Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine Damen und Herren! Ich möchte an den letzten Satz meines Herrn Vorredners anknüpfen; er warnte, ein neues Ermächtigungsgesetz zu schaffen.
Es wird wieder genau so gehen wie damals. Das möchte ich Ihnen, meine Herren von der FDP und der Deutschen Partei, heute noch etwas ausführlicher darlegen.
Sie helfen diesmal der CDU, Sie helfen diesmal Herrn Adenauer, und Sie werden, wenn dieses neue schändliche Wahlgesetz mit Ihrer Hilfe angenommen sein wird,
die ersten Leidtragenden sein, genau so wie Herr Hugenberg und seine Gesellen, die dem Ermächtigungsgesetz Adolf Hitlers zugestimmt haben, damals die ersten Leidtragenden waren. Bei Ihnen, meine Herren von der FDP und der DP, möchte
man wirklich das Wort Goethes zitieren — —
— Herr Strauß, wollen Sie bitte Ihre kindischen Zwischenrufe doch unterlassen! — Ich möchte Ihnen das Wort Goethes zitieren:
Den Teufel merkt das Völklein nie,
und wenn er es am Kragen hätte!
Und so werden Sie, meine Herren von der FDP und DP, erst wenn es für Sie zu spät ist, merken, wie Sie am Kragen gepackt worden sind!
Herr D r. Lehr sprach in seiner Pressekonferenz von den „artverwandten" Parteien, die sich da zusammenfinden könnten und müßten und die durch dieses famose Wahlgesetz begünstigt werden. Wer, meine Herren von der Deutschen Partei, garantiert Ihnen denn, daß Sie für Herrn Dr. Adenauer auch späterhin noch eine „artverwandte Partei" sein werden? Wer, meine Herren von der FDP, garantiert Ihnen, daß die Sonne der Adenauerschen Gunst auch in einem kommenden Parlament noch über Sie scheinen wird? Wir wissen nicht, welche politischen Entwicklungen hier in diesem Lande möglich sind. Wir wissen nur, daß der Satz „panta rhei" für die deutsche Politik und gerade für sie immer noch gilt. Es ist von Ihrer Seite, meine Herren von der FDP und DP, ein Wahnsinn, wenn Sie einem solchen Gesetz Ihre Zustimmung geben, da Sie doch genau wissen, daß Ihre Stärke niemals bei einem Wahlrecht liegen kann, das das Mehrheitswahl-System in wesentlichen Teilen durchsetzt und von dem Grundsatz der Verhältniswahl weit abrückt; denn auf die Verhältniswahlseite fällt ja nur die Hälfte aller Mandate, die übrige Hälfte wird bekanntlich nach ganz anderen Grundsätzen vergeben. Meine Damen und Herren von der FDP und der Deutschen Partei, Sie haben es in der Hand, ob dieses Gesetz, dieses Schandgesetz, Wirklichkeit wird oder nicht. Sie werden, wenn Sie zustimmen, die ersten Leidtragenden sein. Lassen Sie es sich bitte gesagt sein!
Wie kann man überhaupt in einem Staate, der sich demokratisch nennt, seitens der Regierung einen Gesetzentwurf vorschlagen, nach dem es möglich ist, daß jemand mit der einen Stimme, sagen wir mal, CDU wählt und mit der anderen Stimme gleichzeitig KPD
oder mit der einen Stimme KPD wählt und mit der anderen Stimme Deutsche Partei?
Das ist auf Grund dieses Gesetzes möglich! Ein solches Gesetz, das den Zweck jeder Wahl, nämlich eine Entscheidung des Wählers zu ermöglichen, ob er die Regierungspolitik oder die Oppositionspolitik billigt — das ist ja der letzte Zweck jeder Wahl in demokratischen Ländern —, so verfälscht, ist ein Schandfleck für jedes Land, das sich demokratisch heißen will.
Herr D r. Jaeger hat es sich nicht verkneifen können, mich in seiner Rede zu zitieren. Ich möchte ihm eines sagen: Er meinte, Parlament komme von parlare, von „frei Sprechen"; diejenigen, die das nicht könnten, sollten in ein Kino gehen und nicht ins Parlament. In diesem Punkte, Herr Dr. Jaeger, sind wir ausnahmsweise einmal genau derselben Auffassung. Aber wenn dieses Prinzip durchgeführt würde, müßten vier Fünftel Ihrer Kollegen von der CDU-Fraktion ins Kino gehen und nicht da herein!
Diese Blattableser, die jedesmal, wenn sie hier heroben sind, ihr Bündel Manuskripte aus der Tasche
ziehen und sie dann Wort für Wort herunterlesen
und das noch mit Parlamentarismus verwechseln! Ihre Bemerkung war also bei Ihnen keineswegs am Platze, Herr Dr. Jaeger!
Ich möchte Ihnen aber, nachdem Sie in Ihren Versammlungen in der Eichstätter Gegend und sonstwo immer und immer wieder Windthorst zitieren, doch noch sagen, daß gerade der von Ihnen und auch von anderen Leuten so verehrte Windthorst, der Gründer der Zentrumspartei, es war, der immer wieder mit schärfstem Nachdruck ein reines Verhältniswahlsystem für Preußen und für Deutschland gefordert hat, während Sie etwas ganz anderes haben wollen!
Die Vorredner, namentlich auch mein Vorredner von der SPD, und Herr Dr. Reismann, haben an Hand von Tatsachen so klar und deutlich dargelegt und bewiesen, daß es nicht das Verhältniswahlrecht, sondern etwas ganz anderes war, was zum Aufstieg Hitlers geführt hat, daß ich dem nichts mehr hinzuzufügen brauche. Es war keineswegs das Verhältniswahlsystem, sondern es war die falsche Politik, die Ja-Sagerpolitik von Leuten, von denen ein großer Teil heute wieder hier herinnen sitzt, die zur Katastrophe geführt hat. Diese JaSager von 1933 möchte ich noch besonders ansprechen, indem ich sie warne, ein zweites Mal
der Demokratie eine — —