Rede von
Dr.
Heinrich
von
Brentano
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die politische Entscheidung meiner Freunde von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union über die beiden uns vorliegenden Verträge ist in der zweiten Lesung begründet worden, und sie ist bereits in der zweiten Lesung gefallen. Ich möchte jedoch heute noch einmal die wesentlichen Gesichtspunkte zusammenfassen, die unter Ja zu diesen Verträgen stützen. Dabei spreche ich mit besonderem Nachdruck aus, daß unsere Überzeugung gerade in den vergangenen Monaten noch an Festigkeit gewonnen hat und daß die Gründe, die uns zur Zustimmung veranlassen, noch stärker geworden sind.
Die beiden Verträge nur aus der Perspektive des Heute zu betrachten, wäre nur dann erlaubt, wenn wir die vergangenen Jahre nicht miterlebt hätten. Wir müssen die Verträge sehen als eine Etappe auf dem Wege der gesamten deutschen Politik, wie sie in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers am 20. September 1949 angekündigt und seitdem mit zäher Beharrlichkeit — aber auch mit unbestreitbarem Erfolg — fortgeführt worden ist.
Es wird wohl niemanden in diesem Hohen Hause geben, der vergessen haben könnte, daß wir bis heute — und der Herr Bundeskanzler hat an diese Tatsache mit Recht erinnert — noch unter der Herrschaft eines Besatzungsstatuts stehen,
eines Statuts, das wohl durch die kluge und beharrliche Politik der Bundesregierung in vielen Einzelheiten modifiziert worden ist und im allgemeinen nicht mehr zur Anwendung kommt, dessen Existenz zu leugnen aber töricht wäre. Dabei war schon der Erlaß des Besatzungsstatuts, das der möglichen Willkür und dem freien diskretionären Ermessen der Besatzungsbehörden gewisse feste Grenzen zog, ein Fortschritt, der damals von allen Deutschen aufrichtig begrüßt werden mußte. Ziel und Aufgabe einer verantwortungsbewußten deutschen Politik mußte es sein, aus dieser Beschränkung und Unselbständigkeit wieder herauszukommen. Diesem Zweck dient der uns heute vorliegende Deutschland-Vertrag.
Niemand von uns wird diesen Vertrag in allen seinen Einzelheiten begrüßen, und niemand von
uns wird auf den Gedanken kommen, seine Ratifizierung etwa zu bejubeln; denn er erinnert uns natürlich noch an die Katastrophe, die hinter uns liegt und mit der ein unseliges Regime von der Bühne abtrat, um ein . geschlagenes, zerplittertes, aus der Unfreiheit kaum entronnenes Volk in eine neue Unselbständigkeit zu überführen. Aber nur ein politischer Narr könnte von einem solchen Vertrag erwarten, daß er rückwirkend alles Geschehene ungeschehen machen könnte.
Solche Forderungen aufzustellen und solche Wünsche anzumelden ist ein Ausdruck der Vermessenheit oder der Demagogie, und beidem dürfen wir uns nicht hingeben.
Der Vertrag ist aber, wenn wir ihn in seiner Gesamtheit sehen und auch den Geist der Versöhnung, der aus ihm spricht, in uns aufnehmen, nicht nur die bestmögliche, sondern ich glaube, sagen zu können: eine wirklich gute Lösung. Der Bundestag und das ganze deutsche Volk haben Anlaß, denen zu danken, die am Zustandekommen dieses Vertrags mitgewirkt haben. Ich halte es für eine Pflicht, diesen Dank hier in aller Öffentlichkeit und mit großem Nachdruck gerade dem deutschen Bundeskanzler abzustatten.
Ich sagte, daß das Ziel der deutschen Politik sein mußte, Deutschland aus der Unselbständigkeit und aus der Unfreiheit herauszuheben und wieder zu einem mithandelnden und gleichberechtigten Subjekt in der Gemeinschaft der freien Völker zu machen. Ich meine, daß es ein steiler Weg ist, der uns diesem Ziel näher geführt hat.
Erinnern wir uns der Debatte in diesem Hause, als das Petersberg-Abkommen abgeschlossen wurde, ein Abkommen, durch das eine Reihe besonders drückender Vorschriften aus der Zeit von Potsdam und den folgenden Jahren beseitigt wurde! Wir haben das Petersberg-Abkommen gutgeheißen — gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Kurze Zeit darauf erging an uns die Frage, ob wir dem Europarat beitreten wollten, dieser ersten gemeinsamen Organisation der freien und demokratischen Völker Europas. Die Frage ging von denen aus, mit denen wir fünf Jahre vorher noch in blutigem Krieg gestanden hatten. Wir haben diese Frage bejaht — wieder gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition. Wenn der Europarat nur entstanden wäre als ein Forum der europäischen öffentlichen Meinung, das dazu dienen konnte, daß dort erstmals wieder Vertreter aller europäischen Länder zusammenkamen, um gemeinsame Fragen im Gefühl der gemeinsamen Verantwortung zu diskutieren und im Geiste einer echten Kameradschaft zu lösen, schon dann hätte sich dieses Ja gelohnt. Aber es bedurfte dieser ersten Begegnung im Europarat, um dann zur Diskussion des Planes zu kommen, den der damalige französische Außenminister Robert Schuman in einer wahrhaft europäischen Konzeption entfaltet hat. Der Plan wurde damals als Utopie, als Illusion belächelt und von denen, die ihn nicht verstehen konnten oder nicht verstehen wollten, bekämpft. Der
Vertrag über die Montan-Union wurde dann hier im Deutschen Bundestag gebilligt — gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Die Erkenntnis, daß wir auf diesem Wege der europäischen Zusammenarbeit fortfahren müssen, und die gemeinsame Überzeugung einer uns allen gemeinsam drohenden Gefahr hat zu dem Abschluß des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft geführt, über den wir heute in diesem Hohen Hause endgültig zu beschließen haben. Dieser Vertrag ist nicht nur von den sechs Ländern abgeschlossen worden, die der Montan-Union angehören; durch besondere Vereinbarungen haben sich ihm Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika angeschlossen. Wir werden diesen Vertrag heute in dritter Lesung annehmen — wie ich fürchte, wieder gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Die immer wachsende Erkenntnis von der Gemeinsamkeit des Schicksals der europäischen Länder hat dazu geführt, daß in Vorwegnahme des Art. 38 des Vertrages über die Verteidigungsgemeinschaft die sechs Außenminister am 10. September 1952 die Sonderversammlung in Straßburg beauftragt haben, den Entwurf für eine Europäische Gemeinschaft auszuarbeiten. Die Sonderversammlung in Straßburg hat diesen Auftrag angenommen — wieder gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Der Verfassungsausschuß dieser Versammlung hat in den ersten Märztagen seine Arbeit abgeschlossen. Er hat einen Vertragsentwurf vorgelegt, der von den politisch verantwortlichen Vertretern der sechs beteiligten Staaten ausgearbeitet worden war. Die Sonderversammlung in Straßburg hat diesen Entwurf mit 50 Stimmen bei fünf Enthaltungen gebilligt. Auch die Vertreter der Staaten, die sich an dieser Integration im Augenblick noch nicht beteiligen wollen, haben im Verfassungsausschuß und in der Sonderversammlung vom ersten bis zum letzten Augenblick aktiv mitgearbeitet und haben durch ihre Sprecher, und zwar durch die Sprecher aller politischen Parteien, ihre vorbehaltlose Zustimmung zu diesem Entwurf und zu dieser wahrhaft europäischen Lösung ausgedrückt. Auf den Bänken der Sonderversammlung fehlte allein — die sozialdemokratische Opposition.
Erlauben Sie mir, mit einigen Worten das Entstehen dieses Vertragsentwurfs noch einmal in Erinnerung zu rufen. Am 15. September hat sich die Sonderversammlung konstituiert. Wenige Tage darauf hat der Verfassungsausschuß seine Arbeit aufgenommen. Bereits am 7. Januar hat die Sonderversammlung in Straßburg die Grundsätze, die wir ihr vorgelegt haben, gebilligt, und am 6. März hat die zweite Lesung dieses Vertrages in Straßburg begonnen, um am 10. März, also genau an dem Tage, der in der Entschließung vom 10. September genannt war, ihren Abschluß zu finden.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus dem Bericht, den der Verfassungsausschuß der Sonderversammlung vorgelegt hat, einige wenige Worte zu zitieren, um Ihnen auch den Geist zu zeigen, in dem gearbeitet wurde und von dem ich glaube, daß er sich in Zukunft bewähren wird. Es heißt in diesem Bericht:
Wie nach dem Jahre 1918, aber mit einer unvergleichlich stärkeren Kraft weckt die Idee
Europa die Hoffnung der Völker und bestimmt die Handlungen der europäischen Regierungen. Diese Idee entspricht nicht mehr lediglich einem politischen Ideal, sondern einer Lebensnotwendigkeit. Nur die auf europäischer Ebene zusammengefaßten Völker werden von nun an in einer Welt sich behaupten können, deren Struktur durch den letzten Weltkrieg erschrekkend vereinfacht wurde. Die politischen Katastrophen, die das Geschehen der letzten Jahrzehnte begleiteten, haben dazu geführt, in Europa wieder das Gefühl einer Solidarität, einer Gemeinschaft auf Leben und Tod zu wecken. Europa empfindet mehr und mehr die Notwendigkeit, sich zu organisieren, sich zu einigen und einen gemeinsamen Markt zu schaffen, ohne den die einzelnen Volkswirtschaften zum Stillstand und schließlich zum Untergang verurteilt wären.
Und es heißt weiter:
Diese europäische Gemeinschaft, deren Grundzüge sich aus diesen Statuten ergeben, wird weder ein Staatenbund noch ein Bundesstaat sein. Sie vereinigt die verschiedenartigsten Elemente der klassischen staatsrechtlichen Konstruktionen. Sie unterscheidet sich allerdings klar und eindeutig von einer lediglich auf internationalen Verträgen und Vereinbarungen beruhenden Koalition oder Allianz. Solche Konstruktionen lassen alle Gegensätze bestehen und werden beherrscht vom Prinzip der Hegemonie. In einer Gemeinschaft, wie sie der Entwurf vorschlägt, wird das Eigenleben der die Gemeinschaft bildenden Völker und Staaten garantiert. Die Hegemonie eines einzelnen Staates oder einer Gruppe innerhalb der Gemeinschaft ist jedoch ausgeschlossen.
Wenn man uns sagt, wir seien auf dem falschen Wege, weil dieses Europa ja ein Klein- oder Kleinst-Europa sei, dann möchte ich auch hier wieder sagen, daß dieses Argument nicht mehr gebraucht werden kann.
Denn einmal kann ich eine Vereinbarung nur mit solchen schließen, die bereit sind, sich einem solchen Vertragswerk anzuschließen,
und zum zweiten glaube ich, daß der Zusammenschluß von 155 Millionen Menschen im Herzen des europäischen Kontinents wahrhaft keine kleine Lösung bedeutet.
Zum dritten aber möchte ich hier feststellen, daß diese Gemeinschaft, wenn sie wird — und ich bin überzeugt, daß sie Wirklichkeit wird —, nicht entstanden ist oder gebildet wurde in dem Gedanken, einen andern europäischen Staat, eine andere europäische Nation auszuschließen, sondern daß sie entstanden ist — und vom Tage der ersten Diskussion an haben wir das in der Mitarbeit mit den Beauftragten und mit den politischen Vertretern Englands und der skandinavischen Staaten unterstrichen —, daß sie begründet wird mit der vollen Zustimmung und mit der Unterstützung derer, die heute aus Gründen, die zu diskutieren uns nicht zusteht, die wir respektieren müssen, an einer solchen Intregration noch nicht teilnehmen wollen.
Ich erlaube mir, an Stelle sehr vieler Äußerungen zwei zu zitieren, die mir bemerkenswert zu sein scheinen. Die eine hat der englische Vertreter, der konservative Abgeordnete Longdan abgegeben. Sie stimmt nahezu wörtlich mit der Erklärung des englischen Abgeordneten der Labour Party Robens überein, der sagte:
Wir alle erleben einen historischen Augenblick, vielleicht einen Wendepunkt der Geschichte. Wir haben den Schlüssel zu Sicherheit und Wohlstand in der Hand. Ich befürchte, daß, wenn Europa sich nicht bald regt und sich in Föderationen oder Konföderationen zusammensschließt, die Vereinigten Staaten und Großbritannien den Glauben an Europa verlieren und sich zurückziehen.
Möge ein solches Unglück nie eintreten! Ich begrüße daher die Arbeit des Verfassungsausschusses und möchte meine aufrichtigsten Glückwünsche dazu aussprechen. Ich glaube, daß ein gutes Stück Arbeit geleistet wurde, und vertraue darauf, daß Sie und wir die Arbeit trotz bestehender politischer Ungewißheiten in bestimmten Ländern zu Ende führen werden und daß ein Plan darüber so bald wie möglich allen nationalen Parlamenten zugestellt werden kann.
Die Tatsache besteht, daß es keine Wahl gibt. Europa muß aufwachen und sich zusammenschließen oder auseinanderfallen und zugrunde gehen.
Kann man da noch sagen, daß diese Lösung sich gegen England richte?
Der dänische sozialdemokratische Abgeordnete Jacobsen hat zu demselben Vertragsentwurf gesagt:
Ich fühle als Europäer den Drang, meine große Bewunderung für den Mut und für die Vorurteilslosigkeit auszudrücken, mit denen die sechs Länder einer neuen Zeit entgegengehen. Gehen sie so weit, wie sie es nur wagen können! Zeigen sie uns ein Beispiel! Eines Tages werden wir hoffentlich folgen.
Ich glaube, daß darauf der Einwand, daß eine solche europäische Gemeinschaft die skandinavischen Staaten von der Mitarbeit ausschließe und deswegen nicht abgeschlossen werden dürfe, wirklich an Glaubwürdigkeit verloren hat.
Allen diesen Verträgen, von denen ich sprach, ist ein gemeinsamer Inhalt eigen. Wir sind uns darüber im klaren, daß die Länder Europas vor der schicksalhaften Frage stehen, ob sie sich in gemeinsamem Bemühen erhalten und den Völkern und Menschen in ihren Ländern eine gemeinsame gesicherte Zukunft bereiten oder ob sie als Balkan der Welt in der selbstgewählten Isolierung in den Kranz der Satelliten einbezogen werden und untergehen wollen. Für meine politischen Freunde und .für mich selbst bekenne ich mich eindeutig zu dem ersten Weg. Nur dieser Weg kann aus den Gegnern von gestern Partner von heute und Freunde von morgen machen. Nur auf diesem Wege kann das verlorengegangene Vertrauen wiedererrungen werden, und nur auf diesem Wege können wir die europäischen Staaten in einer größeren gemeinsamen Ordnung zusammenführen. Nur auf diesem Wege
können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, daß wir in Zukunft wirtschaftliche, politische und — wenn es einmal nötig sein sollte - auch militärische Fragen miteinander und füreinander, aber niemals mehr gegeneinander lösen.
Man wendet nun ein, daß der Deutschland-Vertrag Deutschland nicht die Souveränität in vollem Maße zurückgebe, daß die Vorbehaltsklauseln Gefahren in sich bergen und daß die Wiedervereinigung Deutschlands durch den Abschluß dieser Verträge erschwert werde. Meine Damen und Herren, was ist Souveränität? Die geradezu abergläubische Vorstellung von Allmacht und Unabhängigkeit der nationalstaatlichen Gebilde, die oft als Ergebnis machtpolitischer Auseinandersetzungen auf dem europäischen Kontinent zu Staaten geworden sind, hat zu den verzerrten und den entarteten Vorstellungen eines engstirnigen Nationalismus gehört, die immer wieder den Mißbrauch echter und legitimer Macht rechtfertigen und bemänteln sollen. Ich glaube nicht an solche Souveränitätsbegriffe. In unserem Grundgesetz haben wir uns bereit erklärt, Teile der staatlichen Hoheitsgewalt in eine neue gemeinsame überstaatliche Ordnung einzubringen in dem gleichen Maß und zu dem gleichen Zeitpunkt, wie die anderen es tun werden. Zu diesem Grundsatz stehen wir unverändert. Was dann übrigbleiben wird, ist ein echtes und unverfälschtes Nationalbewußtsein.
Und ich will — das ist der Sinn des Deutschland-Vertrages —, daß uns Deutschen die Möglichkeit wiedergegeben wird, als Deutsche in deutschen Fragen für Deutschland entscheiden zu können. Dieses Recht wird uns wiedergegeben durch den Deutschland-Vertrag, der an die Stelle des Besatzungsstatuts tritt.
Ich will aber nicht auf irgendwelchen Umwegen das Recht verlangen, unter mißbräuchlicher Berufung auf angebliche Interessen des deutschen Volkes gegen Deutschland zu entscheiden. Ich bin tief davon überzeugt, daß jede Entscheidung, die das Vertrauen oder gar den Frieden zwischen freien und demokratischen Völkern stören könnte, deren Zukunft untrennbar miteinander verbunden ist, gegen die echten Lebensinteressen des eigenen deutschen Volkes wäre.
Der zweite Einwand betrifft die sogenannten Vorbehalte. Nun, ich wäre auch sehr glücklich, wenn Vorbehalte in diesem Vertrag nicht mehr nötig wären." Aber ich glaube, sie ergeben sich aus der allgemeinen, aus der internationalen Lage, oder sagen wir nüchterner: sie ergeben sich aus der Tatsache des hinter uns liegenden Zusammenbruchs, der für Deutschland ungeheure Folgen in seinem inneren Gefüge nach sich zog und neue Gefahren nicht nur über uns, sondern über die Welt heraufbeschworen hat.
Der erste Vorbehalt betrifft die Stadt Berlin, und ich glaube, er ist eine notwendige Konsequenz aus der tragischen Situation, in die diese Stadt durch die unseligen Vereinbarungen von Potsdam hineingestellt worden ist. Aber wir sollten nicht vergessen, wenn wir von diesem Vorbehalt sprechen, daß in dem Anhang A zu dem Vertrag die besondere Rolle anerkannt wird, die Berlin für die Selbstbehauptung der freien Welt gespielt hat, und die Verbundenheit der Bundesrepublik mit Berlin unter-
strichen wird. Denn damit wird das Schicksal Berlins dem Schicksal der Bundesrepublik gleichgestellt, und damit wird die Sicherheit Berlins mit der Sicherheit der Bundesrepublik auf die gleiche Ebene gehoben. Die Frage der Sicherheit der Bundesrepublik ist identisch mit der Frage der Sicherheit derjenigen, die diesen Vertrag ratifizieren und die sich ihm assoziieren.
Ich glaube, die Erwähnung der Stadt Berlin in diesem Zusammenhang ist ein guter Ausdruck des Dankes und der Anerkennung, die wir dieser tapferen Stadt schuldig sind.
Der Vorbehalt, der sich auf die Wiedervereinigung Deutschlands bezieht — auf diese Frage selbst werde ich noch zu sprechen kommen —, ist eine logische Folge der Erkenntnis, der sich wohl auch niemand von uns verschließt, daß die Wiedervereinigung von uns allein nicht bewirkt werden kann, sondern nur gemeinsam von denen, die die Verantwortung für die Trennung tragen.
Die sogenannte Notstandsklausel, die durch die eingebauten Garantien auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt worden ist, scheint mir eine unausweichliche Folge der Tatsache zu sein, daß alliierte Truppen weiterhin auf deutschem Boden stehen und, wie ich meine, stehen müssen, um mit uns zusammen unser eigenes Land und unsere eigene Freiheit zu verteidigen, wenn es nötig wird. Es gab ja maßgebliche deutsche Politiker, die verlangten, daß mindestens 60 amerikanische Divisionen in Deutschland stationiert würden und die Verteidigung übernehmen sollten. Meine Damen und Herren, sollten wir denn ernstlich annehmen, daß 1 fremde Kontingente in Deutschland verbleiben, um gemeinsame, aber von uns aus gesehen doch vorwiegend deutsche Interessen zu schützen, wenn wir ihnen das Recht verweigern, in den Fällen, in denen wir selbst die Ordnung nicht mehr zu garantieren vermögen, sich selbst zu schützen? Dann müssen wir konsequent sein und sagen: Wir verzichten auf diese Truppen. Ich glaube, den Mut, das auszusprechen, hat in diesem Bundestag außer einer gottlob nicht anwesenden Minderheit niemand.
Ich möchte mich sehr ernst mit dem einen Einwand auseinandersetzen, der von entscheidender politischer Bedeutung ist, dem Einwand nämlich, das Vertragswerk sei geeignet, die Wiedervereinigung des ganzen deutschen Volkes innerhalb einer freiheitlich-demokratischen Ordnung zu erschweren oder gar zu verhindern. Ich halte es dabei allerdings für unwürdig, in eine Diskussion darüber einzutreten, wer diese Lebensfrage unseres ganzen deutschen Vaterlandes ernster nimmt und wem sie näher am Herzen liegt. Es ist kein Ausdruck des Chauvinismus oder eines übersteigerten Nationalismus, wenn ich feststelle, daß es wohl keinen einzigen anständigen Deutschen gibt, der sich nicht unablässig mit dieser Frage beschäftigt und der nicht mit aller Leidenschaft von den großen Nationen immer wieder verlangt, daß diesem Zustand ein Ende bereitet wird.
Meine Damen und Herren, wir können und dürfen das verlangen, gerade weil wir uns zur europäischen Gemeinschaft bekennen, weil wir uns zur Freiheit bekennen und weil wir den Frieden wünschen. Die unselige Trennungslinie der Zonengrenze zerschneidet nicht nur unser deutsches Vaterland, sie zerschneidet Europa.
Es sind 18 Millionen Europäer, die dem deutschen Volk angehören, die jenseits dieser Trennungslinie in Unfreiheit, Angst und Not leben. Darum ist es auch eine Aufgabe aller freien Völker der Welt, dieses Problem zu lösen. Denn solange noch Menschen in der Unfreiheit leben, ist der Grundsatz der Freiheit nicht verwirklicht. Solange noch Millionen in der Friedlosigkeit leben, ist der Weltfrieden gefährdet;
und solange noch Menschen, die sich mit uns zur europäischen Gemeinschaft bekennen wollen, daran durch brutalen Terror gehindert werden, leidet Europa an einer schmerzhaften offenen Wunde.
Das Wissen um dieses wahrhaft europäische Problem hat auch die Politik der Bundesregierung bestimmt. Gerade darum stehen wir zu den Verträgen, in deren Präambel es heißt, daß sie abgeschlossen wurden „in der Erwägung, daß die Wiederherstellung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands auf friedlichem Wege und die Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung ein grundlegendes und gemeinsames Ziel der Unterzeichnerstaaten bleibt".
Wir wissen auch, daß die Millionen Menschen in der Sowjetzone von uns erwarten; daß wir auf diesem Wege fortschreiten, denn die Sicherung unserer Freiheit ist die Voraussetzung ihrer Befreiung.
Diejenigen, die sich mit der Bundesrepublik zu dem gemeinsamen Ziel der Wiedervereinigung bekennen, unsere Vertragspartner, übernehmen damit die Mitverantwortung für das Schicksal dieser Millionen in der Sowjetzone. Die Unterschrift unter dem Vertrag gilt ja nicht nur der Bundesrepublik; sie macht 66 Millionen Menschen diesseits und jenseits der Zonengrenze zu Schicksalsgenossen der freien Völker der Welt.
Allen denen, die im Auslande — und ich sage das mit Vorbedacht, weil darüber manches gesprochen wird — unsere Absichten aus Unvernunft oder aus bösem Willen in Zweifel ziehen, möchte ich eine klare Antwort geben. Wir wollen keinen Krieg, und wir wollen das letzte tun und auch das schwerste Opfer bringen, um einen Krieg zu verhindern.
Nur ein gefährlicher Narr kann glauben, die Wiedervereinigung Deutschlands könne auf dem Wege einer blutigen Auseinandersetzung zwischen Ost und West erzwungen werden. Deutschland hat wie kein anderes Land der Welt die Schrecken des Krieges kennengelernt. Es will und es darf nicht noch einmal Schlachtfeld und Friedhof werden.
Darum werden wir unablässig und immer wieder verlangen und fordern, daß eine Viererkonferenz zusammentritt, um diese deutsche Lebensfrage zu lösen. Es kann und darf aber nur einen Programmpunkt auf der Tagesordnung einer solchen Konferenz geben: die Wiederherstellung eines geeinten Deutschlands, errichtet auf einer freiheitlich-demokratischen Ordnung und frei in seinen Entscheidungen, soweit sie dem deutschen Volk und der Gemeinschaft der freien Völker nützen und keinem anderen schaden.
Es gibt wirklich nur noch einige armselige Handlanger oder einige beklagenswerte Toren, die nicht wissen wollen, wer bisher die Lösung dieser Frage verhindert hat, die nicht wissen wollen, wer die 18 Millionen Deutschen terrorisiert, wer 18 Millionen Menschen in der Sowjetzone entwürdigt und schändet und ihnen das Recht auf eine freie Entscheidung verweigert. Aber gerade die Ereignisse der letzten Wochen und Monate sollten doch dem letzten Deutschen die Augen öffnen. Ich glaube, wir sollten, wenn wir diese Verträge diskutieren, dieser Millionen von Menschen in der Sowjetzone gedenken,
der Millionen, die dort trotz des Terrors als Deutsche auf deutschem Boden und in der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft ausharren, aber auch der unglücklichen Tausenden und aber Tausenden, die nach dem Westen strömen, weil sie die Unfreiheit nicht mehr ertragen, weil sie aus Furcht, aus Angst um Leben und Existenz lieber alles aufgeben, was sie drüben besitzen, und hierherkommen in ein ungewisses und schweres Schicksal, als weiter drüben auszuharren.
Die Kategorie von Menschen, von denen ich sprach, Toren oder Narren, bestreiten noch die lebensgefährliche Bedrohung der menschlichen Freiheit, der demokratischen Ordnung und der unverzichtbaren Lebenswerte, zu denen ich mich als Deutscher und als christlicher Politiker bekenne. Erfreulicherweise gibt es aber heute — und ich unterstreiche das, was der Herr Bundeskanzler zu diesem Problem gesagt hat — keine Meinungsverschiedenheit mehr zwischen den großen demokratischen Parteien Deutschlands, was das Ziel betrifft. Der Herr Bundeskanzler hat schon festgestellt, daß die starken demokratischen Kräfte in Deutschland sich sicherlich der gemeinsamen Verantwortung bewußt und sich auch darüber klar sind, daß wir einer möglichen Bedrohung gemeinsam begegnen müssen. Auch ich möchte auf den, wie ich wohl annehmen darf, offiziösen Artikel unseres Kollegen Luetkens verweisen, der in der gestrigen Nummer der „Außenpolitik" erschienen ist und aus dem ich ebenfalls, weil mir das gegenüber gewissen Unklarheiten in der deutschen Öffentlichkeit notwendig zu sein scheint, einen Satz zitieren möchte. Der Herr Kollege Luetkens sagt als außenpolitischer Sprecher der SPD:
Die Bundesregierung soll und muß nach Ansicht aller großen Parteien einen militärischen Beitrag zu ihrer Sicherheit leisten.
Über diesen Ausgangspunkt besteht also Einigkeit. Es scheint mir auch keine Meinungsverschiedenheit mehr darüber zu geben, daß wir einer drohenden Gefahr nur gemeinsam begegnen können, weil wir sie allein nicht bannen können. Weiter scheint — auch da könnte ich den Artikel von Herrn Kollegen Luetkens zitieren — völlige Einmütigkeit darüber zu bestehen, daß der Platz Deutschlands unverrückbar an der Seite der freien Völker der Welt sein muß und und daß wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen und müssen.
Wir sind uns also über das Ziel im Grundsätzlichen einig. Nur im Weg unterscheiden wir uns, oder sagen wir richtiger: die deutsche Bundesregierung hat einen klaren, übersichtlichen Weg aufgezeichnet, dessen Etappen durch die von mir genannten Verträge gekennzeichnet sind und der sich bisher als unbestreitbar richtig erwiesen hat. Die Opposition sagt bis zur Stunde nein. Aber
auch heute stelle ich wieder die Frage, die sich unablässig wiederholen wird: Der Bundestag und das gesamte deutsche Volk sowie die Welt haben einen Anspruch darauf, von der sozialdemokratischen Opposition nicht nur zu hören, was sie nicht will, sondern zu erfahren, was sie will.
Solange die Opposition nichts anderes oder gar Besseres vorzuschlagen hat, ist es nicht unberechtigt, die Frage zu stellen: Wenn wir uns über das Ziel im Grundsätzlichen einig sind, würde es dann nicht einer guten demokratischen Übung entsprechen, der Mehrheit das Recht zuzugestehen, den Weg zu bestimmen, auf dem wir das gemeinsam als richtig erkannte Ziel erreichen wollen?
Ich habe schon gesagt, daß wir entschlossen sind, auf diesem Weg weiterzuschreiten. Wir bitten auch die Bundesregierung, sich auf diesem Weg nicht beirren zu lassen. Selbstverständlich weiß ich und wissen wir alle, daß noch manche Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen sein wird. Überall bestehen noch Ressentiments aus der Vergangenheit. Das Mißtrauen, das die Beziehungen zwischen den Völkern so unerträglich vergiftet hat und das immer wieder ein friedliches Zusammenleben unmöglich gemacht hat, ist noch nicht geschwunden. Es gibt eine Reihe von Fragen, die noch einer Beantwortung harren. Wenn ich, ohne einen vollzähligen Katalog aufzustellen, hier einige nenne, die in ihrer Gewichtigkeit sehr verschieden sind, dann möchte ich sie nur als Beispiel nennen, um darzutun, was ich von der Verwirklichung dieser Verträge und von dem' Geist einer echten europäischen Zusammenarbeit erhoffe und erwarte.
Ich nenne zunächst die Saar. Die deutsch-französischen Beziehungen sind durch dieses Problem noch immer gestört. Aber ich habe doch die Hoffnung, daß es gelingen wird, diese Frage aus der, wie ich glaube, schlechten Atmosphäre einer Prestigepolitik herauszulösen. Im Saargebiet wohnen deutsche Menschen. Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs in diesem Gebiet zu sichern, ist eine Frage des beiderseitigen guten Willens, und sie ist lösbar. Aus dem Gebiet der Saar aber einen neuen Staat oder auch nur ein staatenähnliches Gebilde zu machen, scheint mir die schlechteste Vorstellung zu sein, die man vertreten kann.
Wenn wir uns bemühen, eine europäische Gemeinschaft zu gründen, Zollgrenzen und politische Grenzen zu überwinden, die Politik der Länder in der europäischen Gemeinschaft auf allen Gebieten zu koordinieren und zu einer Föderation oder Konföderation zusammenzuwachsen, dann können wir nicht damit beginnen, im Herzen dieses neuen politischen Raumes neue Grenzen zu errichten und neue Vaterländer zu gründen,
Vaterländer, die im übrigen jeder politischen und jeder geschichtlichen Rechtfertigung entbehren und der Vernunft widersprechen. Den Ansatz für eine gute Übergangslösung haben wir, wie ich glaube, im europäischen Verfassungsausschuß gefunden, und ich kann nur hoffen, daß man sich in den unmittelbaren Verhandlungen der beteiligten Regierungen von dem gleichen Gedanken leiten lassen wird.
Aber ich möchte hier auch noch ein Wort an unsere Nachbarn im Westen richten. Ich möchte nach Frankreich sprechen und sagen: Diesseits und jenseits der Grenzen in unseren beiden Ländern und außerhalb unserer Länder weiß man, daß das deutsch-französische Verhältnis die Schlüsselfrage der europäischen Politik sein und bleiben wird.
Wir alle sind mit schweren Hypotheken des Mißtrauens und der gegenseitigen Angst belastet, und ich weiß, daß diese Atmosphäre des Mißtrauens und dieses Mißverstehen nur in einem lange währenden Prozeß völlig bereinigt werden kann. Aber ich sage für meine politischen Freunde und, ich glaube, für eine überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes: Wir haben den guten Willen, alles zu tun, um im Verhältnis zwischen dem großen französischen und dem großen deutschen Volk eine echte und stabile Freundschaft zu errichten, und wir sind entschlossen, alles zu tun, um die Grundlage für eine solche unerschütterliche Freundschaft zu schaffen. Wir bitten allerdings dann auch unsere Nachbarn im Westen, wir bitten die Franzosen darum, daß sie uns glauben und vertrauen und daß auch sie in dem gleichen Geiste wie wir an die Lösung dieser europäischen Schicksalsfrage herangehen.
Meine Damen und Herren, es sind noch einige andere Fragen offen, die wir teilweise in den Entschließungen behandelt haben, von denen der Herr Bundeskanzler gesprochen hat, Entschließungen, die wir anläßlich der zweiten Lesung hier verabschiedet haben, und auch noch andere, von denen ich einzelne — ich sagte es schon — nennen möchte.
Ich gebe der Bundesregierung die ausdrückliche Bitte mit auf den Weg, nichts unversucht zu lassen, um etwa die Frage des deutschen Auslandsvermögens dort, wo sie noch nicht endgültig entschieden ist, sowie des Schutzes der deutschen Warenzeichen und andere wirtschaftliche Probleme in neuen Verhandlungen zu lösen und in diesen Verhandlungen auch darauf hinzuweisen — ich glaube, das wird geschehen —, daß diese neuen Besprechungen dann nicht mehr zwischen dem Sieger und dem Besiegten, sondern zwischen den Partnern des Vertragswerks und im Geist der Partnerschaft stattfinden müssen.
Ich weiß auch, daß es Tausende und aber Tausende gibt, die in Deutschland als Besatzungsverdrängte noch darauf warten, daß sie und ihr Eigentum nicht nur Objekt des willkürlichen Ermessens des Standortoffiziers sind, sondern daß auch die Entscheidungen, die über ihr Eigentum, über ihr Hab und Gut getroffen werden, demnächst aus dem Geist der Partnerschaft und der Freundschaft, in dem allein diese Verträge Bestand finden können, getroffen und revidiert werden.
Das gleiche gilt auch für die Grenzprobleme. Ich erinnere nur an das Grenzproblem drüben an der holländischen Grenze; ich meine, auch das, was dort geschieht — es ist keine politische Frage von grundsätzlicher Bedeutung, aber eine Lebensfrage für den einzelnen Betroffenen —, sollte nicht mehr in dem Geist von 1945 entschieden werden, sondern heute in einem Sinn, der auch den einzelnen Betroffenen sichtbar macht, daß wir zwar noch nicht
in einer europäischen Gemeinschaft leben, aber doch schon in ihrem Geiste arbeiten wollen.
In der letzten Debatte wurde in diesem Zusammenhang auch das Problem der von den alliierten Gerichten verurteilten Deutschen behandelt. Ich komme nicht in den Verdacht, mich zum Sprecher irgendwelcher krimineller Elemente zu machen; aber es gibt — ich habe es schon oft gesagt — zahlreiche Fälle, in denen Deutsche keinen Ausweg aus dem Konflikt zwischen Pflicht und Menschlichkeit fanden. Ich weiß, daß schon unendlich vieles geschehen ist und vielleicht mehr, als die deutsche Öffentlichkeit weiß, um Härten zu beseitigen. Aber ich begrüße es mit besonderer Dankbarkeit, daß ich nach neuesten Informationen, die ich unmittelbar erhielt, heute sagen darf, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika nun- mehr grundsätzlich bereit ist, nicht etwa die Ratifizierung der Verträge und die Errichtung des dort vorgesehenen Board of Review abzuwarten, sondern alsbald in die individuelle Prüfung der Einzelfälle einzutreten und in allen Fällen, in denen es überhaupt möglich ist, mit einem Gnadenerweis einen Tatbestand abzuschließen, den wir dann nicht mehr diskutieren wollen. Ich meine, diese Bereitschaft zeigt schon, daß die Verträge auch vor ihrer Ratifikation schon ihre Bedeutung haben und daß der Geist, in dem die Verträge geschlossen worden sind, schon jetzt seinen Ausdruck findet.
Ich habe eingangs gesagt, daß die Gründe, die uns in der zweiten Lesung zu einem Ja bestimmt haben, inzwischen noch stärker geworden sind. Mit dem Abschluß dieser Verträge wollen und werden wir als gleichberechtigtes Volk in die Gemeinschaft der anderen freien Völker der Welt eintreten. Wir werden mit diesen Verträgen Freunde erwerben, die bereit sind, ihr Schicksal mit dem unseren zu verbinden. Wir werden uns mit diesen Verträgen aus einer Isolierung befreien, die ein bitteres Erbe einer schlechten Vergangenheit war. Wir werden uns mit diesen Verträgen die Unterstützung nicht nur der fünf Staaten, die sich in der Montan-Union und der Verteidigungsgemeinschaft gefunden haben, sondern auch derer sichern, die durch Zusatzverträge ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht haben — Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir werden mit diesen Verträgen einen weiteren Schritt zu einem geeinten Europa tun, dessen Errichtung sechs Staaten im Herzen dieses Kontinents beschlossen haben und an dessen Gründung und Fortentwicklung sich zu beteiligen auch die anderen bereit sind. Schließlich fördern wir mit diesen Verträgen die Wohlfahrt und die soziale Sicherheit nicht nur unseres Volkes, sondern auch der anderen Völker und lösen uns und andere aus der Verkrampfung eines entarteten Autarkiedenkens und aus der Sterilität der Selbstgenügsamkeit.
Gerade weil wir uns aus heißem Herzen zu einem selbständigen und freien Deutschland bekennen, das am friedlichen Aufbau der Welt mitwirken und nicht davon ausgeschlossen sein will; weil wir uns zum Frieden bekennen und wissen, daß wir ihn allein nicht zu sichern vermögen; weil wir uns zu einem ganzen, ungeteilten und wiedervereinigten Deutschland bekennen und wissen, daß wir zur Verwirklichung dieses Wunsches der Freunde be-
dürfen; weil wir uns zur Freiheit bekennen, die vernichtet werden wird, wenn nicht alle Freiheitsliebenden sich zusammenschließen; und weil wir uns zu Europa bekennen und wissen, daß diese Verträge tragfähige Stützen der Fundamente einer europäischen Gemeinschaft sein werden, darum sagen wir j a zu den Verträgen.
Weil wir überzeugt sind, daß an dem Tage, an dem auch die anderen ihr Ja gesprochen haben, und erst recht an dem Tage, an dem uns nicht nur wirtschaftliche und militärische Interessen zusammenführen, sondern die Erkenntnis einer gemeinsamen Zukunft, eine neue Epoche für unser Vaterland und für Europa beginnen wird, sagen wir dieses Ja ohne Vorbehalt, ohne Einschränkung und ohne Mißtrauen.