Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Namens der kommunistischen Fraktion
beantrage ich die Absetzung der dritten Beratung
des Generalvertrages, des EVG-Vertrages und der
Zusatzabkommen von der heutigen Tagesordnung.
Dazu folgende Begründung: Die Behandlung und Verabschiedung der Verträge von Bonn und Paris würde dem für alle erkennbaren Willen des Volkes widersprechen. Das Volk hat ein richtiges Empfinden für die Katastrophe, in die uns die Durchführung dieser Verträge führen würde.
In Tausenden von Beschlüssen von Betrieben und Organisationen, von Zuschriften und Delegationen an die Abgeordneten des Bundestags
ist dieser klare Wille des Volkes zum Ausdruck gebracht worden.
Wer sich dem widersetzt, Herr Mende, der treibt keine deutsche Politik, sondern eine Politik für fremde Interessen.
Überall wird gefragt, was Herrn Adenauer denn veranlaßt haben mag, mit allen Mitteln und unter allen Umständen auf die Verabschiedung der Verträge heute zu drängen.
Die Antwort ist klar. Am 5. März hatte Bonn einen wichtigen Besuch. Der neue amerikanische Außenminister überbrachte an diesem Tag den direkten Auftrag der amerikanischen Regierung an Dr. Adenauer, die parlamentarische Verabschiedung der Verträge zu beschleunigen, so daß er Anfang April die Vollzugsmeldung nach Washington überbringen kann. Der Bundeskanzler hat so gehandelt. Er hat den Termin für die dritte Lesung auf den 19. März angesetzt und er hat den Termin für seine Berichterstattungsreise nach Washington auf den 2. April angesetzt. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren, ist der Bundestag gewillt, amerikanische Aufträge durchzuführen,
oder ist er gewillt, Politik für Deutschland zu machen? Wenn es heute nach dem Willen des Herrn Mr. Dulles und des Herrn Dr. Adenauer geht, ist das .ein offener Bruch des Grundgesetzes. Sie wollen über Gesetz und Recht hinweg mit den Mitteln des Staatsstreiches und den Mitteln faschistischer Gewaltanwendung fertige Tatsachen schaffen. Wenn heute oder morgen die Abstimmung durchgeführt sein sollte, würde sofort der ganze Apparat des Kriegsministeriums Blank spielen, damit in kürzester Frist die Aufstellung der ersten Kaderformationen einer westdeutschen Söldnerarmee vollzogen wird. Wenn es heute oder morgen nach der vorgesehenen Tagesordnung ginge, wäre Westdeutschland das erste Staatsgebilde, das den EVG-Vertrag parlamentarisch billigt.
Sie alle wissen, daß der Widerstand gegen beide Verträge, insbesondere gegen den Militärvertrag, in allen anderen westeuropäischen Ländern täglich im Wachsen begriffen ist. Sie wissen ganz genau. daß insbesondere das französische und italienische Volk niemals seine Zustimmung zu diesem Militärvertrag geben wird, der den deutschen Militarismus erneut zur europäischen Vormacht erheben soll. Sie wissen genau, daß dieser Widerstand in Westeuropa jetzt dazu geführt hat, daß in Frankreich eine Volksabstimmung über den EVG-Vertrag stattfinden soll, über deren Ergebnis es wohl auch hier keinen Zweifel gibt.
Herr Adenauer aber will, weil er den allgemeinen Widerstand gegen seine Politik kennt; auch noch den Abgeordneten die Wahrheit vorenthalten. Noch vor kurzem wurde im Ältestenrat förmlich mitgeteilt, daß den Fraktionen und Gruppen dieses Hauses unverzüglich der Text der französischen Zusatzprotokolle ausgehändigt wird. In der heutigen Sitzung des Ältestenrats wurde mitgeteilt, daß der Herr Bundeskanzler eine solche Unterrichtung des Parlaments nicht für zweckmäßig halte.
Ich frage Sie: Wozu tagt denn dieses Parlament überhaupt noch, wenn ihm die entscheidenden Dokumente vorenthalten werden, wenn der Bundeskanzler seine Geheimpolitik auch gegenüber den Beauftragten des Volkes betreibt?
Ich möchte noch eines erklären. Wir halten die Begründung der sozialdemokratischen Fraktion für ihren Absetzungsantrag für abwegig und politisch gefährlich. Es geht hier nicht darum, gegen Frankreich Front zu• machen, sondern darum, gegen Adenauer und seine amerikanischen Hintermänner Front zu machen.
Herr Erler vertrat in seiner Rede ausschließlich die Wünsche und Forderungen der deutschen Imperialisten, und Herr Dulles wird sich bei ihm sehr bedanken.
Ich erkläre darum, daß wir- den sozialdemokratischen Absetzungsantrag unterstützen werden,
ohne uns jedoch seine Begründung zu eigen zu machen.
Wenn Herr Schröder hier erklärte, man müsse nun endlich aus dem Vorfeld des kalten Krieges heraus, so meinte er offensichtlich damit, man müsse in die Schützengrabenlinien des heißen Krieges marschieren.
Wenn der Bundestag entsprechend unserem Änderungsantrag beschließt, so werden damit neue Möglichkeiten und neue Chancen eröffnet
für eine Verständigung der Deutschen untereinander, für das baldige Zustandekommen einer Viermächtekonferenz und den Abschluß eines gerechten Friedensvertrags mit Deutschland.