Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst den beiden Herren Vorrednern, Herrn Loritz und Herrn Fröhlich, herzlich dafür zu danken, daß sie sich um das Wohl meiner Partei und der FDP soviel sorgenvolle Gedanken gemacht haben. Ich möchte von vornherein betonen, daß wir, wenn wir eine Beratung brauchten, um uns vor dem Wahnsinn zu schützen, uns vermutlich in letzter Linie an Herrn Loritz wenden würden.
Was aber die Verhältnisse in Schleswig-Holstein angeht, lieber Herr Fröhlich, so muß ich Ihnen sagen: man kann ja hier im Bundestag alles, was man will, reden, ohne sich strafbar zu machen; doch muß man mindestens ein bißchen Bescheid wissen.
Im Armenhaus des Bundes in Schleswig-Holstein, aus dem zu stammen ich die Ehre habe, haben alle politischen Parteien sehr viel an Kredit verloren, weswegen ja allerhand Neugründungen erfolgt sind, Neubürgerbund, Deutscher Block, SRP seligen Angedenkens, Schleswig-Holsteiner-Bund, Mittelstandsblock oder Bauernblock. Aber daß gerade FDP und DP besonders schlecht dran sein sollten, — nein, Herr Fröhlich, das ist nicht der Fall.
Nun wollte ich in erster Linie Herrn Dr. Menzel einiges auf seine Ausführungen erwidern, die mir zum Teil wirklich geradezu verwunderlich klangen. Er hat hier über die Stichwahlmethode des Kaiserreiches Bemerkungen gemacht, die fernab jeder Wirklichkeit sind. Im Kaiserreich kamen, wenn kein Kandidat die Mehrheit hatte, die beiden in die Stichwahl, die die meisten Stimmen hatten. Da wurde nichts manipuliert, sondern das bestimmte der Wähler. Manipuliert wurde vielleicht bei Stichwahlen in verschiedenen Wahlkreisen hinsichtlich der wechselseitigen Unterstützung.
Das kam vor. Aber daß da nun ein großer Kuhhandel angefangen hätte, wer in die Stichwahl kommen sollte, — nein, Herr Dr. Menzel, Sie sind anscheinend noch zu jung, um aus eigener Erfahrung zu wissen,
wie es im Kaiserreich zuging.
Im übrigen betone ich: man kann, ohne sich deswegen den Fluch des Gegners zuzuziehen, auf dem Standpunkt stehen, daß das Verhältniswahlrecht das beste sei. Man kann ebenso, wie wir es tun, grundsätzlich auf dem Standpunkt stehen, daß das Personenwahlrecht das einzig mögliche ist. Deswegen braucht man sich gegenseitig weder Verfassungsbruch noch sonst etwas vorzuwerfen.
Wer annimmt, daß die Zustände unter dem Wahlrecht im Reich vor 1914, verglichen mit denen der Weimarer Republik oder auch des heutigen Staates, schlecht gewesen seien, der hat von den Zuständen vor 1914 wirklich keine blasse Ahnung. Denn darüber ist man doch heute von ganz links bis ganz rechts einer Meinung: damals herrschten gegenüber der Zwischenzeit geradezu gesegnete Zustände im Deutschen Reich.
Das Mehrheitswahlrecht wird niemals örtliche Parteizersplitterung verhindern wollen und können. Was es aber kann, das ist: es kann die Vergottung von Personen ausschließen. Wer ist denn im Verhältniswahlrecht gewählt worden? Nicht die örtliche Person und die kleinen Cäsaren, die meistens in ihrem eigenen Bereich vor 1933 gar nichts galten, sondern jeder Wähler wählte Adolf Hitler, weil auf der Liste obenan überall „Adolf Hitler" stand. Das war eben der Zustand der Vermassung des Wahlrechts. Diese Vermassung wollen wir nicht, und daher wollen wir in erster Linie die Person wählen, nämlich die, die im Wahlkreis zur Verfügung steht.
Das alles hat nichts mit „Ermächtigung" zu tun, und was die Listenverbindung im Verhältnissektor anlangt, so finde ich es bedeutend ehrlicher, Herr Fröhlich, wenn man dem Wähler klar sagt: Wenn du uns, Deutsche Partei, in Verbindung mit den Koalitionspartnern, die wir vier Jahre hindurch die Verantwortung getragen haben, nicht
willst, — bitte, wähle uns nicht! Du hast es ja nicht nötig. Wenn du uns aber wählst, so mußt du darüber klar sein: Wir stehen in der Verantwortung für vier Jahre Politik, die wir für grenzenlos erfolgreich halten. Wenn die SPD der Meinung ist, daß diese Politik so ganz und gar erfolglos war, so soll sie uns danken, daß wir uns zusammenschließen; dann kann ja die Majestät des Wählers ihr die „Ermächtigung" geben, uns zu regieren. Deswegen wollen wir doch nun nicht so tun, als wenn das alles Manipulationen wären, um die Regierungspolitik zu verewigen. Es handelt sich einfach darum, daß der Wähler das Parlament in den Sattel setzt, und wenn sich die Koalitionsparteien, jede für sich, im Rahmen ihrer gemeinsamen Verantwortung dem Wähler stellen, hat er allein die Entscheidung, ob er die Koalitionspolitik ablehnt, ob er die Regierungskoalition wählt oder nicht. Das ist der Sinn des Wahlrechts, wobei, wie ich glaube, die überwiegende Mehrzahl aller Befürworter dieses Wahlrechts — halb Verhältnis-, halb Personenwahl — auf dem Standpunkt stehen, auf lange Sicht gesehen sollten wir zum Personenwahlrecht zurückkehren. Aber die Abschaffung des Verhältniswahlgesetzes von heute auf morgen halten wir in der Koalition nicht für durchführbar, weil — darin hat Herr Fröhlich recht — die Parteien noch nicht konsolidiert und integriert sind. Ich meine, wir können nicht nur vor das Verfassungsgericht, wenn es sein soll, sondern wir können sehr wohl auch vor den Wähler hintreten, wenn wir statt der Hilfsstimme die Stichwahl einführen. Auch ich halte das für das beste.
Aber Gedanken um die „Gefahren", die wir bestehen wollen, bitte ich doch den drei Parteiführungen der. Koalitionsparteien zu überlassen und sich nicht durch Herrn Loritz oder Herrn Fröhlich darum weiter groß zu bemühen. Wir danken dafür; aber wir haben solche Fürsorge nicht nötig.