heutigen Formats wiedergutmachen müssen.
Was sich in den letzten Tagen ereignet hat, ist in seiner Schamlosigkeit so bedeutungsvoll, daß es an dieser Stelle angeprangert zu werden verdient.
Seit Jahr und Tag ziehen die Redner des BHE durch die Lande, um den Vertriebenen die tödlichen Folgen des Generalvertrags vorzustellen, und sie meinen es damit zweifellos ehrlich. Einer der getreuen Ekkeharde der Vertriebenenbewegung in Bayern, Dr. Wilfried Keller, hat diese Haltung bereits vor geraumer Zeit und von dieser Stelle aus eindrucksvoll unterstrichen. Wer allerdings die geschmeidigen Ausführungen des gleichfalls dem BHE angehörenden Kollegen Fröhlich in der zweiten Lesung hörte, war bereits darauf vorbereitet, daß sich die Hauspolitik des BHE-Chefs Waldemar Kraft durchzusetzen begann. In den letzten Tagen hat es Minister Kraft für opportun gehalten, seine Maske fallen zu lassen. Ohne sich an die Beschlüsse seines Bundesvorstandes zu halten, erklärte er mit zynischer Offenheit, daß die politischen Vorbehalte seiner Partei gegen die Verträge nicht mehr bestünden und daß ein Nein sinnlos sei. Zweifellos hat die fügsame Duldsamkeit der so oft getäuschten Vertriebenen Herrn Kraft ermuntert, in dieser nicht zu überbietenden selbstherrlichen Art und Weise die Willensbildung der Flüchtlinge nicht nur zu ignorieren, sondern in ihr Gegenteil umzufälschen. Es ist kein Geheimnis mehr, daß Kraft dem Rat seiner Vertrauten, der 'Gräfin Finkenstein, größere Bedeutung beimißt als den Wünschen seiner Wähler. Noch vor einem halben Jahr hat der gleiche Minister zum EVG-Vertrag geäußert, ein Chaos könne man nicht bewaffnen; und zum Generalvertrag: Der Generalvertrag kann auf die Dauer nicht gehalten werden; deshalb sei es besser, die Forderung seiner Revision schon jetzt anzumelden.
Das Maß der Kraftschen Überheblichkeit wird erst dann voll sichtbar, wenn man erfährt, daß er den Bundesvorstand zwei Tage nach dieser Debatte nach München berufen hat, um eine Entscheidung zu fällen, für die ein Fait accompli bereits geschaffen ist. Wir sind über die Gründe, die Herrn Kraft zu diesem Taschenspielertrick veranlaßten, wohl unterrichtet und werden sie zu gegebener Zeit der Öffentlichkeit unterbreiten. Er selbst gibt zu, seine Haltung revidiert zu haben, nachdem er eine Unterredung mit Bonner Regierungsvertretern und dem amerikanischen Hohen Kommissar gehabt hat. Die Heimatvertriebenen aber sind aufgerufen, sich dieser Haltung Krafts zu widersetzen, wenn sie sich nicht mitschuldig machen wollen. Es mutet wie Hohn an, daß sich der BHE in opportunistischer Behendigkeit den klangvollen Namen „Gesamtdeutscher Block" zugelegt hat. Gesamtdeutschland, Herr Minister Kraft, kann man nicht nur deklarieren. Man muß es mit heißem Herzen und kühlem Verstand inbrünstig wollen.
Gesamtdeutschland reicht nicht nur von Bonn bis zur Elbe. Es ist Saarbrücken und Königsberg, Bonn und Leipzig.
— Herr Kollege, wenn ich Sie in Ihrer stattlichen Figur betrachte, bin ich überzeugt, daß Sie der deutschen Infanterie nicht zur Ehre gereichen werden.
Wenn der Herr Bundeskanzler sich heute darüber beklagte, daß er durch so viele Zwischenrufe gestört worden sei, und erwähnte, daß kein Regierungschef in irgendeinem Parlament der Welt so behindert werde,